AW: Velomobile: Erwartungen und Realität
Eigentlich sollte ich ja arbeiten, anstatt im Forum rumzuhängen, aber gut, ein paar Anmerkungen:
ich habe mal was geschrieben, mit dem Hauptaugenmerk, dass es verständlich ist und gut klingt.
Grundsätzlich finde ich es toll, dass du dir die Arbeit gemacht hast, ich halte aber nach wie vor die Einteilung in Vor- und Nachteile nicht für sinnvoll.
Hilfreicher für Interessenten erscheint es mir, in möglichst klarer und plastischer Weise zu beschreiben, was die Neulinge beim Umstieg auf ein Velomobil erwartet - und ihnen dann selbst die Beurteilung zu überlassen, wie entscheidend für sie die jeweilige Eigenschaft ist und ob sie es als Feature oder als Bug empfinden:
Dass z.B. das Gewicht eines VB höher ist als das eines Rennrades, ist kein Geheimnis, aber es steigen ja nicht nur Rennradler um. Ein Citybike der unteren Preisklasse ist keineswegs deutlich leichter als ein leichtes VB.
Entscheidend ist die Frage, wie relevant das Gewicht jeweils ist. Wer also im hügeligen Gelände wohnt oder oft beschleunigen will/muss, wird dadurch stärker eingeschränkt als Bewohner von windreichen Ebenen. Es müsste also deutlich rauskommen, dass man von einem VB sehr unterschiedliche Fahrleistungen zu erwarten hat, je nachdem wo man unterwegs ist.
Der Preis ist natürlich deutlich höher als der eines üblichen Rades, allerdings kommt es dabei letztlich auf den Nutzwert an und wer z.B. sein Zweit-Auto durch ein VB ersetzt und es eifrig nutzt, kann die Kosten in relativ kurzer Zeit ammortisieren.
Abgesehen davon gibt es auch einen (wenn auch derzeit noch eher kleinen und exklusiven) Käuferkreis, für den ein hoher Preis schon fast eines der wichtigsten Argumente
für einen Kauf darstellt, nämlich diejenigen, die damit angeben und sich selbst profilieren wollen, ohne Angst haben zu müssen, dass jeder dahergelaufene Durchschnittsverdiener mit ihnen gleichziehen kann. Nicht ganz ernst gemeint, aber letztlich ist da doch mehr dran als viele wahrhaben wollen.
Zwei Punkte zum Wetterschutz: Ist klarerweise eher positiv zu sehen, es sollte aber deutlich rausgestellt werden, dass Wetterschutz nicht gleichbedeutend mit einem trockenen Körper ist. Das betrifft nicht nur den Rücken, sondern das Schwitzen insgesamt. Ist für manche extrem wichtig, für andere komplett irrelevant.
Des weiteren kann sich gerade das zentrale Feature zumindest der geschlossenen VB als größter Abschreckungsfaktor erweisen, denn wer in der geschlossenen Hülle klaustrophobische Zustände bekommt, wird sich mit Grausen wieder wenden. Andere dagegen mögen sich gerade dadurch deutlich sicherer fühlen als auf einem offenen Rad.
Ein wichtiger Punkt sind auch die Geräusche durch die Karosse, die in dem Maß als abschreckend empfunden werden, wieviel Wert die Betreffenden auf lautlose Fortbewegung legen. Für mich kein echter prinzipieller Nachteil, aber ein Punkt, auf den unbedingt hingewiesen werden muss.
Das gilt auch für das Auffallen in der Öffentlichkeit. Eher exzentrisch veranlagte Menschen mögen das eventuell sogar genießen, für andere wiederum wird das VB sehr schnell zum Folterstuhl, mögen sie es in ergonomischer Hinsicht noch so bequem empfinden. Ich halte das bei Liegerädern ganz allgemein für einen zentralen Punkt, auf den ebenfalls unbedingt sehr deutlich hingewiesen werden muss.
Ich bemerke seit einiger Zeit, dass die Reaktionen zunehmend positiver und wohlwollender werden, aber auch positives Aufsehen kann manchen Menschen schnell zuviel werden.
Sperrigkeit/hohes Gewicht: Wirkt sich beim Fahren oft als Nachteil aus, trägt aber auch dazu bei, dass ein Dieb es nicht mal schnell so eben wegtragen oder in seinen Kombi packen kann. Ergibt zusammen mit dem hohen Wiedererkennungswert einen ganz passablen, wenn auch nicht perfekten Diebstahlsschutz. Vandalismus ist wieder ein Thema für sich.
Transportkapazität: Ist natürlich geringer als ein Autokofferraum, doch meist deutlich höher als bei einem reinrassigen Rennrad, es kommt also immer darauf an, womit verglichen wird.
Ohne jemandem zu nahe treten zu wollen, aber manchmal kommen mir die Erwartungen, die manche so an ein VB formulieren bzw haben, schon sehr überzogen vor: Es soll schneller sein als ein Rennrad, mehr Transportkapazität besitzen als ein Reiserad und doch nicht viel mehr wiegen, genauso gut vor Wind und Wetter schützen wie ein Auto, bequemer sein als ein Fernsehsessel, dabei aber doch so mühelos im 30er oder 40er Schnitt zu bewegen sein, dass man auch im Anzug mit Krawatte trocken und wie aus dem Ei gepellt ankommt, nach 50km Strecke wohlgemerkt. Und sehr viel mehr als ein halbwegs passables Baumarktrad soll es natürlich auch nicht kosten. Dazu noch das Image eines verantwortungsbewussten Retters der Welt kombiniert mit dem coolen Flair eines bewunderten Sportlers... und selbst dann würden einige immer noch rummeckern, weil die Verkleidung bollert, wenn man über Kopfsteinpflaster fährt.
Deshalb mein Vorschlag: Ganz klar schreiben was man unter bestimmten Voraussetzungen mit dem VB erwarten kann und was nicht, und dann jedem die Entscheidung selbst überlassen, ob er sich damit anfreunden kann oder nicht. Im Endeffekt entscheidet nämlich die individuelle Einstellung und natürlich die persönliche Erfahrung. Deshalb gilt auch hier der entscheidende Rat: Ausprobieren und Probefahren. Die
theoretische Annäherung an VB - wie an Liegeräder überhaupt - klappt nur sehr selten, letztlich entscheidet die praktische Erfahrung.