Kleine Thy-Tour, Montag, 9.10.17
Vrist-Klitmøller (Cold Hawai), Umkehr schon bei Nørre Vorupør, 120km, 5:20h, 23er Schnitt
Es ist so herrlich hier, die Luft, die Farben, der Wind, die Sonne, Meer, Strand, Dünen, Himmel, traumhaft
Ich starte auf der Nationalcycleroute 1, dem Vestkyststien, von Vrist, unserem Ferienort an der Nordvestjylland-Küste nach Thyborøn. Das erste Mal nach diesem Sommer mit Handschuhen, endlich warme Hände, und ich fahre wieder auf einem Asphaltstreifen mitten durchs Naturschutzgebiet (während für Kfz ein rumpeliger Feldweg bereit gehalten wird). Wegen der Handschuhhitze muss ich die lange Hose, die Weste, die Mütze, das Bufffy und die Jacke schon nach viereinhalb Kilometern abwerfen, die Handschuhe lass ich natürlich an… So komme ich um 10:03 am Fährableger nach Agger an und sehe das drei Minuten alte Fahrwasser der 42jährigen Fähre, grummel.
Doch schon findet sich ein schöner Molenplatz zum Limfjordträumen, ein weiterer spätsommerlicher Oktobertag nimmt seinen Lauf.
Vor vier Jahren kotzte sich unsere Tochter wegen starken Seegangs in den 15 Minuten Überfahrt die Seele aus dem Leib, heute habe ich Zeit, schöne Bilder in Netzhaut und Handylinse zu brennen.
Ich habe mir fest vorgenommen, dem Vestkyststien zu folgen, BRouter vermeidet ihn an vielen Stellen, bald weiß ich warum. Ich freue mich über alles, auch über den Rasenmähermann, der den zweispurigen Radwegrandstreifen (mit Mittelstreifen!) freifräst… noch…
Der Weg verlässt die Hauptstraße 2. Ordnung, die 181, und führt westlich in die Dünen, und man kann super auf frischem Beton fahren, ich fLiege dahin
Rechter Hand Flade Sø und Ørum Sø, linker Hand das Meer und liek ut (plattdeutsch) der Lodbjerg Fyr, mein erstes Pausenziel, dort soll es einen Shelterplads geben. Den habe ich auf der udinaturen.dk/overnatning/lillepladser gefunden. Dort sind alle dänischen Shelter verzeichnet, ich bin aber skeptisch, ob das so stimmt. Kostenlos in der freien Natur übernachten, vom dänischen Umweltministerium gefördert, gibts doch gar nicht.
Und: Gibt es doch, der Platz ist ein Traum- Feuerstelle mit Grill, Holzvorrat mit Spaltaxt, Sitzgelegenheiten und ein grasbedachtes Abdach, sturmfest und regensicher. Wie genial ist das denn? Auf zur nächsten Vater-Sohn/ Mutter-Tochter-Tour
Dann folge ich – soll ich es tun? besser nicht.. - dem Weg mit der roten 1 auf feinstem Kies. Keine 5km später schwimmt mein Heck und ich spüre die Felge durch die Federung: platt.
Als ich das Flickzeug ausrolle, steigt ein ADLER (!) über mir auf. Der zweite echte Adler in meinem Leben, okay, das entschädigt… Lautlos, mächtig und elegant zieht er zwei Kreise und entschwindet aus meinem Blickfeld. Ich schließe den Mund und das Loch in meinem Schlauch, quetsche kleine Kieselsplitter aus der Lauffläche und verlasse alsbald diesen schönen, aber rennradreifenungeeigneten Waldweg.
Es geht gemächlich Richtung Norden, 22er Schnitt, kommt auch vom Schieben an den schönen Plätzen… und: Auf der Suche nach dem zweiten Shelter kurz vor Stenbjerg gerate ich an eine verlassene Feldwegkreuzung, die mich ans Meer lockt. Ich folge der immer schlechter werdenden Treckerspur, sie ist bald nur noch ein schmaler Trampelpfad, bis langspießiger Sanddorn meine Fahrt beendet. Ich schiebe noch ein Stückchen und klettere dann
in the middle of no-where, of now-here in the middle
auf eine auf eine Düne und kann das Meer sehen, das MEER!
Rad, Tasche, Handy(Navi!), alles zurücklassend renne ich in einem Dünental zum wahrscheinlich einsamsten Strandabschnitt der dänischen Westküste und freue mich auf Freitag und Robinson und ein gemeinsames, nacktes Bad im nordseelichen Atlantik…
und treffe auf einen Nacktwanderer, der seinen faltigen A. nach Norden und eine faltige Hundführerin, die ihre Vierbeiner nach Süden begleitet.
Puff, diese Blase ist geplatzt. Und auch die Unendlichkeit des Meeres erlebe ich als Weltenende, auch hier ist Schluss.
„Der Erkenntnis ist es egal, wie Du zu ihr gelangst“ (Zitat aus einem LSD_Tripführer) und ich erlange sie:
Egal, wie weit Du fährst, am Ende kehrst du wieder um und fährst zurück. Du kehrst wieder heim. Auch schön…
Doch so weit ist es noch nicht. Am in den Strand gekratzten Kreuz kehre ich in meine Dünental zurück und finde meinen einsamen FlevoRacer, quäle mich den Singletrack zur Kreuzung zurück und verliere auf dem noch schlechteren, nördlichen Feldweg meine geliebten Hanschuhe
In Nørre Vorupør treffe ich auf Horden dänischer Wanderjugendlicher, was wollen die bloß hier draußen bei dem schönen Wetter und wo sind ihre Smartphones, ich kann es nicht fassen, und radle zum letzten Shelter, den ich dann auch finde (den zweiten habe ich irgendwie falsch in meinem Track markiert).
Bananenpause, Vollkornbrot, KEIN „Muldtoiletter“ (Plumpsklo)-Besuch, Rückreise nach 72km. Die letzte Fähre legt um 18:15 in Agger ab, ich peile eine Stunde früher an und kann jetzt richtig reintreten, endlich wieder über dreißig, mir fehlte schon was.
Dass ich heute schon ein paar Kilometer auf der 181 gefahren bin, merke ich in der Gegenrichtung nicht, alles sieht so anders aus und ist doch erst eine Stunde her. Schon früh erreiche ich Agger, ich habe mich voll verschätzt (nur 48km Rückweg)
Der frisch gefräste Radweg sieht jetzt aus wie ein Schlachtfeld, der Fräsenführer hat am Ende wohl ne Schnapsidee genossen und auf dem Rückweg beim Fräsen jede Menge Schotter auf dem Asphalt verteilt. Während ich noch fluche, wieso der Esel keine Kehrvorrichtung am Heck mitführt, zischt es schon am Hinterreifen und ich muss die 16:15 Fähre ziehen lassen.
Frisch geflickt- die Zweite- geht es auf der Straße weiter zum Ableger
und dann nach Hause.
Schön wieder hier zu sein, es hat sich gelohnt.
Grüße aus dem Urlaub sendet
Krischan