BuS velomo
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Hallo zusammen,
bisher gab es zum Hi-Q noch kein offizielles Statement, da ich stets darauf gewartet hab, bis es endlich "fertig" ist. So wie es auf der Spezi stand, war es ja als unvollendet gekennzeichnet, da es noch keinen Motor, somit keinen beidseitigen Antrieb hatte. So aber waren Traktionsdefizite das auffälligste Thema beim Quadfahren. Nun - endlich - kann ich die funktionale Vollendung von Hi-Q Nummer 1 verkünden. Der Motor ist dran, beide Hinterräder liefern Traktion und es fährt sich... viel besser.
Die Sache mit dem Motoreinbau hat so lange gedauert, weil die Art der Hinterachs-Konstruktion keine Standard-Lösung zuließ: Zuerst haben wir auf einen einseitig aufgehangenen Nabenmotor (DMG) geplant. Doch dessen Gewicht von >4kg (als ungefederte Masse) war abschreckend für das filigrane Konzept. So haben wir dann lieber auf die neuen österreicher Reibrollen-Antriebe gewartet (Add-E, Go-E). Dafür hätte eine 3fach drehend gelagerte Gabel oder Hilfsschwinge um das rechte Hinterrad gebaut werden müssen. Das ist weder schön noch simpel; aber den Todesstoß gab dann auch das mangelnde Drehmoment der kleinen Reibrollen bei niedrigem Tempo. Also gerade als Anfahr- und Berghilfe eines "Lastenrades" eher unnütz (als Turbo für das leichte Sport-Trike aber im Auge zu behalten). Und so haben wir ganz tief in die Vergangenheit gegriffen und einen ollen Cyclone Kettenantrieb reanimiert. An die Lastenkiste geflanscht, mit Druckstrebe auf den Achsschenkel stabilisiert... funktioniert. Ärgerlich dabei nur, DIE naheliegende Lösung hätten wir dann auch schon auf der Spezi einbauen können.
Erkenntnisse über das fertige Projekt Hi-Q (Prototyp Nr.1):
- Nun mit beidseitigem Antrieb ist das Quad ein vollwertiges Rad. Bisher war es nur hinten links angetrieben und hatte damit auf losem oder rutschigem Grund, bei harten Linkskurven oder steilen Steigungen unschöne Ausrutscher am Antriebsrad. Wobei dennoch festzuhalten ist, dass es auch so hinreichend einsatztauglich als Straßen-Nutzfahrzeug war; nur wenn man die "Postkutsche" zum Spaß entfremden wollte, war die Traktion schnell die Spaßbremse. Jetzt aber genügt ein kontrollierter Druck im Daumen und das Quad treibt in jeder Situation tadellos vorwärts.
- Die Grundentscheidung, auf Differenzial- oder Doppelfreilauf zu verzichten, und die rechte Seite gleich über einen separaten Motor antreiben zu lassen, haben wir auf keinen Fall bereut; das ist ausbaufähig. Einzig auf unebener Rüttelstrecke kann einem schon mal ein Antriebsrad durchrutschen und Mensch oder Motor tritt ins Leere... Das ist aber "onroad" so selten und voraussehbar, dass es dem Konzept in weiteren Anwendung (Hi-Q Nr.2, 3...) nicht entgegen steht. Die Vorteile gegenüber dem aufwändigen Split des Human-Ketten-Antriebs - wenn man eh mit Motor plant - sind einfach zu deutlich. Bei Nr. 1 sind beide Hinterrad-Ritzel dabei zweckentfremdete 6-Loch-Disc-Anbindungen, d.h. ohne Freilauf, womit beide Ketten beim Rollen stets mitlaufen, was etwas mehr Sound und Wiederstand bringt und ggfs. bei Quad-Nr. 2 zu verbessern wäre. Die Freiläufe bei Nr. 1 sitzen erst auf der Versatzwelle und dem Motor-Ritzel.
- Der Motor an sich ist natürlich für so ein Lastenrad ein extraordinäres Plus, dessen Hohelied besser im Pedelec-Forum aufgehoben ist. Doch klar ist, im Vgl. zum leichten Sport-Hi-Trike leistet das Quad schon ein paar mehr Widerstände - gerade, wenn es der Natur der Sache nach benutzt werden will. Sind beide Spuren gut eingestellt, rollt es gar nicht mal merklich schlechter als seine dreirädrigen Pendants (systematische Vergleichswerte erstelle ich noch); aber man dankt doch dem Motor, sobald man ihn spürt... Jetzt kann ich auch voll beladen den 15%-Anstieg hinter der Werkstatt spielerisch meistern, wo ich vorher mit einseitiger Traktion und kleiner 9fach Pinion stets scheiterte.
- Die Grenzen der Fahrphysik haben sich gegenüber der Dreirad-Referenz bemerkenswert verschoben. Die Theorie von der Kippstabilität ist das Eine, aber die Erfahrung, trotz prächtiger Sitzhöhe jedem mutwilligen Elchtest zu trotzen, beeindruckt mich schon. Im direkten Vergleich hab ich das Gefühl, das Quad fährt wie auf Schienen durch die Kurve. Man merkt einfach, dass in der Kurve doppelt so viele Räder/Federn außen die Last abfangen und die Spur führen. Diese Fahrstabilität schwindet auch nicht auf der Geraden bei hoher Geschwindigkeit... und es gilt v.a. mit ordentlich Last auf der Ladekante. Ein Reise-Trike mit 30, 40kg am Hinterrad schwimmt nur noch durch die Kurven. Beim Quad (bei gesicherter Ladung) fällt das nicht auf - überhaupt nicht!
- Dabei ist die Einzelradfederung ein wichtiger Punkt für ein sinnvolles Vierrad, dessen ordentliche Realisierung wohl die Kernaufgabe bei jeglicher Quad-Entwicklung darstellt. Man könnte es sich als Trike-Bauer einfach machen und in die gegebene Hinterradschwinge einfach eine Starrachse mit 2 Rädern einbauen - aber das Fahrerlebnis wird dann ein anderes sein. Ein Problem beim Fully-Transport-HPV bleibt aber, dass die Federung natürlich eine enorme Bandbreite zwischen Leer- und Lastfahrt abdecken muss (~40 bis 120kg Last). Entweder braucht es da eine Federschnellverstellung, oder man muss damit leben, dass es bei Leerfahrten hart holpert...
- Hi-Q Prototyp 1 ist damit am Ende seiner Entwicklung angekommen. Es ist etwas verbastelt und hat ein paar suboptimale Lösungen; es fährt aber für einen Wurf ins Blaue überraschend gut. Die grundlegendste Erkenntnis dieses Exemplares bleibt dennoch, dass Nummer 2 hintenrum definitiv anders konstruiert wird. Es bekommt nicht diese von der Vorderachse entlehnte Hinterachse, die in Sachen Antrieb zu viel Zusatzaufwand benötigt. Sondern entweder klassische (ggfs. mit Stabi verbundene) Einarmschwingen, so dass Rahmenlinie und gesplittete Kettenlinie einander folgen, womit Motor/ Kettenspanner/ Antriebssteifigkeit leichter zu realisieren sind... oder (b) eine zentrale Blattfeder, die den kompletten Hinterbau als Doppelfreilauf-Starrachse in beiden Richtungen definiert flexibel hält.
- Ein Nachteil des Cyclone-Motors unter der Ladefläche ist nun leider, dass ich Hi-Q Nr.1 nicht mehr zur Zugmaschine für Lastenauflieger (+ Tandem, + Rikscha) machen kann, da ja die gegebene Ladefläche als Motorhalter erhalten bleiben muss. Mein nebenher gebauter Schwerlast-Trailer (200cm lang, ~200kg Zuladung) muss daher auf Hi-Q Nr.2 warten, bis er sich nützlich machen kann.
- Aber auch schon mit der jetzigen Ladefläche von 80x60cm erweißt sich das Hi-Q als äußerst nutzbar - Großeinkauf, Speergut, Schweres, Hochsitz, Kind, Hund etc.... Für HPV-"Transporter" bin ich über die Dreirad-Phase hinaus; auch über die trendy Aufrecht-Lastendreiräder der hippen Großstädte, die wesentlich schwerer sind und jenseits 20km/h von selbst umkippen. Und auch wenn mal wieder jemand hoch sitzen möchte oder richtig Last mitbringt... führt der sinnvolle Weg m.E. eher zum Vierrad als zum SUV-Trike.
VG Steffen
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