Lieber Ludwig,
obwohl wir uns nicht kennen, hat mich der Faden hier sehr berührt und deswegen bin ich heute morgen extra für Dich zehn Minuten früher aufgestanden. Ich bin in meinem M9 zur Seite gerückt und habe Dich fahren lassen.
Nach einer kurzen Einweisung für die Drücker und Hebel ging es dann auch schon los.
Es war trocken, dunkel und kalt, minus 2 Grad. Bei uns in Schweden ist es jetzt richtig Herbst, aber die Lupine wirft einen Tunnel aus Licht auf die Strasse.
Es ging hurtig los und das Passieren des einen Kreisverkehres am Anfang meiner Strecke brachte uns auch schon auf die 55 km Pendelfahrt zur Arbeit.
Anfangs ging es etwas mühsam, da wir zu zweit nun mal recht viel wiegen, deswegen liessen wir uns ordentlich unterstützen.
Die erstern zehn km sind nervig, weil viel Gegenverkehr, der etwas blendet, aber danach fährt man durch die Stille. Wenn man von den velomobilüblichen Geräuschen Abstand nehmen kann.
Nach 25 km erreichten wir Enånger, da gibt es eine Strecke von 200m, die einige unangenehme Schlaglöcher hat. Wir haben sie ignoriert. Das M9 hat noch nie so viel gescheppert wie heute. Der Motor schnurrte 500W ins kleinste Ritzel und die Tachonadel stand bei 70. Das M9 fuhr stur geradeaus, wie ein LKW auf Steroiden!
Danach ging es weiterhin munter rauf und runter. Puh, zu zweit wird es verdammt warm!!
Bei km 46 passierten wir Losemyra, ein Stück Wald im Wald mit angeschlossenem Sumpf. Eine Anlaufstrecke - am Ende geht es bergab, nach Kungsgården herunter. Mit lächerlicher Geschwindigkeit fuhren wir auf ein 80er Schild zu. Deine Mittelfinger zuckten schon zu den Bremshebeln. Ich flüsterte nur in Dein Ohr, "Um die Zeit ist hier noch keiner wach", und wir zischten mit 90 durchs Dorf.
Die Finger kamen wieder zur Ruhe.
Im Schein der Lupine sahen wir in der Ferne ein Reh über die Strasse laufen. Da liess ich Dich dann doch auf 40 herunterbremsen, weil wir beide wissen, dass man immer, aber auch wirklich immer noch auf die anderen beiden Scheisserchen aufpassen muss, die meistens hinterherhüpfen. Und so war es dann auch.
Dahinter der letzte Berg. Die letzen Körner vom Frühstück verbrauchen. Und dann ging es auch schon im Morgengrauen nach Söderhamn rein, zur Arbeit ausrollen, Visier rauf und abdampfen.
Mit einem unverschämten Grinsen im Gesicht. Ein neuer Rekord, zu zweit auch noch.
Und als wäre das noch nicht genug, kam 500m vor Ankunft auch noch der erste Schnee für dieses Jahr herunter.
Meine Mitarbeiter haben mitgekriegt, dass ich etwas melancolisch war und nachgefragt, was los sei. Ich sagte blos, "Nix" und habe mir gedacht "Scheisse, man lebt nur einmal, und heute morgen habe ich für Ludwig gelebt."
Gute Besserung!
Bernd