Halbe Sachen - und trotzdem 300 km - ARA Emsland - "Durch den Teutoburger Wald" (300 km)
"Eigentlich" müsste ich mal untersuchen, wie viele meiner Brevet-Berichte mit einer "eigentlich"-Formulierung starten. Ich fürchte, es könnten fast alle sein. Und so will ich mit der Tradition auch nicht brechen.
"Eigentlich" war der Plan, entweder freitags anzureisen, samstags die Runde zum / durch den Teuto zu genießen und sonntags wieder heimzufahren. Alternativ dachte ich an eine Anreise am frühen Samstagmorgen.
"Uneigentlich" war der Regenerationsbedarf nach dem Flèche-Wochenende doch noch recht hoch. Insbesondere hatte ich mir in der Schlussphase der Heimfahrt irgendwas in der rechten Wade eingefangen. Ich habe der Wade dann einigermaßen Ruhe gelassen, aber schon zur Wochenmitte beschlossen, es ruhig angehen zu lassen und den Beinen nicht gleich wieder ein 500 km Wochenende zuzumuten. Ich würde also nur zum Start fahren, die erste Hälfte des Brevets bis Bad Iburg fahren und dann von Bad Iburg schnurstracks heimwärts gondeln. Und lustigerweise ergeben sich als Gesamtdistanz 300 und ein bisschen km.
Testfahrten mit Velomobil (Donnerstag) und Rennrad (Freitag) ließen immerhin vermuten, dass die Wade wieder ganz ok sein könnten. Also los.
Der Wecker klingelt unerbittlich um 3:15 Uhr. Ich wehre mich erbittert und wälze mich dann doch um 3:30 oder so aus dem Bett. Morgentoilette muss natürlich sein; Frühstück fällt aus. Das M9 steht fertig gecheckt und gepackt in der Garage. 3:57 rolle ich los.
(Die unrühmliche Geschichte mit falsch geladenen Anfahrtstrack und meine daraus folgende Verwirrung erspare ich Euch ;-))
Ich habe einen wunderbaren Track zum Startort Wiethmarschen Lohne "auf Halde" liegen; aber da es so früh ist und die Straßen frei sein würden, habe ich mir einen Expressweg vom BRouter "VM Schnell" routen lassen. Vogelfluglinie unter Nutzung des gelb beschilderten Radschnellwegnetzes. Leider ist die B481 zwischen Greven und Emsdetten im Baustellen-Modus und deswegen (oder außerdem?, muss das nochmal bei OSM überprüfen, ob da nicht eine Info fehlt) für Rad- und Fußverkehr gesperrt. Die auf manchen Abschnitten vorhandenen (gar nich so schmalen) Radwege sind baustellenbedingt ebenfalls nicht wirklich nutzbar. Egal. Keiner unterwegs, ab dafür! - Hüstel. Bis mich dann ein lustig blau-silberner PKW überholt. Doch außer einer Schrecksekunde passiert nichts; die Besatzung hatte wohl anderes zu tun.
Der Rest der Anfahrt verlief ereignislos. In Lohne war ich zunächst verwirrt, warum am guten alten Café Remarque kein einziges Rad zu sehen war. Aber der Start liegt nun im nur wenige 100 m entfernten Sportgelände. Alles gut.
Als ich aufs Gelände rolle fällt mein erster Blick auf
@Burt, der gerade seinen SL vom Hänger bugsiert hatte. Ich parkte dann für ein Guten-Morgen! gleich daneben.
@norfiets und
@I-S-MS wollen mit den Cruz-Bikes los und sind per Hochdach-Kombi angereist. Und da waren auch schon
@Sturmvogel und Peter de Rond in ihren Vögeln. Ein M5-Fahrer war noch da, den ich allerdings nicht kannte.
Der Start erfolgte völlig informell, teilweise fuhren einzelne oder kleine Grüppchen auch schon vor dem Glockenschlag los.
Trotzdem bildet sich natürlich die emsland-typische "Großgruppe", die sehr weite Teile der Strecke zusammen bleiben würde.
Die Spezialräder starten "natürlich" wieder von ganz hinten:

Peter, Heiner und ich fuhren zu Beginn im gut funktionierenden Trio. Ich ahnte allerdings, dass ich nicht "die ganze Strecke" würde mithalten können. Denn der Heiner trainiert sogar Intervalle! ;-) (Nee, der war schlicht beim 200er am Niederrhein schon einen Tick zu schnell für mich.)
Aber nachdem wir das große Feld überholt hatten, lieferten wir uns erstmal ein lustiges Hin und Her mit zwei sehr schnellen Rennradlern. Altobelli, richtig fitte Kerle. Natürlich kamen sie an jeder Kreuzung viel schneller weg als wir, ... aber wir holten sie dann auch rechtzeitig für die nächste Kreuzung wieder ein. Irgendwann haben wir sie dann doch ziehen lassen.
Als aus den leichten Wellen des auslaufenden Emslandes dann doch (für mich) einigermaßen lahme Anstiege werden, schickte ich Heiner und Peter als Kundschafter vor und fahre mein eigenes Schneckentempo.
Hinter Klein Bokem holt
@Burt mich während einer (der super wenigen) Fotopause ein und fährt mir - immer gut in der Landschaft sichtbar - als Karotte voraus.
Interessant, wie er mir auf der Ebene oder hügelabwärts immer wieder zu entfleuchen droht, ich mich hügelan aber oft wieder heranarbeiten kann. Er muss noch entspannter als ich bergauf fahren, denn ich bin doch sehr mit der Schonung meiner Wade beschäftigt. (Die hatte sich nämlich ab km 60 meiner Anreise doch wieder vernehmlich bemerkbar gemacht.) Jetzt meldet sie sich immer wieder mal, nur um kurz darauf wieder Ruhe zu geben. So sollte es den Rest des Tages auch weitergehen.
In Neuenkirchen fungiert eine Bäckerei als erste Kontrolle. Der große Pulk (der mich auch bei Klein Bokem passiert hatte) ist im Aufbruch begriffen. In der Bäckerei steht noch eine erträglich kurze Einen-Stempel-Bitte-Schlange. Für mich zwei Stück Blechkuchen und einen Milchkaffe; Stempel brauche ich heute nicht.
Ich will gerade wieder aufbrechen, da rollt
@norfiets ein. Völlig spontan habe ich Lust auf einen zweiten Milchkaffee.
@I-S-MS kommt kurze Zeit später auch noch dazu. Meine Beine bedanken sich für die Verdoppelung der Pause.
Ingo und Norbert brechen auf (Ingo wohl direkt zum Bahnhof? Ich hab ihn jedenfalls nicht mehr überholt) während ich noch meinen Kram wieder ordentlich im VM verstauen muss. Anschließend wundere ich mich, wie lange es dauert (obwohl das VM sehr gut läuft), bis ich Norbert wieder einhole.
Mich erwartet nun der schwerste Teil meiner Strecke. Es geht in die Gegend von Mettingen, die einen hübschen Vorgeschmack auf das gibt, was noch kommt. Ein dauerndes Auf und Ab. Dann folgen Laggenbeck - Velpe - Ledde. Puuuh. Es wird langsam, und gelegentlich muss ich dann doch mal schlumpfen (Primär-Antrieb 60 auf 11-39 ...). Von Ledde geht es dann über eine teils holprige, aber gar nicht so schlecht fahrbare Strecke, nach Tecklenburg. Mann, mann. Ein leichtes Rennrad wäre hier nicht zu unterschätzen ;-) - Aber immerhin kann ich nicht umkippen.
Und bei Tecklenburg denke ich mir, ... naja, ... schlimmer kann es ja kaum noch werden.
Kaum gedacht kommt Holperdoorp ums Eck ;-) - Hier muss ich ernsthaft oft schlumpfen und schleiche die Ansteige hoch. Immerhin gibt es nun Wasserkühlung von oben. Und immer wenn es in einen Anstieg geht, schwappt das Wasser von der VM-Front in einer kleinen Welle ins offene Cockpit; direkt in den Schritt. Dann macht plötzlich das linke Vorderrad sehr bedenkliche Geräusche und ich halte lieber mal für eine Kontrolle. Es ist aber alles ok. Die nächste Abfahrt geht durch eine 90 Grad Kurve und ich bremse an; ... aber nein, ... ich bin zu schnell für die Kuuuurveeeeee, breeeems. Ich fahre dann mal lieber ein kurzes Stück geradeaus statt mein Glück in der Kurve zu riskieren. Puuh. Die Nässe war ganz schön rutschig auf der vorher staubigen Straße. - Ich bremse von nun an also lieber früh und deutlich in den Abfahrten.
Und so erfreue mich am landschaftlich immer wieder schönen Holperdoorp und nehme die Buckel möglichst gelassen.
Aber da! Der erste Wegweiser nach Lienen, gleich ist es "vorbei". Und richtig, nach der Passage oberhalb von Lienen ist es fast geschafft und es rollt gut den Rest bis Bad Iburg.
Hier möchte ich eigentlich ein verdientes Päuschen mit Eis oder so machen. Das wird aber nichts, es taucht nichts passendes am Wegesrand auf. Ok, dann eben den Track heimwärts geladen und ab dafür! - Gut motiviert mache ich mich auf die letzten 55 km. Es wird ordentlich rollen; erst bergab, dann bekanntes Terrain. Und in einem der Dörfer wird schon eine Eis-Diele ... nein. Kein Eis. Es folgt ein echter Frevel - 20 km vor der eigenen Garagenauffahrt im Dorf mit der besten Eisdiele der Welt halte ich in Everswinkel. Ich *muss* jetzt ein Eis und einen Kaffee haben

Ok, ... dieser Frevel wird dann glatt bestraft, denn ich werde auf dem letzten Stück noch ordentlich begossen. Und als ich vor der Garage stehe und einige Zeit vergeblich nach meinem Schlüssel krame, gibt es noch eine westfälische Prasselregendusche.

Ende.