Servicepost: Mal wieder eine "Sternstunde" der Springerpresse: Die Bild sowie ihr Schwesterblatt B.Z. vermeldeten gestern abend:
Star-Virologe Christian Drosten (48) lag mit seiner wichtigsten Corona-Studie komplett daneben.
www.bz-berlin.de
25. Mai 2020 18:32
Star-Virologe Christian Drosten (48) lag mit seiner wichtigsten Corona-Studie komplett daneben.
Von Filipp Piatov
Am 29. April veröffentlichte das Institut für Virologie an der Berliner Charité, das Drosten leitet, ein Papier mit weitreichenden politischen Konsequenzen. Ein Forscher-Team hatte untersucht, ob Kinder genauso ansteckend sind wie Erwachsene.
Das Ergebnis der Drosten-Studie schien eindeutig: „Kinder können genauso ansteckend sein wie Erwachsene.“ Der dringende Appell der Forscher an die Politik: „Aufgrund dieser Ergebnisse müssen wir vor einer unbegrenzten Wiedereröffnung von Schulen und Kindergärten in der gegenwärtigen Situation warnen.“
Mehrere Wochen nach der Veröffentlichung gerät die Drosten-Studie immer stärker in die Kritik: Wissenschaftler aus mehreren Ländern werfen Charité-Forschern vor, unsauber gearbeitet zu haben – mit verhängnisvollen Konsequenzen.
Brisant: Nach BILD-Informationen findet die Kritik auch Zustimmung in Drostens Forscherteam. Intern wurden die Fehler bereits eingestanden. Fiel die deutsche Schulpolitik einer falschen Studie zum Opfer?
Wissenschaftler kritisieren Drosten-Studie
▶︎ Professor Leonhard Held vom Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention der Universität Zürich kritisiert in einer Untersuchung die Aussagekraft der Drosten-Studie: „Die Erkenntnisse müssen mit einiger Vorsicht interpretiert werden.“
Zentraler Schwachpunkt der Drosten-Studie sei die geringe Anzahl der untersuchten Kindern, bemängelt Held. Die Studie „leidet … (unter, Anmerkung der Redaktion) einer kleinen Stichprobengröße von Kindern und Jugendlichen“.
Bei einer erneuten Auswertung der zusammengefassten Daten kommt Held zu einem Ergebnis, das den Resultaten der Drosten-Studie fundamental widerspricht: Es gebe moderate Beweise für eine „zunehmende Viruslast mit zunehmendem Alter“.
▶︎ Auch Statistik-Professor Dominik Liebl von der Universität Bonn weist auf schwere Ungereimtheiten in der Drosten-Studie hin. „Die mittlere Viruslast der Altersgruppe Kindergarten ist um 86 Prozent niedriger als die mittlere Viruslast der Altersgruppe der Älteren“, erklärt Liebl in einer Untersuchung.
Der Mannheimer Statistik-Professor Christoph Rothe schreibt dazu: „Dass derart große Unterschiede von den Autoren als ,nicht signifikant‘ eingestuft werden, liegt daran, dass die verwendeten statistischen Methoden sehr schwach sind“.
Liebl meint: „Die statistische Analyse der Autoren widerspricht ihrer zentralen Schlussfolgerung.“
Das hieße: Die Drosten-Forscher hätten ihre eigenen Zahlen falsch verstanden!
Foschungsteam diskutierte selbst über Mängel
Auch Wirtschaftsprofessor Jörg Stoye von der renommierten Cornell University in New York geht hart mit der Drosten-Studie ins Gericht. „Meine Lesart der Charité-Studie kehrt ihre Stoßrichtung um“, schreibt Stoye in einer ausführlichen Analyse der statistischen Methoden des Drosten-Papiers. Sein Vorwurf: Die Ergebnisse „scheinen von Entscheidungen der Forscher getrieben zu sein“. Die Stoßrichtung der Resultate „stimme mit den öffentlichen Standpunkten (…) der jeweiligen Hauptautoren überein“.
Stoye sieht in der Drosten-Studie keinen Beleg dafür, dass Schulen weiter geschlossen bleiben sollten. Das bittere Fazit des US-Professors: „Es gibt viele gute Argumente gegen eine schnelle Wiedereröffnung der Schulen, aber die Charité-Studie trägt nichts dazu bei.“
BILD konfrontierte Christian Drosten mit den Vorwürfen. Drosten wollte auf BILD-Anfrage nicht antworten. Stattdessen veröffentlichte er die BILD-Anfrage auf Twitter und schrieb dazu, er habe „Besseres zu tun“. Innerhalb des Forscherteams wurden die Mängel der Studie nach BILD-Informationen jedoch bereits diskutiert und zum Teil eingestanden.
(...)
Ich zitiere ja durchaus auch gerne mal die B.Z., weil sie oft schneller und manchmal detaillierter ist als andere Blätter, bin aber grundmißtrauisch, da ich um die enge Verwobenheit der BZ mit der Bild weiss. Dieser Artikel roch sofort ziemlich faulig. Und so war es dann auch. Da ist so ziemlich alles falsch dran, was falsch sein kann und es ist (mal wieder) eine Lehrstunde, wie die Springer Medien arbeiten und warum man ihnen nicht vertrauen sollte.
Im Tagesspiegel gibt es einen lesenswerten Bericht über den Artikel
Die „Bild“ bezeichnet eine Drosten-Studie über ansteckende Kinder als „grob falsch“. Der Virologe reagiert per Twitter – und erhält abermals Morddrohungen.
www.tagesspiegel.de
und auf Twitter äussert sich Drosten selbst über das Zustandekommen und die Kritik.
Die im BZ/Bild Artikel als Kritiker benannten und zitierten Wissenschaftler distanziereten sich mehr oder weniger in Echtzeit von dem Artikel und ihren aus dem Zusammenhang gerissenen und offenbar sogar teilweise falschen Zitaten:
Zur Seriösität der Bild diese Grafik von Statista:
<a href="
https://de.statista.com/infografik/...meisten-ruegen-durch-den-deutschen-presserat/" title="Infografik: Bild ist deutscher Rügen-Meister | Statista"><img src="
https://cdn.statcdn.com/Infographic/images/normal/2588.jpeg" alt="Infografik: Bild ist deutscher Rügen-Meister | Statista" width="100%" height="auto" style="width: 100%; height: auto !important; max-width:960px;-ms-interpolation-mode: bicubic;"/></a> Mehr Infografiken finden Sie bei <a href="
https://de.statista.com/infografik/">Statista</a>
Die Grafik bildet die Publikationen mit den meisten Rügen durch den Deutschen Presserat seit 1986 ab
de.statista.com
Dass die Bild Drosten offenbar nicht mag zeigte sich ja neulich schon:
https://bildblog.de/121365/wie-die-...ricks-versucht-christian-drosten-zu-zerlegen/
Auch Karl Lauterbach wird von der Bild unrühmlich und falsch attackiert:
https://bildblog.de/122026/fragwuerdiger-bild-faktencheck-zu-karl-lauterbachs-aussagen/
Kurz: Lügen, Betrügen, aus dem Zusammenhang reissen, falsch zitieren ohne Rücksicht auf Wahrheit, Folgen oder Menschen bleibt das Kerngeschäft der Bild - alles für den schnellen Klick. Sollte man niemals vergessen, wenn man eines der Springer Medien liest. Sie lügen übrigens auch mit Bildern:
Ein Watchblog für deutsche Medien
bildblog.de
Edit/Ergänzung: Der Bild-Chef Julian Reichelt äusserte sich inzwischen auch auf Twitter. Erwartet arrogant, starrsinning und uneinsichtig:
Und auch der Autor des Lügenartikels bleibt uneinsichtig:
Insgesamt scheint gerade ein mächtiges Aufbäumen gegen die Bild loszugehen. Mir ist diese ganze Twitterei viel zu mühsam und unnütz zu verfolgen, aber falls es wen interessiert: hier gibt es einen Überblick:
https://www.volksverpetzer.de/social-media/bild-blamage/
Alternativ kann man auf Twitter z.B. mal nach dem
Hashtag #ichhabebessereszutun suchen. ;-)
Der Spiegel hat fluchs ein Interview produziert:
https://www.spiegel.de/wissenschaft...e-sein-a-a849dfa2-9222-43c7-9321-0a8bdee3bb4a
Oder wie es Max Gold vor Jahren formulierte:
Die Bild-Zeitung ist ein Organ der Niedertracht. Es ist falsch, sie zu lesen. Jemand, der zu dieser Zeitung beiträgt, ist gesellschaftlich absolut inakzeptabel. Es wäre verfehlt, zu einem ihrer Redakteure freundlich oder auch nur höflich zu sein. Man muß so unfreundlich zu ihnen sein, wie es das Gesetz gerade noch zuläßt. Es sind schlechte Menschen, die Falsches tun.
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