Da ich letzte Woche nicht viel Zeit zum Mitdiskutieren hatte, hier mal nen bissl nachträglicher Senf:
Wenn man einer Erfindung, die kein Problem löst, zum Durchbruch verhelfen will, muß man das Problem künstlich erzeugen, z.B. durch das Verbot oder die Verteuerung der bisher genutzten Problemlösung oder durch ein neues Gesetz. Ansonsten ist die Erfindung etwas für Manufakturen, die den Nischenmarkt bespielen.
Ja, die absolute Mehrheit der individuellen Akteure sieht kein Problem, für das es eine andere Lösung als ein Auto geben könnte/müsste. Erst auf kollektiver Ebene kommt das zum Vorschein durch
gobalen Klimawandel und
lokalen Verkehrsinfarkt. Doch selbst im Angesicht dieser Aspekte würde kaum ein individueller Akteur "von sich aus" nachgeben und sich zum schwächsten Glied in der Straßennahrungskette machen, indem er mit einem Spielzeugauto mitmischt (sofern es keine attraktive Parallel-Infrastruktur wie in Holland gibt). D.h. beide Problemkreise müssen erst den Umweg über die globale oder lokale Politik gehen, wo sich Mehrheiten finden, die das Auto rigoros aus den Städten verbannen... um Platz für alternative, ökologische und platzsparendere Mobilitätskonzepte zu schaffen. Erst dann wäre das VeloCar massentauglich... und das ist noch so lang hin, so lange hält keine gehypte Blase...
Momentan glaub ich eher daran, dass es sich hierbei um eine kurzfristige Blase handelt. Wenn das Venture Capital der wenigen global Player weg bricht, sind die Dinger in der Masse erledigt.
Um Venture Capital einzusammeln, sprich: mit fremden Geld wackelige Projekte zu starten, hauen die auf die Kacke und scalen die Pläne auf zehntausend Stück up, legen Staffelpreise für Stückzahlen zugrunde, die bei den Zulieferern schon beim Anfragen für Augenrollen sorgen. Nicht weil sie es wollen, sondern weil die Investoren diesen Beschiss geradezu verlangen.
Die saubere, handwerkliche Produktentwicklung geht nie von 1 auf 10.000, sondern von 1 auf 10 auf 100.
Das ist der Grund, warum ich langsam nicht mehr so gut gelaunt gegenüber dieser Fördermittel-Venture-Capital-Startup-Konkurrenz bin. Nicht weil wir Konkurrenten sind, sondern weil die mit ihrer unhaltbar hoch skalierten Marketing-Welle den seriösen Kalkulationen das Leben schwer machen... und da zähle ich "mein" (nicht-gefördertes) EC-Quadvelo-Projekt drunter, insofern uns von anbeginn klar war, dass wir keine Verkehrsrevolution auslösen und vorläufig in Skalen des Spezialradmarktes gefangen bleiben - d.h. vielleicht mal optimistische 100 Stück pro Jahr. Und dann kostet so nen Ding halt 10.000€ all inclusive. Wenn dann aber solche Fördermittel-Glücksritter gleich mit dem 10-100fachen spekulieren, und mit haltlosen Versprechungen wie 5.000€ und technischem Geflunker (Gewicht, E-Antrieb, Kabinen-Themen) die Erzählung dominieren bis sie endlich pleite gehen, sind das verlorene Jahre für seriöse Anbieter.
Für den Alltag ist es viel geschickter, vom ultimativen Leichtbau wegzugehen hin zu kostengünstigen Materialien und Technik und die Differenz dann über eine Elektrounterstützung auszugleichen
Das ist z.B. so eine irreführende Erzählung. Diese VeloCars werden NICHT billiger sein können als die Sportvelomobile - solange sie nicht im großindustriellen Maßstab gefertigt werden (d.h. wirklich Auto-Massenmarkt-Infrastruktur-Revolution). Bis dahin kosten sie aber soviel wie ein Velomobil + Quad-Vollfederungs-Fahrwerk + Premium-Motorsystem + sonstige Funktionsgimmicks.
Immer wieder ein beliebtes Anschauungsobjekt: HP-Trikes sind im VM-Vergleich schon asiatische Industrieware (1000er Skala), auf der Basis einer soliden Gesamtkalkulation von der Entwicklung bis zum After-Sale-Service für anspruchsvolle Endkunden. Nun konfiguriere da mal ein Scorpion FS mit Premium-Motor, Streamer und allen Anbauteilen... dann landest du >10.000€. An welcher Stelle der vollkommenen Endkundentauglichkeit soll da ein seriös kalkuliertes Velocar viel günstiger werden? Das geht höchstens mit halbfertigen "Ikea"-Produkten und/oder minderwertiger Qualität. Verzicht auf Leichtbau reicht da nicht...
VG Steffen