Letzten Sonntag wollte ich es mal wieder wissen. Schon lange schwebte mir die Herausforderung "100 km in 3 Stunden" als ganz persönliches Zeitfahren vor. Nachdem ich mir meinen
besten Sommerschnitt auf 64 km anschaute, kam mir das auch nicht mehr so abwegig vor.
Die Temperatur war um 10°C zwar nicht mehr so erquickend, aber wenigstens sollte es trocken bleiben und am Nachmittag sogar noch die Sonne zum Vorschein kommen.
Um streckenmäßig die bestmöglichen Bedingungen zu schaffen und das Ganze auch möglichst reproduzierbar zu machen, wählte ich den Abschnitt des Oder-Radwegs zwischen Lebus und Schwedt. Anreise mit dem RE nach Frankfurt-Oder, dann Warmfahren bis Lebus.
Nach kurzem Liegeradtechnikgeplänkel mit Spaziergängern in Lebus ging es dann los.
Der Tacho zeigte gleich mal vom Start weg motivierende 40+ km/h an, doch ich machte mir nichts vor, denn die Startrichtung war noch optimal zum SW-Wind ausgerichtet. Flussradwege haben es ja so an sich, dass sie sich hin- und herschlängeln...
Nach nur 20 Min Fahrt dann der Schock: ein Elektrozaun quer über den Radweg! Seuchengebiet.
Was nun? Oben auf dem Deich war auch keine Umfahrung möglich und eine andere Route nur über irgendwelche üblen Schotterpisten möglich.
Da kein "betreten verboten" Schild zu sehen war, also kurzerhand das Rad drübergehoben und weiter gehts! Ein mulmiges Gefühl blieb natürlich. Die Wühlspuren am Rande des Radwegs stimmten auch nicht gerade zuversichtlich.
Zum Glück konnte ich die Gefahrenzone schnell hinter mich bringen und der Himmel fing auch an, aufzuklaren. Wie im Film, dachte ich mir.
Die ersten 50 km waren dann auch bald abgerissen. Der Timer zeigte trotz des Zwangshalts erfreuliche 1:25 h. Die Beine spielten auch noch mit. Allerdings merkte ich nach einem kurzen Versorgungsstop deutlich wie die Leistung eine zeitlang einbrach. Das zeigt mir mal wieder gut, wie nachteilig Pausen bei so einer Aktion sind, sogar über den Zeitverlust durch die reine Standzeit hinaus.
Jetzt hieß es "nur" noch, die Leistung auch in der zweiten Hälfte zu halten. Bei Neuglietzen (Pflastersteine) und Hohensaaten (Betonplatten und Wurzelaufbrüche) waren zwar noch Langsamfahrabschnitte zu erwarten, allerdings würde die Fahrtrichtung auch wieder besser zum Wind ausgerichtet sein.
Rückenwind ist allerdings für mich ein zweischneidiges Schwert, die Übermotivation und die überschaubare Reststrecke führten dazu, dass ich etwas überzockte. Zum Ende hin, so die letzten 10-12 km, fühlte es sich an als wenn der "Akku" langsam schlapp machen würde. Sieht man auch gut im Leistungsdiagramm, wie die Kurve absackt. Leider hatte ich auch keine Kohlenhydrate mehr griffbereit. Interessant war das Gefühl, dass der Körper Energie aus weniger relevanter Muskulatur abzog. So fingen die Arme an, sich schlapp zu fühlen, während die Beine noch etwas Reserven zu haben schienen. Ich musste an Raumschiff Enterprise in einer Gefahrensituation denken: "Picard an La Forge, leiten sie sämtliche Energie von nichtbenötigten Systemen in den Warp-Antrieb um".
Die letzten 5-6 km waren dann richtige Quälerei. Wahnsinn, wie lang sich die Minuten da noch gezogen haben. Um durchzuhalten musste ich es mir richtig bewusst machen, dass ich es objektiv gleich geschafft haben würde.
Die Fahrt über die gedachte Ziellinie war dann irgendwie unspektakulär und erstmal nur Erleichterung, es hinter mich gebracht zu haben.
Die Freude darüber, die 3 Stunden Challenge sogar um über 10 Min unterboten zu haben, rückte erst richtig ins Bewusstsein, nachdem das Rad ins Gras fallengelassen und eine halbe Tafel Schoki verdrückt war.
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