Mein Ziel war ja, in dieser verkorksten Saison trotzdem mal einen 400er anzugehen. Sicherlich nicht innerhalb der von mir angestrebten 24h, aber vielleicht in "Audax-konformen" 27? Probieren geht über studieren, und so bin ich am Samstag kurz vor 16 Uhr gestartet. Ziel war, nach Brandenburg/Havel zu fahren - und natürlich wieder heim. Ohne mich zu überfordern. Also "schmerzfreies Fahren" war die Devise.
Hier das dafür am besten geeignete Rad aus meinem Fuhrpark, das aufgrund der tollen Wetterprognose mit sage und schreibe 7 Litern Wasser beladene Musashi:
Ich habe das gute Stück zwischenzeitlich mit einem HP-Lenkerbügel optimiert. Spürbar besser als mit dem Originallenker und auch mit dem als Notlösung montierten "Beach Cruiser Bar".
Auf mittlerweile gut bekannten Wegen ging's über Gröditz an die Schwarze Elster. Wobei ich mich schon über die gefahrenen Geschwindigkeiten wunderte - so schnell hatte ich das Rad (und mich!) tatsächlich nicht in Erinnerung.
Der Elsterradweg war über Großenhain, Zabeltitz und Gröditz erstaunlich schnell und leicht erreicht.
Zeitiges Abendbrot am Elsterdamm hinter der Eisenbahnbrücke kurz vor München/Elster.
Ein Träumchen...
Dann ging's weiter nach Herzberg, wo ich auf dem Marktplatz das Licht anbauen und in Ruhe noch ein paar Kalorien nachschaufeln wollte. Und wegen der weiteren Strecke nur kurz mal aufs Handy schauen. Tasche offen, Handy - mir blieb das Herz stehen...wo ist das Ding? Verloren oder am letzten Rastplatz liegenlassen? Also sofort zurück, weil sich im Hinterkopf eine Situation manifestierte...wahrscheinlich hatte ich es tatsächlich schlicht und einfach vergessen, weil ich abgelenkt war.
Also kehrt gemacht und im schwindenden Abendlicht zurückgedüst.
Tatsächlich stand trotz leichten Gegenwindes sehr oft eine 3 vorn dran. Entsprechend war ich auch in etwa einer halben Stunde wieder an meinem letzten Rastplatz - und das Handy lag noch an Ort und Stelle auf dem Tisch!
Puuh...Schwein gehabt.
Nach dieser "Sprinteinlage" von immerhin 14 km Länge hatte ich tatsächlich schon wieder Hunger und Durst und auch die Befürchtung, dass ich damit (zu?) viel Energie verschleudert haben könnte, was sich ja später sicher rächen würde. Außerdem "merkte" ich mein Knie...das wäre ja echt Murks...
Aber nach einem "zweiten Abendbrot"
ging's wieder nach Herzberg, wo ich auf dem Markt die eigentlich für 28 km früher und entsprechend eher geplante Pause gemacht habe.
Was war ich froh, dass das gut gegangen ist!
Nun war es.vollends dunkel und es ging weiter. Zuerst ein kleines Stück auf der B101, die zufälligerweise bis Borken gesperrt war - genau da wollte ich eh auf den Elsterradweg abbiegen. Kaum Betrieb, perfekt.
Der Elster bin ich dann bis Schweinitz gefolgt und dort nach Norden abgebogen.
Über Mügeln, Oehna und Tiefenbrunnen nach Treuenbrietzen, Linthe, Brück und dann durchs Planebruch nach Golzow.
Irgendwo habe ich mich noch für eine Stunde in ein Buswartehäuschen gepackt...war bei der Weiterfahrt empfindlich kalt. Hat eine knappe halbe Stunde gedauert, bis die Zähne nicht mehr geklappert haben...
Das kurze Stück zwischen Golzow und Krahne hat sich mir als extrem schlechte Wegstrecke ins Gedächtnis eingebrannt.
Eine Mischung aus Waschbeton und Asphaltflicken, die das eigentlich sehr komfortable Musashi überforderte. Und mich mit! Bloß gut, dass die Halsmuskulatur so gut in Schuß war, dass ich während der gesamten Tour (und die dauerte echt laaaaaange!) nie wirklich die Kopfstütze gebraucht habe - die habe ich tatsächlich nur aus reiner Bequemlichkeit auf absolut glattem Untergrund benutzt.
Daran zeigt sich eindrucksvoll, wie die Adaption aufs Liegerad auch nach Jahren noch voranschreitet. Noch in der vorletzten Saison habe ich die Kopfstütze beim Musashi auf Langstrecke wirklich GEBRAUCHT!
Als die Straßenverhältnisse sich gebessert hatten, war schnell Brandenburg/Havel erreicht
Dort bin ich bis ins Zentrum gefahren und habe am Steintor eine kleine Pause eingelegt, weil "meine Tanke" ja höchstwahrscheinlich noch nicht geöffnet hätte. Von da aus mit etwas Erdnussbutter im Magen die Tanke angesteuert - zu früh da. Alles dunkel, aber um 5:30 war der Chef schon ordentlich am rödeln - Brötchen aufbacken etc. Der hatte echt keinen Blick für "draussen" übrig...mir war nämlich hundekalt...
Aber um 6 gingen die Lichter an und die Tür öffnete sich. Und zwei (!) Bockwürste mit Brötchen und einen Pott Kaffee später sah die Welt im sich durch den unangenehmen Nebel kämpfenden Morgenlicht schon wieder viel schöner aus.
Gegen sieben bin ich dann wieder gestartet. Über Schmerzke und Rietz nach Oberjünne, was ich ja von meiner Rückfahrt nach der abgebrochenen Brandenburg im letzten Sommer als herrlichen Abendbrotplatz in Erinnerung, und zur Abwechslung diesmal als Lokalität fürs zweite Frühstück geplant hatte.
Vorher gab's aber noch "Brandenburg satt":
Und wie im kitschigsten Naturromantikfilm fingen in diesem Moment irgendwo - von mir leider ungesehen - ein paar Kraniche an, der aufgehenden Sonne zu huldigen. Ich als legitimer Nachfolger der deutschen Hochromantiker war tatsächlich den Tränen nahe. Unglaublich - sowas lässt sich weder zeigen, noch in Worte fassen... geschweige denn, bezahlen! An diesem Punkt hatte sich die Tour für mich gelohnt - egal, was noch käme.
Dann bin ich, mit einem tollen Gefühl als Echo dieser Situaton, weitergefahren. Dieselbe Strecke wie im letzten Sommer. Nur eben deutlich flotter - weil mit dem Musashi und ohne Camping- und Reisegepäck. Treuenbrietzen und dann Niedergörsdorf. Dort hatte ich eine Idee: wie wäre es denn, statt stumpfsinnig denselben Weg heimzuradeln, mich etwas weiter westlich zu halten und der Elstermündung einen Besuch abzustatten? Dort war ich dieses Jahr nämlich noch nicht - und ich liebe diese Ecke! Gesagt, getan. Dank Google etc. ist das Umplanen ja übeehaupt keine Hürde - allerdings wurden mir dann als Endstand 426 km angezeigt. Ach, was soll's - es läuft ja gut!
Duelle mit Pedelecs konnte ich tatsächlich längerfristig für mich entscheiden, oder auch über mehrere Kilometer mitfahren. So z.B. bei einer netten Dame, die mich irgendwo im Nirgendwo an einer Baustelle mit Sperrung, über den weiteren Verlauf der Tour rätselnd, aufgegabelt hat.
- Wo ich hin will? Da und dort.
- Da fahren Sie mir einfach hinterher, da will ich auch hin. Ich kann auch langsamer....
Musste sie nicht - es lief großartig!
vor Jessen (Elster) trennten sich unsere Wege - ich musste unbedingt etwas essen und trinken.
Die Elstermündung war den Umweg locker wert...
Links fließt die Elbe, rechts fließt die Moldau...äh..die Elster.
Herrlich, und noch herrlich grün!
Von da ging's die restlichen 110 km über altbekannte Wege nach Hause.
In Torgau merkte ich, dass die 7 Liter Wasser NICHT ausreichen würden
Zum Glück gibt's in Weßnig am Wasserwerk eine 'Trinkwassertankstelle". Dort gab's auch einen netten, ausgiebigen Schwatz mit einem interessierten Ehepaar, das mit Pedelecs unterwegs war. Sie sind etwas vor mir los, weil ich unbedingt noch essen musste - ich habe sie aber tatsächlich hinter Belgern überholt.
Am Baggersee (Liebersee) musste ich wieder Kalorien nachschieben - da hatten sie mich wieder - war aber sehr nett!
Kurz vor Ende gab's noch den üblichen kleinen Einbruch beim Verlassen des Elbtals - das fand ich aber bei bis dahin etwa 415 gefahrenen Kilometern verzeihlich.
Am Ende standen tatsächlich 430 Kilometer zu Buche. Statistischer Nebeneffekt der Sache: nach 24h hatte ich über 360km auf der Uhr, was einen neuen persönlichen Rekord über 400 km bedeuten würde. Aber darauf war ich aber gar nicht aus - interessanter ist die Tatsache, dass im selben Zeitraum nur 16:15 reine Fahrzeit aufgeführt waren. Wäre also massig Zeit für "mehr"! Will sagen, dass ich in vergleichbaren Form und unter ähnlichen Bedingungen locker die 400km/24h schaffen sollte. Vielleicht...im nächsten Jahr.
LG Holger