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Eine der häufigsten Fragen von Neulingen lautet:
Kurz gesagt, die ideale Velomobilstrecke hat u.a. folgende Eigenschaften:
Warum?
Am besten sieht man das mit einem Rechenbeispiel. Man betrachte einen Radfahrer:
Was bedeutet das?
Und die Antwort lautet immer:Ich muss täglich xx km fahren, wie schnell wäre ich mit dem Velomobil?
Kommt auf die Strecke an.
Kurz gesagt, die ideale Velomobilstrecke hat u.a. folgende Eigenschaften:
- flach, d.h. wenige Höhenmeter
- wenn, dann nicht ein großer Berg, sondern mehrere kleine Hügel
- wenn, dann nicht steil bergab, sondern so, dass man nie bremsen muss
- einfach, d.h. selten Abzweigungen, sondern idealerweise immer nur geradeaus
- ohne Hindernisse, d.h. weder Ampeln noch Stau, sondern immer auf der Vorfahrtsstraße
Warum?
Am besten sieht man das mit einem Rechenbeispiel. Man betrachte einen Radfahrer:
- 75 kg schwer, 1,80 m groß
- kann dauerhaft 250 W leisten, kurz auch einmal 500 W
- mit 250 W erreicht er eine Geschwindigkeit von ca. 36 km/h
- dabei hat er eine Bewegungsenergie von 4.2 kJ, das entspricht der Kletterarbeit auf einen Hügel von 5 m Höhe
- um auf diese Geschwindigkeit zu kommen, muss er mit 500 W gut 11 Sekunden treten, und braucht dafür um die 85 m
- mit 250 W erreicht er eine Geschwindigkeit von ca. 51 km/h
- dabei hat er eine Bewegungsenergie von 9.6 kJ, das entspricht der Kletterarbeit auf einen Hügel von knapp 10 m
- um auf diese Geschwindigkeit zu kommen, muss er mit 500 W gut 22 Sekunden treten, und braucht dafür um die 227 m
- vielleicht schafft er es nicht, die 500 W bei jedem Anfahren über 22 Sekunden zu treten, sondern bricht nach 11 Sekunden auf 300 W ein; dann hat er nach 88 m ca. 39.5 km/h erreicht, und erst nach weiteren 31 Sekunden und ca. 400 m ist er auf 50 km/h, also nach fast einem halben km
Was bedeutet das?
- Mit einem Velomobil erreicht man bei gleicher Leistung eine deutlich höhere Geschwindigkeit.
- Aber man braucht überproportional viel Strecke und Zeit, um diese Geschwindigkeit auch zu erreichen.
- => Wenn man alle paar 100 m anhalten oder abbremsen muss, erreicht man mit dem Velomobil nie die mögliche Endgeschwindigkeit. Man ist nur auf Strecken schnell, auf denen man nicht abbremsen oder anhalten muss.
- Mit dem Schwung kommt man einen doppelt so hohen Berg hoch als mit einem Rennrad. Das heißt, um nicht anhalten zu müssen, lohnt es sich, mit einem Velomobil einen gut 10 m hohen Hügel in Kauf zu nehmen. Oben ist der Schwung zwar auch weg, aber dafür rollt es ja wieder bergab.
- Um nicht anhalten zu müssen, lohnt es sich, im Velomobil einen mehrere 100 m langen Umweg in Kauf zu nehme; beim Rennrad sind es nur gut 80 m.
- Theoretisch müsste man mit einem Velomobil eine deutlich höhere Spitzengeschwindigkeit erreichen als mit einem Rennrad. Im Straßenverkehr liegen die Spitzengeschwindigkeiten dagegen oft gar nicht so weit auseinander – erstens, weil man bergab die Spitzengeschwindigkeit nicht immer ausfahren kann, und zweitens die Beschleunigungsphasen im Velomobil so lang sind, dass die Abfahrt längst zu Ende ist, bzw. man auf der Geraden schon wieder bremsen muss.
- Das Dahinrollen mit hoher Geschwindigkeit kostet im Velomobil vergleichsweise wenig Leistung; daher ist man nicht schnell, weil man eine irrsinnig hohe Spitzengeschwindigkeit erreicht, sondern weil man sich lange nahe der Spitzengeschwindigkeit bewegt. Dagegen ist es anstrengend, das Velomobil in kurzer Zeit wieder auf eine hohe Geschwindigkeit zu bringen.
- Auf dem Rennrad ist es anders herum; dort kann man schnell auf seine Endgeschwindigkeit sprinten, und je nach Bedarf seine Geschwindigkeit variieren. Dafür sind die Beschleunigungsphasen im Velomobil einfach zu lang; man kann zwar gelegentlich, aber nicht von jedem Ampelstop aus auf 50 km/h hochsprinten.
- Im Velomobil fährt man deshalb viel vorausschauender und entspannter. Ähnlich, wie LKW-Fahrer meist sehr entspannt wirken, weil sie wissen, wie träge ihr schweres Fahrzeug reagiert.
- Obwohl man mit dem Velomobil üblicherweise spürbar weniger Zeit als mit anderen Fahrrädern braucht, ist es weniger anstrengend – vor allem, weil man es zwischendurch immer wieder rollen lässt, z.B. kann man es vor einem Stop mehrere 100 m lang ausrollen lassen, und verliert dabei nur wenige Sekunden.
- Bergauf hat das Velomobil natürlich weniger Vorteile, weil bei der niedrigen Geschwindkeit die Aerodynamik eine geringere Rolle spielt, und dafür das höhere Gewicht und im Sommer die schlechtere Kühlung zuschlägt. Aber zumindest kleine Hügel kann man teilweise mit Schwung fahren; da man im Unterschied zum Rennrad viel länger eine hohe Geschwindigkeit halten kann, kann man viel früher Schwung holen und damit einen großen Teil der Steigung bewältigen – an kleinen Hügeln, egal wie steil, sind Velomobile daher eher im Vorteil.
- Der Hauptvorteil eines Velomobils ist ein geringer Luftwiderstand – das bedeutet aber, dass dann alle anderen Widerstände eine viel größere Rolle spielen, vor allem der Rollwiderstand. Deshalb interessieren sich Velomobil-Fahrer so sehr für leichtlaufende Reifen, weil man die Unterschiede deutlich merkt; selbst Temperaturunterschiede oder den Unterschied zwischen Latex- und Butyl-Schläuchen kann man spüren. Und natürlich macht sich eine schlechte Oberfläche deutlich bemerkbar.
- Vorfahrtsstraßen statt Nebenstraßen
- übersichtliche Straßen, wo man vorausschauend fahren kann; das heißt meistens, keine Radwege
- entscheidend ist die dümmste Stelle einer Straße; sie beeinflusst die mögliche Geschwindigkeit zig oder hunderte Meter vorher und nachher
- kein steiles Gefälle, wo man die Geschwindigkeit wegbremsen muss
- Umwege können sich lohnen
- für Hin- und Rückweg können sich unterschiedliche Wege lohnen
- die Oberflächenqualität ist auch wichtig; auf schlechtem Asphalt und erst recht Feldwegen ist der Rollwiderstand höher, zudem springt das Velomobil, was sowohl unangenehm ist als auch stark bremst
- wenn das Tempo der Autos ähnlich dem Velomobil-Tempo ist, dann wird man selten überholt; wenn dagegen die Geschwindigkeitsdifferenz hoch und viel Verkehr ist, kommt es häufig zu Überholmanövern auch bei Gegenverkehr, was unangenehm und gefährlich ist
- Velomobile haben einen ähnlichen Wendekreis wie ein Auto; allerdings fahren sie oft auch ähnliche Geschwindigkeiten und sind auf den selben Straßen unterwegs, daher gibt das nur sehr selten Probleme