Würde vermutlich gegen die Randonneursehre verstoßen.
Richtig, aber nicht jede(r) kann das so genau abwägen. Ich erinnere an den Zugspitzlauf 2008, oberhalb von 2000 m dann Schneefall und Sturm. Es gab zwei Tote, der Veranstalter kam vor Gericht - und wurde freigesprochen.
Ich finde jedenfalls, es gibt eine Fürsorgepflicht des Veranstalters und deshalb sollte man bei gefährlichen Bedingungen absagen oder verschieben.
Das ist wieder einmal so eine typisch deutsche Diskussion. Erst einmal kommen alle Bedenkenträger aus ihren Löchern, statt sich konstruktiv zu fragen, worin eigentlich die Gefahr besteht und wie man sie reduzieren kann.
Bei diesem Berglauf auf die Zugspitze war die Situation eine andere: Es war quasi eine All-Inclusive-Veranstaltung, bei der dem Teilnehmer jegliche Organisation abgenommen wurde. Da ist ein Brevet schon vom Konzept her ganz anders, wo man sich im öffentlichen Straßenverkehr bewegt, und sich die Teilnehmer selber um Verpflegung oder technische Probleme kümmern müssen. Außerdem startete der Berglauf im Tal, bei vermutlich angenehmem Wetter, und ging in das Hochgebirge, wo man fernab der Zivilisation dem Wetter voll ausgesetzt ist, während ein Brevet durch Ortschaften mit Restaurants, Supermärkten, Tankstellen und Bahnhöfen verläuft. Da findet man immer was, um sich unterzustellen oder aufzuwärmen. Es mag unangenehm werden, aber lebensgefährlich eher nicht. Man kann durchaus bei Temperaturen um den Gefrierpunkt noch radfahren.
Natürlich ist ein Brevet bei Schnee schon deutlich härter. Aber das gehört dazu. Schließlich sind 200 km nicht übermäßig viel, das sollte auch bei härteren Bedingungen noch klappen, falls man 600 oder 1200 km anstrebt. (Und bei solchen Entfernungen ist es viel wahrscheinlicher, dass man von einem Unwetter erwischt wird.) Ich sage nicht, dass mir solche Bedingungen nichts anhaben können – aber das Wetter ist Teil der Prüfung, wozu angemessene Kleidung und ein passend ausgestattetes Rad dazu gehört. Und ein Brevet wird eben an dem Termin gefahren, an dem es geplant wurde. Kann ja jeder trotzdem abbrechen wenn es zu hart ist oder man sich an dem Tag nicht fit fühlt. Dann muss man es eben durch ein anderes Brevet kompensieren – z.B. an einem anderen Startort, oder durch ein zusätzliches längeres Brevet.
Ich bin mal ein 300-km-Brevet mit dem Liegerad in Norwegen gefahren. Das war in vielerlei Hinsicht das komplette Gegenteil von Karls Brevets; während Karl einen sehr detaillierten Streckenplan hat, weil er die Strecke über winzige Nebenstraßen führt, passte dort alles auf eine Schreibmaschinenseite (einseitig) – im Norden gibt es einfach kaum Straßen, so dass man 300 km rüber nach Schweden und zurück mit einem knappen Dutzend Abzweigungen komplett beschreiben kann. Am Start hat es geschüttet wie aus Kübeln; und entsprechend hat sich die große Mehrheit der Fahrer entschieden, nicht zu starten, sondern es am nächsten Tag zu fahren. So etwas war mir vollkommen fremd. Seit wann hat man Anspruch darauf, dass jedes Brevet eine gemütliche Kaffeefahrt ist? Wie will man denn dann bei langen Brevets zurecht kommen, wo einem auf einer Tour fast alle Jahreszeiten begegnen können? Mit einer Handvoll Leute bin ich dann an den Start gegangen; die ersten gut 100 km hat es geregnet, aber dann war es trocken, und abends kam sogar etwas die Sonne raus. War in der Summe ganz gut machbar; jedenfalls deutlich besser als der erste Eindruck. Und auch bei anderen harten Brevets (wie z.B. 11 Stunden durch strömenden Regen in der Nacht im französischen Jura oder durch den ersten Herbststurm beim Brevet Paris–Hamburg 2017) habe ich keine schlechten Erinnerungen, sondern es war jeweils eine sehr intensive Erfahrung, die deutlich in Erinnerung bleibt (erst recht die positiven Aspekte).
TL;DR: Kann schon sein, dass die Bedingungen hart sind. Dann passe dich an oder gibt zu, dass es dir zu hart (oder deine Ausrüstung ungenügend) ist – aber mach’ nicht den Veranstalter verantwortlich.