Retrospektive Glorifizierung. Und Ihr so?

Ende der 80er Jahre war ich mit dem Rennrad von Freiburg aus ein paar Tage im Bodenseeraum unterwegs. Ausser Schlafsack und Wechselklamotten hatte ich nicht viel dabei, und natürlich kein Zelt. Wegen unerwartet aufziehendem Dauerregen musste ich für die Übernachtungen kreative Lösungen finden. Die Nacht im Hochsitz ist mir in lebhafter Erinnerung geblieben - kalt, eng, und sehr zugig. Trotzdem, es war eine tolle Tour!
 
Ein bisschen Abenteuer scharft die Sinne, und mann empfindet sachen manchmal ganz intens. Hinterher kann mann Stolz sein das man es doch geschaft hatt, froh das man es uberlebt hatt, oder sich bedenken das es vielleicht doch nicht so klug war.

War mal fruh los mit den Zug um beim Fahrradbastler mein neuen Lieger ab zu hohlen. Lunch hatte ich nicht mit, wurde es ja nur abhohlen. War noch nicht fertig, wir mussten noch einige stunden Basteln. So um sechs folgte noch ein kleinen Teller Pommes, weiter basteln, und irgendwann ab in die halbdunkelheit. Denn deich Enkhuizen-Lelystad in der Dämmerung. Um 21.55 beim Mac D (22.00uhr zu) das letzte gekauft was die so noch da hatten, und weiter. Irgendwo zwischen Otterlo und Arnheim, tief im Wald der Veluwe. Neben mir das National Park Hoge Veluwe, wo so einiges an Wild lauft. Absolute ruhe, nur das Surren vom Dynamo, und hinter mir dauernd ein rascheln. Nur getrocknete Blätter im Fahrtwind, aber doch ein wenig Gruselig. Ich war mude, schlafrig. Bis irgendwo neben mir unsichtbar, aber sehr gut hörbar ein grosseres Tier äste brechend durchs Unterholz brach. Ich war sofort wach, die Geschwindigkeit stieg, verbrauchte aber die Letzte energie die noch da war. Die letzte 20 meter Steigung bei 5%, schaften meine Beine nicht mehr und ich musste absteigen und schieben. Hinterher fand ich es ganz normal, mal 125 km in die Nacht zu fahren.

Mit 18 machte ich mich fur eine Ferienreise nach Corsica auf, ohne Rad. Trampen geht doch. Fahrer meldet das es ein bisschen staubich ist im Auto, ich steig ein. Er war Gipser. Mitten in die Wunderschöne Berge, Alten Renault 4, ich Steig ein. Wo Kommst du her? Holland! Aschenbecher geht auf und denn Joint wird wieder gezundet. Soundtrack; The Doors " I think u know the game i mean, I mean the game called go insane, now u should try this little game...BMW Cabrio halt an, junger Fahrer, ich steig ein. Was dagegen wenn wir schnell fahren? Nö! Entlang die Kustenstrasse, Steile Kliffen, mit einige 100 meter tiefer das Meer. So um die 170km/h war machbar. Dunkelblaue Polizei R4 mit Meterlange Antenne wurde mit 160 uberhohlt. Das war Polizei sagte ich noch. Nah der schaft keine 160... Mein nachstes Abenteuer war dann doch wieder ne Radreise. Aber irgendwann will ich noch mal wieder nach Corsica. Die Reise war aber sehr gut fur mich, hab gelernt das ich mich in viele Situationen retten kann.

Nicht so lange her machte ich mich auf fur ein Overnighter, mit Velomobil, erste ubernachtung unter einen Tarp. Ging doch prima, obwohl es nur 4 grad war. Nicht so einfach dann morgens aus denn warmen Schlafsack zu steigen. Die zwei Pfauen auf denn anliegenden Grundstuck machten sich bei jedes gerausch sehr Laut bemerkbar. Hinterher amusant.

Im Ruckblick vergisst mann schon einiges, und kriegen die Erinnerungen manchmal eine andere bedeutung. Klar war es schwer, unangenehm, aber mann sich im Ruckblick doch druber freuen dieses Abenteuer gemacht zu haben.
 
3W4F, es müsste Tag 15 gewesen sein, von St. Remy nach Vinsobres, am Mt. Ventoux vorbei. Es war heiß, es ging durch Hügel, und DAS war die Oberflächenbeschaffenheit der Straße:

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Ich hing wirklich in den Seilen und hatte schon das Mobiltelefon in der Hand, um den Besenwagen anzurufen, bis Martin mich motivierte.

Hach, es war ein schöner Tag, den ich nicht missen möchte!
 
Ach so - ja klar. Ancora un Giro 2022
Ewiges Klettern und brüten in der toskanischen Sonne - teilweise froh, wenn man wieder Tankstelle mit eisgekühltem Pfirsichtee gefunden hat und der Blick auf das Höhenprofil und die Restkilometer am Wahoo.
Oder dieses Zickzack von Kehren, das sich über einem in den Himmel erhebt am Maloja-Pass...

Jetzt retrospektiv und wenn ich die
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und
so sehe, denke ich auch: was für eine geile Tour! :cool:
 
Type 2 fun: Ich wollte mit dem toxyZR nach Venedig fahren, eine Freundin auf einem Campingplatz besuchen. Das waren bloß 50km, ich dachte wenn ich früh genug losfahre knallt die Sonne noch nicht so, kann ich aufs eincremen verzichten. Ich werde so um 8 losgekommen sein, um 10 war ich an der Brücke in die Stadt wo ich noch einen Liegeradfahrer aus Holland traf. Auf der Karte habe ich gesehen dass die Boote zum Lido im Osten der Stadt losfahren, ich dachte da radel ich am besten schnell hin. Venedig mit dem Tieflieger? Nicht so doll, ich hab die Hälfte der Strecke getragen! Mittags war ich endlich auf dem Boot, dann noch zum Campingplatz und ich hatte einen amtlichen Sonnenbrand. Die Freundin wollte mich so lieber nicht wieder nach Hause fahren lassen, ich bin also die Nacht bei ihr und einer anderen im Bungalow geblieben. Die Nacht war ziemlich schmerzhaft. Deshalb wollte ich am nächsten Tag möglichst erst in der Abenddämmerung zurück, 19:00 sollte passen, diesmal würde ich definitiv das Boot nehmen um zurück zur Brücke zu kommen. Streik bei den Bootsleuten! Also wieder zu Fuß zurück, als ich aufs Festland kam war es 21:00 und die Sonne ging gerade unter. Licht hatte ich keins mitgenommen, irgendwann war es so duster dass ich warten musste bis ein Auto kam um die Schilder lesen zu können! Um 23:00 war ich ohne Unfall wieder zu Hause, erstmal einen Erdbeerbecher im Eisladen von einer Freundin gekauft.

Bad ideas make the best memories...
 
Mit Rennrad HEW-Cyclassics gefahren, das erste mal. Ich hatte mich hauptsächlich, ohne es vorher zu testen mit Powerbars versorgt. Nach 100 km konnte ich weder essen noch Trinken. Mich knapp an der Kotzgrenze und zitternd die weiteren 65 km ins Ziel geschleppt; in Hamburg bei 26 Grad .... nach einer Stunde war ich dann wieder passabel ansprechbar und habe nie wieder Essensexperimente bei Radtouren gemacht ..... immer mal erst auf der Kurzstrecke getestet ...., die nächsten 3 mal besser gemacht ;-))
 
Ach so - Verdauung. Ja. Öhm.
Also als ich mein Python neu hatte, dachte ich: Kann man doch auch super Brevets nochmal fahren. Ist ja Liegerad und schnell.
Fürs 200er Wuppertal-Münsterland-Brevet angemeldet und los. Morgens beim Massenstart am Bäcker noch dick Frühstück und Cappucino gehabt, dann die ganzen Anstiege über Hagen und dann Richtung Iserlohn.
Kurz vor der Lenne meldete sich ganz heftig mein Magen - aber kein offenes Cafe oder Tanke in Sicht. Mit einem beherzten Abbiegen unter die Autobrücke und Sprung in das hohe Gras konnte ich das schlimmste verhindern und saß 10 min später wieder auf dem Python.

Denn weitere 10 min später das gleiche Grummeln - nur diesmal keine Brücke, kein Schutz und nur ein mit Industriebauten gesäumtes Tal mit einer einzigen Straße.
Also in der Not auf einen der Firmenparkplätze und den Hang hoch gewetzt, um etwas Schutz zu finden und mir wieder die Klamotten vom Leib gerissen (es war niedrig einstellig von der Temperatur, also Latzhose usw. - Liege und kein VM halt). Und direkt nach der sofortigen Erleichterung die Erkenntnis: Ich hatte beim Kleidungs-Entzwiebeln die unterste Lage vergessen. Also das, was ich unter meiner Fahrrad-Thermo-Hose an hatte. Und das war jetzt jenseits der Brauchbarkeit. :rolleyes:
Also versucht es euch bitte nicht vorzustellen, aber es war der schlimmste Moment meiner ganzen Fahrrad-Erlebnisse.

Du stehst (oder hängst) da besudelt im "Wald", geschützt nur durch 20 m Überhöhung von der Fahrbahn, ein Tempotuch und keine Wechselsachen mit. Und es ist kalt, Du musst weiter, willst da weg, aber musst ja zwangsläufig wieder unter Leute...

Die nächsten 30 min habe ich dann verbracht mit: komplett entkleiden um sich dem "verlorenen" Kleidungsstück zu entledigen und es zu verscharren, dann eine notdürftige "Reinigung" nach dem Motto: nasses, pappiges Laub ist immer noch sauberer als die Alternative, es nicht zu benutzen, dann mittlerweile zitternd und frierend wieder Socken, Latzhose, Schuhe und Überschuhe anziehen (während unten ein Auto hielt und gefährliches Interesse an meinem Python zeigte - dann aber doch weiter fuhr) und wieder vom Berg rutschen und das Brevet weiter fahren.
:oops:

An der ersten Kontrolle war ich 5 Minuten hinter dem Zeitlimit, hatte dann ab Fröndenberg im Flachland etliches rausgeholt, den Stop in Münster auf ein Minimum beschränkt, dann nach Münster noch einen Unfall (Schutzblech gebrochen -> Hinterrad blockiert -> Abflug bei 30+, aber nichts passiert - noch mal 30 min sammeln und fixen) und war dann 5 Minuten vor dem Zeitlimit an der Tankstelle, wo gerade das Licht schon ausging.

Ich habe ganz schwer den Cappuccino im Verdacht... :rolleyes:
…und später von @Sturmvogel gelernt, dass man diesen Zustand "imperativen Stuhldrang" nennt…
 
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ich habe lange gebraucht, bis ich darüber sprechen konnte...

Entschuldige bitte meinen rofl-Smiley, aber so ging mir das auch schon. Nicht ganz so katastrophal, glücklicherweise.
Ich wollte von Ochsenfurt hoch auf die Hochenene und weiter Richtung Crailsheim, und langsam drückte es. Immer einen suchenden Blick auf die Landschaft, ob nicht irgendwo eine Hecke ist, hinter die man kann. Irgendwann wurde es immer dringender, bis ich nicht mehr anders konnte, als mich vom Trike in den Straßengraben zu stürzen und die Hose runterzureissen. G'schämig, wie man ist, war die größte Sorge, dass jemand vorbeikommen und mich sehen könnte, aber der Darm gab immer noch keine Ruhe und es dauerte... Es kam wirklich niemand und ich konnte mich unerkannt als Täter von der Sauerei entfernen. Im Vergleich zu Deiner Geschichte mache ich da im Nachhinein drei Kreuze.
 
Entschuldige bitte meinen rofl-Smiley, aber so ging mir das auch schon. Nicht ganz so katastrophal, glücklicherweise.
Kein Ding. Heute lache ich auch drüber. Aber damals war das echt übel.
Vor allem 3 x der Check "riecht man noch was", bevor ich dann zu Tanke + den anderen Kontrollen musste.

Und es war wirklich nasses, klebriges, matschiges Laub vom Vor-Herbst.
Aber genügend davon zum abrubbeln und immer wieder klar machen: Es ist sauberer so mit kühlem, kompostierndem Waldboden als gar nicht. Und vermutlich auch gut für die Haut. ;)
G'schämig, wie man ist, war die größte Sorge, dass jemand vorbeikommen und mich sehen könnte
Ach so - das hatte ich auch bei Hamburg-Berlin letztes Jahr. Irgendwo im Havelland auf einer schnurgeraden Straße.
Rechts eine Einfahrt zwischen dünnen Hecken zu einer Pferdewiese. Und dann den Pferden heimgezahlt, was sie sonst immer "bei uns" auf der Straße machen. :p

Die Truppe RRler, die ich wenige Minuten zuvor überholt hatte, kamen dann zum Glück erst auf meine Höhe, als alles erledigt war...

So - und jetzt hören wir mal auf mit dem Mist hier und warten auf angenehmere Heldengeschichten...
 
Ich bin irgendwie total anders gestrickt. 2011 bin ich in Norwegen in die größten Niederschlagsmengen seit Wetteraufzeichnung gekommen. Ich war beim Fahren zu 100% nass, über Tage. Abends wartete kein trocknes Zimmer, sondern ein vollkommen nasses Zelt. Temperaturen waren im einstelligen Bereich. Ich erinnere das Ganze als einigermaßen hart. Trotzdem bin ich 2015 wieder in Norwegen gefahren und würde es auch gerne wieder tun. Aber nicht wegen des Spaßes am Leiden.
Das Gute am Erlebnis von 2011 war die Erfahrung, dass einem sowas nicht umbringt, dass man nichtmal krank wird, was ich vorher befürchtet hatte.
 
Das Gute am Erlebnis von 2011 war die Erfahrung, dass einem sowas nicht umbringt, dass man nichtmal krank wird, was ich vorher befürchtet hatte.
…und dass Du bei ein bisschen Regen Dir jetzt sagen kannst: Es könnte schlimmer sein. (y)

(und ich bin schon nach einer nassen Frühlingsnacht im Zelt auf der Spezi-Anreise ins nächste Etap umgezogen... weia :rolleyes:)
 
2011 bin ich in Norwegen in die größten Niederschlagsmengen
Den Spass hatten wir auch, mit Auto Zelt...und einjährigem Kind. Haben dann umdisponiert und mit meinen Eltern zusammen in deren Wohnwagen gewohnt.

Wieder zuhause wurde direkt ein eigener kleiner Wohnwagen gekauft...

In der Retrospektive:"...ach ja, mit dem Zelt, das war so flexibel...". Seitdem gilt aber: Mit dem Auto in den Urlaub: Wohnwagen. Mit dem Fahrrad: Zelt.
 
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Den Spass hatten wir auch, mit Auto Zelt...und einjährigem Kind. Haben dann umdisponiert und mit meinen Eltern zusammen in deren Wohnwagen gewohnt.

Wieder zuhause wurde direkt ein eigener kleiner Wohnwagen gekauft...

In der Retrospektive:"...ach ja, mit dem Zelt, das war so flexibel...". Seitdem gilt aber: Mit dem Auto in den Urlaub: Wohnwagen. Mit dem Fahrrad: Zelt.
Machen wir auch so. Nur, dass wir unseren Mini-Wohnwagen als ausgesprochen flexibel erleben. So schnell hatten wir uns mit Zelt noch nie eingerichtet, wenn wir wo übernachtet haben. Und wo der Bäcker mit seinem Lieferwagen durch kommt, kommen wir so gut wie immer auch durch. Das Schönste ist, dass sich unsere behinderte Tochter im Wohnwagen zu Hause fühlt. Das mindert ihren Stress gewaltig. Wir stellen ihn auf, und wenn sie will, geht sie hinein, spielen oder puzzlen.

Ich wundere mich immer wieder, welch schlechten Ruf Wohnwagen haben. Es gibt ja auch kompakte!

lg!
georg
 
Auf dem 200er am Wochenende hatte ich zwischendurch echt miese Laune: nur 3h geschlafen, Hunger, Pipi, alles blöd. Sogar die niederländischen Radwege fand ich doof. Zumindest zwischendurch.
Also ich glaub bei mindestens 80% aller Niederrheinbrevets hätte ich Michael zwischendurch aufhängen können, wegen den Rumpelstrecken…
 

Ach Rumpelig war es doch diesmal eigentlich selten. Aber die Ortsdurchfahrten nach der Strecke am Kanal waren so kleinteilig, zumindest wenn man versuchte den Radweg zu nutzen. Fast wie deutsche Radwege: hier 100m, dort 100m, 10mal um Kreisverkehre rum an denen man 2-3mal aufpassen muss, Sperrung mit unfindbarer Umleitung, usw.
Und für mich war das neu: ich fuhr bislang meist auf dem mittleren Kettenblatt. Mit den CCU vorne geht das nicht mehr, da "muss" ich aufs große Blatt. Also fuhr ich 99,5% der Strecke auf dem großen Blatt, hab beim Anfahren aber nicht genug runtergeschaltet. Und damit werden Ortsdurchfahrten mühsam und ich merkte die Knie.
Beim 300er schalte ich konsequenter runter, dann ist das Anfahren nicht mehr so kräftezehrend.

Aber vor allem: Müde, Hunger, Pipi. Nach der Tankstelle lief es, als wär ein
Motor mit drin (was ein Mit-Randonneur während der Pause kontrollierte :ROFLMAO: ), alles Kopfsache.

Ich fand die Strecke echt gut, gerne wieder!
 
Wie gesagt, die Details erinnere ich nicht mehr, aber vermutlich ist das ein Schutzmechanismus, dass man die schlechten Erinnerungen verdrängt.
Wenn es diesen Schutzmechanismus nicht gäbe, würden sich 99% aller Frauen nach der ersten Geburt sterilisieren lassen.

Gruß Fetzer
 
Weiß nicht. Für meine Frau waren die Geburten sicher fordernde Erlebnisse, aber keinesfalls traumatisch. Und immerhin haben wir dadurch unsere Töchter. Die geb ich nicht her!

Im manchen Fällen wird das aber sicher so sein. Ich kannte eine, die eine traumatische Geburt durch stehen musste. Das hatte allerdings viel mit ihrer esoterischen Hebamme zu tun. Die war völlig meschugge.

Lg!
georg
 
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