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BordersOfBelgium 2020, 2.09.21
Nachdem die BoB-Runde nach der Rückfahrt am Sonntag auch den Weg von Garmin zu Strava gefunden hat, hatte ich folgenden Text und Bilder dort ergänzt:„am Rand von Belgien halt, da wo anscheinend keiner sonst fährt ;-)
Harte Kost für den Rücken eines Liegeradfahrers. Aber es ist ein echter Brevet. Und die Organisatoren Rohnny und Francis und die Randonneure, die ich getroffen habe, ganz feine Kerle. Die Tage davor und danach bei Carine, der besten B&B Gastgeberin, der pure Luxus und bestens aufgehoben.
Das Wetter: top, trocken, nicht zu heiß mittgas und nicht zu kalt nachts, Wind krieg ich eh nicht mit.
Bei der Anmeldung sagt mir Rohnny, ab 10 könnt Ihr Euch einen Stempel bei Francis holen und los.
So sind Roman und ich dann 10:10 in die Pedale, Richtung Osten. Antwerpen, Aufzug zum St, Anna Tunnel gesperrt, also Kennedy Tunnel. Dann relativ flott nordwärds aus der Stadt geflutscht und allmählich werden die Wege kleiner und einsamer.
Vom nördlisten Punkt dann über Turnhout nach Lommel, leider nicht am Kanal sondern auf so ner Art Bundesstraße mit holprigem schmalen Radweg. Also lieber mit leicht schlechtem Gewissen auf der Straße und mit 45-50 Sachen vorgeben, man sei motorisiert ;-). Mich hat auf den 1400 km in Belgien keiner angehupt.
Bei km 190 in Maaseik war ich dann etwas platt und leicht dehydriert. Im Kontrollhotel mich am Wasserhahn wieder volllaufen lassen und mich ein paar km weiter an der Maas erst mal auf eine Bank gelegt und kurz pausiert. Ab da gings dann entspannt an Maas und Kanälen in den östlichen Teil Belgiens, hinter Visé lagen ein Haufen Äpfel an Straßenrand, während der Fahrt einen gegriffen, was für ein Genuss. Weiter hügelig und in der Abenddämmerung hinauf ins Hohe Venn, nächtens entlang Luxemburg ganz in den Süden des Landes. Auf dem RAVel nach Bastogne ein Wettrennen mit einem kleinen Dachs. Bei dem Speed traute sich der Kerl auch nicht vom Radweg in die Büsche. Kontrollen in Arlon und Virton? alles leer und ausgestorben. In Bouillon ist es zwar hell - aber im Tal neblig und klamm. Zur Jugenherberge geht's gut 2-stellig hoch, die ich mit 70/40 hochdrücke. Wenigstens ist danach oben wieder blauer Himmel. Aber die Stiche nehmen nicht ab. Also lege ich die Kette für die nächsten Stunden zur Erleichterung aufs kleinere 57er - bis das gröbste Gezackel vorbei ist.
Die Gegend um Mons, Mons und der städtische Moloch um Tournei habe ich wohl schon verdrängt. üble Pflasterstraßen, Betonplattenwege mit heftigen Aufbrüchen und das dann als Fahrradstraße deklariert. War so fassungslos, dass ich vergaß ein paar Downshadows abzulichten.
Als es in die 2. Abenddämmerung geht, bin ich schon im flachen ländlichen Teil, schön ruhig. In Ieper noch mal Velomobil durch Baustellen tragen, am Meer in de Panne meinen 2. Milchreis futtern, 900 km gerüttelt, in Brügge mich mehrfach auf oder unter Brücken verfahren und kurz vor Schluss um 3 Uhr morgens noch eine 15-minütige Pause vor der Schiffsbrücke in Zelzate verbracht, bis das Schiff die Durchfahrt getroffen hat.
3:33 am Ziel (brutto 41:23 h)und nur ein paar hundert Meter weg hat mir Carine eine umgebaute Bauernkate gezeigt, wo ich übernachten kann. Schlüssel steckte draußen, Getränke im Kühlschrank, heiße Dusche, weiches Bett nach 2 durchgemachten Nächten am Stück, Randonneur, was willst Du mehr.“
Unterwegs hatte sich mehrfach ein gewisser Respekt gegenüber den belgischen Radfahrern eingestellt, die diesen Wegen zum Trotz die Kette unter Zug halten. Und auf der sonntäglichen Rückreise habe ich eine Menge davon auf den Jaagpads entlang der Kanäle gesehen.
Als ich die Bilder von vielen Pizzen und Kuchen anderer BoB-Randonneure sehe, fällt mir auf, wie wenig ich unterwegs gefuttert habe: 2 Riegel, 1 Ei, 3 Bananen, 2 Milchreis, 3 kl. Rosinenbrötchen – unterwegs noch 2 Äpfel und 1 Trinkjoghurt gekauft. Wieder mit zurückgebracht: 7 Riegel, 1 Ei, eine Packung Waffeln, eine Tüte Gummibärchen.
Wasser an diversen Kontrollstellen, öffentlichen Toiletten nachgetankt und immer mindestens 2,5 l an Bord gehabt.
Bei knapp 20000 kcal Verbrauch hätten es wohl ein paar mehr Kohlenhydrate zur Aufrechterhaltung der Fettverbrennung sein können. Auf der anderen Seite gabe es keine hungerästlichen Durchhänger, Bäume und Sträucher haben kein Eigenleben entwickelt und tote Punkte sind ausgeblieben. Die für ein Nickerchen mitgeführten trocknen Ersatzklamotten, Decke und Schaumdeckel konnten stecken bleiben.
Ab und zu hat es unten am Kettentunnel oder Fußbeulen heftig gekracht und irgendwo bei geschätzt km 700 gabs am Ende einer schmalen steilen Auffahrt aus einer Bahnunterführung ein häßliches Drängelgitter, also mit viel Kraft auf den Pedalen rangiert, bis es vorne laut geknirscht hat, außer Dreck aber nichts am Bug gesehen – muss wohl der Stahlbügel nachgegeben haben.
Eine weitere stählerne Sperre blockiert den Radweg am Kanal hinter Mons. Grund sind 10 cm höhe Aufbrüche der Betonplatten. Anstatt diese zu reparieren, ist das Gestell fest im Beton verdübelt.
Ein weiteres Hindernis ergab sich in einer Brückensperrung hinter Bouillon. Die Umleitung führte stracks auf die zu überwindende Autobahn oder Kraftfahrstraße. Im Navi konnte ich keine Abfahrt in der Nähe erkennen – also zurück und hinterm Rücken der Bauarbeiter schnell rübergeschoben.
Schön war das hügelige Gekurve in sattgrüner teils bewalderter Landschaft hinter Visé bei Sippenaken, Gemmenich und Abendsonne. In den Dörfern passiere ich einige gut besuchte Biergärten und Cafés und sorge velomobil für Heiterkeit.
Abends dann in Eupen vorbei am durch die Flut zerstörten Kabelwerk und dann einsam die verbleibenden 400 Höhenmeter hoch durchs Venn zum Signal de Botrange. Eigentlich wollte ich für die anstehende hügelige Nacht aufs 57er Blatt umlegen – aber jetzt unter Zug lasse ich es und bleibe die Nacht auf dem 70er. Oben am Turm Botrange schwindet das letzte Tageslicht und ich mache mich mit einem reflektierenden Buff um den Hals nachtfertig.
Als sich das rechte Knie sich im kühlen Zug der nächtlichen Nachtluft meldet, kommt der alte Socken/Lappen in die Lüftung des Tretlagermasts.
In Losheim finde ich den Kontrollgasthof an der Ecke, wo es von Deutschland wieder nach Belgien reingeht. Leider um 21:45 h schon geschlossen – und den alternativen Kontrollcode nicht gefunden. Dafür noch ein paar angebrochene Wasserflaschen auf den Außentischen. Also ein Kontrollfoto und dann wieder auf nach Belgien zum RAVel nach Bastogne. Da liegt bloß soviel Laub und Gras auf dem Weg, dass dessen Ränder im Lichtkegel kaum auszumachen sind. Zum Glück geht es fast ausschließlich gradeaus in diesem grünen Tunnel.
Auf den finalen Kilometern fällt mir noch die kleine Reservecola ein. Die genehmige ich mir jetzt zur Feier als Genußmittel. Freut mich, dass es so gut und unfallfrei gerollt ist.
Später war die Rückfahrt am Sonntag ein Fest und die paar Tage Radfahren waren mal wieder ein erfolgreicher Ausbruch aus dem Alltag – dessen Problemen ein „chen“ angehängt bekamen – ein perfekter Wellness-Urlaub mit kräftiger Rückenmassage.
Besten Dank an die Organisatoren Rohnny&Francis und Carine&Jos vom B&B