So, da im Moment mal wieder alles auf einmal kommt und ich sonst vielleicht nicht dazu komme, versuche ich jetzt, die versprochene Geschichte zu erzählen. Auch wenn sie vielleicht etwas anders ist als erwartet.
Die große Reise
Als Kind, soweit ich zurückdenken kann, gab es neben allen möglichen Vorstellungen und Wünschen, Diverse, wie soll ich sagen, ... nennen wir es Ideale. Zwei hervorstechende waren das Reisen, und ich meine keine Pauschalreisen. Ein Weiteres war die Vorstellung, mich irgendwann mal zu einem lebenserfahrenem weisen alten Mann zu entwickeln. Ich habe mittlerweile gelernt, vorsichtig mit meinen Wünschen zu sein, denn sie haben die Neigung, in Erfüllung zu gehen. Zumindest passierte mir das viel, auf einmal und ohne recht zu wissen, wie es kam, wurden Vorstellungen und Wünsche von mir, teils auf verstrickten Wegen, irgendwann Realität. Und der zweite Wunsch beinhaltet, da das Leben bunt ist, dass man auch die düsteren Regionen durchschreiten muss, und das nicht nur einmal.
Gestartet in prekären Verhältnissen, Außenseiterkindheit, mit 15 von zu Hause weg, mir als Straßenkind den Weg auf eine Eliteschule erkämpft und vor dem Abi mit Durchschnitt 1+ wieder aufgehört. Weiter in die Musikbranche, die Klassiker erreicht, ein sehr hohes Ansehen in allen Bereichen, gar berühmt, vieles lernen können, berufliche Erfolge, Haus, Frau, Kind. All dies und vieles mehr habe ich gelebt und genossen. Ein Leben voller Brüche und Vielseitigkeit.
Nur das Reisen blieb mir verwehrt, auch wenn ich viel international tätig war. Ich dachte, es wird irgendwann kommen, vielleicht im Alter. Immerhin sei es besser, auf hoher See in möglichst hohem Alter im Sturm über Bord zu gehen als irgendwann im Hospiz zu verrecken. Deswegen habe ich auch keine Angst vor Stürmen. Nachdem ich mich endgültig gegen Auto und/oder Motorrad entschieden habe, blieb nur noch das Rad, der Fuß und/oder die Segelyacht.
Dann kam ein tiefer Einschnitt. Eine lange und böse Geschichte, über die ich hier aber schweigen werde. Um so mehr, als dass derzeit verhandelt wird. Es war eine glorreiche 13-jährige Schlacht, aber diese Geschichte kostete mich alles. Es blieb nichts, kein Geld, keine Zukunft, keine Freude. Gar nichts. Und das Leben zur Hälfte vorbei. Was also tun? Mit dieser zweiten Hälfte des Lebens?
Was immer es sei, es muss etwas sein, was, auch wenn ich mir nichts mehr aufbauen könne, dennoch machbar ist, auch ohne Geld und ohne Macht, irgendwie, auch wenn ich wieder Straßenkind sein müsste. Und dennoch zu einem reichhaltigen Leben führt, in dem kein Platz ist für düstere Gedanken, gar Krankheit oder Verzweiflung. Und wenn ich das mit dem Reisen noch hinbekommen will, so wurde es Zeit, auch das anzugehen, damit nicht irgendwann auch dieser Zug abfährt.
Damit war das Thema gesetzt. Die begann Zeit des Reisens.
Die erste Tagestouren mit dem Rad, zurück mit Zug. Die ersten Touren über Nacht, für 25 € ein Aldizelt gekauft, einen alten Aldischlafsack und Packtaschen hatte ich noch. Sonst nichts gekauft. Erst mal schauen. Geld ist knapp. Die ersten Nächte draußen, wo sich im Zelt das Trappen eines Igels wie die Schritte eines Menschen anhören. Immer weiter, nahezu jedes zweite Wochenende und jeden freien Tag, den ich bekam. Und sonst viel Tagestouren. Ich verjüngte, gesundete, ich war erstaunt, wie positiv sich der Körper wieder entwickelte.
Dann auch die erste Tour auch mit meinem Sohn, fast zwei Wochen. Kocher geliehen. Den Usedomer bis zur Küste, dann Schlenker nach Polen und zurück, über die Oder/Neiße nach Berlin. Was tat er sich die ersten vier Tage schwer. Ich konnte mich noch gut erinnern, wie das schmerzt. Und dann entdeckte er das Freihändigfahren. Und obwohl der Hintern dann noch viel mehr belastet wird und die Aerodynamik sich verschlechtert, holte er immer mehr auf, bis ich langsam gucken musste, dass ich nicht zurückfalle. Freihändigfahren war supi!
Ein Kocher war dann die erste richtige Anschaffung. Weil er half, die Kosten niedrig zu halten, damit Geld für Ausrüstung übrig blieb. Und dann Stück für Stück. Gleichzeitig begann ich meinen Haushalt zu reduzieren, in Geld umzusetzen, was noch Sinn machte und ins Fahrrad und die Ausrüstung. Denn mein zukünftiges Heim sollte ein Basecamp werden. Mein Haushalt war nur hinderlich. Manches tat weh, aber wer fliegen will, muss loslassen können. My home is just my basecamp. Und es wird noch eine ganz besondere Art von Basecamp werden!
Ich wartete noch auf mein neues Fahrrad. Das gab es noch nicht auf dem Markt. Ein Trike sollte es sein, aber ein Pendant zu meinem Randonneur. Und wie ich es bezahlen sollte, wenn es denn irgendwann erschien, war auch noch ein Rätsel. Aber da war ein junger Mann,
@Jack-Lee nannte er sich, der heftig stritt, unter anderem wenn es zum Beispiel um die Performance von Trikes geht. Es läge an der falschen Umsetzung. Er solle es doch erst mal besser machen, anstatt alles andere schlecht zu reden, schallte ihm entgegen. Er sei dabei, mit anderen, entgegnete er selbstgewiss. Ich wartete weiter. Das erste Modell. Fast, aber noch nicht! Und dann kam das Trike, wie ich es mir vorgestellt hatte. Das ist die Grundlage, auf die ich gewartet hatte. Seit dem das Hintergrundbild auf meinem Computer.
Ich fasste auch sonst wieder Tritt, ein bisschen was ging wieder, Hürden wurden beseitigt, das Geld für's Trike angespart. Zwischendurch weitere Touren, eine mit geliehenen Trikes von Velomo, für meinen Sohn und für mich.
Und so ging es Schrittchen für Schrittchen weiter, auch immer wieder Rückschläge, egal. Die Ausrüstung wurde zusehends besser. Und das Trike kam. Und weitere Rückschläge. Und wieder auffangen und weiter.
Mittlerweile trennen mich noch 12.000 € von der Vollendung des ersten Schrittes. Für das Trike, das Gästetrike und Ausrüstung. Ich gedenke, das binnen zwei Jahren zu erledigen. Kann auch schneller gehen, aber natürlich auch langsamer. Dann geht es ans Basecamp.
Ein spezieller kanaltauglicher Segelkatamaran, der auch vom Wohnbereich her mir ein angenehmes Leben ermöglicht kostete mich gebraucht 20.000 bis 40.000 €. Dann der Umbau, zusammen läuft das Richtung 60.000 €. Als Hausboot in Trikedistanz zur Arbeitsstätte. Damit kann ich dann Flüsse, Seen, Meere und Ozeane. Das Beiboot ist für Wildwassertouren geeignet. Und das ebenfalls geladene Trike für die Landwege. Die Infrastruktur für die ganze Welt.
Fehlt nur Zeit zum Reisen - und die Finanzierung. Der Job, den ich momentan mache, den könnte ich auch von meinem Basecamp aus machen, solange ich Internet habe ;-)
Und so werde ich dann irgendwann in einem finalem epischen Sturm, als möglichst alter und weiser Mann, die letzte und ewige Reise antreten und die Geschichte beenden.
In meiner Kindheit hörte ich zum ersten Mal eine Scheibe, die mich von all die Musik aus all den unterschiedlichen Richtungen aus dem Rest des Lebens und 15 Jahren Musikbranche am meisten berührte. Naked Child von Lee Clayton. Ein Auszug:
Thirteen years ago I sat there just like you
Watching someone sing me a song
Tellin' me that freedom was right in my hands
If I just had the strength
And the nerve to take it on
The nerve to take it on
I was 22, married with a nice executive smile
A briefcase and a job I could not stand
A sportscar to take me
Every night to the nearest bar
And I get so damn drunk I could not stand
So drunk I could not stand
Power, the beauty
And the truth in the words
Of a man as yet I'd never talked to
Helped me to face myself
And the life I was living
Get off your ass son
You've got some things to do
You've got some things to do
Well I crossed the line in April 1967
And I left a wife crying in the sunshine
I had always wanted
To fly twice the speed of sound
And I did
And I'll tell you I got off every time
Yes I got off every time
Well I moved on down to Nashville
Sleeping on the floors
Living like a dog
And getting God damned
I was doing what I do
Anytime that I wanted to
And no one every said to me to get up
And get to town
Get up boy - get to town
You see, for a lifetime my father worked a job
He could not stand and he hated every day
And I watched him die slowly
One TV show at a time
And I've sworn that I'll burn
Before I die that way
Before I die that way
And now there's one thing
That I will say unto your soul
And it is to yourself always be true
Yes life isn't easy
Anyway you can make it
And if I can do it, well man so can you
Man, so can you
Eighteen years ago I sat there just like you
Watching someone sing me a song
Tellin' me that freedom was right in my hands
If I just had the strength
And the nerve to take it on
The nerve to take it on