So, nach den schönen Bildern jetzt noch eine kleine unternehmerische Auskunft zur potentiellen Zukunft dieses Projektes:
Euro Circuits ist ein größeres Unternehmen im Bereich Leiterplatten mit einem velomobilverrückten Chef aus Flandern, wo auch die Zentrale ist, d.h. es ist auch eigentlich ein belgisches Unternehmen, die haben nur ihren Hauptproduktionssitz in Ungarn, weitere Stützpunkte in Indien usw. Die haben aus Chefs Liebhaberei mit dem Challenger auf Azub angefangen, davon in 2 Jahren eine Handvoll verkauft - d.h. es rechnet sich nicht wirklich. Das Eigenprojekt wird nun schon etwas nüchterner kalkuliert und damit auch das Engagement nach dem Prinzip >ganz oder garnicht< gefahren. D.h. entweder die ziehen das groß als semi-industrielles Produkt auf, wo pro Jahr ähnliche Stückzahlen wie beim ELF oder (gemutmaßt) Podebike produziert und abgesetzt werden können - oder sie lassen es ganz bleiben.
D.h. auch, dass es entweder für ~5000€ als E-VM-Quad am Markt auftritt, oder gar nicht. Als derzeitige Einzelhandanfertigung wäre es im fünfstelligen Bereich - was durchaus angemessen im Liegerad-Markt-Vergleich ist, für das was es gegenüber motorisierten Fully-Trikes oder den üblichen Velomobilen mehr kann... aber dann eben auch in minimalen Absatzzahlen gefangen bleibt. Das könnte Velomo vielleicht individuell abarbeiten, aber EuroCircuits investiert nur weiter, wenn zukünftig ein Markt jenseits der kleinen VM-Gemeinde erschließbar ist.
Auf dieser Schneide pendelt gerade der interne Diskurs - und dabei spielt eine recht ernüchterte Spezi-Auswertung die größte Rolle. D.h. das Quad kam dort überhaupt nicht gut an. OK, sie haben es auch nicht so richtig dolle in Szene gesetzt, aber selbst die Interessenten, die auf das Challenger aufmerksam wurden, konnten mit dem Quad-Konzept daneben an sich nix anfangen. Sondern nur die üblichen Sonderwunsch-Interessenten, mit denen sich ein Serien-Fertiger so gar nicht auseinandersetzen möchte.
Dabei haben sie auf ihren Stand eine ähnliche, überraschende Gesprächs-Erfahrung gemacht, wie wir auf unserem mit den ganzen offenen Quad-Entwürfen: dass >90% des Publikums überhaupt keine Vorstellung davon haben, was der basale Vorteil eines Vierrads gegenüber einem Dreirad sein soll. Typische Gespräche liefen so ab:
"Das hat ja 4 Räder!? Warum dass denn?"
"Weil es so viel stabiler fährt?"
"Ach ja? Wieso sollte das denn so sein?"
Die Sache mit dem Lastentransport haben ja viele noch verstehen können. Aber die Grundlagenphysik von Kipp- und Spurstabilität war fast jedem ein böhmisches Dorf. Wenn man in das ungläubige Gesicht dann rhetorisch nachschob, warum sie kein dreirädriges Auto fahren, hatte man zumindest ein kurzes Aha-Erlebnis. Aber es blieb dabei, dass die gedankliche Transferleistung vom Dreirad-Muster (egal ob offen oder geschlossen) auf ein potenteres Vierrad weitestgehend ausblieb.
Und an der Stelle fragt sich EC gerade, ob sich das überhaupt lohnen kann, wenn man den potentiellen Kunden von soweit her abholen muss. Dass die Szene keineswegs aus sich heraus nach dem Quad-VM lechzt, sondern es ihm mit Mühe wie fauler Fisch angedreht werden muss. Dass die meisten erst einen Sinn für ein Vierrad entwickeln können, wenn sie es im direkten Probefahrvergleich zu einem ähnlich konfigurierten Dreirad in den Grenzbereich getrieben haben...
... Oder ob es nicht so ist, dass man die Fahrrad-Szene beiseite schieben muss und sich direkt an die üblichen vierrad-affinen Nichtpedalierer wendet. So wie es auch offensichtlich bei Podride und den ganzen aktuellen Lasten-Quad-Startups der Fall ist. Scheinbar kommen 4-Rad-Ansätze eher von und für die KFZler (v.a. Logistik), während auch im (privaten) Cargobike-Bereich die üblichen Anbieter und Nachfrager dem 3-Rad-Konzept treu bleiben.
Also stehen wir gerade am Nullpunkt und fragen uns über die Länder-, Firmen- und Sprachgrenzen hinweg, welcher Markt sich mit so einem Ansatz erschließen lässt - und wieviel Kohle sie da ggfs. bereit sind, zu versenken. Mein wichtigster Ansatzpunkt dabei ist, dass das Konzept auf jeden Fall teilbar gehalten wird, also kein selbsttragendes Konzept, sondern Chassis und Karosserie, die sich bei Bedarf auch voneinander trennen lassen - sei es als Sommer- vs. Winter-Fahrrad... oder sogar als Nebenprodukt eines offenen Lasten-Quads. Da 2/3 der Produktionskosten das Untergestell betreffen würden, liegt es nahe, dass ein einmal industriell "günstig" hergestelltes Chassis auch solo verkäuflich ist. Wenn wir so ein E-Lastenquad individuell per Hand fertigen, reden wir von einem Preislevel ab 7000€. Werden davon 500 Einheiten am Band hergestellt, halbiert sich das... aber das ist Zukunftsmusik.
Erstmal festzuhalten ist, dass das Serienprodukt nur kommt, wenn EC einen großen Markt dafür sieht und dann eine umfangreiche Produktionslinie einrichtet. Bis dahin gäbe es nur die individualisierte Velomo-Option, dass die in Ungarn von ihrem Formkörper nen CFK-Abzug machen und wir es auf ein handgemachtes Quad setzen - für velomobilübliche Preise plus Motorsystem...
... wobei man es natürlich auch ohne Motor fahren kann. Der errechnete CW-Wert ist besser als beim Challenger, trotz Quad statt Tropfen. Und das Gewicht lässt sich auch tiefer anpeilen mit dem Fully-Q1 drunter als mit den bisher genutzten Trikes. Sub-30 komplett ist durchaus möglich.
VG Steffen