@schlawag ... und in dieser Uni (Moment, du hast nachträglich noch deinen Text redigiert...) klingt das auch noch nach Wissenschaftstheorie und Interparadigmen-Diskursen, von denen nicht mal 90% meiner Studenten was hören wollten (weil sie meist Ihr Wohlfühlparadigma schon hatten)... die künftigen Sozialwissenschaftler kamen aus den anderen 10%, nicht weil sie gelernt haben "unnötig kompliziert und schwammig" zu reden und zu denken, sondern das genaue Gegenteil: die gegebene Komplexität/ Ambiguität nicht vorschnell abzukürzen, sondern durch exakte abstrakte Sprache und Modellbildung zu erfassen.
Die Slyway-Studie ist ein solides Stück empirisch-wissens-schöpfender Arbeit, die sich konstruktiv auswerten, kritisieren und erweitern lässt, wozu mir gerade die Zeit fehlt, weil die Mittagspause nur für Günthers "Studie" reicht
. Aber versteh ich das richtig, dass die Daten alle auf einem einzigen (nicht-zufälligen) Probanden basieren?
@Günther Rakete - ich gratuliere dir zu deinem ersten Beitrag, der keine persönlichen Attacken reitet, sondern Inhalte beizusteuern versucht. Und so will ich mir auch die Mühe machen, mich mit deinen Aussagen auseinanderzusetzen. Korrigiere mich, wenn meine Quintessenzen aus deinen Texten ne völlige Fehlinterpretation sind, aber neben der (unspektakulären) These des spezifischen Trainings lese ich bei dir insgesamt 5 neue, durchaus gewagte (implizite) Thesen/Grundannahmen heraus:
(1)
Alles schon bekannt:
Du führst ältere Diskussionsrunden als Beleg für eine hinreichende Klärung dieser Fragen an und negierst, dass es darüber hinaus überhaupt noch neue Erkenntnisse geben kann. Wie
@smö schon ausführte, zeigt das aber eher dein persönliches Desinteresse an so einem Diskurs auf. Du scheinst für dich schon alles zu wissen, was du für deine Lebenswelt und das allgemeine Liegeradthema für relevant hältst... die simpelste Gegenthese dazu ist: dass es anderen nicht so geht, sie fast nirgendwo fundiertes Wissen sehen, sondern nur Einzelfall-Meinungen (v.a. die eigenen) und Mythen.
Darf ich im Übrigen bemerken, dass der Link in dem Thread schon 2x gesetzt wurde (#109 und #124) und das dein Auszug vom geschätzten Andreas Seilinger exakt meinen Ausgangspunkt bestätigt, dass entgegen der Inner-Milieu-Heldengeschichten die Kletterfreude zwischen Lieger und Up in seiner "Laden-Stichprobe" genau die Indizien liefern, die hier zum erneuten Aufkeimen dieses Themas führten?
(2)
Sowieso alles egal:
Dass es dir und der Menschheit egal ist, ja schön. Wir interessieren uns aber für die Grundgesamtheit potentieller Liegeradfahrer. Klar ist diese Gruppe zu unbedeutend und heterogen, als dass sich SpoWis auch nur irgendeine solche Mühe mit "uns" geben würden, wie mit der Optimierung (teils Profi-Individualisierung) von RR und Zeitfahrrädern - aber beim Up steckt teils nen Haufen akribischer technischer und ergonomischer Wissenschaft dahinter, die du in unserem Feld offenbar weder für wünschenswert noch für potentiell ergiebig erachtest (Erkenntnisse systematisch zusammenzutragen, zu überprüfen und zu erweitern).
Auch wenn wir hier über "Berg" reden, würde ein signifikanter Unterschied zwischen liegender und aufrechter Leistungsentfaltung gerade bei Nicht-Sportlern und Liegerad-Beginnern eine folgenschwere Erkenntnis sein... Der Aufhänger dieser Diskussion sind 2 unterschiedliche Alltags-Probanden (ich und Freundin) mit LR vs. RR im Hügelland... und eine gewaltige Eruption scheinbarer Gewissheiten (Liegeräder seien schneller und auch am Berg nur der untrainierte Körper das Problem - für sie trifft das nicht mal im Flachland zu). Ist es sooo egal, sich systematisch statt episodisch zu fragen, woran so etwas (ggfs. verallgemeinerbares) liegen könnte... und dabei "zu einfache" Antworten entsprechend zu subsumieren statt als ultimativ zu feiern?
(3)
Kopflos um Grossdübeldorf:
Sorry für das falsche Etikett, aber du hast den von dir karikierten Rennradfahrern keinen besseren Namen mitgegeben. Deine implizite These ist aber, dass diese Vergleichsgruppe a) Realität statt Pappkameraden sind und b) hinreichende Referenz für die Klärung liegerad-affiner Themen. Dass die sich persönlich keinen Kopp um Theorie machen, ja - wahrscheinlich. Aber auch hier (wie von
@smö schon erwähnt) liegt das wenn-dann darin begründet, dass sich vorher andere umso mehr nen Kopp gemacht haben, welches Rad (ein Kunstwerk aus vielen Variablen) für welche Strecke geeignet ist, wie man Räder immer weiter optimiert und ausdifferenziert etc. und dies am Ende über Kulturtransfer (Marketing/Kauf) so implementieren kann, dass die aufrechten Anwender ohne großes Kopfzerbrechen wissen, was wann gut sei...
... doch nun die Überraschung: nen Liegerad ist da nie bei... und das sagt uns was? Dass das Up einfach zu 99,9% das adäquate Radkonzept ist? Oder dass sich diese 99,9% einfach keinen Kopp gemacht haben? Oder gar nichts?
(4)
Totale Rad-Varianz:
Du berichtest, dass ganz selbstverständlich für jede Anforderung in deiner Referenzgruppe das passende Rad aus dem Schuppen gehohlt wird, d.h. implizit, dass man schon rund um Grossdübeldorf weiß, dass es einen enormen Unterschied macht, was für ein Up-Rad man fährt. Zwischen Berg-RR und Zeitfahrrad können mal eben >10% Differenz liegen. Offroad lassen wir mal beiseite...
Nachfrage 1: in welcher Situation ist da mal der Lieger die natürliche Wahl für handelsübliche Radler? Wenn überhaupt, am Berg nicht - oder?
Nachfrage 2: und wenn ja, welches Liegerad? Genauer: was sag ich meiner Freundin, was in ihrem Terrain am Besten sei?
Also: wenn solche systematischen (über-individuellen) Differenzen schon bei den UPs existieren, warum dann nicht zu gänzlich anderen Radkonzepten wie Liegern? Und wenn Liegeräder Zeitfahrqualitäten aufweisen, könnten sie dann nicht im gleichen und noch stärkeren Maße nicht-optimal für die Berge sein (z.B. Flachlieger vs. P38)? Doch wenn solche Gemeinplätze schon im Raum stehen, warum sollte sich das Interesse am Gegebenen erschöpfen, anstatt genau die Variablen systematisch herauszuarbeiten (und ggfs. fallspezifisch umzusetzen), die den feinen Unterschied letztendlich machen? Inkl. dem möglichen Ergebnis, dass es für 90% der Anwender nen gewaltigen Unterschied machen könnte, ob sie mit nem RR am Berg hängen, oder mit ner Sportliege? Oder zu aller Überraschung: genau umgekehrt?
(5)
Totale Mensch-Varianz:
Hier nun deine (anerkennend) stärkste These, auch wenn sie mit der (4) einigermaßen im Widerspruch steht (also schon bei dir und in der realen Anwendung): Du sagst also - bitte korrigiere mich:
es gäbe so dermaßen viele Variablen von Technik und Individualität, dass die Isolation von einigen Parametern niemals zu einer größeren Varianzaufklärung führen wird. D.h. Lage, Körperöffnungswinkel, Tretlagerüberhöhung (technische Rückkopplungs-Eigenschaften?) usw. wirken sich bei dem einen so aus, bei dem anderen gegenteilig, so dass es niemals über alle Probanden hinweg ein signifikantes Resultat in einer Ergonomie-Studie geben kann?
Das ist einerseits für ein Studiendesign ne solide anschlussfähige Gegenthese, die sich mit testen lässt. Dann wäre das Ergebnis der Studie (welches du hier vorweg nimmst), dass man nichts herausgefunden hat, sondern alles furchtbar individuell bleibt, jeder Mess-Effekt unterhalb (über-individueller) Signifikanzschwellen.
Dem folgt andererseits eine implizite Beliebigkeitsthese, wonach jedes Rad (d.h. auch jede Ergonomie) ähnlich gut sein kann - man muss nur spezifisches Training voraussetzen und natürlich (wie auch immer) herausfinden, was denn nun die individuell beste Konstellation sei... und zwar, ohne sich nen Kopp über Theoriekram zu machen... was nur über jahrelanges Trial-and-Error-Hopping geht (wie bei Patrick)... und sich noch verkompliziert, wenn man es mit unterschiedlichen Streckenprofilen zu tun kriegt (Berg, Sprint, Langstrecke etc.).
Sagen wir so: das halte ich nicht für plausibel und würde dagegen wetten, dass Ergonomie (Biomechanik, Kondition etc.) sich nicht in individueller Beliebigkeit erschöpft, sondern auch gewisse Gesetzmäßigkeiten hat, die sich prinzipiell herausfinden lassen, auch wenn keiner von uns (allein) die Ressourcen hat, das hinreichend zu herauszuanalysieren (über größere Labortestreihen usw.) - aber das ist nen anderer Punkt.
VG Steffen