vielleicht braucht es noch eine Verkehrsregel, das nur der Zweite in einer Wagenfolge den langsamen Vorausfahrer überholen darf. Kosten sicher einige Sekunden Lebenszeit für die ungeduldig hinterher Fahrenden, könnte aber sehr wahrscheinlich Leben retten und führt auch nicht zu brenzlichen Situationen durch gleichzeitige Überholvorgänge.
Haben sich die Verkehrsregeln in dieser Hinsicht seit 1986, als ich den Führerschein machte, ohne mein Wissen geändert? Uns wurde eingeschärft, dass immer der erste hinter dem langsamen Fahrzeug am Anfang einer Schlange überholen darf, aber niemand dahinter "herausspringen" sollte und vor allem nicht nach der vermeintlichen Geschwindigkeitshierarchie in einer Schlange. Ich glaube mich zu erinnern, dass es vor längerer Zeit einmal einen verheerenden Serienunfall auf der Bundesstraße zwischen Alsfeld und Kirchhain (Kirtorf?) gegeben hat, als mehrere Folgefahrer glaubten, sie wären privilegiert die Schlange hinter einem Traktor auf einen Rutsch zu überholen und dann der Erste auf der linken Spur wegen Gegenverkehr bremsen musste. Dann gab es auf der linken Spur mehrere Auffahrunfälle der hässlichsten Art.
Ob das Überholen Lebenszeit spart, bezweifle ich ganz stark: Beim Überholen steigen Puls und Blutdruck erwiesenermaßen und normalisieren sich erst über einen erstaunlich langen Zeitraum. Und Bluthochdruck verkürzt die Lebenszeit ebenfalls nachgewiesenerweise. Was hat man dann davon?
Das eigentliche Problem mit dem Überholen wie hier geschehen liegt meines Erlebens vor allem darin, dass das schnelle, riskante Autofahren nicht wie die Mitfahrt im ÖPNV, zu Fuß bewältigte Wege oder gemächliches Radfahren den Charakter nüchterner Distanzüberbrückung hat, sondern - vor allem, aber nicht nur - bei jungen Menschen wesentlicher Bestandteil der Spaßkultur und Mittel zum Erreichen eines Adrenalinkicks ist, der Selbstüberhöhung und Verbesserung des Sozialstatus dient, sowie dem Abstreifens der Grenzen der eigenen körperlichen Leistungsfähigkeit mit Fremdmitteln wie motorisierten Fahrzeugen*. Damit ist irrationalen Verhaltensweisen, die Emotionen, aber nicht rationalen Abwägungen folgen, sperrangelweit Tür und Tor geöffnet - mit den hier diskutierten tragischen Folgen.
Hier arbeiten die Werbung für die Autoindustrie und staatliche Kampagnen zum besonnenen Fahren wie an Autobahnen etc. zu sehen gegeneinander. Nur: Die Autoindustrie macht die raffiniertere Werbung.
Ein weiterer Punkt zur Unfallvermeidung oder zumindest zur Minderung der Unfallfolgen:
Die Leitra gilt m.E. als langsames und technisch nicht mehr aktuelles VM. Aber der Pragmatiker Carl-Georg Rasmussen hat mit dem Gitterrohrrahmen um den Fahrer herum und einer vergleichsweise großen Gesamthöhe ein Fahrzeug entworfen, das
a) zumindest rudimentären Insassenschutz - aber bestimmt besser als ein reines GfK-Velomobil - bietet** und
b) besser zu sehen ist.- Vor allem, wenn man auf der Verkleidung zusätzliche Lichter montiert, die ähnlich wie Zusatzbremslichter durch die vorausfahrenden Autos zu sehen sind. Ähnliches dürfte z.B. für die Leiba Classic gelten.
* Ich habe vor einigen Tagen von einem unserer FSJ-ler eine sehr erstaunte Reaktion geerntet, als ich verneinte, mein aktuelles Auto, das laut Fahrzeugschein etwas über 200 km/h Höchstgeschwindigkeit fahren kann, seit dem Kauf zu Jahresbeginn schon einmal voll ausgefahren zu haben.- Weil ich schlicht keine Veranlassung dazu sah. Also habe habe ich das auch nicht getan. Fertig.
** Klar ist natürlich auch, dass bei solchen Geschwindigkeiten wie hier diskutiert auch der Leichtbau-Spaceframe der Leitra nicht mehr vor tödlichen Verletzungen bewahrt, aber er ist ein Ansatz.