Aber auch der Rassismus gegen Schwarze ist nicht verschwunden, nachdem über die Zeit verschiedenen Bezeichnungen verboten wurden.
Eben, es wurden, statt die eigentlichen Probleme dahinter zu lösen, nur immer mehr Begriffe "verbrannt" ("Neger" heißt ja übersetzt nur "Schwarze" und startete daher erst mal nur rein beschreibend), nicht nur bei diesem Thema, wenn es um Behinderungen geht, erfindet man die Begrifflichkeiten ja auch alle paar Jahre neu (allgemein und einzelne Arten wie mongoloid)
Warum geht ihr davon aus, dass nur durch angleichung der Sprache sofort alle Missstände beseitigt werden können? Das braucht Zeit, aber wenn es nicht irgendwo anfängt, dann wird das nie was. und in diesem Falle denke ich, dass es ein Anfang in der Sprache ist.
Eben. Das eigentlich wichtige sind Änderungen bei Verhalten und Denken an den relevanten Stellen.
Und wenn man mal die letzten 500 Jahre aus dem Mittelalter heraus revue passieren lässt von der praktisch völligen Rechtlosigkeit der Frau zum heutigen Stand, dann sind doch, würde ich sagen, irgendwas zwischen 98% und fast 100% der Missstände beseitigt. Und wenn man sich die Geschwindigkeit anschaut, wo erst mal mit Renaissance/Aufklärung/... die Grundlagen für Menschenrechte etc. gelegt und in div. Revolutionen gaaaaanz laaangsaaam umgesetzt wurden und es dann vor rund 100 Jahren (mit Frauenwahlrecht, -studium, ... plus Frauenarbeit wegen selbst erzeugtem Arbeitskräftemangel durch Krieg) richtig losging und in den letzten Jahrzehnten dann enorm viel voran ging mit der formaler Gleichstellung in vielen Bereichen (nicht nur Frauen, man erinnere an die nicht mehr nötige Erlaubnis des Ehemanns fürs Arbeiten gehen ... Sondern auch geschlechtliche Diversität, Behinderung, ...), dann kann man sich eigentlich wirklich nicht mehr groß beklagen ...
Es muss sich zwar noch einiges "rauswachsen", man kann schlecht erwarten, dass 50% Frauen in der Führungsetage sind, wenn dort bei normalen Beförderungsrahmenbedingungen Jahrgänge dran wären, in der der Frauenanteil im Studium noch einstellig war, aber bezogen auf den "richtigen Weg" sind wir doch eigentlich auf der Zielgeraden ...
Bezüglich der Geschwindigkeit und der damit zusammenhängenden Probleme fand ich
dieses inzwischen gut 3 Jahre alte Essay recht lesenswert, dass die letzten rasanten 30 Jahre zusammenfasst ...
(... 30 Jahre "bei uns im Westen". Wenn man sich diese relative Kürze der Zeit bewusst macht, wundert man sich aber auch ein wenig, dass man nach schon nur 30 Jahre auf dem Standpunkt steht, alle anderen auf der Welt, egal welche Entwicklung diese bisher gemacht haben, genau gleich schnell sein müssen beim dortigen Wertesystem, egal ob Q., R., C., I. ... Wir als alleiniger Maßstab ...? Hmmm ... 500 Jahre zurück betrachtet, s.o., waren diese teils weit fortschrittlicher als wir ...)
Warum schmerzt manche Leute die Änderung der Sprache so?
Weil bei allen Versuchen bisher keiner dabei rausgekommen ist, der in Schriftbild und gesprochener Sprache halbwegs brauchbar funktioniert.
Die Sprechpause vor innen sorgt bspw. für Verständnisprobleme, weil es eben auch ein eigenes Wort ist. Und Fahrspurende ist/sind ja auch schon bekannt ...
Außerdem ist es ein rein sexueller Wandel, der alles andere ignoriert.
Da interpretiert man in einige Varianten die so angeblich erreichbare Gleichstellung von knapp 1024 Geschlechtervarietäten rein, die aber nicht wirklich erkennbar ist, und macht für andere benachteiligte Gruppierungen die Sprache unendlich komplizierter. Sprache ist für viele Leute mit Handicap schon im Normalzustand ein Problem. Gehörlose haben sehr oft Probleme mit dem Verständnis auch der geschriebenen Sprache*), weil sie mit den Feinheiten nicht aufwachsen können, Blinde beim dig. Vorlesen, Personen mit mentalen Einschränkungen ist die jetzige Sprache schon zu kompliziert, Ausländern, die unsere Sprache lernen wollen, ebenso. Das alles zusammen sind WESENTLICH mehr Leute als diejenigen, die ab Geschlecht Nr. 3 inkludiert werden sollen in irgendwelchen sprachkonstruktionellen Eskapaden ...
*) Selbst so erlebt in einer speziellen Gruppe von Behinderten, zu denen als kleiner Teil innerhalb dieser Gruppe auch (ganz oder nahezu) Gehörlose gehören.
Schmerzen? Nö, ich wundere mich nur, mit wie wenig Kenntnissen und Substanz manche, selbst "moderne" Sprachwissenschaftler, daran gehen die Sprache zu kritisieren und neu zu erfinden.
Dazu paar Basics ...
Selbstverständlich ändert sich Sprache, aber es es ein Unterschied, ob etwas durch Verbot oder Nichtgebrauch der Masse aus dem Sprachgebrauch verschwindet.
Eben. Letzteres hatte ganz offensichtlich wohl praktische Vorteile, sonst wäre es nicht passiert ...
Sollte es irgendwann einen praktischen Nutzen haben, das Genus-Problem zu lösen mit einer in der Praxis problemlos anwendbaren Variante, dann wird diese sich von selbst durchsetzen, spätestens wenn die alten Leute, die mit den alten Genussystemen aufgewachsen sind, ausgestorben sind.
So manche Sprache ist sogar schon völlig ausgestorben, weil deren Gebrauch im Alltag unpraktisch wurde ...
Die Engländer haben ja auch einen Einheits-Genus ...
Die Frage ist auch noch, ob nicht die Gender-Diskussion von den wahren, noch verbliebenen Problemen ablenkt.
Wenn man in die Stellenanzeige "xxx gesucht m/w/d" reinschreibt zusammen mit "Bei gleicher Qual. werden Personen mit Handicap/... bevorzugt" (oder was auch immer gerade der Standardspruch ist, habe schon länger keine mehr gelesen), hat man zwar formal alle Anforderungen erfüllt, aber ob das wirklich dazu führt, dass dann eher eine schwarze Frau im Rolli bessere oder wenigstens gleiche Chancen hat ...
Besser wäre es m.E. daran zu arbeiten, dass eben diese (Rand-)gruppen gleiche Chancen haben bei der Einstellung und gleiches Gehalt für gleiche Arbeit, und nicht darum, wie sie benannt werden ...
Und man sollte auch daran denken, dass man völlige Gleichheit vermutlich auch nie erreichen wird.
Ein Rolli als Dachdecker wäre fehlbesetzt, gleiche Chancen hin oder her.
Und man wird, fürchte ich, auch damit leben müssen, dass die Frauenquote bei Maurern 50% nie erreichen wird.
Und auch beim Kindergärtner sehe ich das auch nicht wirklich, weil die Biologie im Mittel die Hormone doch anders verteilt und damit auch irgendwo das Interesse an verschiedenen Lebensaufgaben und Fähigkeiten ...
Schließlich soll ja auch jeder nach seinen Fähigkeiten und Neigungen den richtigen Lebensweg einschlagen können, d.h. die Frauen, die Maurer werden wollen und sich dafür geeignet fühlen, sollen diesen Weg beschreiten können, ohne dass ihnen die zu vermauernden Steine in den Weg gelegt werden und sei es schon im Kindergarten mit den gängigen Rollenverteilungen (mir ist da aus den letzten Wochen ein positives Bsp. im TV aus isländischen Kindergärten in Erinnerung), womit wir auch wieder auf die fehlenden Kindergärtner zurückkommen ...
Wenn das gewährleistet wäre und dann trotzdem nur 5% Maurerinnen und 25% Kindergärtner dabei rauskommen, weil Steine schleppen aus biologischen Gründen für mehr Frauen als Männer ein Problem ist (Für mich wäre das auch nix, auch als Mann zu wenig Muckies ... Mein Vater hat eine solche Lehre gemacht, ist dann aber doch zur Bahn ...) und viele Männer mit ihren degenerativen Testosteronen mit Kindern nix anfangen können, dann ist es eben so und vielleicht auch besser so ...