GBSR 2014 – nacherzählt

Da meine Mitfahrer ihre Erinnerungen hauptsächlich für sich selbst behalten, haue ich mal den nächsten Tag raus (wer weiss wann ich angesichts der Bahnstreiks mal wieder in Ruhe zum Schreiben komme), natürlich mit Film:

16. Tag
Harsz – Stegna, Polen
236 km


Nach so viel Ruhe bin ich heute schon kurz nach 5 Uhr munter und stelle bald fest, nicht der Einzige zu sein, dem es so geht. Um halb sechs regt es sich hier und da, während von den Velomobilen der Morgentau heruntertropft.

Am Vorabend beim Riders Meeting waren die Gemüter in der Erinnerung auf die Marterstrecken der Fahrt nach Harsz noch einmal in Wallung geraten; die Route für heute führe ja wieder über etliche Kilometer jenes Typs kleiner Straßen, auf denen sich die Hirnwindungen verknoten vor lauter Schüttelei, das wolle man nicht und könne man nicht noch einmal aushalten. Verschiedene Ratschläge werden laut und die Suche nach Hauptstraßen beginnt, auch getrieben von der idealistischen Vorstellung, diese befänden sich allesamt in tadellosem Zustand. Im Ergebnis wird eine kleine Modifikation der Route vorgenommen: die kleinen Straßen zu Beginn werden begrenzt, nach einem kurzen Schlenker gen Westen wollen wir auf kleiner Straße zwar aber direkt nach Norden fahren, um möglichst rasch größere Straßen zu erreichen. Später am Tag gibt es ebenfalls noch eine Ausweichempfehlung für diejenigen Teilnehmer, die ab Pieniezno lieber einen Umweg fahren als in Rüttelpisten geraten wollen.


So beruhigt, geht die Tour den Morgen gelassen an. Etwa die Hälfte mit Nina und mir hat das Angebot des Campingwirts angenommen, um / Uhr noch bei ihm zu frühstücken, und er gibt sich alle Mühe, uns zügig und schmackhaft satt zu bekommen. Die anderen fahren schon einmal vor. Gegen 8:15 oder etwas später folgen wir auch.

Das erste Stück entpuppt sich als angenehme Überraschung. Die Straße ist klein, aber neu und der Belag ist tadellos. Zügig und oft im Schatten der Alleebäume rollen wir an diesem wieder wunderschönen Morgen dahin, kein Hügelchen kann die gute Stimmung trüben. Die anschließende „größere“ Straße Nr. 650 ist kaum breiter, etwa Kreisstraßenformat nach deutschen Maßstäben, aber immerhin bereits erneuert. Derzeit tobt sich das Infrastrukturbudget im Bau eines separaten Radwegs aus, der zu unserem Glück noch nicht ganz fertig und nicht freigegeben ist. So begegnen uns die nicht sehr zahlreichen Verkehrsteilnehmer mit Neugier und Rücksicht. Die Landschaft jenseits der großen Seen ist nun wieder wie vorher, leicht gewellt, mit riesigen Getreidefeldern links und rechts unserer schattigen Allee, im weiteren Verlauf erreichen wir den jüngsten Teil der Straßenerneuerung und dann bald auch Srokowo, wo die Route geradeaus wieder auf eine kleinerer Strecke nach Barciany führt, wo wir auf die Nr. 591 auffahren dürfen.
Es wird rumpliger läuft aber gut, noch immer kein Vergleich zu den Erlebnissen vorgestern. Die Wellen sind sanft; ich habe den Eindruck, es herrscht eine gewisse Abwärtstendenz, so gut läuft mein Quest. Die einzige Abwechslung unter den Alleebäumen bilden die nun wiederholt auftauchenden Mähdrescher auf dem Weg zum Einsatz; sie nehmen fast die gesamte Breite der Straße ein, und das obgleich sie ihr Mährwerk längs hinterher ziehen. Es ist schön hier, sehr friedlich und gelassen, das weite Land und die kleinen Straßendörfer verbreiten eine positive Stimmung, jedenfalls bei mir. Alles ist unspektakulär, scheint aber in sich zu ruhen, das Land ist fruchtbar und wird eifrig bestellt, die Häuser machen einen insgesamt gepflegten Eindruck. Jungstörche stehen in ihren Nestern herum und beobachten gelangweilt die bunten Dragees, die unten am Boden vorbeirauschen, so als sähen sie dergleichen alle Tage (diesen Gleichmut teilen die masurischen Störche mit den Hunderten, die wir im Baltikum schon sahen ...), ganze Elternstorchscharen sieht man in niedriger gelegenen Wiesen auf der Jagd.

Später, auf der 591/590, rollt es noch besser, dieser Teil wird für viele von uns die schnellste Etappe dieses Tages, gut ausgebaut, Vorfahrtsstraße, wenig Verkehr, immer wieder leichtes Gefälle. So macht das Fahren Spaß und ehe man sich versieht kommt Bartoszyce näher und ich rolle geradeaus ins Zentrum mit ansehnlichen alten Häusern an der Fußgängerzone. Für ein Mittagessen ist es irgendwie zu früh, noch nicht einmal halb 11, wir haben erst um die 90 km auf der Uhr. Aber es gibt schönen Schatten unter einigen Bäumen, eine bekannte deutsche Drogeriekette hat direkt gegenüber eine Filiale zur Hand mit gekühlten Getränken; also legen wir eine Pause ein, etwas trinken, ein paar Snacks und einige Gespräche mit den Einheimischen, bevor die Reise weitergeht.

Die Weiterfahrt, jetzt wieder auf Nebenstrecken, die die Federn fordern, bleibt trotz einiger Schüttelei recht zügig und angenehm. Es ist heiß geworden, das kann auch der Schatten der Alleebäume nur lindern, nicht aufheben. Nach einigen links-rechts Kurven verabschiedet sich mit scharfem Knall der Luftdruck meines Hinterreifens; das Tempo war zum Glück nicht so hoch dass ich das Quest nicht kontrolliert zum Stehen gebracht hätte, etwas schlingernd zwar aber gefahrlos. Die Flanke hatte sich wundgescheuert am Radkasten oder der Karosserie (der Radausschnitt der Carbon Quests ist knapper gehalten als ich das von meinem GFK-Quest kannte), irgendwann kommt dann der Schlauch auf einer Stelle durch und beendet die Fahrt. Es ist das zweite und bisher letzte Mal, dass mir dies auf Tour passiert; ich montiere einen neuen 50-559 Kojak (im Heck hinter dem Ritzelpaket hat ja eine ganze Reifensammlung Platz) und einen neuen Schlauch. Glücklicherweise hat Nina gehalten, so dass ich die ersten 4,5 bar mit ihrer großen Pumpe einfüllen kann und nur den Restdruck mit der Minipumpe (die ein Manometer hat) erledigen muss – sonst wäre ich doch arg ins Schwitzen geraten bei dieser Hitze. Es ist übrigens der einzige Plattfuß der gesamten Reise für mich.

Später prüfe ich den Sitz des Rades, alles tadellos und fest. Offenbar walkt der fette Kojak in schnellen Kurven und scheuert dabei an der Karosse (auf der rechten Seite). Der Abstand ist gering, deutlich geringer als auf der linken Seite. Nach wenigen Tagen wird auch der neue Kojak auf dieser Seite wieder einen Reibrand aufweisen. Nach der Tour wechsle ich deshalb auf einen 35-559 Durano.

Mit Nina geht es nun weiter nach Westen. Nach gut 140 km ist Pieniezno erreicht, hier legen wir eine weitere Snackpause am Straßenrand ein; und wir müssen entscheiden: Nehmen wir die längere Strecke nun wieder auf einer größeren Straße oder bleiben wir auf kleinen Strecken und fahren die vorgesehene Route, wobei das nächste Stück laut Karte noch ein bisschen mehr „Neben“ als „Strecke“ sein wird. Wir wagen es und geraten bald schon auf ein Knochenbrecherstück. Oje, was tun? Es scheint jedoch nur kurz zu sein, wir arbeiten uns durch und, in der Tat, es wird besser, lässt sich sogar ordentlich fahren. Im nächsten Dorf lauert wieder Kopfsteinpflaster, wir rollen über den Bürgersteig durch. Danach wieder angenehme Straße, klein, schmal und schnuckelig, schön zu fahren. In den folgenden Dörfern lernen wir das Muster kennen – die Straße ist erneuert und dabei so eng geblieben wie zuvor, so dass auch alle Bäume stehen bleiben konnten, und in den Dörfern wurde das Kopfsteinpflaster erhalten, von wegen der Nostalgie und damit die Touristen nicht so durchbrettern. Wir tun es jedenfalls nicht, sondern schleichen durch.

Auch diese Weg haben ein Ende, und so schlecht war die Fahrt insgesamt nun doch nicht, nur 20 km und wir biegen wieder auf eine größere Straße, die Nr. 509 ein. Auf ihr erreichen wir hügligeres und waldreiches Terrain, es wird voller auf den Straßen. Die Route führt durch ein ausgedehntes Waldgebiet mit Wildtierparks. Die aus meiner Sicht wichtigste Attraktion lässt auf sich warten: Irgendwann muss doch die Abfahrt nach Elblag kommen, mit der wir das Hügelland verlassen und in die weite, flache Danziger Bucht hinunterfahren!

Aber sie kommt nicht. Die anderen habe ich irgendwo hinter mir gelassen, der Touristenverkehr nervt, meine Kamera hat seit der Mittagsrast in Pieniezno keinen Saft mehr, das Handy ist auch recht abgemolken, und noch immer keine Abfahrt ... schließlich kommt sie doch, und entschädigt für die Warterei. Elblag liegt vor mir und dahinter nur flaches Land, soweit erstmal das Auge reicht. Durch die Stadt und auf der E77 wieder raus, um nach kurzer Zeit wieder auf Nebenstraßen abzubiegen und in der topfebenen Marsch mit ihren vielen Gräben und Kanälen nach Norden zu fahren ist ein Spaß.

Hier nimmt der Urlauberverkehr bald zu, man markt schon in der Annäherung, dass Stegna eine Feriengegend ist. Der Ort kündigt sich schon in der Ferne mit einem bewaldeten Dünenstreifen am Horizont an, der Urlauberverkehr lässt nun keinen Zweifel mehr zu, ich bin bald da. Hinter dem schon recht rummeligen Ort und durch ein enges Sträßchen geht es in den Wald und die Dünen. Das Sträßchen mündet in eine größere neu angelegte Straße, auf der man offenbar den Ort umgeht. Nun wird es richtig voll, Fußgänger auf beiden Seiten und beladen mit Strandausrüstung, Radwege mit Radfahrern, Autos natürlich. Bald kommen Imbiss-, Souvenier- und was-weiß-ich-für-Buden und Stände in den Blick, wie Perlen auf einer Kette. Und immer mehr Menschen, und schließlich, mitten in diesem Gewimmel, die Einfahrt zum Campingplatz. Neben der Schranke stehen, wie kann es anders sein auf dieser Reise, schon ein paar Velomobile aufgereiht, deren Piloten beim Anlegebier auf der schattigen Terrasse neben der Rezeption sitzen. Das ist GBSR. Nicht mal 5 Uhr, 236 km in der Hitze gefahren und nicht gehetzt. Keine zwei Minuten später sitze ich bei ihnen und genieße das erste der Biere dieses Spätnachmittags.

Im Vergleich zur Stille Masurens ist hier der Teufel los. Velomobilisten unter Kulturschock. Stegna spielt in einer Liga mit Rimini und Ballermann, es ist das Karaoke- und Alleinunterhalterzentrum in diesem Teil des Universums. Wir haben einen Platz, besser ein Plätzchen, in einer hinteren Ecke des dichtgedrängten Campingsplatzes, unter Bäumen, etwas wurzelig und eng, aber es klappt und der Besenwagen kommt auch noch unter.

Abends esse ich mit Nina und ihrem Mann Jörg im Rummelzentrum dieses Touri-Mekkas. Immerhin: Der Strand ist schön, und der Sonnenuntergang prächtig. Die Sanitäranlagen zeigen sich dem Massenansturm gewachsen, Bier gibt es genug, dafür auf dem sandig trockenen Waldboden kaum Rückzugsorte für Mücken. Was wollen wir mehr.
Seit Jurmala sehen wir zum ersten Mal wieder die Ostsee, und morgen steht schon wieder ein Ruhetag auf dem Programm: Danzig besichtigen und schlappe 86 km fahren.
 
Es rollte ganz besonders gut auf die Strasse nach Bartoszyce


Auf 20km sank die Strasse nur 30meter Richtung Meeresspiegel, aber zusammen mit das glatte Asphalt sorgte es fuer eine phänomenale Geschwindigkeit. Pier, Andy und Ich hatten da ein Riesen Spass. Und noch waren die Strassen fast leer. Wie entspannend so fast ohne Kraftfahrzeuge....
 
Es ist höchste Zeit für einen neuen Tag, hier also der 17. Tag der Tour in Bild und Text:

17. Tag
Stegna – Danzig – Chmielno
86 km


Szenenwechsel – dem Ferienrummel Stegnas mit seinem Gedränge, dem Lärm und Nepp wollen wir gern entgehen. Wir sind nicht übermäßig früh auf, der Tag wird ja relaxt, aber da wir dicht an dicht campen, werden alle wach sobald die ersten sich rühren. Der Rest des Platzes dagegen liegt wie die größere Umgebung noch im von den Abendunterhaltungen des polnischen Ballermanns erzwungenen Erschöpfungsschlaf.


Recht leise und nahezu unbemerkt machen wir uns einer nach dem anderen auf Richtung Danzig, nur etwa 30 Kilometer, da muss man vorher nicht frühstücken. Verkehrsmäßig geht es ruhig zu an diesem Morgen auf der Straße Nr. 501, flach ist die Strecke auch, gemütliches Dahinrollen reicht bereits für einen ordentlichen Schnitt. Dass das Wetter auch an diesem Morgen wieder hochsommerlich schön ist, muss inzwischen kaum noch erwähnt werden – es gehört zur Grundausstattung dieser Reise.
Zwischendrin ist noch der Fluss per Fähre zu überqueren – Hansi, Jürgen und ich sind um 9 Uhr zur Stelle (Ich glaube wir waren die ersten, jedenfalls war das Fährpersonal noch nicht mit Velomobilen vertraut.). Anschließend geht es weiter in Richtung auf eine weitere Flussüberquerung; wir rechnen ebenfalls mit einer Fähre, doch der Anleger ist verwaist – statt dessen ist eine rumplige Brücke vorhanden.

In der Routenplanung habe ich versucht, uns möglichst lang von der Haupteinfallsstraße fernzuhalten; ich mag diese vierspurigen Schnellstraßen morgens im Berufsverkehr stadteinwärts nicht; diese Situation bringt in der Regel nicht die besten Charaktereigenschaften der automobilen Zeitgenossen zum Vorschein. Statt dessen fahren wir ziemlich direkt auf Danzig zu, über kleine Straßen, zugegeben, nicht immer von zufriedenstellender Qualität, durch eine Art Brachland, das entweder zu niedrig liegt um bebaut werden zu können (eine Zeitlang sind wir zuvor an einem Deich entlang gefahren) oder aber für spätere industrielle Nutzung vorgesehen ist. Einstweilen wird nur hier und da Bauschutt abgekippt. Voraus sind Schornsteine und Kräne des nördlichen des Zentrums gelegenen Hafen- und Industriegebiets zu sehen.

Nun nimmt unser Sträßchen einige Schlenker durch die Brache, die ersten Gewerbebetriebe kommen in Sicht, und kurze Zeit später erreichen wir die Hauptstraße. Sie lässt sich erstaunlich gut fahren, da recht neu und mit einem ebenso glatten wie breiten Velomobilstreifen versehen. So kann man sich täuschen.
Schnell nimmt unser Trio Fahrt auf, wir passieren das Ortseingangsschild und folgen der Hauptstraße im Morgenverkehr ohne Probleme, finden auf Anhieb den richtigen Zugang zur Innenstadt statt auf der Schnellstraße mit dem gerade vorhandenen Schwung geradeaus die Brücke hoch zu brettern, die Altstadtkulisse vor Augen. Das wäre ein Fehler gewesen, denn dahinter biegt die Straße ab. Wir machen es richtig, nehmen Tempo raus und gleiten rechts an der Versuchung vorbei, geradewegs auf die Altstadt zu.

Schon in der Annäherung sieht man, warum Danzig touristisch so beliebt ist. Der Stadtkern ist aufwendig renoviert, auch wenn dem Ergebnis die Opulenz der ostdeutschen Solidarfondsrestaurierung fehlt. Zum Teil liegen die Restaurierungen auch schon länger zurück. Doch die Stadt ist schön, gepflegt, irgendwie imposant, dabei aber freundlich von den Farben und vom Flair her.
Einfach geradeaus geht es direkt in die Fußgängerzone und ins Café am Rande des ersten großen Platzes, den wir erreichen, kurz vor 10 Uhr morgens. Dort gibt es Platz für genügend Velomobile, den Platz kann man im Grunde nicht verfehlen, das Café hat Sonnenschirme, guten Kaffee und ein ordentliches Essensangebot – hier werden wir bleiben, als Vorhut des großen Velomobiltrecks nach Westen, frühstücken und die weitere Entwicklung der Dinge im Auge behalten.

Natürlich kommt es wie es immer kommt. Während wir frühstücken gibt es für die Danziger Frühtouristen (die Massen kommen später) eine Attraktion mehr in der Innenstadt, und, wir haben gerade Messer und Gabel beiseite gelegt, schon treffen auch weitere Velomobilisten ein, vergrößern die Sensation, fallen ins Café ein. Wo vorher nur gelegentliche Grunzlaute erkennen ließen, wie gut es meinen beiden Mitfahrern schmeckte (beide hatten irgendetwas Größeres mit Eiern bestellt, statt wie ich ein Croissant zu mümmeln), herrscht nun ein ziemliches Gewusel ausgeschlafen-aufgekratzter GBSR-Piloten.

Das Café ist als Ausgangspunkt für Stadterkundungen ideal und so stellt sich wie von selbst die übliche Praxis ein: Einige passen auf, während andere zu Fuß oder auf Rädern die Stadt erkunden. Mit Jürgen zusammen, der als Evo-S Fahrer auf der Tour eine besondere Beziehung zu Kopfsteinpflaster aufgebaut hat, breche ich zu einer Stadtrundfahrt per VM auf, wir rattern durch die Gassen, besuchen die Marienkirche, rollen durch das Touristengewimmel am Wasser, betrachten hier, fotografieren dort, finden einen Laden mit vielfältigem Bernsteinangebot, mit dem sich Jürgen näher vertraut macht, und gelangen schließlich ohne Widrigkeiten zurück zur Herde auf dem Platz.

Zur Mittagszeit sind wir verabredet auf dem Platz der Solidarität, dem zentralen Gedenkort an die Erfolge und Leiden der unabhängigen Gewerkschaft Solidarnosz, die auf der Lenin-Werft hier in Danzig ihren Anfang genommen hatte. Der Leiter des neuen European Solidarity Centre erwartet uns und unsere Velomobile dort. Das Zentrum erhält derzeit einen prächtigen Bau, der noch nicht ganz fertiggestellt ist. Dort wird es neben einer Bibliothek und einem Tagungs- und Forschungszentrum auch eine sorgfältig vorbereitete und anschauliche Ausstellung zur Geschichte der Gewerkschaft in Polen, von den ersten Schritten bis zum Ende der kommunistischen Herrschaft geben. Wir besuchen den Bau, lassen uns alles zeigen, was schon zu zeigen ist (das Gebäude hat eine Hülle aus Schiffsstahl und der Entwurf spielt auch im Innern mit Formen, Strukturen und Materialien aus dem Schiffbau. Im Gebäude der ehemaligen Werftdirektion diskutieren wir mit Leitung und Teammitgliedern über den Umbruch im Land und die Transformation zur Demokratie.

Danach ist es Zeit, ein bisschen die Beine zu bewegen; wir wollen ja noch in die kaschubischen Hügel hinaus (in Schleswig-Holstein würde man sowas die „kaschubische Schweiz“ nennen), zu unserem Campingplatz am See. Der Weg um die Altstadt herum in Richtung unserer Ausfallstraße ist nicht schwer zu finden, und in der Meute schön zu fahren – immer wieder eindrucksvoll, eine Reihe von Velomobilen in Fahrt vor sich zu sehen, so eindrucksvoll, dass ich vergesse, meine Kamera einzuschalten (vielleicht hatte ich auch vergessen, sie wieder zu montieren, und habe das erst nach dem refreshment stop mit Nina nachgeholt, ich weiss es nicht mehr).

Es gibt so keine bewegten Bilder von der Rauschefahrt zu Beginn und dem sich anschließenden eher zähen Klettern die Hügel hoch im Nachmittagsverkehr, das bisschen Fahrt mal durch einen Bus, mal durch die zahlreichen Ampeln zunichte gemacht.

Unser Mittagessen bestand aus der Plünderung der Keksteller, die das European Solidarity Centre hoffentlich nicht zur Ansicht auf dem Konferenztisch angerichtet hatte, so dass ein paar Kalorien und Flüssigkeit durchaus willkommen wären. Wir halten Ausschau nach einem Supermarkt, nichts findet sich sogleich. Nina und ich biegen zu einer kleinen Ladenzeile ab, dieanderen fahren weiter. Dort gibt es nur ein paar süße Snacks und Getränke, also wird das unser Mittagsmenü ... man kann nicht immer alles haben, und weit soll es ja nicht mehr sein, so runde 50 km werden wir noch fahren.

Diese 50 km halten noch einiges bereit, darunter Kreuzungen mit gewaltigem Rückstau, die wohl besser eine Ampel erhielten; eine davon habe ich in unguter Erinnerung, da es keinen Platz gab, rechts vorbeizufahren, und wir etliche Grünphasen im Abgasnebel verplempern mussten. Weiteres Schmankerl ist ein Stück Schnellstraße mit hohen Lärmschutzwänden zu beiden Seiten, sieht aus und fühlt sich an wie eine Autobahn. Sollten wir versehentlich auf die Autobahn geraten und nun dazu verdammt sein, bis zur nächsten Ausfahrt zu bleiben, die vielleicht erst irgendwann kommen würde? Hatte ich ein Verbotsschild übersehen und würden wir gleich von der Rennleitung rausgewunken werden? Offenbar war es doch nur eine Autostraße und die nächste Abfahrt war nicht weit; zudem fuhren wir auf dem Track, war also alles richtig. Danach wird es ruhiger, verkehrsmäßig, und die Hügelkette ist erklommen, die die Danziger Bucht im Westen begrenzt. Hügelig geht es weiter, aber eben nicht nur hoch, sondern wellig. Zwischenzeitlich muss ich immer mal wieder runterschalten, das übliche eben. In Richtung der Seen nimmt die Hügelei wieder zu. Nina und ich erreichen eine kleine Velomobilgruppe an einem dieser fiesen Steilstücke, die nur im ersten Gang zu nehmen sind. Immer interessant, so eine Annäherung: Mit guter Fahrt rauscht man von hinten heran, die vorne sehen aus als klebten sie am Berg, der Abstand wird immer geringer, noch 300, 200, 100 Meter und wir haben sie erreicht – doch dann ist da der Berg und im Nu ist auch unser Tempo im einstelligen Bereich, wir kleben genauso am Hang wie die anderen, nur weiter unten. Jörg und seine Christbaumkugel sehe ich schiebend am Hang; in diesem Tempo geht es für ihn und sein Knie besser schiebend als langsam drückend.

Die letzten Kilometer bis zum See werden zum Abenteuer. Zunächst verlassen wir die Straße auf einen gepflasterten Wirtschaftsweg, der weiter den Hügel hochführt, um dann in einen abschüssigen schlaglochgepflasterten und unbefestigten Wirtschaftsweg überzugehen. Eine wilde Fahrt beginnt im Versuch, nicht die gesamte Energie des Aufstiegs in Aufheizung der Trommelbremsen zu vernichten und gleichzeitig auf dem Weg zu bleiben, dabei die größten Schlaglöcher zu umfahren ohne dabei in die Büsche geschleudert zu werden. Ein Traktor auf dem Hohlweg, dem ich rasch näher komme, befreit mich aus dem Dilemma, muss runter mit dem Tempo, denn er benötigt fast mehr als die gesamte Breite des Weges.
Lars hatte keinen Traktor vor sich, er verliert auf diesem Stück die Kontrolle über das Quest und gewinnt einige Risse und Kratzer an seiner Quest-Karosse, „battle scars“ meint er später lakonisch.
Der Weg führt stetig bergab und setzt sich dann gerade fort, jetzt nur nicht stehen bleiben, wer weiss ob man in dem Sand dann noch Traktion hat. Links unterhalb ist ein See zu ahnen, rechts Büsche und Wiese, bald taucht Bebauung auf, es kann nun nicht mehr weit sein. Noch etwa 200 Meter und wir erreichen den Eingang zum Campingplatz, wo der Betreiber in Bikinibadehose uns auf die zweite Etage seines terassenförmigen Geländes einwinkt. Unsere Ecke wird wieder eng, aber doch längst nicht so eng wie vorher in Stegna. Unten liegt der See ausgebreitet, zwischen Wasser und unserer Höhe gibt es einen weiteren Campingplatz, dessen Restaurant ordentlich sein soll. Dort gönnen Nina und ich uns die erste richtige Mahlzeit des Tages; das Lokal unseres Platzes weiter oben am Hang ist gut für Bier, wirkt aber nicht einladend auf unsere hungrigen Mägen.

So geht ein entspannter Tag seinem Ende entgegen, während die Sonne über den Hügeln jenseits des Sees versinkt.
 
Hier etwas Anschauung zum Teilzeitcharakter der Tour, der 18. Tag war praktisch eine Halbtagsetappe:

18. Tag
Chmielno – Mielno, Polen
172 km


Wie sich die Tage gleichen: Auch dieser Morgen ist sommerlich schön, der Himmel blau und die Luft lau; auch an diesem Morgen gibt es kein Frühstück, sondern zunächst ein kleines Bewegungsprogramm.

Die Aufregung der ersten Stationen dieser Tour liegt ja lange hinter uns, so gehen wir den Aufbruch entspannt an, trödeln aber auch nicht. Alles hat inzwischen seinen Platz, so manches Kleinzeug, nach dem man lange suchen könnte, ist irgendwann und irgendwo bereits verloren gegangen (bei mir: eine schöne Wäscheleine mit Wäscheklammern, vielleicht hängt sie noch irgendwo in Masuren, oder war sie schon in Finnland weg?), und auch der Elan der Schrauber im Team hat sich erschöpft, mal hier zu prüfen, da zu drehen, dies oder jenes aus- und wieder einzubauen. Man packt sein Zeug zusammen, baut das Zelt ab, rollt Matte ein, stopft Schlafsack in de Hülle – bei den meisten landet etliches in der Reisetasche, die am Sprinter abgestellt wird, der Rest wird im Velomobil verstaut, an inzwischen auch vertrauten Plätzen.


So rollen wir auch an diesem Morgen los, die einen früh, die anderen später, die einen mit Frühstück, die anderen ohne, aber alle ohne Hast und Lärm; etliche andere Camper werden nicht bemerkt haben, dass wir verschwunden sind.

Die Route heute ist wellig, aber mit Tendenz abwärts; wir werden die kaschubische Hügellandschaft durchqueren und dann wieder ans Meer kommen. Gleich zu Beginn sind einige moderate Steigungen zu nehmen, denn die Seen liegen all in Senken. Einmal oben rollt es gleich besser, die Straßen sind gut, im Schnitt viel besser als im Osten Polens.
In einem der ersten Orte halten Nina und ich an einer Bäckerei mit Mini-Markt, wo wir frühstücken können. Maarten kommt noch dazu und wir genehmigen uns Kaffee und Gebäck auf dem kleinen Parkplatz in der Sonne. Von dort lässt sich der Treck der vorbeiziehenden Velomobilisten gut beobachten.

Im weiteren Verlauf stellen wir fest, dass die Orte irgendwie immer eher im Tal liegen, so dass man die kleinen Abfahrten nicht ausfahren kann. Am Ortsausgang wartet zuverlässig eine Steigung, mal kürzer und etwas steiler, mal sanfter aber dafür länger. Kein Drama.
In einem Städtchen, dessen Name ist nicht mehr erinnere, geht es ortsausgangs ebenfalls leicht hoch, wenn da nicht eine Baustelle wäre; die gesamte Straße wird erneuert. Zuerst hatten wir gedacht, am Rand und auf dem Bürgersteig daran vorbeirollen zu können, doch die Erneuerung wird mit einer Radikalität betrieben, die nichts befahrbares mehr übrig lässt.
Nina und ich wenden, und ergeben uns in das Schicksal auf einer buckligen Nebenpiste zuerst steil hochzuklettern, um dann mit Umwegen wieder auf die Straße zurück zu gelangen. Wir werden überrascht. Ja, es geht steil und rumplig hoch, doch dann erreichen wir oben auf dem Berg eine nagelneue Straße mit feinem Belag, die am Neubaugebiet der Stadt entlang führt und in der Ferne schon eine schöne Abfahrt erahnen lässt.
Ich habe Glück und kann mich bis in den nächsten Ort an der Rauschefahrt freuen, Nina hat weniger Fortüne, denn sie hängt hinter einem Polizeiwagen (an dem ich noch vorbeidonnerte) und kommt wegen Tempolimit oder Überholverbot oder beidem zusammen nicht vorbei. Es vergeht längere Zeit, ehe ich sie wiedersehe.

Um 10:30, nach etwa 85 km, erreiche ich das Zentrum von Slupsk, der größten Stadt auf der heutigen Route mit seinem mächtigen Rathaus aus preußischer Zeit. An der zentralen Kreuzung wartet schon Ninas Mann Jörg, der uns seit Stegna mit dem Auto begleitet. Gemeinsam halten wir Ausschau nach Nina und zugleich nach einem Café zwecks kleiner Pause. Irgendwann zischt ein oranger Blitz hinten um die Ecke, biegt aber ab, bevor wir uns bemerkbar machen können. Jörg läuft los Nina einzufangen, und ich erkunde die Cafélage. An der nächsten größeren Ecke finden wir wieder zusammen, Nina war schlicht auf der Route geblieben, statt sich von Rathaus, Innenstadtanmutung oder Jörg ablenken zu lassen. Hier, an einer großen Alleekreuzung auf der Route, finden wir ein Eckcafé und setzen uns zu Kaffee und Kuchen. Wie schon beim Frühstück, haben wir guten Blick auf etwaig passierende Velomobilisten. So bleiben wir nicht lange allein, zwei geparkte Velomobile irgendwo sind immer ein Anlass anzuhalten und selbst ein Päuschen zu machen.

Hinter Slupsk stellt sich die übliche Routine neu ein: Hügellandschaft, wir fahren immer mal etwas rauf, dann wieder runter, nichts richtig schwer, auch nicht spektakulär schnell, aber es rollt insgesamt gut, trotz einiger rumpliger Abschnitte zwischendurch. Die Routenführung ist auch nicht kompliziert, wir hatten schon Tage, an den wir häufiger Abzweigungen verpassen konnten, und öfter zwischen größeren und kleineren Straßen aller Art wechseln mussten. Heute geht es einfach nur der Nase nach, hinter Darlowo in weitem Bogen entlang der Küste (immer mal wieder Blicke auf die Haffseen), nur zum Ende hin muss man etwas aufpassen, denn auf ein Stück Marterstrecke abseits der ansonsten ganz ordentlichen Straße #203 folgt eine Schleife auf kleinen Straßen ums Haff herum. Sie führt auf die Nehrung, auf der Mielno liegt.

So gegen 14 Uhr sind die meisten GBSR’ler auf dem Campingplatz eingetroffen (auf meinem Beweisfoto von 14:34 stehen schon die Zelte, meins auch, ich muss also eine gute halbe Stunde vorher angekommen sein); es ist rummelig wie in Stegna, und wir erhalten ein Stückchen Sandwiese zugeteilt, die ringsum schon mit Wohnwagen zugestellt ist. Wer sein Auto neben dem Camp abgestellt hat, wird nicht mehr rauskommen, solange wir da sind, und wir stehen dicht an dicht, da ist selbst zu Fuß kaum ein Durchkommen.

Die einzige Aufregung dieses ansonsten ereignislosen Tages – von morgens bis gut mittags mal eben 172 km durch Polen fahren – liefert Martin, an dessen Quest die Schwingenhalterung aus dem Radkasten gebrochen ist. Er hatte vorher schon die Dämpfung seines Risse-Federbeins eingebüßt und die Verschraubung der Hinterradachse war lose, doch weder das eine noch das andere vermochte seinen Vorwärtsdrang zu stoppen. Doch mit diesem Schaden ist ein Weiterfahren nicht möglich – es sei denn es gelänge, in diesem Badespaßmilieu eine neue Aufnahme zu basteln und diese am Radkasten einzulaminieren. Bald umsteht ein Kreis verständig blickender Camper das Rettungsteam unter Leitung des Besenwagen-Piloten und des Pechvogels Martin, der sein persönliches Tourende vor Augen sieht. Man diskutiert die Alternativen und die gegebenfalls besorgbaren Materialien. Der Camper an sich hilft ja gern, und schon sieht man Männer eilfertig hin- und herlaufen, herbeizuschaffen, was man vielleicht gebrauchen könnte.
Das meiste kann man nicht gebrauchen, das Rettungsteam macht sich daran, als eine Metallplatte und einen Satz passender Schrauben zu finden. Später wird dann resümiert, dass für die Reparatur die Konsultation eines ordentlich sortierten Baumarktes erforderlich wäre, der sich aber an so einem Ort in Polen nicht fände; morgen dagegen, zurück in Deutschland solle die Reparatur gelingen.

Als Nicht-Schrauber verstehe ich vom Ganzen ohnehin nur die soziale Dimension, wende mich also anderen Dingen zu, den Duschen beispielsweise, der Beschaffung gut gekühlter Biere gegen die Mittagshitze, den am und im Online-Saal bei der Rezeption am Netz hängenden Mitfahrern, einem späten Mittagessen, der Ostsee und dergleichen mehr.

Abends hallt der Platz wider vom Gelärm der Alleinunterhalter in den Ferienlokalen rundum; auf der Straße cruisen megafonbewehrte Werbefahrzeuge auf und ab, Urlauber flanieren in diesem Getöse entlang der Buden, Krimskrams-Shops und Restaurants. Das späte Mittagessen hält nicht wirklich vor, in der einbrechenden Dunkelheit fallen wir über die benachbarte Pizzeria her; „Pizza ist immer gut“, meint Andy, als Vegetarier. Solange genug Bier da ist, kriegt man sie auch runter.
Morgen noch den Rest von Polen und wir kehren über Usedom nach Deutschland zurück.
 
In einem Städtchen, dessen Name ist nicht mehr erinnere, geht es ortsausgangs ebenfalls leicht hoch, .......
Nicht das es irgendeine Bedeutung hätte, der Ort heißt Sierakowice. Da ich an dem Tag 40 km weiter gefahren bin, bescherte mir eine Sichtung dort, eine Übernachtungsmöglichkeit 15 km weiter in einem kleinen Dorf.
Ein Velomobil hatte man vorher noch nicht gesehen und dann taucht es auch noch zweimal auf. Das musste man sich doch aus der Nähe betrachten.
So ergab sich für mich ein wunderbar geselliger Abend mit vielen Polen, Wurstgrillen über offenen Feuer direkt am See und viel Bier im Geburtsort meiner Mutter.

Als Nicht-Schrauber verstehe ich vom Ganzen ohnehin nur die soziale Dimension, wende mich also anderen Dingen zu, .....
Schön formuliert:D
Durch solche Ereignisse wird es deutlich: Wir sind nicht alle gleich. Es gibt Schrauber und Nichtschrauber.:)
 
So, man lese, sehe (am besten in HD, natürlich) und staune, hier ist der 19. Tag:

19. Tag
Mielno, Polen – Loissin, Deutschland
217 km


Wenn ich die Bilder und Filmschnipsel dieses Tages wieder betrachte, kommen mir zwei Empfindungen in den Sinn, die ich an diesem Tag hatte, und die Teil der Erinnerung an diesen als einen irgendwie besonders schönen Tourtag sind – und das obgleich weder Landschaft noch Ereignisse die Einschätzung begründen würden.

Die eine Empfindung war die der Abrundung; dieser Tag mit der Rückkehr nach Deutschland war in gewissem Sinne die Vorwegnahme unserer Zielankunft in Lübeck. Wenn wir heute Nachmittag die Grenze überfahren, schließt sich der Kreis, den wir mit dem Aufbruch in Lübeck geöffnet hatten. Mit der Einfahrt nach Usedom kommen wir in das Land zurück, aus dem wir aufgebrochen sind. Der Rest, die verbleibende Strecke bis nach Lübeck, ist eben das – ein Rest. Die Empfindung ist zweispältig, und wird in dieser Charakteristik auf dem Marktplatz von Lübeck wiederkehren: Einerseits ist es Freude und stolz auf das Erlebte, die vielen Eindrücke, die Unterschiede wie die Erfahrung des Zusammenhangs im Ostseeraum, zum anderen Wehmut im Gedanken an die zurückliegenden 18 Tage und das bei aller Organisiertheit in ihnen liegende Abenteuer. Was in Lübeck vor uns lag und groß aussah, liegt mit diesem Tag nun im Wesentlichen hinter uns, wir sind noch nicht am Ziel, aber schon wieder zuhause.

Und es sieht auch nicht so groß aus wie zu Beginn der Reise – das ist meine andere Empfindung während dieses Tages. Sie stellt sich vielleicht auch deshalb ein, weil dieser Tag in bestimmter Hinsicht nicht anders ist als die anderen. Wir fahren ihn einfach, von Camp zu Camp, als sei dies die normalste Sache der Welt. Was mir an diesem Tag bewusst wird, ist die Selbstverständlichkeit, mit der wir die Tour abgespult haben. Es fehlte der Hauch des Scheiterns, das Risiko des Unkalkulierbaren. Nicht dass wir viel kalkuliert hätten, das hatte ich im Vorfeld bei der Routenplanung zur Genüge getan. Wir haben es einfach gemacht, und weil wir es machten, war es einfach. Fast wie eine Pauschalreise, nur mit dreitausendzweihundertundnochwas Kilometern in den Beinen.

Doch zurück zum Geschehen. Der Tag war beileibe nicht langweilig, so dass man sich hilfsweise in derartigen Gedankengängen verlieren müsste, doch diese Gedanken sind nun einmal Teil des Erlebnisses am 19. Tag.


Er beginnt wie immer, mit schönem Wetter im Camp, das sich nach Aufbruch weg von der Küste als Morgen mit leichtem Nebel erweisen wird, ohne Frühstück, warum auch? – und dem gemeinsamen Aufbruch mit Nina um 7 Uhr. Der Platz liegt im tiefen Schlaf der feurigen Abendunterhaltung, nur Unterbewusstsein und Leber sind beschäftigt mit der Verarbeitung der Begleitumstände. Von dem ein oder anderen Frühwarmduscher abgesehen bemerkt niemand, wie ein Velomobil nach dem anderen leise rumpelnd die Ausfahrt passiert und nach rechts, Richtung Westen verschwindet.

Nina und ich sind mit Jörg in Kolberg oder Kolobrzeg zum Frühstück verabredet, dem nächsten größeren Ort an der Küste. Fast alle anderen werden an Kolberg vorbeifahren, zu Recht, denn der verbliebene Rest der Altstadt, umstellt von Wohnblocks, die die etwas künstlich wiederhergestellten Häuserzeilen um die Kirche und die Kirche selbst überragen, hat wenig zu bieten. Zunächst geht es auf kleinen Sträßchen durchs Land, der Nebel taucht alles in ein milchiges Irgendwas, aus dem gelegentlich Häuser und Bäume auftauchen. Anschließend fahren wir auf der Nummer 11 weiter, der größten Straße hier oben, ordentlich und ohne größeres Verkehrsaufkommen.

Eine runde Stunde dauert die Fahrt bis wir Kolberg erreichen. Dort kurven wir zunächst planlos herum, wir sind in der Stadt, finden aber kein Zentrum, sehen keinen Kirchturm. Fast wollen wir schon aufgeben, da erkennen wir von einer Wohnsiedlung am anderen Ende des Zentrums, wo sich der eigentliche Stadtkern befindet, brechen dorthin auf, finden die Kirche und das ansehnliche Rathaus, und dazu unter auf historisch gemachten Betonarkaden auch ein Café, das geöffnet hat, Kaffee und süßes Gebäck anbietet.

Nicht gerade unser Lieblingsfrühstück, aber das wird es, braucht angesichts der Einseitigkeit auch nicht so lange. Draußen müssen wir noch die Lebensgeschichte einer Frau aufnehmen, die trotz Fahrradunfall wieder radfahren möchte (sie wird nun in Deutschland Trikes Probe fahren), und alles über ihren Mann erfahren, der kaum glauben wird, was sie ihm heute berichten kann, denn er würde begeistert sein von Velomobilen, wenn er nur wüsste, dass es sie gäbe. Wir haben Geduld, denn wir haben ja Zeit, es geht ja erst auf halb 10 zu, und außer zigarettenschnorrend aufdringlichen Kolbergern ist sonst kaum jemand auf der Straße.

Weiter geht’s auf Nummer 102, kleiner als die 11, rumpliger aber auch schöner. Im Schatten der Bäume fährt es sich gut und zügig, hier fährt man in napoleonisch-preußischer Tradition lange geradeaus und oft auf den nächsten Kirchturm zu; die Landschaft ist angenehm dezent gewellt und zwischen den Alleebäumen gut anzusehen, die eigentlichen Endmöranen erwarten uns erst später. Es wird am Straßennetz innerorts noch immer viel und ausdauernd gebaut; das heißt wir rollen über feinste Stücke und schaukeln durch holprigste Baustellen.

In Dziwnow treffen wir auf die ausgedehnten Haffseen, die sich von hier bis zu den großen Wasserflächen des Stettiner Haffs erstrecken, das heißt, unsere Route quert die östliche Verbindung des Haffs zur Ostsee. Dies ist alles Ferienland, man sieht es den Städtchen an, die wir passieren, und man spürt es in der Landschaft der Nehrungen. Seit Finnland ist dies der erste Tag, an dem mir immer wieder Autofahrer auffallen, die am Rand angehalten haben, um uns zu fotografieren. Touristen vielleicht.
Dann wird es hügliger. Hinter Wiselka geht es in die Moränen, die zum Teil über 100 Meter hoch sind, ein schönes, bewaldetes Gebiet, ein polnischer Nationalpark; wir sind auf Wollin, der größten Insel Polens. Der Wald ist angenehm kühl und macht die inzwischen eher ungewohnten Steigungen erträglich. Außerdem entschädigt die Abfahrt ins Zentrum von Międzyzdroje, einem ansehnlichen Küstenferienstädtchen. Wenn ich nur die zwei Autos nicht die meiste Zeit vor mir gehabt hätte ... einer der Fahrer hatte zuviel Angst vor den Kurven. Erst gegen Ende biegen sie auf einen Parkplatz ab und lassen mich rollen.

Es ist kurz nach 12, ich beschließe, auf Nina zu warten; soweit hinter mir kann sie eigentlich nicht sein. Doch ich muss eine gute halbe Stunde dort stehen, sogar Wilfred und Kees kommen vorbei, die ich zu Beginn der Moränen überholt hatte, und noch kein Zeichen von Nina. Als sie schließlich eintrifft, habe ich schon etliche radebrechende Unterhaltungen mit Neugierigen hinter mir, auch keinen Bedarf mehr noch eine weitere Zigarette zu rauchen; sie musste telefonieren.

Gemeinsam geht es weiter, die letzten Kilometer bis Swinemünde. Zunächst einmal müssen wir mit der Fähre übersetzen. Jörg mit seinem Auto steht in der Schlange für die Touristen, erfahren wir telefonisch, wir nehmen die für Einheimische reservierte Fähre, auf der auch ausländische Radler und Räder kostenlos auf die andere Seite transportiert werden. Ein schöner Zug der Stadtverwaltung.

Die Stadt selbst ist quirlig im sommerlicher Urlauberbetrieb. Auf dem Platz im Zentrum sehe ich schon von weitem einige Velomobile stehen; Swinemünde war als Mittagsrast im Tagesplan angegeben. Nina und ich haben allerdings noch keine recht Lust auf eine längere Pause im Touristengewimmel, wir sind jetzt reif für die Grenze und beschließen, die Mittagspause auf der deutschen Seite in einem der nächsten Orte einzulegen.
Die Annäherung an die Schengen-typisch verschwundene Grenze erfolgt über derart arges Kopfsteinpflaster, dass ich freiwillig auf den links begleitenden Radweg ausweiche. Dort behindern Touristinnen und Touristen, die sich mal ein Fahrrad geliehen haben, das Fortkommen, doch bei weitem nicht so stark wie der Knüppeldamm nebenan.

Jenseits der Grenze sind wir zuhause; das merkt man gleich auf den ersten Kilometern, denn hier wird eher sportlich gefahren, und der besondere Ehrgeiz des deutschen Autofahrers liegt bekanntlich in der Demonstration seiner Fähigkeiten im Umgang mit Gegenverkehr. Dieser ist nennenswert vorhanden, weshalb Velomobile vorzugsweise innerhalb der rechten Fahrspur überholt werden müssen, was der deutsche Autofahrer auch kann, denn er kennt sein Auto ganz genau. Ich bin beeindruckt.
Auch davon, dass es an der östlichen Peripherie Deutschlands genauso ist wie an der westlichen. Ob man von Luxemburg die Grenze in die Eifel überquert oder von Polen nach Usedom wechselt, kaum ist man jenseits der Grenze, nimmt der Verkehr deutlich zu.

An Ahlbeck rausche ich noch vorbei, weil ich im Schwung einer kleinen Abfahrt – wir sind noch immer in Moränenland – den Abzweig verpasse; beim zweiten , dem Seebad Heringsdorf, geht es mir genauso, aber dann nehme ich die nächste Einfahrt in den Ort, sie liegt praktischerweise an einer Steigung mit Ampel, da musste ich ohnehin bremsen.
Gemählich rollen wir in den Ort mit seinen typischen hellen Häusern aus der Kaiserzeit (bzw. heutzutage im Stil der Kaiserzeit), nehmen die Steigung zum Kliff hoch und halten vor einem Lokal. Es ist bald 14 Uhr, Zeit für die Mittagsrast.
Heringsdorf ist touristisch seit der Erfindung des Urlaubs, doch die Sommerfrische hat hier eine ganz andere Atmosphäre als drüben in Polen; es ist belebt aber gleichzeitig viel ruhiger, kein Rummelplatz, eher gediegen. Gefühlt entspannt in Heringsdorf die alternde Gesellschaft, doch die Menschen, die während des Essens vorbeikommen, sind bei weitem nicht alle im Ruhestandsalter.

Weiter geht es im Nachmittagsverkehr Usedoms bis die Brücke nach Wolgast, zurück aufs Festland erreicht ist. Ich habe genügend Zeit für eine Stadterkundung um den mächtigen Dom herum, denn Nina ist wohl ein gutes Stück hinter mir.
Hinter Wolgast biegt die Route wieder auf kleinere Straßen ab und führt durch das nun wieder eher sanft gewellte Land. Ich nehme die letzte Etappe des heutigen Tages unter die Räder, die wieder hoch an die Küste gegenüber der Insel Rügen führt. Durch die einen Orte hindurch wie bei Rubenow, an anderen vorbei wie bei Wusterhausen (auch weil die Nebenstraße selbst dort schon als Umgehung geführt ist) geht es zügig bis nach Brünzow, und die Abkürzung zur Straße nach Loissin.

Jeder Tag braucht ein Stück schlechte Strecke, auf der man wünscht, diese Schikane umfahren zu haben. Heute ist das unser Stück schlechter Strecke, und es passt zumTag, dass sie sich gut fährt, weil neu gemacht. Typischerweise wäre dies ein Betonplattenweg, eine Schotterpiste oder Schlimmeres gewesen. Nicht so heute; der Weg rollt recht gut, er ist nur schmal, doch nur rund 2 km lnag, dann geht es rechts ab nach Loissin.
Der Ort ist verschlafen, denn er liegt abseits der üblichen Touristenpfade, mir ist das recht, denn so und vielleicht nur deshalb habe ich auf dem jenseits des Ortes am Meer gelegenen Campingplatz Platz für die gesamte Gruppe finden können. An einer klenen Kaufhalle im Ort halte ich noch einmal an, um Bier zu bunkern. Der Laden ist in ostdeutsch-dörflicher Manier nur spärlich mit Regalen und noch spärlicher mit Waren ausgestattet; man deckt sich hier lieber beim allenthalben vorhandenen Netto ein. „Sicher willst du kaltes Bier“, ruft mir der Betreiber entgegen. Er hat jedoch keins mehr, denn „das haben deine Kumpel alles weggekauft“. Nicht alles, denke ich mir, denn er sitzt ja selbst mit anderen Dörflern draußen, und jeder hat Bier vor sich stehen. Er packt schnell einige Flaschen aufs Eis und nutzt die Zeit der symbolischen Abkühlung, um mir das ganze Drama des Mindestlohns zu erklären, und warum die Politik keine Ahnung habe.

Mit handwarmem Bier versorgt meistere ich auch noch das letzte Stück raus zum Camping, schlage mein Zelt auf und genieße das Bier, und auch das nächste noch. Es ist nicht mal 5 Uhr, Zeit für einen Strandgang nach dem Duschen. Später gehe ich mit den anderen zum Campingrestaurant wo der Bedienungsservice an der Wucht mehrerer Tische hungriger Velomobilisten auf Ostseeumrundung spektakulär scheitert.
Die Sonne sieht’s und versinkt vor Scham im Meer.
 
und schon kommt der 20. Tag, es geht nun doch stark dem Ende entgegen:

20. Tag
Loissin – Kühlungsborn, Deutschland
149 km


Same procedure as every day – außer das wir an diesem morgen später abfahren als sonst, es ist nicht weit bis zum Frühstück in Greifswald, und insgesamt wird der Tag nicht lang.
Es geht zurück durch Loissin und auf kleiner Straße weiter bis Kemnitz zur L26. Die ist wenig befahren und führt uns direkt nach Greifswald. In der Annäherung fallen vor allem die renovierten Plattenbausiedlungen auf, doch sobald wir den Stadtkern erreichen, ist das Bild ein völlig anderes. Wie viele der ostdeutschen Städte ist Greifswald eine echte Perle, wunderschön renoviert und mit eindrucksvollen alten Ensembles. Und es ist eine Hansestadt mit den für diese typischen Kaufmannshäusern. Einmal mehr werde ich daran erinnert, dass im Westen des Landes mehr alte Bausubstanz nach dem Krieg im Wirtschaftswunder dahinging als durch den Krieg selbst zerstört wurde. In der DDR ist mehr stehen geblieben, und das System ist gerade noch rechtzeitig zusammengebrochen, bevor der Verfall, Schwamm und sonstwas viele Häuser unbewohnbar gemacht hätten.

Die Kulisse ist prächtig, auf dem Marktplatz wird gerade der Markt aufgebaut, als wir um 8:15 übers Kopfsteinplatz herbei rumpeln. Cappucchino und Gebäck, Schwätzchen mit den Einheimischen, schönes Wetter, was will man mehr.


Weiter geht es in flotter Fahrt auf der L26 über nun sanft geschwungenes Hügelland. Nina habe ich hinter mir gelassen „Fahr Du“, sagt sie meist nach dem Frühstück, und ich fahre, warte aber immer mal wieder bis sie vorbeisaust. Bald erreiche ich Lars und lasse ihn nach einem Dörfchen hinter mir, jetzt führt die Route weiter über die L27 ein Stück nach Norden, um die Straße von Grimmen nach Tribsees zu erreichen. Dort verpasst mich und die Augäpfeltanzende Kopfsteinpflasterortsdurchfahrt Nina, denn sie bleibt auf der neuen Umgehungstraße statt geradeaus auf den Ort zuzufahren. Mein Gefühl liegt richtig, denn kaum bin ich einige 100 Meter Richtung Tribsees abgebogen, sehe ich am Supermarkt rechts einige Velomobile stehen. Die Nicht-Greifswald-Besucher haben hier zugeschlagen, Supermarkt und Bäckerei bieten alles an. Es ist 10:00, Zeit für ein Zigarettenpäuschen, also halte ich an, versorge mich mit Getränken für den Tag und plaudere mit den anderen bevor ich mich selbst auf die Schüttelstrecke durch den Ort aufmache.

Jörn ist mit mir losgefahren, eine der wenigen Gelegenheiten, ein Stück mit ihm zu fahren, denn er ist meist der erste morgens, und ich sehe ihn bestenfalls zu Mittag wieder, weil er kaum Pausen macht. Sein Ausspruch „ah, nur 200 km, da steige ich gar nicht aus“ ist längst zum geflügelten Wort der Tour geworden, nicht zuletzt, weil er der einzige ist, der immer sein gesamtes Gepäck an Bord hat (einschließlich einer voluminösen Schlafunterlage, die ansonsten wahrscheinlich nur von afrikanischen Großfamilien gekauft wird). Meine Freude währt nicht lang, denn nach dem Ortsende, am ersten Kreisverkehr, fährt Jörn entschlossen geradeaus, wo doch rechts abzubiegen wäre. Ich stutze kurz, aber Jörn wird schon wissen was er macht. Vielleicht ist ihm die Etappe zu kurz und er möchte noch eine Schleife anhängen ... so donnere ich also allein die Tribseer Chaussee entlang, Richtung Bad Sülze. Es wird moränenmäßig etwas hügliger aber nicht wirklich, dann etwas voller als es auf Rostock zugeht. Dass die Landschaft dennoch erhöht liegt, merkt man immer erst, wenn man sich wieder der Küste oder einer Flussmündung nähert.

So ist es auch mit Rostock; einmal unter der Autobahn durch geht es sanft nach unten und ich schwimme munter im Fluss der Fahrzeuge mit, so munter, dass ich die Abbiegung auf den Verbindungsweg, den ich laut Track hätte nehmen sollen, rechts liegen lasse (ich werde diese Abfahrt und die grüne Ampel doch nicht wegbremsen) und rausche über den Mühlendamm nach Rostock rein. Ein Blick aufs Navi zeigt, dass ich nur am Rosengarten rechts abbiegen muss und dann auch direkt zum Neuen Markt komme, wo wir mit Klaus verabredet sind, der uns Rostock zeigen möchte. Es ist nicht mal 12 Uhr. Einige Mannen sind schon da, die anderen tropfen im Abstand einiger Minuten ebenfalls ein. Also essen und trinken wir, erstaunlich, wieviel wir uns immer noch zu erzählen haben nach knapp drei Wochen auf Tour. Aber es sind ein paar neue Leute dabei, die sich freuen, von unseren Erlebnissen zu hören: Jörg, Ninas Mann, Andreas (der zum Start in Lübeck dabei war, aber dann beruflich zurückgerufen wurde, nun wieder dabei ist, aber mit dem Auto), Christoph, der diese Schlusstage mitfahren wird, und natürlich Klaus, unser Rostock-Botschafter, stilsicher im ROAM-T-Shirt!

Nach dem Essen schlägt Klaus eine kleine Runde vor, deren Höhepunkt die Besteigung des Turms der Petrikirche am Alten Markt sein wird, von wo aus ein herrlicher Blick über die Stadt lockt. Ich verkneife mir die Höhenmeter, und bleibe auf dem Kirchplatz als Stallwache zurück.

Rostock gefällt uns gut, doch wir müssen weiter. Die Route ist nun einfach, aber dafür gibt es ordentlich Verkehr – der stört zunächst nicht, denn es gibt zwei Fahrspuren raus über die Lübecker und Hamburger Straße auf die 105 nach Bad Doberan. Wieder muss ein wenig geklettert werden, bis Doberan pfeifen einem dazu die Autos um die Ohren. Danach sind wir zurück auf der L12 und es lässt sich ruhig und flott fahren, zur Rechten ausgestreckte Waldgebiete, die die Luft kühl machen. Das muss ein beliebtes Ausflugsziel sein, denn die Parklage bzw. Parkverbotslage wird dem Vorbeifahrenden ständig neu mitgeteilt. Ein Wegweiser nach Heiligendamm taucht auf, dem Ort, an dem Angela Merkel so gern die Mächtigen der Welt versammelt. Ich denke kurz darüber nach, den Abstecher zu machen, doch Nina rollt vor mir, und so bleibe ich dran. An einer dieser kleinen Steigungen lasse ich sie wieder hinter mir und erreiche Kühlungsborn, wo die Wegweisung um den Ort herum und wegzuführen scheint. Außerdem ist wieder zu klettern; ich denke mir, hätte doch besser direkt in den Ort einfahren sollen. Da es aber sowohl Kühlungsborn Ost als auch West gibt, wird der Weg über den Berg wohl ok gewesen sein; der Campingplatz liegt am Westende.

Der Platz stellt sich paramilitärische Veranstaltung heraus, alles ist durchorganisiert, straff organisiert und streng hierarchisch kommandiert. Die Anmeldung ist kompliziert, obwohl ich vorbestellt und vorbezahlt habe (wie alles andere in Deutschland auf dieser Tour, ohne Vorkasse geht nichts). Man braucht Einfahrmarken und es gibt Einweiser, die mit Golfkarren vorherfahren. Wir sind ganz hinten in einer Ecke auf zwei Wohnmobilstellplätzen, mehr Raum gab es nicht. Der Platz ist groß und eng bestellt – wie Prenzlauer Berg, nur an der Ostsee. Bevor wir die Zelte aufstellen können, müssen wir erst auf den Besenwagen warten und dann sehen, wie alles passt, denn wir müssen wieder dicht an dicht bauen und die Velomobile anschließend davor stellen. Was soll ich sagen, es klappt natürlich, als dann irgendwann der Besenwagen eintrifft, die Ostsee rauscht hinter den Bäumen, zum Waschhaus ist es nicht weit, so stecken wir auch die Kommandoatmosphäre der Zentrale weg. Lars, der Däne, kann immer noch nicht verstehen, wie die Deutschen das aushalten, er ist unter der Schranke durchgefahren, wurde gestoppt, konnte dann zu Fuß zu mir gehen, sich den Einfahrchip zu holen, durfte wieder zurückgehen, um mit dem Quest wieder hinfahren zu dürfen. Tja, so ist das, wenn die Dinge ihre Ordnung haben.
Dafür ist der Sonnenuntergang später wieder schön und läuft ohne jedes Zutun des Kommandoteams ab. Danach trollen wir uns gruppenweise Richtung Abendessen, die einen außerhalb des Kasernenhofes, die anderen in dem Großrestaurant auf dem Platz.

Unser 20. Tag geht zu Ende, morgen früh wird von uns wie überall nichts bleiben als ein Flaschengebirge, das jeden Pfandjäger reich machen könnte.
 
Ich hatte die GBSR-Fahrer erst gegen 13.30 Uhr in Rostock erwartet, aber ein Anruf von Jupp auf der Box belehrte mich schon bei der Ankunft im Büro, dass es früher werden würde. Also habe ich umgeplant und mich schon gegen 11.00 Uhr aufgemacht, um noch einmal zu testen, welche Straßen in der Rostocker Altstadt velomobiltauglich sein könnten.
Da kam mir schon gegen 11.30 Uhr Jürgen mit dem Evo entgegen. Er hatte sich an den alten Kirchen orientiert und war auf dem Weg zum Alten Markt, als Treffpunkt hatte ich mit Jupp aber den Neuen Markt ausgemacht... Also machte ich den Guide und fuhr mit ihm zum Treffpunkt. Auf dem Kopfsteinpflaster war ich mit dem Scorpion deutlich im Vorteil:sneaky:
Auf dem Neuen Markt kamen die anderen dann schnell dazu. Die Tischrunde mit crummel, Nina und Jörg war sehr nett. Allerdings knallte die Sonne erbarmungslos vom Himmel. Da lockte die Ostsee die Tourteilnehmer bald in Richtung Kühlungsborn und mir raubte sie den Elan, ihnen noch mit dem Trike zu folgen...
 
Auf der L109 fuhr einige Zeit ein Polizeiwagen der Bundespolizei hinter mir. Ich war mit 48 km/h unterwegs. Sie überholten mich, um mich dann an der nächsten Haltebucht anzuhalten.
"Die Fahrzeugpapiere bitte", wurde ich aufgefordert. Als ich ihnen erklärte, dass es keine Papiere gibt, da es ein Fahrrad ist, wollten sie es nicht glauben. Das erste was ihnen dann einfiel war , mich auf den Fahrradweg hinzuweisen und zu fragen, warum ich ihn nicht benutze.
Meinen Hinweis auf §2 Satz 23 der Verwaltungsanordnung beendete das Thema.
"Und da ist wirklich kein Motor drin?" Bei dieser Frage stieg ich aus. "Jetzt nicht mehr," meine Antwort. Es wurde noch mit der Taschenlampe reingeleuchtet und dann gute Weiterfahrt gewünscht.

Nach der Pause vor Rostock, kurz nach der Weiterfahrt ploppte es vorne links am Rad. Anhalten, aussteigen und feststellen das der Durano plus eine riesige Beule an der Flanke innen am Rad ausgebildet hatte, die am Federbein rieb. Damit hatte auch der zweite Reifen Totalschaden (den ersten musste ich in Harsz tauschen). Zum Glück war Jörg bei mir und half mir mit seinem Ersatzmantel aus. Nun wurde es knapp bis 12:00 Uhr in Rostock. In einem Vorort hielt ich an einer Ampel, an der Jörg noch durchkam.
In Rostock suchte ich an der Einfallstraße nach den Anderen. Dort reiht sich ein Parkplatz an den Nächsten. Vom Treffpunkt "Neuer Markt" hatte ich nichts mitbekommen.
Als ich dann einige Kilometer auf dieser Straße durch Rostock gefahren war, war klar, dass ich den Treffpunkt verpasst hatte und ich fuhr gleich Richtung Kühlungsborn weiter.

Der Platz stellt sich paramilitärische Veranstaltung heraus, alles ist durchorganisiert, straff organisiert und streng hierarchisch kommandiert. Die Anmeldung ist kompliziert, obwohl ich vorbestellt und vorbezahlt habe (wie alles andere in Deutschland auf dieser Tour, ohne Vorkasse geht nichts). Man braucht Einfahrmarken und es gibt Einweiser, die mit Golfkarren vorherfahren.

Der Vm Fahrer im Video bei 8:47 das war nicht ich. Ich war zu der Zeit schon im "Militärcamp" und hatte die Anmeldeformalitäten und die Platzzuweisung erledigt.
Jupp, wenn du die Anmeldung kompliziert fandest, dann sei froh, dass du nicht der Erste an dem Platz warst.

Das war der Platz mit dem Hinweis am Zaun: "Steine vom Strand mitbringen ist verboten".
Am Strand stand ein Schild:" Lagerfeuer machen ist verboten. Strafe 1000 €".

Dieter
 
Nachdem ich mich durch die Voraussetzungen der Tour, dass man bereits selbstversorgte Mehrtagestouren gemacht haben sollte, hatte ich mich von der Idee der Teilnahme an der GBSR-Tour verabschiedet. Bei der Planung meines Sommerurlaubes, in dem ich eine solche Mehrtagestour dann nachholen wollte, hat es sich dann ergeben, dass ich meine Tour in Rostock begonnen habe, zeitlich so abgestimmt, dass ich die Ankunft der Tour dort abpasse. So habe ich mir einen Mercedes Sprinter gemietet, mein Quest darin verstaut und bin nach Rostock gefahren. Gegen 9 Uhr morgens war ich dort, bin gemütlich in die Stadt gefahren, habe gefrühstückt und bin dann gegen 10:15 die 110 Richtung Osten aus Rostock rausgefahren, um dem Tross entgegenzufahren. Ich kam jedoch nur bis Broderstorf, ca. 8 km vom Neuen Markt entfernt, als mir Pier entgegenkam. Wie sich herausstellt, war er auch schon eher einer der letzten, die nach Rostock hineinfuhren, denn die meisten waren bereits am neuen Markt, als wir dort ankamen. Soviel zu dem Tempo, aber das hatte Jupp in seinen Berichten ja bereits mehrere Male herausgestellt.

Mir war kurz vor dem neuen Markt noch ein kleines Malheur passiert - da ich Pier hinterhergefahren bin, habe ich nicht so genau auf die Straßenbeschaffenheit geachtet und bin darum in ca. 10 cm aus der Straße ragende Steine, die eine Straßenbahnschiene abgegrenzt hatten, hineingefahren. Das Resultat war ein ziemlich zerrupfter Unterboden links vorne zwischen Fußloch und Radkasten. Keine tragende Teile, und mein Plan war sowieso, dass ich auf meiner Tour nach Dronten fahre, um dort mal das Quest durchchecken zu lassen. Somit ein Grund mehr, um zu velomobiel.nl zu fahren.

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Nach einer Stärkung, einer kleinen Stadtführung durch Wikinger und dem Erklimmen eines Kirchturmes sind wir dann alle gemeinsam, in mal größeren, mal kleineren Gruppen, nach Kühlungsborn gefahren, wo wir erst einmal auf die Ankunft des Gepäckwagens warten mussten, um den Platzbedarf auf dem Platz zu klären. Gut gegessen wurde natürlich auch noch, hauptsächlich Fisch, Bier, und der eine oder andere auch Dessert und/oder Schnäpschen.

Am nächsten Morgen ging es auf die letzte Etappe, nach Lübeck, mit Treffpunkt in Dassow, um die Lübecker Liegeradler dort zu treffen. So ging es wieder ausgeruht in den Endspurt zur Abschlußveranstaltung. Die Etappe war nicht lang, dafür wunderschön, immer wieder mit Sicht auf die Ostsee. Für die Teilnehmer der ganzen Tour nach den 3 Wochen bestimmt nichts aussergewöhnliches mehr, aber ich habe es genossen. Gegen halb 2, wenn ich mich richtig erinnere, waren wir an der Jugendherberge, haben eingecheckt und Ballast abgeladen, bevor es auf den Rathausplatz ging, wo genau 3 Wochen zuvor die Tour begonnen hatte. Abends dann noch, frisch geduscht, ein abschliessendes, gemeinsames Abendessen mit vielen Danksagungen und Verabschiedungen.

Nach den Erzählungen hatte es die ganzen 3 Wochen wohl nicht geregnet (1-2 mal genieselt vielleicht), und so kam es, dass es Sonntag Morgen endlich regnete. Zwar nicht schlimm, aber ich hatte es nicht eilig und wollte mich nicht stressen, und darum hatte ich unter einer Brücke nchmal Pause gemacht - keine halbe Stunde nach Abfahrt an der Jugendherberge. Kaum hatte ich mich auf dem Rücken dort neben mein Quest gelegt, hupt es - und ich sehe einen grauen Mercedes Sprinter... Das wird doch nicht der Begleitwagen mit Erwin und Jupp auf dem Weg zurück ins Rheinland gewesen sein? Und ich liege da faul auf dem Rücken - wie peinlich!

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Gegen Mittag war ich, nach nördlicher Umfahrung von Hamburg, an der Elbe-Fähre in Glückstadt angekommen. Als diese angelegt hatte und ich hinauffahren konnt, fuhr plötzlich hinter anderen wartenden Fahrzeugen Johann hervor. Mit dem hatte ich mich auf der Fähre dann noch ein wenig unterhalten, bis unsere Wege sich kurz nach der Fähre trennten.

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Das ware es dann auch schon mit meinen GBSR-Erlebnissen. Es war zwar nur klitzekleines Stück von GBSR, den ich hatte miterleben dürfen, aber dennoch nicht minder vielen Dank dafür! Es hat mir viel Spaß gemacht, noch mehr Velomobilisten persönlich kennenzulernen und viele Erfahrungen mitnehmen zu können.
 
Gegen Mittag war ich, nach nördlicher Umfahrung von Hamburg, an der Elbe-Fähre in Glückstadt angekommen. Als diese angelegt hatte und ich hinauffahren konnt, fuhr plötzlich hinter anderen wartenden Fahrzeugen Johann hervor. Mit dem hatte ich mich auf der Fähre dann noch ein wenig unterhalten, bis unsere Wege sich kurz nach der Fähre trennten.

So erging es uns 3 Wochen lang. Man fährt viele Kilometer allein oder in einer Gruppe, ohne andere Velomobile zu sehen. Kaum ist man in einer Stadt sieht man plötzlich ein oder mehrere Velomobile direkt vor oder hinter einem.

Manchmal verschwindet auch eines. Ich fuhr an einem Tag viele Kilometer mit Maarten. Es kam eine Fahrbahnverschwenkung 2 mal 90 Grad über eine Bahnstrecke. Ich war 100 m hinter ihm. Danach konnte ich ihn nicht mehr sehen. Ich mühte mich ab, ihn wieder einzuholen und wunderte mich, wie er so plötzlich so weit vorne sein konnte . Irgendwann war dann klar, er ist hinter mir. Er muss direkt hinter der Kurve die Straße verlassen haben.
 
Während der 21. Tag noch so lange auf sich warten lässt bis ich mal wieder eine schnelle Upload-Verbindung für den Film habe, könnt ihr schon mal die Griffel spitzen für die Gesamtwürdigung der Tour.

Zur Überbrückung erzähle ich eine kleinem, etwas skurrile Geschichte, die aber wahr ist:

Dieser Tage meldet sich bei mir ein Journalist der schwedischen Tageszeitung Dagens Nyheter; nicht ungewöhnlich, kommt in meinem Beruf häufig vor. Aber – sein Anliegen ist nicht das erwartete Gespräch über die Sinnhaftigkeit der Neustrukturierung der Europäischen Kommission, die Ergründung außenpolitischer Befindlichkeiten in Berlin 25 Jahre nach Mauerfall oder die Abwägung von Handlungsalternativen in der Ukraine-Krise, nein, er wolle, erfahre ich vorab, über den Great Baltic Sea Ride schreiben.
Als ich mit ihm telefoniere, will er das eigentlich gar nicht, sondern er möchte wissen, ob jemand von uns an einem bestimmten Tag unserer Tour an einer bestimmten Stelle vorbeigekommen ist, denn es habe eine Frau eine merkwürdige Sichtung berichtet, und das wolle er untersuchen.

Aus dem Kopf kann ich das natürlich nicht sagen, zumal die Ortschaft die er nennt, Kisa, mir nichts sagt. Ich verweise auf die website und er will sich per Mail melden, tut er auch kurze Zeit später, und es sieht so aus als seien wir in der Nähe vorbeigekommen. Ich erkläre ihm, dass wir als freie Menschen uns auch schon mal verfahren, oder auch einen anderen Weg nehmen, es also sein könne, dass jemand von uns abseits der Route gesehen wurde.
Am Abend schickt er mir eine Mail mit zwei Karten zur genauen Bezeichnung der Stelle, an der die Sichtung erfolgte. Eine davon ist diese hier:
Kisa2 small.jpg

Ich bin zwischenzeitlich etwas neugierig geworden und stöbere im Netz nach meinem Gesprächspartner, find ihn auch schnell als Journalisten besagter Zeitung und – als bekannten UFO-Jäger. Hier ist sein Blog, er hat mehrfach über diese Recherche geschrieben -- hier der Eintrag zum 6.11.: http://www.ufo.se/csblogg3/

Er ist in der Riksorganisationen UFO Sverige aktiv, wo man für solche Sichtungen Investigativteams hat, die Meldungen überprüfen. Aufmerksam wurden sie durch Pressemeldungen über eine UFO-Sichtung. Später teilt er mir noch mit dass kein Ufologe sei, sondern skeptisch an die Sache rangehe und diese Organisation alle Meldungen dahin überprüft, ob es nicht eine normale Erklärung gebe. Deshalb will er genau nachweisen, um was es sich bei dieser Sichtung gehandelt habe.

Ich schreibe deshalb eine Mail an die GBSR-Teilnehmer, erläutere die Sache und gebe ihnen zum Schmunzeln oder Wundern den Mailwechsel mit. Bekomme natürlich auch einige Antworten, die zunächst darauf schliessen lassen, dass Jürgen und sein Evo S das UFO war.
Stimmt aber nicht, denn es war – in der Rückschau völlig klar – natürlich Markus, der wieder mal an einem Abzweig vorbeigeflogen ist, Milan eben, und dies erst Kilometer später am Ortseingang Kisa erkannt hat. Für Markus untadelige VM-Bilanz spricht wiederum, dass er umdrehte und zum Abzweig zurückfuhr und damit die Stelle ein zweites Mal passierte, obwohl er erkannt hatte, dass er auch auf der 134 hätte bleiben können – sie hätte ihn mit einigen km mehr ebenfalls nach Ulrike geführt, aber er hätte die Verwirrungen um den nächsten Abzweig auf die Offroad-Strecke verpasst, die Lars und ich uns mit einem Bad im See verschönert haben, die aber eigentlich ziemlich übel und dazu mit fiesen kurzen Steilanstiegen Anlass zu reichlich Kritik an den Routenplanungsfähigkeiten des Tour-Captains gab.
Obwohl er davon nichts wissen konnte, wollte Markus es natürlich nicht versäumen. Und da er seine GPS-tracks ordentlich archiviert hat, konnte er auch die exakten Zeiten der beiden Vorbeifahrten nennen. Der UFO-Journalist war begeistert.

Der Fall ist also gelöst, hat auch schon Presseresonanz in Schweden erfahren
http://www.corren.se/nyheter/kinda-atvidaberg/ufot-utanfor-kisa-var-en-cykelbil-7489929.aspx
und unser UFO-Experte wird ihn in seinen nächsten Vorträgen als Fallbeispiel verwenden.
 
die Sache ist noch nicht erledigt: gerade ist eine Mail von Clas mit weiteren Fragen reingekommen. Er ist mittlerweile überzeugt, das ich nicht zu IHNEN gehöre, aber die Frau vermutlich noch nicht. Mal sehen, was daraus wird, vielleicht gibt es ja noch einen Ortstermin :D

Stimmt aber nicht, denn es war – in der Rückschau völlig klar – natürlich Markus, der wieder mal an einem Abzweig vorbeigeflogen ist, Milan eben, und dies erst Kilometer später am Ortseingang Kisa erkannt hat.

das wäre ja auch noch schöner, wenn ich mir von einem farblosen Track den Weg weisen lasse würde. Die Landschaft war einfach zu schön, die wollte ich mir gerne aus beiden Richtungen ansehen... :whistle:

Für Markus untadelige VM-Bilanz spricht wiederum, dass er umdrehte und zum Abzweig zurückfuhr und damit die Stelle ein zweites Mal passierte, obwohl er erkannt hatte, dass er auch auf der 134 hätte bleiben können – sie hätte ihn mit einigen km mehr ebenfalls nach Ulrike geführt,

die direkte Strecke von Kisa nach Ulrika wäre etwa sieben km kürzer gewesen, als der "Umweg" zurück zum Original-Track. Von der besseren Straßenqualität ganz zu schweigen. Aber das war zu einfach und wäre mir natürlich niemals in den Sinn gekommen... (wer hat doch gleich mehrmals in Polen und dem Baltikum die richtig fiesen Abschnitte im großen Bogen umfahren ?) :D
 
Zuletzt bearbeitet:
Für Markus untadelige VM-Bilanz spricht wiederum, dass er umdrehte und zum Abzweig zurückfuhr und damit die Stelle ein zweites Mal passierte, obwohl er erkannt hatte, dass er auch auf der 134 hätte bleiben können – sie hätte ihn mit einigen km mehr ebenfalls nach Ulrike geführt, aber er hätte die Verwirrungen um den nächsten Abzweig auf die Offroad-Strecke verpasst, die Lars und ich uns mit einem Bad im See verschönert haben, die aber eigentlich ziemlich übel und dazu mit fiesen kurzen Steilanstiegen Anlass zu reichlich Kritik an den Routenplanungsfähigkeiten des Tour-Captains gab.
Obwohl er davon nichts wissen konnte, wollte Markus es natürlich nicht versäumen.

Also Google translate sieht das etwas anders:
- Einer der Fahrer war irre und fuhr in Richtung Kisa statt den vorgesehenen Weg in Richtung Ulrika sagt Johan Gustavsson, UFO Schweden.
;):ROFLMAO:

Gruß,

Tim

edit wegen UFO-überzeugter Dame: soll wohl eher heißen: Fuhr zu den Irren ;)
 
... (wer hat doch gleich mehrmals in Polen und dem Baltikum die richtig fiesen Abschnitte im großen Bogen umfahren ?) :D

Ich nicht, nur ein mal in Polen auf dem letzten Stück nach Harsz, da habe ich den Umweg auf besserer Straße mit Jörg genommen, sonst habe ich alle Tiefen meiner Routenplanung tapfer durchfahren

Was bleibt ist die ewige Erkenntnis, dass etwas verpasst hat wer nicht dabei war
 
sonst habe ich alle Tiefen meiner Routenplanung tapfer durchfahren
Beruhige Dich, auch wenn ich Robert gerne wegen seines Ackerpfades aufziehe, so etwas
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passiert wohl jedem (ja, der Milan hat durchgepasst. Die Straße war für alles Nichtkraftfahrzeugmäßiges gesperrt, aber "nur" normale Autovia. Nein, zwischen Strand und Fels gabs es keine andere, durchgehende Straße, nur Sackgassen in den anliegenden Dörfchen)

Gruß,

Tim
 
Und hier nun der letzte Tag der Tour in Wort und Bild:

21. Tag
Kühlungsborn – Lübeck, Deutschland
108 km


So wie jede Tour ihren ersten Tag hat, der etwas Besonderes ist obgleich die wirklich besonderen Tage andere sein werden, so hat sie auch einen letzten Tag, für den das Gleiche gilt. Am ersten Tag rollt man ein, kommt ja auch nicht früh los, also wird dieser Tag eher kurz und entspannt sein. Am letzten Tag rollt man aus, will aber auch nicht spät am Ziel sein (braucht vielleicht auch noch einen Halbtag als Puffer) – also wird auch dieser Tag eher kurz und leicht geplant werden.

Der letzte GBSR-Tag folgt völlig diesem Muster. Das letzte Aufbruchsritual kann gelassen angegangen werden; unser Tagesplan sieht nur gute 100 km vor – Frühstück in Wismar, nach guten 40 km Fahrt, Treffen mit Lübecker Liegeradlern in Dassow um Mittag, ehrenvolle Würdigung durch die Hansestadt Lübeck um 15:00, abends Gelage in der Bar Celona.

Bei einem Becher Kaffee nehmen Nina und ich am Ausgang des Platzes die Parade der aufbrechenden Velomobilisten ab (auch damit jeder sein Chipmärkchen abgibt bzw. in den Postkasten wirft, denn die Rezeption ist völlig unmilitärisch noch geschlossen), dann machen wir uns zusammen mit Christoph selbst auf den Weg.


Zum Einrollen hat die Route sanftes Klettern im Programm, die erste Viertelstunde lang erklimmen wir den nächsten Moränenrücken, ohne Murren, denn dahinter warten bekanntlich sanfte Wellen und leichte Abfahrten, wo man das Velomobil richtig laufen lassen kann.
Und genauso kommt es auch, ist man erst mal oben, läuft es danach wie von selbst, bis wir in Neubukow wieder runterkommen. An der Ortseinfahrt überhole ich einen Radwanderer, der ziemlich zügig unterwegs ist (es geht ja auch leicht runter), unten an der Ampel will er alles wissen, er hätte wahrscheinlich auf der Stelle sein Zeug in ein Velomobil gepackt und seinen Randonneur am Straßenrand abgestellt. So sieht er mich entschwinden, zurückgeworfen auf sein Schicksal als mühsamer Aufrechtreiseradler.

Den Abzweig auf die Küstenstraße verpasse ich zunächst, muss wenden, dafür läuft mir Jörg mit seinem weihnachtskugelroten Evo R über den Weg. Die nächsten Steigungen nehmen wir gemeinsam, ein neuer Moränenrücken wartet, doch die Strecke ist eindeutig schöner als die Bundesstraße 105 runterzufahren. Immer wieder zeigt sich die Ostsee zur Rechten (hatte ich schon erwähnt dass das Wetter wieder wunderbar sommerlich sonnig ist? Ist es auch zeitweise, je näher wir Lübeck kommen desto wolkiger wird es allerdings), kleine Abfahrten tun sich auf, der Straßenbelag könnte allerdings etwas wenig rumpelig beschaffen sein. Hinter Blowatz geht es abwärts, stürmisch auf Wismar zu, mit seinem eindrucksvoll restaurierten Stadtzentrum und dem liebevoll uneben ausgelegten Kopfsteinpflaster. Wir stoßen bis zum Markt vor und durch zum für sein Frühstücksbuffet über die Grenzen Mecklenburgs hinaus Café Hegede. Kein Wunder, dass dort schon die GBSR-Vorhut Platz genommen hat. Keine 20 Minuten nach meiner Ankunft sind auch alle übrigen da, und das Geschnatter der Tourfahrer wie das Geklapper ihrer Kaffeetassen halt über den ansonsten recht verschlafenen Marktplatz.

Die Ausfahrt aus Wismar führt noch einmal vorbei an der prächtiger Häuserkulisse und wieder in die Hügel der Küstenlandschaft – statt der B105 über Grevesmühlen nehmen wir die beschaulichere L1 über Klütz und am Lenorenwald vorbei. Es ist das gleiche Spiel: relaxt ein bisschen Höhe gewinnen, mit Schwung über die Wellen brettern und am Ende mit Tempo wieder runter. Das macht Spaß, am letzten Tag. In Kalkhorst fahre ich auf Christopf auf, der von einem PKW abgestoppt wurde; gemeinsam rauschen wir die letzten Kilometer runter nach Dassow, wo uns auf dem Parkplatz eines Lebensmitteldiscounters das zweiköpfige Lübecker GBSR-Fernerkundungs- und Empfangskomitee erwartet. Zeit für Getränke, Anekdoten, Bilder und die munteren Blödeleien, die diese Tour immer bereichert haben.

Die restliche Strecke ist ein Klacks, die nur durch eine baustellenbedingte Umleitung etwas Überraschung bereithält. In der Ferne sehen wir schwere Regenwolken, die sich im Lübecker Raum entladen; als wir uns der Stadt nähern, dampft noch alles vor Nässe, es regnet aber nicht mehr. Durch die Umleitung kommen wir von Nordost rein, über die Schnellstraße aus Richtung Timmendorf; der Umweg stört uns ebensowenig wie die Gischtfahnen, die wir auf der Rauschefahrt der letzten Kilometer hinterher ziehen. Martin, im reparierten Quest wieder in seinem Element, schafft es dann noch, bei der Einfahrt in die Stadt ein Erinnerungsfoto des 50 km/h Blitzers zu bekommen.

Wir haben besprochen, zuerst zur Jugendherberge zu fahren, wo die meisten von uns noch einmal übernachten werden, ein wenig pudern, des Besenwagen-Chefpiloten Quest fertigmachen zur Ankunftsparade, GBSR Shirts anlegen und dergleichen mehr. Wir sind ja viel zu früh, werden erst um 15 Uhr geehrt. Als wir dann das letzte Stück ins Zentrum zurückgelegt hatten, ist es trotzdem erst 2 Uhr, Zeit genug für Kaffee, Getränke, Gespräche und mehr.

Es fühlt sich gut an, wieder auf dem Lübecker Marktplatz zu sein. So munter und insgesamt problemlos wie diese Reise auf war, die Ostsee mal eben in drei Wochen zu umrunden ist doch eine reife Leistung – das wird uns jetzt und hier bewusst. Wir haben das geschafft, und sind nicht auf der letzten Rille hier angekommen, sondern entspannt und gelassen eingerollt, können also richtig zufrieden und ein bisschen stolz sein. Einige bekannte Gesichter sind da, lokale Radler, Freunde, Familie, und natürlich jede Menge Passanten, darunter etliche, die an der „Tour de Osten“ teilgenommen haben – einem Massenradtouren-Event durch die früher mal „neuen“ Bundesländer. Einen Teil von ihnen sehen wir in der Jugendherberge wieder; belegen fast das gesamte Haus, so dass die GBSR-Anwesenheit den Altersschnitt deutlich drückt.

Der Festakt um 15 Uhr fällt hanseatisch trocken aus. Von den Segelereignissen in Travemünde ist der Sport-und wer-weiss-noch-was-Dezernent der Stadt herbeigeeilt, unsere Tour mit einer Ansprache zu krönen und darin unsere Leistung, die Velomobile, die Hanse und die Ostsee zu preisen. Anschließend erhält jeder Teilnehmer eine persönliche Urkunde, derzufolge sich Lübeck vor allem darüber freut, als Start- und Zielort der Tour ausgewählt worden zu sein – was mich nun wieder wundert, denn die Stadt ist sehr schön, liegt richtig, und ich kann nicht erkennen, warum man eine Radtour nicht auch hier beginnen können sollte.

Wie dem auch sei, wir nehmen die Urkunden würdig entgegen, genießen den Moment noch ein wenig, und kehren dann zur Jugendherberge zurück. Die ersten Velomobile sollen verladen werden und die Vorbereitung auf das große Abschlussdinner in der Bar Celona ruft.

Der Abend am Wasser wird richtig schön, munter, entspannt und lustig in seinem feierlichen Teil, in dem unter anderem der Captain und der Besenwagen-Chefpilot mit Ehrentiteln aus der Welt phantastischer Helden versehen werden, die sie nun für alle Zeit begleiten werden.
Einige fahren noch in der Nacht zurück, per VM oder Auto, die anderen reisen erst am nächsten Morgen ab. Der Abend setzt sich also fort an der Jugendherberge, wo einige Lübecker Liegeradler noch mehr über die Tour wissen wollen. Darüber berichten wir gern, so lange es Bier gibt, doch haben wir nicht mit dem Ruhebedürfnis der radelnden Rentner gerechnet. Es hagelt Beschwerden an der Rezeption; unglaublich, in einer Jugendherberge hat doch nach 10 absolute Ruhe zu herrschen ... die Herrschaften hätten hier sein sollen am Vorabend unserer Abfahrt vor drei Wochen, umgeben von etwa 200 Teenies beiderlei Geschlechts, das war ein Abendprogramm.
Dagegen sind wir harmlos.
 
In Kalkhorst fahre ich auf Christoph auf, der von einem PKW abgestoppt wurde;
Hm, ich kann mich nicht daran erinnern, was das gewesen sein könnte? Du bist einmal an mir vorbeigefahren, als ich eine Pause gemacht hatte. Aber dass ich von einem Auto ausgebremst oder sonst irgendetwas wurde, daran kann ich mich eigentlich nicht erinnern.
 
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