„Borders of Belgium“ oder
„Bei Freunden in Flandern“
Angemeldet hatte ich mich schon früh, Anfang des Jahres – aber als der Termin für Borders of Belgium näher rückte, das Reservematerial, das noch von HBK gepackt war, wieder eingepackt wurde, frage ich mich schon, ob das denn wirklich sein muss.
Das illustre Teilnehmerfeld, die liebenswerten Organisatoren Rohnny & Francis, die halbwegs passable Wetterprognose, wieder ein Besuch beim B&B von Carine und die auf vielen Abschnitten neue Strecke lassen dann doch keinen Rückzieher zu.
Dienstag fahre ich mit dem DF hin und teste schon mal die letzten 200 km von Maaseik nach Wachtebeke, finde einen Weg durch das Baustellenchaos in Antwerpen und kann mich nicht an die teilweise grausamen Wegbeschaffenheiten in Belgien gewöhnen.
Bei Carine ist auch schon der Ire William, der aus Belfast per Flieger und Zug angereist ist und nun sein Brevet-Rad zusammenbaut und testet. Wir lassen es uns bei Carine&Jos gut gehen und ruhen einfach nur aus.
Es freute mich, William auf meiner Rückfahrt am Sonntag noch bei Antwerpen zu treffen und ihn dann auch als Finisher zu wissen.
Donnerstag Vormittag vor dem Start am Camping/Puyenbroek war dann noch Zeit, sich mit alten und neuen bekannten „mutigen Randonneuren“ auszutauschen – und dann gingen ab 14:00 h in 10-Minuten-Abständen ganz unspektakulär die 4 Startgruppen ab, bzw. Rohnny gab jedem, der sich durch das Tor quetschte seine Brevetkarte, wünschte „Bonne Route“.
Da ich keinen Plan – außer am Sonntag wieder zu Hause sein zu wollen – hatte, also erst mal in der 2. Gruppe losgedümpelt. PeterC, der 20 Minuten später starten sollte, würde ich wohl spätestens im Dunkeln wiedersehen. Letztes Mal durfte ich ja miterleben, wie gut er nachts navigiert und zügig vorankommt. An der ersten Kreuzung biegen die Deutschen meiner Gruppe nach links und alle anderen nach rechts ab,
@Jedrik erzählte ein paar Ampeln weiter ähnliches aus ihrer Gruppe.
Die erste Etappe entlang der holländischen Grenze zur Küste und dann diese südwestwärts bis De Panne lief flach bei angenehmen Temperaturen und nur ein paar kurzen Schauern in Küstennähe recht flüssig. Diesmal keine verstopfte Strandpromenade und auch nicht durchs Radrennen in Blankenberge. Die auf dem Track verkehrstechnisch unangenehmen Stellen in Zeebrugge und Oostende waren ebenfalls schnell bewältigt und so gab‘s in Kontrolle 1 hinter De Panne nach 127 km um 18:00 h eine kleine Cola. Von den 3,5 l Wasser und 1 l Trinkjoghurt war erst 0,5 l verbraucht. Also nicht mehr für die Nacht bis zur nächsten Kontrolle bei km 400 einkaufen und jetzt in der Abendsonne erstmal in die einsamen Gegenden Richtung Roubaix. Im Ziel werde ich später feststellen, dass ich 2 l Wasser unangetastet als Balast rumgefahren habe, die letzte Banane hat es gute 1600 km bis 50 km vor Köln geschafft und ein Rosinenbrötchen und diverse Riegel und ein Paket Waffeln sogar bis ganz nach Hause.
Irgendwo in der Pampa knallt der linke Vorderradschlauch. Die Manteloberfläche des ONE sieht noch gut aus, im Schlauch finde ich das Loch auf der Innenseite und da hat der Mantel auch einen kleinen Riss. Die Kombination Flicken auf Schlauch und altes Mantelstück an die gerissene Mantelstelle hält leider auch nur ne halbe Stunde. Also doch nen neuer Mantel, habe ja mit ProONE, Durano und ContiContact Speed reichlich Auswahl dabei. Letzterer ist in der Hutze schnell griffbereit und aufgezogen. Dabei macht ein älterer neugieriger anwohnender Franzose reichlich Bilder vom DF und will allerhand wissen. Ich beantworte ihm seine Fragen so gut ich sie verstehe und Antworten auf französisch finde. Beim Weiterfahren ärgere ich mich ein bisschen über mich, ihn nicht noch nach etwas zu trinken und Möglichkeit zum Händewaschen gefragt zu haben. Aber jetzt will ich Roubaix noch im Hellen hinter mir lassen, was mir nach den 2 Pannenpausen knapp gelingt.
Den gewaltigen Gedenk-Torbogen in Jeper habe ich diesmal in der Abendsonne durchfahren – vor 4 Jahren bin ich hier Nächtens durch diese beeindruckend beleuchtete Halle gefahren.
Stunden später brauchen wir nicht im Dunkeln auf den Radwegen um den See mäandern sondern nehmen die breite und leere Nationalstraße nach Cerfontaine. Bergab mit quitschenden Bremsen vor dem großen Kreisel wird eine kreiselnde Polizeistreife auch neugierig und stellt mich mit heftig flackerndem Blaulicht. Ich muss eh ne neue Route auf dem Garmin starten und zeige ihnen das DF und erzähle kurz von BoB. Dann noch schnell ein paar Fotos und sie wollen den Monsieur auf seinem Course nicht weiter aufhalten.
Es wird nun zunehmend hügeliger. Die Schaltung hinten funktioniert nicht ganz perfekt. Ich habe zum einen den Abstand Schaltwerk-Kassette etwas erhöht, um auf dem vorne „kleinen“ 57er wieder vom 40er hinten zu kommen und probiere grade den Nylonzug von PowerCordz aus, der aber etwas knapp in der Länge ist.
Dass ich vom 12er nicht sicher aufs 11er komme, ist mir für die Tour ziemlich Latte, vom 3. aufs 2.größte Ritzel 25 auf 32 komme ich sicher nur über den kurzen Umweg 40er. Solange es stabil bleibt, ok. Es blieb stabil und später auf den letzten Anstiegen nach dem 3-Ländereck stellte ich eh fest, dass ich mir die Finger nicht dreckig gemacht hatte und die Kette vorne nie vom großen Blatt genommen habe.
Kontrolle 2 in Houyet bei km 400 mitten in der Nacht, also Kontrollfrage vorm Bahnhof beantworten und dann feststellen, dass die Hallentür offen ist und es sehr gepflegte Sanitäreinrichtungen hier hat – kurze Katzenwäsche und den Schweiß des doch warmen Nachmittags zumindest vom Gesicht und Armen
„RaVel 2“ habe ich aus dem Roadbook noch im Gedächtnis und folge dem Hinweis – um wenig später keinen Track mehr auf dem Display zu sehen. Aha, waren nur ein paar Meter, also wieder zurück und die schon bekannte Route wieder aus Houyet und die steile Fahrt durch den Ort hinauf kommt aus dem Langzeitgedächtnis zurück – noch nicht ganz verdrängt.
Die Nacht geht bald zu Ende und noch keine Scheinwerfer von @PeterC zu sehen, trotz meiner 2 Pannen und der längeren Pause in Houyet – aber das kann er natürlich auch und bei verkehrsleeren und gut beleuchteten Straßen fährt er auch oft ohne Licht. Das mache ich jetzt auch, wobei ich hinten das Lupine-Rücklicht mit den niederfrequenten zusätzlichen Pulsen weiterpulsen lasse. Wenn die Wege gut gelblich ausgeleuchtet sind, stört so‘n greller weißer LED-Kegel vorne.
Bis auf ein paar feuchte Nebelfelder bleibt die Nacht trocken und die Sicht klar.
Das ändert sich am nächsten morgen hinter der Kontrolle im luxemburgischen Martelange. Es fängt leicht an zu nieseln. Nachdem die Bauarbeiter ihren Bagger und Laster freundlicherweise weggefahren haben, schiebe ich das DF durchs Geröll unter dem weggebaggerten Straßenpflaster. Von der nächsten Anhöhe sieht man über die Täler vor und hinter mir dunklere Wolken und Schauer ziehen. Mit Arm- und Knielingen gerüstet ziehe ich im Niesel weiter durch die hügelige einsame Ardennenlandschaft.
Apropos einsam, so war‘s fast meine ganze Runde, ob in Zeebrugge auf der Hauptstraße, im Roubaix der hochgeklappten Bürgersteige, durch die nieseligen Ardennen, das Hohe Fenn in der Abendsonne, die letzten gemeinen Anstiege vom 3-Ländereck an die Maas und an den folgenden nächtlichen Kanälen entlang.
Die regnerische Hauptkontrolle in der Jugendherberge Champlon erreiche ich gegn 11, Dort dusche ich und wechsle die Klamotten. Später kommt Rohnny und sie kochen mir noch ein Curry mit Reis. Da bleibe ich gern noch ein bisschen im Trocknen. Vor 1 bin ich aber wieder auf der Piste, nach weiteren 2 Stunden Regnens in unterschiedlichen Intensitäten hört es aber auf, die Namen und Schilder werden deutsch und auf 670 m Höhe erreiche ich die Kontrolle am Losheimer Graben. Hier bemerke ich auch, dass mein Hinterreifen höchstens noch 2 bar Druck hat. Noch mal Aufpumpen und nach einer rauschenden Abfahrt vom Signal de Botrange nach Eupen zum 3-Ländereck, wo der Druck wieder bei 2 bar ist. Naja der Reifen hat dies Jahr auch schon ein paar Tausend Brevet-km hinter sich und die Dichtmilch ist auch schon ein halbes Jahr drinnen. Also noch einen Schluck davon eingefüllt und dann hielt der Druck auch bis ins Ziel und wieder nach Hause, perfekt.
Am frühen Samstag um 1:25 erreiche ich die Hauptkontrolle 2 an der Gedenk- und Begegnungsstätte bei Lommel. Wenigstens schließt mir noch jemand die Toiletten auf, ich esse noch etwas von den Vorräten und ziehe mir einen Pullover für eine kurze Nachtruhe im DF an und verkrieche mich unter dem Schaumdeckel. Trotzdem saukalt – aber für 2,5 Stunden bin ich weg. Als ich aufwache, ist es noch kälter und es dauert etwas, ehe ich mich aus dem DF befreit habe – um 5 bin ich wieder unterwegs und freue mich auf den Tagesanbruch. Da ändern auch ein paar km Umweg um ein weggebaggertes Stück Treidelpfad nix mehr und auch nicht, dass ich mich in der Baustelle in Antwerpen jetzt den falschen Weg erwische und das schlechte Wegstück hinter Antwerpen.
Nach einem Frühstück an der letzten Kontrolle beim Bäcker in Dreesel erreiche ich dann schließlich nach 45,5 h das Ziel am Camping und gehe erst mal schön duschen. Dann begrüßt mich auch schon Rohnny, der bis dahin genauso viel oder wenig geschalfen hat wie ich.
Wir empfehlen uns dann, noch eine Mütze Schlaf zu nehmen.
Wie schon im BoB-Thread beschrieben Organisiert Carine für mich eine schöne Übernachtung und kutschiert mich samt DF dahin. Nach der kurzen Nachtruhe im DF ein überwältigender Kontrast. Gestärkt durch das vorzügliche Abendessen und ein reichhaltiges Frühstück geht‘s dann am Sonntag bei schönem Sommerwetter wieder nach Hause.
Als ich Deutschland an desssen westlichsten Punkt entere, werde ich mit einem Schild „Radfahrer frei“ auf dem Radweg begrüßt – und was sind die Straßen herrlich glatt ;-)
Es waren anstrengende & schöne Tage in Flandern und dem Rest von Belgien – ganz weit weg vom Alltag, in den zu finden mir heute sehr schwer fiel. Gut, dass ich das nicht verpasst habe.