Und Velowerk antwortete mit einer weiteren ausführlichen Antwort:
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Moin Flowi,
aus allen meinen Infos mache ich keine Geheimnisse, kannst Du also gerne öffentlich stellen. Wer einen auf Geheimwissen macht, hat nach meiner Erfahrung nur zu verbergen, dass er eigentlich keine Ahnung hat.
Nach unseren Messungen kommen die neuen schlauchlosen Schwalbe Rekordreifen (Pro One TT), wenn sie schlauchlos auf sehr breite Felgen montiert werden schon recht nahe an die Conti Erlkönige heran, leider streuen sie etwas, ein paar sind mal besser und andere sind schlechter, während die Contis immer sehr gleichwertig sind und etwas besseren Pannenschutz haben. Die muss man aber schon mit den PU Schläuchen oder Latex fahren, damit sie mit den schlauchlosen mithalten können, breite Felgen helfen natürlich auch immer. Der Erlkönig Auftrag bei Conti hat uns gut 50 000,-€ gekostet, allein nur das Anlegen der Daten für die Fertigung kostet schon und dann ist noch kein einziger Reifen produziert und wir mussten pro Größe auch gleich ein paar hundert abnehmen. Wir haben dann zwar sehr gute Reifen bekommen, vor allem faltbar und super aufzuziehen, aber sie blieben andererseits ganz weit hinter unseren Erwartungen zurück, wir wollten den Rollwiderstand im Vergleich zum Serienreifen GP nicht nur um 20-30% reduzieren sondern auf die Hälfte, gleichzeitig mit einem dickeren Laufstreifen, damit der Reifen auch ganz lange hält. Wir haben ja auch nicht den von uns spezifizierten Reifen bekommen, sondern das, was Conti ohne Probleme mal eben als High-End Reifen fertigen konnte, eben wenn Geld keine Rolle spielt.
Aus der Enttäuschung heraus haben wir danach keine weiteren Vorstöße unternommen, auch weil wir gemerkt haben, dass sich alle anderen Dreiradhersteller überhaupt nicht für das Thema interessieren, obwohl es ihre Produkte richtig weit nach vorne bringen könnte, so deutlich bessere Reifen zu haben. Unsere Kollegen sind mehr die Kaufleute, die nur danach fragen, was so ein Reifen denn kostet. Als beim Citroén DS erstmalig Gürtelreifen beim Auto in Serie aufkamen (von Michelin) waren die auch mehr als doppelt so teuer, hielten aber im Vergleich zu Diagonalreifen fast ewig und boten eine viel saubere Straßenlage. Während ein Diagonalreifen sich immer etwas schmierig anfühlt, dafür allerdings auch weicher die Straßenstöße abgibt, ist ein Radialreifen wie eine Panzerkette auf der Straße und führt die Achsen sehr exakt, ist deshalb auch heute der Standard geworden, - selbst bei Motorrädern, die sich ebenfalls in der Kurve schräg legen, soviel zur Mähr, dass Gürtelreifen nichts für Zweiräder sind. In den 70er Jahren hatte ich damals schon Gürtelreifen von Metzler für mein Fahrrad, die rissen leider in den Flanken auf und Metzler hat sich aus dem Geschäft zurückgezogen.
Bei einigen Fragen merke ich, dass ich vermutlich erst einmal das grundsätzliche Wissen zu dem Unterschied von Diagonalreifen (fast alle Fahrradreifen), V-Ply Reifen (die Reifen der ersten sehr schnellen Rennwagen und hochbelastete Maschinen bekommen solche Reifen) und Radialreifen an das Forum vermitteln müsste. Das wäre eine lange Geschichte, deshalb nur schnell Antworten zu den Überlegungen:
Der tolle Michelin Radial Reifen ist auch als weiterentwickelter Reifen nur unter Vorbehalt für Fahrräder geeignet. Bei Fahrrädern soll der Reifen auch leicht und mit minimalem Materialeinsatz trotzdem sehr robust sein. Radialreifen sind in der Flanke aber prinzipiell im Vergleich zu einem Diagonalreifen sehr empfindlich, beim Automobil macht man die Flanken einfach sehr dick, so dick, dass der Vorteil im Rollwiderstand schon fast wieder verloren geht, aber so ein PS-Monster holt sich an der Tanke den Sprit den es braucht, da spielt auch der ebenfalls hohe Luftwiderstand dann keine Rolle. Wir haben deshalb auf den V-Ply Reifen gesetzt, den hat Conti sich bereits mehrfach mit Patenten abgesichert, diese Technik kommt zwar nicht auf den letzten Prozentpunkt an den Radialreifen dran, wenn es um den minimalen Rollwiderstand geht, aber im Alltag hätte solch ein Reifen nur Vorteile.
Wir wollen im Velowerk in den nächsten Wochen mit allen MitarbeiterInnen unsere Schwerpunkte für die Entwicklungen in diesem Jahr festlegen, einiges steht schon fest, aber anderes muss noch in der Prioritätenliste eingenordet werden. Bei den Reifen würde es für uns Sinn machen, wenn auch die anderen Mitbewerber mit uns an einem Strang ziehen würden (Damals haben sich nur Ginkgo, feine Veloteile, Velomobilize in Österreich und unsere Lizenznehmer in Kanada an unserem Projekt kostenmäßig beteiligt), dann könnte man einen zweiten Anlauf nehmen, oder wenn ein Investor/Cloud- Gruppe den Mut hat, in solch eine neue Technik entsprechend mit Vorleistungen zu investieren. Die Reifenhersteller, egal welcher, verdienen an dem alten Kram ohne Risiko so gut, dass es keinen Grund gibt, aus eigenem Antrieb etwas zu ändern, ist zumindest mein derzeitiger Eindruck.
Ein wenig Know How könnt Ihr bestimmt aus meinem Reifenvortrag beim letzten Velomobilseminar in Dornbirn bekommen, da gibt es auch schöne Bilder, die wir vom Reifenaufstand von unten durch eine Glasplatte gemacht haben, das erklärt einiges (Lars sei Dank, der hat die tollen Fotos gemacht und die Ideen geliefert).
Danke für Euer Engagement, Helge