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Das wage ich in der Bilanz stark zu bezweifeln, hängt aber natürlich auch davon ab, wie man Effizienz definiert. Im direkten Vergleich während des Fahrens mag das Pedelec effizienter sein und dem Menschen weniger Energie abverlangen, aber für mich zählt zur Effizienz der gesamte Vorgang, von der Herstellung, über den Transport zum Verbraucher, bis hin zur Entsorgung. Und da dürfte der Effizienzvorteil des Pedelecs schon sehr fraglich sein.ein aufrecht-Pedelec ist effiziente als das SELBE Rad, ohne MOtor
Ähnliches gilt für den angeblichen Zeitgewinn durch den Motor, der natürlich vor allem bergauf ein schnelleres Vorankommen ermöglicht.
Zu mir hat mal ein Junge gesagt: "Du bist aber arm dran, weil du dich bergauf anstrengen musst auf deinem Rad und die Autofahrer nicht." Dem habe ich geantwortet: "Die Autofahrer müssen sich auch anstrengen, allerdings nicht beim Fahren, sondern wenn sie sich das Geld für das Auto verdienen."
Den Gedanken habe ich übrigens bei Henry David Thoreau und Ivan Illich geklaut.
Ivan Illich hat schon in den Sechzigern erkannt, dass Geschwindigkeit etwas sehr Relatives ist und die angeblich schnellen Verkehrsmittel oft gar nicht so schnell sind, wenn man den ganzen Aufwand an Geld und Zeit berechnet, der in sie investiert wird. So gesehen ist in der Nettobetrachtung ein ganz normales Dreigangrad vom Sperrmüll möglicherweise schneller als das schnellste Velomobil, wobei dabei natürlich auch noch ganz andere Faktoren hineinspielen, die dann aber oft nicht auf reiner Vernunft basieren. Die Teile machen halt einfach Spaß, fallen unter Hobby , usw..., nur schneller ist man damit summa summarum halt oft nicht.
Ganz abgesehen davon liegt meine Hauptpriorität bei meinen Fortwegungsmitteln nicht bei Geschwindigkeit oder Effizienz, sondern wie ich mich darauf fühle und wie konvivial sie sind. Diesen Begriff hat auch Ivan Illich eingeführt. Er kommt von lat. con( zusammen) und vivere(leben). Nicht ganz einfach zu übersetzen, am besten lässt er sich wohl mit den Begriffen "sozial verträglich", "umweltfreudlich" und "nachhaltig" umschreiben.
Das pure, nackte Fahrrad ist geradezu ein Muster an Konvivialität: Es lässt sich mit vergleichsweise wenig Energieaufwand herstellen, reparieren, transportieren, ist auch ärmeren Schichten zugänglich, benötigt keine aufwendige Infrastruktur, und lässt sich vor allem am Ende seines Daseins relativ problemlos entsorgen. Selbst wenn alle Menschen auf dieser Welt ein Fahrrad besitzen, belastet das die Umwelt nur in vergleichsweise geringen Maße.
Natürlich liegen Pedelecs näher bei den Fahrrädern als bei Autos oder Flugzeugen, aber sowohl bei der Produktion wie auch bei der Entsorgung gibt es schon deutliche Abstriche auf der Konvivialitätsskala.
Und genau darum sollte es meiner Meinung nach auch in Diskussionen wie diesen gehen: Wie können wir dazu beitragen, dass Pedelecs sowohl in in der Benutzung, wie auch in der Energiebilanz möglichst nahe beim Fahrrad bleiben? Und wie können wir verhindern, dass durch die zunehmende Vermarktung und Verbreitung von Pedelecs erneut diese offenbar immer wiederkehrende und sich nach oben schraubende Motorisierungsspirale in Gang gesetzt wird, bei der die Motoren immer größer und leistungsfähiger und die Pedale immer alibimäßiger werden?(Von @Christoph S. in einem anderen Thread sehr anschaulich illustriert.)
Niemand hier will Pedelecs verbieten, hält sie für Teufelszeug oder will Pedelec-Fahrer verbrennen, steinigen, verdammen, verunglimpfen oder dergleichen, zumindest habe ich nicht diesen Eindruck. Vielmehr haben einige von uns Bedenken, was die massenhafte Verbreitung von Pedelecs in naher Zukunft anbelangt, was also z.B. passieren wird, falls sie defaultmäßig das normale Fahrrad ablösen. Der gefühlte Pedelec-Anteil am Chiemseeradweg liegt übrigens bei ca. 80%, Tendenz steigend, da wird also das Fahrrad ersetzt und nicht das Auto.
Es wäre also schön, wenn sich die Diskussion von der Frage wegbewegen könnte, ob das Pedelec gut oder böse ist, meines Wissens hat die grundsätzliche Existenz hier niemand im Frage gestellt, sondern wir uns der Frage zuwenden, wie wir den Fahrrad-Charakter, und somit die Konvivialität des Pedelecs am besten erhalten können, und wie die Attraktivität des normalen Fahrrades weiter gesteigert werden kann.
Grabenkämpfe dienen wirklich niemandem, die nützen nur denen, die uns in den Graben drängen wollen.