Aus dem Leben eines EVO-R

Dynamik, Hotel und Lissabon das muss Probleme geben. Denn er ist ja wohl nicht der einzige, der hier ein Hotel sucht. Nach einer Stunde suchen sind wir wieder beim ersten Hotel. Das Zimmer ist noch erhältlich, der Preis immer noch gleich hoch.

Lissabon, 26.5.22

Die heutige Fahrt führte durch verschiedene Naturschutzgebiete und bescherte auch zwei Fähren. Das macht das Reisen abwechslungsreich. Vor der ersten Fähre fährt man lange auf einer schmalen Landzunge und sieht auf der einen Seite den tiefblauen Atlantik und auf der anderen Seite die eher graubraunfarbige Lagune. Hier traf ich auch eine Radlerin, die mir in gepflegten Englisch alle ihre Reisepläne erklärte. Als wir dann merkten, dass wir beide Deutsch sprechen, wechselten wir die Sprache und aus dem gepflegten Englisch wurde ein ordinäres Deutsch. Sie sei gestern gefallen und hätte geblutet wie eine Sau und EVA nannte sie eine Schüssel. Ach wären wir doch beim Englisch geblieben, denn da kannte sie die ordinären Ausdrücke nicht.

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Zwischen der ersten und der zweiten Fähre warteten ein paar anspruchsvolle Höhenmeter bis man am Schluss die zauberhafte Silhoutte von Lissabon erblickt. Das gigantische Kreuzfahrtschiff wirkt halt irgendwie deplaziert. Die Hängebrücke hingegen passt doch ganz gut. Ist übrigens gesperrt für EVA. Deshalb habe ich ja die zweite Fähre genommen.


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Ich glaube, es ist Zeit, das es mal regnet. Dann wird Dynamik die gegenwärtigen angenehmen Temperaturen und die Sonne wieder zu schätzen wissen.

Praia de Santa Cruz, 27.5.22

Der Start in Lissabon war einfach. Ich musste nur der Strasse dem Meer entlang folgen. Das ist wunderschön und macht es einfacher. Bei Inland-Städten ist das oft mühsam. Immer muss man schauen, dass man nicht plötzlich auf einer Autovia landet.

Nach 30 km zeigte sich jedoch die Küstenstasse von der anspruchsvolleren Seite: Bergauf im kleinsten Gang und bergab Bremsen statt Laufenlassen. Aber die Aussichten übers Meer waren traumhaft. Die Temperaturen im Velomobil stiegen langsam gegen 33 Grad. Zeit für eine Mittahspause.

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Mittagspause mit schönster Aussicht

Am Nachmittag ist es meist noch heisser. Nach 100 km in Santa Cruz war Schluss für den heutigen Tag. Morgen suchen wir eine langweilige, flache Strecke. Praia de Santa Cruz ist ein moderner aber eher langweiliger Touristenort, hat aber ein ganz einzigartige Steilküste.

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Strand von Praia de Santa Cruz

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Dynamik ist lernfähig. Nachdem wir am vorletzten Samstag in Alicante und am letzten Samstag in Lissabon fast im Freien hatten schlafen müssen, hat es heute (wiederum Samstag) besser geklappt.

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Gut getarnt neben dem Hoteleingang

Nazare, 28.5.22

Heute keine Berge mehr? Weit gefehlt. Auch im Hinterland gehts 10% rauf und runter. Portugal ist hier von vielen kleinen Flüsschen durchfurcht, die alle dem Meer zustreben. Erst weiter drinnen wirds etwas ebener. Und dort bin ich doch noch recht zügig vorwärts gekommen. In Nazaré - es war erst 12.00 Uhr und 80 km auf dem Zähler - habe ich mir ein Hotel gesucht, denn Sammstag abend ist etwas problematisch. So hatte ich einen geruhsamen Nachmittag am schönsten Badestrand des Atlantik. War ganz ungewohnt.

Der wunderschöne Strand von Nazaré liegt am Fusse einer gigantischen Felswand. Ursprünglich lag das Städtchen auf dem Plateau über der Felswand. Unten war es wegen der Piraterie viel zu gefährlich. Erst im 19. Jh wurde die praia de Nazaré besiedelt. Das Städtchen hat seinen alten Charme bewahrt. Die vielen engen Gässchen und auch mein Hotel mit knarrenden Holztreppen waren richtig gemütlich.

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Der Strand von Nazaré am Fuss einer gigantischen Felswand

Nazaré hat seinen Namen übrigens von Nazareth in Judäa abgeleitet, denn ein Mönch hatte im 5. Jahrhundert eine kleine Marienstatue mitgebracht. Heute ist Nazaré vor allem bei Surfern bekannt. Hier wurde nämlich die höchste Welle von 26 m Höhe durchsurft.

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Der schönste Strand der Atlantikküste
 
Im Ernst, da gab es mal jemanden der hat sich eine Art Hängematte ins Evolution gebaut. Hat sich wohl nicht so durchgesetzt. :rolleyes:
 
Heute ist Dynamik voll auf seine Rechnung gekommen. Keine brennende Sonne, viel Flachland und am Schluss ein Traum von einer Confisserie. Und dann wundert er sich, dass es bergauf so harzig geht.

Alveira, 29.5.22

Der heutige Tag begann mit einem happigen Anstieg, denn Lazaré ist am Fuss einer riesigen Felswand gebaut. Aber nachher gings fast von selbst bis nach Figuera da Foz, denn die Strasse fällt ganz sachte, sodass man ohne viel Kraftaufwand mit 40 km/h durch die wohlduftenden Pinien- und Eukalyptuswälder saust. Nach Figuera da Foz hatte ich die Schrecken der Berge vergessen und wählte den Umweg über die Serra da Boa Viagem.

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Serra de Boa Viagem

Es war wunderschön aber hart. Auch bergrunter musste man sich durch die Haarnadelkurven bremsen. In der Ebene gings dann zügig nordwärts bis nach Alveira.

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Alveira mit Aisflugsbooten für die Lagunen

Alveira ist berühmt für seine Süssigkeiten. Ovos Moles, gemacht aus Eigelb, Zucker und Mandeln, sind eine besondere Spezialität. Nach einer Portion Ovos Moles, einem Kuchen, der so weich ist, dass man ihn mit dem Löffel isst und einem Aprikosen-Glacé bin ich vollständig überzeugt von Alveiras Fähigkeiten. Nach 175 km darf man das schon.

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Süsse Spezialitäten von Alveira
 
Heute Abend bin ich von Komplimenten überhäuft worden. Der Hotelbesitzer meinte, er hätte noch nie so etwas Schönes gesehen wie mich. Entsprechend bekam ich einen Ehrenplatz unter einem Kunstwerk.

Viana do Castelo, 30.5.22

Gegen Mittag habe ich Porto fast erreicht. Man sieht die Brücke über den Meeresarm weit oben aber keine Zufahrt. Nach einer halben Stunde Wegsuchen hatte ich genug. Kurz auf die Autobahn und schon ist es geschafft. Ich glaube die haben die Velofahrer schlicht vergessen.

Offensichtlich befinde ich mich jetzt auf dem Pilgerweg. Die Zeichen am Strassenrand und die Wanderer mit Rucksäcken sind ein eindeutiges Zeichen dafür. Ich hab's etwas bequemer, aber nicht immer. Gerade heute bin ich in ein Gebiet geraten, wo alle Strassen aus Kopfsteinpflaster bestehen. Nicht nur das historische Zentrum. Von Dorf zu Dorf alles Kopfstein.

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Kopfsteinpflaster ohne Ende

Ich habe mich dann auf die Schnellstrasse geflüchtet und dann um sieben Uhr doch noch Viana do Castelo erreicht. Das Städtchen ist wunderschön und das Hotel zauberhaft. Das Haus ist aus dem 19. Jahrhundert und der Besitzer hat alles liebevoll restauriert.

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Originalgetreu restaurierte Küche

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Ehrenplatz für EVA

Viana do Castelo hatte seine berühmteste Zeit, als die Portugiesen auf Entdeckungsfahrten gingen und ihre Kolonien die halbe Welt umspannten. Viele Expeditionen sind hier gestartet worden.
 
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So eine Zumutung. Prinzessinnen lässt man doch nicht im Regen stehen. Heute war definitiv nicht das richtige Wetter für mich. Wieviel Dynamik überhaupt gesehen hat, weiss ich nicht. Zum Glück hat der Polizist, der - beim Mittagshalt - sich mich näher angeschaut hat, nicht gemerkt, dass man gar nichts durch die Glaskuppel sieht.

Ribadavia, 31.5.22

Nach siebzehn sonnigen Tagen hatte ich heute den ersten Regentag. Die Landschaft war trotzdem schön.

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Zuerst gings dem Meer entlang und nacher dem Fluss Mino aufwärts. Ich habe die Route durch die Mino-Schlucht gewählt. Die Ausblicke in die Schlucht waren grandios.


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Mino-Schlucht

Mittagessen gabs in einem Eukalyptus-Wäldchen, denn dort war es trocken. In Ribadavia hatte ich genug vom Regen und mir deshalb eine trockene Unterkunft gesucht. Die letzten 120 km versparen wir auf morgen.

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Historischer Teil von Ribadavia
 
Ganze 2450 km habe ich Dynamik sicher rund um Spanien geführt. Kein einziger Defekt habe ich mir zu Schulden lassen kommen. Die steilsten Anstiege und die gefährlichsten Abfahrten habe ich mit Bravour gemeistert. Was würde Dynamik ohne mich machen?

Lugo, 1.6.22

Früh am Morgen fahre ich los, denn die Strasse ist trocken. Und nun beginnen die Steigungen und bald auch der Regen. Es schüttet wie aus Kübeln und zwischendurch blitzt es. Im Stassengraben fliesst das Wasser fast wie bei einem Wildbach und schwemmt Erde und Steine mit.

Mit dem Regen habe ich keine Probleme. Denn auch bei Sonnenschein ist man im VM nass. Das Problem ist mit der Sicht. Alle paar Minuten muss ich die beschlagene Scheibe putzen.

Nach zwei Stunden ist der Spuk schon vorbei und die schönste Sonne scheint. Es folgen noch viele steile Anstiege und Abfahrten, dazwischen ein kurzes Mittagessen auf der Treppe eines schlichten galizischen Kirchleins, bis dann die letzte Abfahrt nach Lugo kommt.

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Mittagsrast auf der Treppe eines Galizischen Kirchleins

Um fünf Uhr fahre ich mit EVA vor der Kathedrale von Lugo vor. Denn gerade daneben liegt die Wohnung von Daniela, meiner ältesten Tochter. Und damit ist wieder einmal eine Langfahrt zu Ende. Nach 17 Tagen Velomobilfahren ist man auch nicht traurig, dass es am nächsten Tag nicht weiter geht mit strampeln. Den Weg zurück in die Schweiz mache ich mit dem Flugzeig. Und EVA bleibt fürs erste in Lugo.

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Kathedrale von Lugo
 
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Lieber @Dynamik
Vielen Dank für deine wie immer toll beschriebenen VM-Abenteuer!
Ist EVA denn bald wieder in heimischen Gefilden, darauf wartend wieder an mir vorbeizusausen?
 
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