Eigentlich bin ich kein Rekordfahrer
„Das kann auch genau ins Gegenteil umschlagen. Das ganze Leben und alle bisherigen Mühen laufen jetzt auf genau diesen einen Punkt zu. Schaff ich das wirklich? Was, wenn ich den Rekord nicht schaffe oder gar abbrechen muss? So viele Leute haben Zeit investiert, die würden dann alle enttäuscht. Und das ganze Internet schaut zu.
Lässt man solche Gedanken zu, knickt man ein, will man stattdessen der Held sein, überpaced man und knickt ein.“
Besser als
@Mike C kann man es nicht beschreiben!
Und
@Radler fand dann gleich mein einleitendes Zitat für den Faden, welches dieses Szenario vorausnahm.
Aber von Beginn an: Ich wollte mit dem Rekordversuch immer offen umgehen, ein paar Einblicke geben, Lernschritte und Entwicklungen reingeben. Das ist immer mit dem Risiko verbunden, dass man sich lächerlich macht. Öffnung bedeutet immer auch angreifbar zu sein.
Ganz zu Beginn war mehrfach die Frage, warum ich das denn mache, es passt nicht zu mir. Stimmt. Ich bin kein Rekordtyp. Also kein Sportler dem es auf Superlative ankommt. Ob Berge, Distanzen beim Laufen oder Aktionen im Radsport, mir war die Aktion immer viel wichtiger als die „Medaille“. Ich nenne mal ein Beispiel und mir ist bewusst, dass das für einen Großteil etwas schräg klingt, zeigt aber meine Motivation: Ich bin im Jahr 2000 in Patagonien zum Klettern gewesen. Auf einem Inlandflug sah ich Patagonien von oben. Ein riesiges Gebiet, keine Straßen (also so gut wie keine), Berge, Seen… So sah für mich ein Traum von oben aus. Noch im Flugzeug wusste ich, dass ich da mit dem Fahrrad durchfahren möchte. 2003 bin ich dann 7.000 Km komplett durch Patagonien geradelt. Und der Traum hat sich erfüllt. Nach der Aktion habe ich ein paar Vorträge gemacht, wurde dabei als Extremsportler, Outdoorexperte o.ä. anmoderiert. So wie jetzt auch als Ultraradfahrer, Extremradsportler usw. Ich mag die Titel nicht, ich brauch die Titel nicht, die Welt außerhalb braucht sie aber scheinbar.
Was für mich bleibt sind: 29 Stunden und 57 Minuten im Flow. Und jetzt werden (berechtigterweise) viele sagen, dass das nicht geht. Geht doch, die Tiefs gab es natürlich trotzdem und das möchte ich aufzeigen.
Über die ersten Gedanken dazu beginnt schon der Faden. Es fing aber noch etwas früher an. Im letzten Sommer fuhren wir in den Urlaub nach Dänemark. Der neue Milan musste eingefahren werden und so bin ich die Hintour mit einer Übernachtung bei
@Axel-H in zwei Etappen nach DK gefahren. Die Rücktour bin ich dann in einem Rutsch gefahren und war auch nicht so langsam dabei. Meine sonstigen Langstrecken sind ein wichtiger Grundstein, aber die Fahrt von DK in die Heimat war die Initialzündung. Da kamen die Eindrücke von Rolands Rekordtour und meine Erfahrungen zusammen und ich dachte nur: Das ist im Bereich des Möglichen.
Nach den ersten Kontakten gab es positive Rückmeldungen und ich habe mich mit dem Plan ins Forum gewagt. Mein gutes Netzwerk hat sofort genügend Verrückte für einen Start generiert. Es sollten dann immer noch mehr werden. Zum Glück war
@Fritz von Beginn an dabei (zweiter Eintrag im Faden). Allein hätte ich das nicht stemmen können! Unterstützer und Sponsoren waren schnell dabei. Zudem hatte sich
@eisenherz bereit erklärt, über DropLimits eine Plattform zu bieten. Der Rahmen stand also.
@roland65 und ich arbeiteten zu dem Zeitpunkt schon ein Jahr zusammen und wir fingen an, das Jahr aus Trainingsperspektive zu strukturieren.
Und für Einige kam das vielleicht so rüber, dass ich den Rekord locker eingefahren habe. Ja, war auch locker. Aber was davor an Arbeit stattgefunden hat, können nur wenige sehen. Auch wenn Roland versucht hat das Training so abwechslungsreich wie möglich zu gestalten und es ihm auch gelungen ist: Training für so eine Leistung ist richtige Quälerei! Mein Zwift Konto zeigt jetzt 6.290 Km und 142.657 Hm für 1,5 Jahre an. So eine Rekordvorbereitung spielt sich also viel im Keller auf der Rolle ab. Du hast 4-5 Rolleneinheiten pro Woche und am Wochenende dann die langen Einheiten. Der Schweiß, die Anstrengung bei intensiven Einheiten, dir bleibt die Luft weg, es geht fast nichts mehr. Das Leiden lernt man also im Laufe der Zeit und es führt dazu, dass man das dann viel weniger empfindet bei der eigentlichen Fahrt.
Aber auch die Langstrecken in diesem Jahr waren alle im Trainingsplan eingetaktet. Eigentlich hatte ich nur wenige Fahrten, die richtig gut liefen. Dann kommen die Fragen: Warum trainierst du so viel und dann tut sich so wenig? Nach jeder Langstrecke habe ich immer wieder gefeilt an der Einteilung, der Ernährung, der Motivation bei Nachtfahrten, den richtigen Klamotten, damit nichts scheuert etc. Das ganze Training lief auf diese eine Fahrt hinaus. Was machst du, wenn das dann nicht hinhaut?
Und dann kommt der Tag, du bist auf mind. 600 Km Leiden eingestellt. Und was passiert? Nichts. Es läuft einfach (das hatte ich schon beschrieben).
Besser konnte es nicht laufen. Aber der Weg dahin war lang und mit mega viel Arbeit verbunden. Die Vorbereitungen waren viel, viel fordernder als das eigentliche Event.