Ich schliesse mir denn tip an, als anfanger erst mal was gebrauchtes zu kaufen.
Einspruch, Euer Ehren!
Vor allem, wenn man als Fahreinsteiger auch zu den Technikeinsteigern gehört, soll man die diversen Risikozuschläge "Gebraucht" im Kopf nicht unterschätzen. Wenn etwas nicht perfekt ist, (was ja schon bei einem neuen Spaßrad zu erwarten ist) kann es finanziell und vor allem psychologisch teuer werden.
Ich würde sagen das ist eine Frage von Typ, Vorwissen und Einstellung (des Interessenten, nicht nur des Rades
). Das Problem für einen Liegeradeinsteiger ist ja multidimensional:
- erst mal weiss man nicht, ob die liegende Fortbewegung wirklich was für einen ist
- zweitens hat man mangels Erfahrung keine Ahnung was zu einem passt. Eine Vorauswahl anhand der Optik kann man treffen (wie ja auch hier passiert) - bloss hat das (wie wahrscheinlich jeder Liegeradfahrer bestätigen wird) nur sehr begrenzt damit zu tun, welches Rad wirklich zu einem passt. Dazu kommt noch, dass Liegeräder für einen Neueinsteiger ungeahnt variantenreich sind und eben drastisch unterschiedlich - da einen Überblick zu bekommen ist problematisch.
- teuer sind die Dinger auch noch, zumindest neu und halbwegs aktuelle Modelle
- Ausprobieren, gar verschiedene Modelle, im näheren Umfeld können die wenigsten - und wenn, kann man ja als Neuling schon froh sein, wenn man halbwegs geradeaus fahren kann und nicht direkt umfällt. Eine Langzeittauglichkeit für den eigenen Bedarf lässt sich so also auch nur begrenzt einschätzen.
Mit anderen Worten: egal was man kauft, es ist ein Risiko. Kann sein dass das Rad nicht passt, kann sein, dass die liegende Fortbewegung doch nichts für einen ist. Wenn einen das nicht abschreckt gibt es vier Wege:
- Neukauf beim guten Händler nach umfänglicher Beratung und ausführlichem Test. Sicherlich die Königsklasse, aber eben auch der teuerste Weg. geht wohl erst sehr deutlich über 2000€ los und wird leicht (und meistens) erheblich teurer. Bei Fehlkauf nur mit deutlichem Abschlag wieder zu verkaufen.
- Gebrauchtkauf eines relativ jungen bzw. sehr gut erhaltenen Gebrauchten - entweder Vorführer oder ein Rad, das einst voll Euphorie erworben, aber dann doch nicht/kaum genutzt wurde und jetzt kaum gefahren mit heftigem Abschlag verkauft wird. Hier liegt der Sweetspot in Sachen Preis-Leistung. Technisches Risiko von Defekten sehr gering, mögliche Preisersparnis gegenüber einem Neukauf 1/3 - 2/3. Wiederverkauf tendenziell wertverlustfrei, wenn man es nicht ausführlich gefahren und vor allem nicht demoliert hat (und natürlich günstig genug eingekauft). Geht von deutlich über 1000€ - vielleicht 2.500€ bei den gängigen Rädern, im Ausnahmefall auch mal etwas mehr.
- Gebrauchtkauf eines gut eingerittenen Zossen. Hier liegt das Schnäppchenpotential - wenn Rad und Zustand stimmen kann für wenig Geld ein tolles Rad erworben werden, vielleicht irgendwo zwischen 700 und 1.600€. Problem: Kann auch sein, dass was dran ist und mit Pech erwirbt man eine rollende Katastrophe. Wahrscheinlich wird man ein nicht ganz aktuelles Modell erwerben und kann dabei sowohl in technische Tücken zustandshalber wie auch in Versorgungslücken was die Ersatzteilsituation angeht tappen. Und natürlich läuft man Gefahr, aus lauter Verliebtheit in die erste Liege heftig (und völlig unverhältnismässig) zu investieren (am besten noch in völlig blödsinnige Dinge
), so dass man hinterher gleich was Besseres hätte kaufen können. Irgendwas wird man wahrscheinlich fixen müssen oder wollen, teuer muss das aber nicht sein. Wiederverkauf kann dauern und je nachdem kostenneutral oder verlustreich sein. Sozusagen das grösste Risiko, aber auch der grösstmögliche Sparfaktor wenn's gut geht. Aber wohl nur was für jemanden, der Schrauben kann und mag.
- Gebrauchtkauf eines "Uraltrades". Oft für (grosskotzig gesagt) "Spielgeld" zu haben, irgendwo bis 500€. Klar, dass es sich um alte Modelle mit ebensolcher Technik handelt, manchmal mit manchmal ohne Problemstellen. Prima zum Ausprobieren, ob eine bestimmte Bauform oder eine Liege überhaupt passt (mit Gefahr des Fehlurteils, weil Liegen halt sehr unterschiedlich sind), aber nahezu 100% Chance, dass das keine langfristige Beziehung wird. Dafür nahezu verlustfrei weiterverkaufbar (wenn man hinreichend Zeit hat und nicht oben erwähntem übermässigen Liebeswahn anheim gefallen ist).
Ich halte alle vier Wege für völlig valide. Wer jedes technische Risko vermeiden will muss halt neu kaufen, ansonsten spricht in meinen Augen fast alles für Gebraucht. Vor allem, wenn man mit realistischen Erwartungen rangeht, sich also der nötigen Lernkurve ebenso bewußt ist wie des Risikos eines Fehlkaufs sowie der Tatsache, dass gebrauchte Liegeräder sich in den seltensten Fällen verkaufen wie geschnitten Brot (gut beim Kauf, schlecht beim Verkauf
) und zur Not mit ein bisschen Verlust leben kann und den einkalkuliert. U.a. deswegen kann es sinnvoll sein mit einem gängigen, gemässigten Modell einzusteigen - wird vielleicht nicht 100% glücklich machen, verschafft aber Erfahrung für die nächste Runde, wird ziemlich sicher auch nicht 100% unpassend sein und man wird es auch leichter wieder los als einen Exoten. Persönlich glaube ich nicht, dass die erste Liege die Liege des Lebens ist - kommt ja durchaus vor, aber davon ausgehen würde ich nicht.