- Beiträge
- 7.884
Da meine Mitfahrer ihre Erinnerungen hauptsächlich für sich selbst behalten, haue ich mal den nächsten Tag raus (wer weiss wann ich angesichts der Bahnstreiks mal wieder in Ruhe zum Schreiben komme), natürlich mit Film:
16. Tag
Harsz – Stegna, Polen
236 km
Nach so viel Ruhe bin ich heute schon kurz nach 5 Uhr munter und stelle bald fest, nicht der Einzige zu sein, dem es so geht. Um halb sechs regt es sich hier und da, während von den Velomobilen der Morgentau heruntertropft.
Am Vorabend beim Riders Meeting waren die Gemüter in der Erinnerung auf die Marterstrecken der Fahrt nach Harsz noch einmal in Wallung geraten; die Route für heute führe ja wieder über etliche Kilometer jenes Typs kleiner Straßen, auf denen sich die Hirnwindungen verknoten vor lauter Schüttelei, das wolle man nicht und könne man nicht noch einmal aushalten. Verschiedene Ratschläge werden laut und die Suche nach Hauptstraßen beginnt, auch getrieben von der idealistischen Vorstellung, diese befänden sich allesamt in tadellosem Zustand. Im Ergebnis wird eine kleine Modifikation der Route vorgenommen: die kleinen Straßen zu Beginn werden begrenzt, nach einem kurzen Schlenker gen Westen wollen wir auf kleiner Straße zwar aber direkt nach Norden fahren, um möglichst rasch größere Straßen zu erreichen. Später am Tag gibt es ebenfalls noch eine Ausweichempfehlung für diejenigen Teilnehmer, die ab Pieniezno lieber einen Umweg fahren als in Rüttelpisten geraten wollen.
So beruhigt, geht die Tour den Morgen gelassen an. Etwa die Hälfte mit Nina und mir hat das Angebot des Campingwirts angenommen, um / Uhr noch bei ihm zu frühstücken, und er gibt sich alle Mühe, uns zügig und schmackhaft satt zu bekommen. Die anderen fahren schon einmal vor. Gegen 8:15 oder etwas später folgen wir auch.
Das erste Stück entpuppt sich als angenehme Überraschung. Die Straße ist klein, aber neu und der Belag ist tadellos. Zügig und oft im Schatten der Alleebäume rollen wir an diesem wieder wunderschönen Morgen dahin, kein Hügelchen kann die gute Stimmung trüben. Die anschließende „größere“ Straße Nr. 650 ist kaum breiter, etwa Kreisstraßenformat nach deutschen Maßstäben, aber immerhin bereits erneuert. Derzeit tobt sich das Infrastrukturbudget im Bau eines separaten Radwegs aus, der zu unserem Glück noch nicht ganz fertig und nicht freigegeben ist. So begegnen uns die nicht sehr zahlreichen Verkehrsteilnehmer mit Neugier und Rücksicht. Die Landschaft jenseits der großen Seen ist nun wieder wie vorher, leicht gewellt, mit riesigen Getreidefeldern links und rechts unserer schattigen Allee, im weiteren Verlauf erreichen wir den jüngsten Teil der Straßenerneuerung und dann bald auch Srokowo, wo die Route geradeaus wieder auf eine kleinerer Strecke nach Barciany führt, wo wir auf die Nr. 591 auffahren dürfen.
Es wird rumpliger läuft aber gut, noch immer kein Vergleich zu den Erlebnissen vorgestern. Die Wellen sind sanft; ich habe den Eindruck, es herrscht eine gewisse Abwärtstendenz, so gut läuft mein Quest. Die einzige Abwechslung unter den Alleebäumen bilden die nun wiederholt auftauchenden Mähdrescher auf dem Weg zum Einsatz; sie nehmen fast die gesamte Breite der Straße ein, und das obgleich sie ihr Mährwerk längs hinterher ziehen. Es ist schön hier, sehr friedlich und gelassen, das weite Land und die kleinen Straßendörfer verbreiten eine positive Stimmung, jedenfalls bei mir. Alles ist unspektakulär, scheint aber in sich zu ruhen, das Land ist fruchtbar und wird eifrig bestellt, die Häuser machen einen insgesamt gepflegten Eindruck. Jungstörche stehen in ihren Nestern herum und beobachten gelangweilt die bunten Dragees, die unten am Boden vorbeirauschen, so als sähen sie dergleichen alle Tage (diesen Gleichmut teilen die masurischen Störche mit den Hunderten, die wir im Baltikum schon sahen ...), ganze Elternstorchscharen sieht man in niedriger gelegenen Wiesen auf der Jagd.
Später, auf der 591/590, rollt es noch besser, dieser Teil wird für viele von uns die schnellste Etappe dieses Tages, gut ausgebaut, Vorfahrtsstraße, wenig Verkehr, immer wieder leichtes Gefälle. So macht das Fahren Spaß und ehe man sich versieht kommt Bartoszyce näher und ich rolle geradeaus ins Zentrum mit ansehnlichen alten Häusern an der Fußgängerzone. Für ein Mittagessen ist es irgendwie zu früh, noch nicht einmal halb 11, wir haben erst um die 90 km auf der Uhr. Aber es gibt schönen Schatten unter einigen Bäumen, eine bekannte deutsche Drogeriekette hat direkt gegenüber eine Filiale zur Hand mit gekühlten Getränken; also legen wir eine Pause ein, etwas trinken, ein paar Snacks und einige Gespräche mit den Einheimischen, bevor die Reise weitergeht.
Die Weiterfahrt, jetzt wieder auf Nebenstrecken, die die Federn fordern, bleibt trotz einiger Schüttelei recht zügig und angenehm. Es ist heiß geworden, das kann auch der Schatten der Alleebäume nur lindern, nicht aufheben. Nach einigen links-rechts Kurven verabschiedet sich mit scharfem Knall der Luftdruck meines Hinterreifens; das Tempo war zum Glück nicht so hoch dass ich das Quest nicht kontrolliert zum Stehen gebracht hätte, etwas schlingernd zwar aber gefahrlos. Die Flanke hatte sich wundgescheuert am Radkasten oder der Karosserie (der Radausschnitt der Carbon Quests ist knapper gehalten als ich das von meinem GFK-Quest kannte), irgendwann kommt dann der Schlauch auf einer Stelle durch und beendet die Fahrt. Es ist das zweite und bisher letzte Mal, dass mir dies auf Tour passiert; ich montiere einen neuen 50-559 Kojak (im Heck hinter dem Ritzelpaket hat ja eine ganze Reifensammlung Platz) und einen neuen Schlauch. Glücklicherweise hat Nina gehalten, so dass ich die ersten 4,5 bar mit ihrer großen Pumpe einfüllen kann und nur den Restdruck mit der Minipumpe (die ein Manometer hat) erledigen muss – sonst wäre ich doch arg ins Schwitzen geraten bei dieser Hitze. Es ist übrigens der einzige Plattfuß der gesamten Reise für mich.
Später prüfe ich den Sitz des Rades, alles tadellos und fest. Offenbar walkt der fette Kojak in schnellen Kurven und scheuert dabei an der Karosse (auf der rechten Seite). Der Abstand ist gering, deutlich geringer als auf der linken Seite. Nach wenigen Tagen wird auch der neue Kojak auf dieser Seite wieder einen Reibrand aufweisen. Nach der Tour wechsle ich deshalb auf einen 35-559 Durano.
Mit Nina geht es nun weiter nach Westen. Nach gut 140 km ist Pieniezno erreicht, hier legen wir eine weitere Snackpause am Straßenrand ein; und wir müssen entscheiden: Nehmen wir die längere Strecke nun wieder auf einer größeren Straße oder bleiben wir auf kleinen Strecken und fahren die vorgesehene Route, wobei das nächste Stück laut Karte noch ein bisschen mehr „Neben“ als „Strecke“ sein wird. Wir wagen es und geraten bald schon auf ein Knochenbrecherstück. Oje, was tun? Es scheint jedoch nur kurz zu sein, wir arbeiten uns durch und, in der Tat, es wird besser, lässt sich sogar ordentlich fahren. Im nächsten Dorf lauert wieder Kopfsteinpflaster, wir rollen über den Bürgersteig durch. Danach wieder angenehme Straße, klein, schmal und schnuckelig, schön zu fahren. In den folgenden Dörfern lernen wir das Muster kennen – die Straße ist erneuert und dabei so eng geblieben wie zuvor, so dass auch alle Bäume stehen bleiben konnten, und in den Dörfern wurde das Kopfsteinpflaster erhalten, von wegen der Nostalgie und damit die Touristen nicht so durchbrettern. Wir tun es jedenfalls nicht, sondern schleichen durch.
Auch diese Weg haben ein Ende, und so schlecht war die Fahrt insgesamt nun doch nicht, nur 20 km und wir biegen wieder auf eine größere Straße, die Nr. 509 ein. Auf ihr erreichen wir hügligeres und waldreiches Terrain, es wird voller auf den Straßen. Die Route führt durch ein ausgedehntes Waldgebiet mit Wildtierparks. Die aus meiner Sicht wichtigste Attraktion lässt auf sich warten: Irgendwann muss doch die Abfahrt nach Elblag kommen, mit der wir das Hügelland verlassen und in die weite, flache Danziger Bucht hinunterfahren!
Aber sie kommt nicht. Die anderen habe ich irgendwo hinter mir gelassen, der Touristenverkehr nervt, meine Kamera hat seit der Mittagsrast in Pieniezno keinen Saft mehr, das Handy ist auch recht abgemolken, und noch immer keine Abfahrt ... schließlich kommt sie doch, und entschädigt für die Warterei. Elblag liegt vor mir und dahinter nur flaches Land, soweit erstmal das Auge reicht. Durch die Stadt und auf der E77 wieder raus, um nach kurzer Zeit wieder auf Nebenstraßen abzubiegen und in der topfebenen Marsch mit ihren vielen Gräben und Kanälen nach Norden zu fahren ist ein Spaß.
Hier nimmt der Urlauberverkehr bald zu, man markt schon in der Annäherung, dass Stegna eine Feriengegend ist. Der Ort kündigt sich schon in der Ferne mit einem bewaldeten Dünenstreifen am Horizont an, der Urlauberverkehr lässt nun keinen Zweifel mehr zu, ich bin bald da. Hinter dem schon recht rummeligen Ort und durch ein enges Sträßchen geht es in den Wald und die Dünen. Das Sträßchen mündet in eine größere neu angelegte Straße, auf der man offenbar den Ort umgeht. Nun wird es richtig voll, Fußgänger auf beiden Seiten und beladen mit Strandausrüstung, Radwege mit Radfahrern, Autos natürlich. Bald kommen Imbiss-, Souvenier- und was-weiß-ich-für-Buden und Stände in den Blick, wie Perlen auf einer Kette. Und immer mehr Menschen, und schließlich, mitten in diesem Gewimmel, die Einfahrt zum Campingplatz. Neben der Schranke stehen, wie kann es anders sein auf dieser Reise, schon ein paar Velomobile aufgereiht, deren Piloten beim Anlegebier auf der schattigen Terrasse neben der Rezeption sitzen. Das ist GBSR. Nicht mal 5 Uhr, 236 km in der Hitze gefahren und nicht gehetzt. Keine zwei Minuten später sitze ich bei ihnen und genieße das erste der Biere dieses Spätnachmittags.
Im Vergleich zur Stille Masurens ist hier der Teufel los. Velomobilisten unter Kulturschock. Stegna spielt in einer Liga mit Rimini und Ballermann, es ist das Karaoke- und Alleinunterhalterzentrum in diesem Teil des Universums. Wir haben einen Platz, besser ein Plätzchen, in einer hinteren Ecke des dichtgedrängten Campingsplatzes, unter Bäumen, etwas wurzelig und eng, aber es klappt und der Besenwagen kommt auch noch unter.
Abends esse ich mit Nina und ihrem Mann Jörg im Rummelzentrum dieses Touri-Mekkas. Immerhin: Der Strand ist schön, und der Sonnenuntergang prächtig. Die Sanitäranlagen zeigen sich dem Massenansturm gewachsen, Bier gibt es genug, dafür auf dem sandig trockenen Waldboden kaum Rückzugsorte für Mücken. Was wollen wir mehr.
Seit Jurmala sehen wir zum ersten Mal wieder die Ostsee, und morgen steht schon wieder ein Ruhetag auf dem Programm: Danzig besichtigen und schlappe 86 km fahren.
16. Tag
Harsz – Stegna, Polen
236 km
Nach so viel Ruhe bin ich heute schon kurz nach 5 Uhr munter und stelle bald fest, nicht der Einzige zu sein, dem es so geht. Um halb sechs regt es sich hier und da, während von den Velomobilen der Morgentau heruntertropft.
Am Vorabend beim Riders Meeting waren die Gemüter in der Erinnerung auf die Marterstrecken der Fahrt nach Harsz noch einmal in Wallung geraten; die Route für heute führe ja wieder über etliche Kilometer jenes Typs kleiner Straßen, auf denen sich die Hirnwindungen verknoten vor lauter Schüttelei, das wolle man nicht und könne man nicht noch einmal aushalten. Verschiedene Ratschläge werden laut und die Suche nach Hauptstraßen beginnt, auch getrieben von der idealistischen Vorstellung, diese befänden sich allesamt in tadellosem Zustand. Im Ergebnis wird eine kleine Modifikation der Route vorgenommen: die kleinen Straßen zu Beginn werden begrenzt, nach einem kurzen Schlenker gen Westen wollen wir auf kleiner Straße zwar aber direkt nach Norden fahren, um möglichst rasch größere Straßen zu erreichen. Später am Tag gibt es ebenfalls noch eine Ausweichempfehlung für diejenigen Teilnehmer, die ab Pieniezno lieber einen Umweg fahren als in Rüttelpisten geraten wollen.
So beruhigt, geht die Tour den Morgen gelassen an. Etwa die Hälfte mit Nina und mir hat das Angebot des Campingwirts angenommen, um / Uhr noch bei ihm zu frühstücken, und er gibt sich alle Mühe, uns zügig und schmackhaft satt zu bekommen. Die anderen fahren schon einmal vor. Gegen 8:15 oder etwas später folgen wir auch.
Das erste Stück entpuppt sich als angenehme Überraschung. Die Straße ist klein, aber neu und der Belag ist tadellos. Zügig und oft im Schatten der Alleebäume rollen wir an diesem wieder wunderschönen Morgen dahin, kein Hügelchen kann die gute Stimmung trüben. Die anschließende „größere“ Straße Nr. 650 ist kaum breiter, etwa Kreisstraßenformat nach deutschen Maßstäben, aber immerhin bereits erneuert. Derzeit tobt sich das Infrastrukturbudget im Bau eines separaten Radwegs aus, der zu unserem Glück noch nicht ganz fertig und nicht freigegeben ist. So begegnen uns die nicht sehr zahlreichen Verkehrsteilnehmer mit Neugier und Rücksicht. Die Landschaft jenseits der großen Seen ist nun wieder wie vorher, leicht gewellt, mit riesigen Getreidefeldern links und rechts unserer schattigen Allee, im weiteren Verlauf erreichen wir den jüngsten Teil der Straßenerneuerung und dann bald auch Srokowo, wo die Route geradeaus wieder auf eine kleinerer Strecke nach Barciany führt, wo wir auf die Nr. 591 auffahren dürfen.
Es wird rumpliger läuft aber gut, noch immer kein Vergleich zu den Erlebnissen vorgestern. Die Wellen sind sanft; ich habe den Eindruck, es herrscht eine gewisse Abwärtstendenz, so gut läuft mein Quest. Die einzige Abwechslung unter den Alleebäumen bilden die nun wiederholt auftauchenden Mähdrescher auf dem Weg zum Einsatz; sie nehmen fast die gesamte Breite der Straße ein, und das obgleich sie ihr Mährwerk längs hinterher ziehen. Es ist schön hier, sehr friedlich und gelassen, das weite Land und die kleinen Straßendörfer verbreiten eine positive Stimmung, jedenfalls bei mir. Alles ist unspektakulär, scheint aber in sich zu ruhen, das Land ist fruchtbar und wird eifrig bestellt, die Häuser machen einen insgesamt gepflegten Eindruck. Jungstörche stehen in ihren Nestern herum und beobachten gelangweilt die bunten Dragees, die unten am Boden vorbeirauschen, so als sähen sie dergleichen alle Tage (diesen Gleichmut teilen die masurischen Störche mit den Hunderten, die wir im Baltikum schon sahen ...), ganze Elternstorchscharen sieht man in niedriger gelegenen Wiesen auf der Jagd.
Später, auf der 591/590, rollt es noch besser, dieser Teil wird für viele von uns die schnellste Etappe dieses Tages, gut ausgebaut, Vorfahrtsstraße, wenig Verkehr, immer wieder leichtes Gefälle. So macht das Fahren Spaß und ehe man sich versieht kommt Bartoszyce näher und ich rolle geradeaus ins Zentrum mit ansehnlichen alten Häusern an der Fußgängerzone. Für ein Mittagessen ist es irgendwie zu früh, noch nicht einmal halb 11, wir haben erst um die 90 km auf der Uhr. Aber es gibt schönen Schatten unter einigen Bäumen, eine bekannte deutsche Drogeriekette hat direkt gegenüber eine Filiale zur Hand mit gekühlten Getränken; also legen wir eine Pause ein, etwas trinken, ein paar Snacks und einige Gespräche mit den Einheimischen, bevor die Reise weitergeht.
Die Weiterfahrt, jetzt wieder auf Nebenstrecken, die die Federn fordern, bleibt trotz einiger Schüttelei recht zügig und angenehm. Es ist heiß geworden, das kann auch der Schatten der Alleebäume nur lindern, nicht aufheben. Nach einigen links-rechts Kurven verabschiedet sich mit scharfem Knall der Luftdruck meines Hinterreifens; das Tempo war zum Glück nicht so hoch dass ich das Quest nicht kontrolliert zum Stehen gebracht hätte, etwas schlingernd zwar aber gefahrlos. Die Flanke hatte sich wundgescheuert am Radkasten oder der Karosserie (der Radausschnitt der Carbon Quests ist knapper gehalten als ich das von meinem GFK-Quest kannte), irgendwann kommt dann der Schlauch auf einer Stelle durch und beendet die Fahrt. Es ist das zweite und bisher letzte Mal, dass mir dies auf Tour passiert; ich montiere einen neuen 50-559 Kojak (im Heck hinter dem Ritzelpaket hat ja eine ganze Reifensammlung Platz) und einen neuen Schlauch. Glücklicherweise hat Nina gehalten, so dass ich die ersten 4,5 bar mit ihrer großen Pumpe einfüllen kann und nur den Restdruck mit der Minipumpe (die ein Manometer hat) erledigen muss – sonst wäre ich doch arg ins Schwitzen geraten bei dieser Hitze. Es ist übrigens der einzige Plattfuß der gesamten Reise für mich.
Später prüfe ich den Sitz des Rades, alles tadellos und fest. Offenbar walkt der fette Kojak in schnellen Kurven und scheuert dabei an der Karosse (auf der rechten Seite). Der Abstand ist gering, deutlich geringer als auf der linken Seite. Nach wenigen Tagen wird auch der neue Kojak auf dieser Seite wieder einen Reibrand aufweisen. Nach der Tour wechsle ich deshalb auf einen 35-559 Durano.
Mit Nina geht es nun weiter nach Westen. Nach gut 140 km ist Pieniezno erreicht, hier legen wir eine weitere Snackpause am Straßenrand ein; und wir müssen entscheiden: Nehmen wir die längere Strecke nun wieder auf einer größeren Straße oder bleiben wir auf kleinen Strecken und fahren die vorgesehene Route, wobei das nächste Stück laut Karte noch ein bisschen mehr „Neben“ als „Strecke“ sein wird. Wir wagen es und geraten bald schon auf ein Knochenbrecherstück. Oje, was tun? Es scheint jedoch nur kurz zu sein, wir arbeiten uns durch und, in der Tat, es wird besser, lässt sich sogar ordentlich fahren. Im nächsten Dorf lauert wieder Kopfsteinpflaster, wir rollen über den Bürgersteig durch. Danach wieder angenehme Straße, klein, schmal und schnuckelig, schön zu fahren. In den folgenden Dörfern lernen wir das Muster kennen – die Straße ist erneuert und dabei so eng geblieben wie zuvor, so dass auch alle Bäume stehen bleiben konnten, und in den Dörfern wurde das Kopfsteinpflaster erhalten, von wegen der Nostalgie und damit die Touristen nicht so durchbrettern. Wir tun es jedenfalls nicht, sondern schleichen durch.
Auch diese Weg haben ein Ende, und so schlecht war die Fahrt insgesamt nun doch nicht, nur 20 km und wir biegen wieder auf eine größere Straße, die Nr. 509 ein. Auf ihr erreichen wir hügligeres und waldreiches Terrain, es wird voller auf den Straßen. Die Route führt durch ein ausgedehntes Waldgebiet mit Wildtierparks. Die aus meiner Sicht wichtigste Attraktion lässt auf sich warten: Irgendwann muss doch die Abfahrt nach Elblag kommen, mit der wir das Hügelland verlassen und in die weite, flache Danziger Bucht hinunterfahren!
Aber sie kommt nicht. Die anderen habe ich irgendwo hinter mir gelassen, der Touristenverkehr nervt, meine Kamera hat seit der Mittagsrast in Pieniezno keinen Saft mehr, das Handy ist auch recht abgemolken, und noch immer keine Abfahrt ... schließlich kommt sie doch, und entschädigt für die Warterei. Elblag liegt vor mir und dahinter nur flaches Land, soweit erstmal das Auge reicht. Durch die Stadt und auf der E77 wieder raus, um nach kurzer Zeit wieder auf Nebenstraßen abzubiegen und in der topfebenen Marsch mit ihren vielen Gräben und Kanälen nach Norden zu fahren ist ein Spaß.
Hier nimmt der Urlauberverkehr bald zu, man markt schon in der Annäherung, dass Stegna eine Feriengegend ist. Der Ort kündigt sich schon in der Ferne mit einem bewaldeten Dünenstreifen am Horizont an, der Urlauberverkehr lässt nun keinen Zweifel mehr zu, ich bin bald da. Hinter dem schon recht rummeligen Ort und durch ein enges Sträßchen geht es in den Wald und die Dünen. Das Sträßchen mündet in eine größere neu angelegte Straße, auf der man offenbar den Ort umgeht. Nun wird es richtig voll, Fußgänger auf beiden Seiten und beladen mit Strandausrüstung, Radwege mit Radfahrern, Autos natürlich. Bald kommen Imbiss-, Souvenier- und was-weiß-ich-für-Buden und Stände in den Blick, wie Perlen auf einer Kette. Und immer mehr Menschen, und schließlich, mitten in diesem Gewimmel, die Einfahrt zum Campingplatz. Neben der Schranke stehen, wie kann es anders sein auf dieser Reise, schon ein paar Velomobile aufgereiht, deren Piloten beim Anlegebier auf der schattigen Terrasse neben der Rezeption sitzen. Das ist GBSR. Nicht mal 5 Uhr, 236 km in der Hitze gefahren und nicht gehetzt. Keine zwei Minuten später sitze ich bei ihnen und genieße das erste der Biere dieses Spätnachmittags.
Im Vergleich zur Stille Masurens ist hier der Teufel los. Velomobilisten unter Kulturschock. Stegna spielt in einer Liga mit Rimini und Ballermann, es ist das Karaoke- und Alleinunterhalterzentrum in diesem Teil des Universums. Wir haben einen Platz, besser ein Plätzchen, in einer hinteren Ecke des dichtgedrängten Campingsplatzes, unter Bäumen, etwas wurzelig und eng, aber es klappt und der Besenwagen kommt auch noch unter.
Abends esse ich mit Nina und ihrem Mann Jörg im Rummelzentrum dieses Touri-Mekkas. Immerhin: Der Strand ist schön, und der Sonnenuntergang prächtig. Die Sanitäranlagen zeigen sich dem Massenansturm gewachsen, Bier gibt es genug, dafür auf dem sandig trockenen Waldboden kaum Rückzugsorte für Mücken. Was wollen wir mehr.
Seit Jurmala sehen wir zum ersten Mal wieder die Ostsee, und morgen steht schon wieder ein Ruhetag auf dem Programm: Danzig besichtigen und schlappe 86 km fahren.