Hallo zusammen,
da bin ich wieder, nachdem ich mich nach dieser "Deutschland-Tour" bestens erholt, sortiert, alles aufgeräumt und mich wieder in die Alltagsspur hinein
gefunden habe.
Ich bin überwältigt von den vielen, vielen Glückwünschen zu meinem dieses mal glücklich zu Ende gebrachten Rekordversuch. Ich danke Euch allen,
die Ihr unser Team und mich unterstützt habt, mit Worten, mit Streckenerkundungen, mit finanziellen Zuwendungen, mit Befeuerungsrufen an der Strecke, dem großen Interesse, das Ihr uns entgegen gebracht habt, dieses Ding ein zu fahren.
"Cross-Country" ist eine wunderbare Sache und beschert Herausforderungen, wo man viele Register ziehen und mit vielerlei Unwägbarkeiten rechnen muss.
Das macht die Sache so spannend.
Doch erst einmal möchte ich an
@thegetaway etwas loswerden:
Hallo Tristan, Deine Einwände haben per se nichts mit Ultralangstreckensport zu tun sondern betreffen im Grunde jede Sportart, egal welche Distanz. Für mich hört der Spaß auf, wo die Freude an der Bewegung (und das ist Sport in erster Linie für mich) und die Gesundheit geopfert werden nur des messbaren Resultats willen.
Und wenn Du meinst, dass ich mein Ziel, Deutschland in einem Zug mit dem Rad in Rekordzeit zu durchqueren nur schaffe, eben indem ich auf körperliche Unversehrtheit verzichte und nur noch freudlos wie eine Maschine funktioniere, dann schätzt Du mich und dieses Unternehmen völlig falsch ein.
Glaube mir, ich hatte riesen Freude während der Fahrt bis zum Schluss. Klar, schmerzfrei ging es nicht, so einfach ist es ja auch wieder nicht, aber den
Schmerzen konnte ich mit natürlichen Mitteln begegnen, und sie signalisierten mir Belastung, aber keine Überbelastung, und so gingen sie auch schnell wieder vorüber. Am nächsten Tag plagten mich nur hundsgewöhnlicher Muskelkater in den Oberschenkeln und ein Körper im Ruhemodus, der darauf beharrte, auch wirklich in Ruhe gelassen zu werden.
Ganz wichtig für das Gelingen des Rekordversuchs war natürlich die gute Vorbereitung. Das Team kümmerte sich um die organisatorischen Dinge, und so konnte ich mich auf meine Aufgabe konzentrieren, zu Pfingsten hin fit und sehr gut ausgeruht zu sein. Im Gegensatz zum ersten Versuch nahm ich mir deshalb
schon drei Tage vor Pfingsten frei und quartierte mich mit Erika im "Birgsauer Hof", dem Startpunkt, ein.
Wie der Blick von meinem Zimmer in Deutschlands südlichstem Hotel zeigt, war völlige Entspannung angesagt.
...ein bisschen Kneippen und dem Rauschen des Gebirgswassers hingeben
...der Duft von herrlich blühenden Bergwiesen
...und einen Spaziergang ins paradiesische Einödsbach
...und Sauna (Velomobilfrei) durfte natürlich nicht fehlen.
Ab Samstagmittag vor Pfingstsonntag aber wurde ich zunehmend unruhig, und es wurde Zeit die Getränke und das Essen für die Tour mit Erika zusammen
vorzubereiten. Wir mischten und füllten die Saftschorle ab, kochten Buchweizen, Hirse, Amaranth und Haferbrei und portionierten sie so, dass ich sie gut
während der Fahrt zu mir nehmen konnte. Als das erledigt war rauschte Team 1 mit dem Begleitfahrzeug an. Der Chef des Hauses lud zum Grillen ein und wir hatten einen geselligen Abend. Nebenbei natürlich versorgte ich mich noch mit einer extra Portion Kohlenhydrate.
Pfingstsonntag! Endlich der lang ersehnte Tag. Doch etwas Ernüchterung kam mit dem gruseligen Wetter auf. Es regnete aus wolkenverhangenem dunkelgrauem Himmel. Egal, das wird schon besser, wir ließen uns die Zuversicht nicht nehmen. Wir verstauten alles ins Begleitfahrzeug, pumpten die Latexschläuche am Milan auf, und wir fieberten der Abfahrt entgegen.
Im Hotel gab es zwar ein reichhaltiges Frühstücksbuffet, aber wirklich Appetit hatte ich nur auf ein paar Schnitzchen
Paprika, Knäckebrot und Früchtetee
Das Startfoto. Auf diesen Moment hatte ich lange, lange hin gefiebert.
Ab 9:25 Uhr dann begann die Zeitmessung. Über 1000 Kilometer bis in den hohen Norden Richtung Dänemark lagen vor uns. Ich hatte großen Respekt.
Nichts ist selbstverständlich auf so einer langen Strecke, man muss mit allem rechnen. Der Gedanke allein ließ mich erzittern. Nur aber sowie die Beine in
Bewegung sind und dieses wundersame Velomobil nach vorne bringen, da löst sich jedes Bedenken mehr und mehr in Zuversicht auf, genau so, wie es ein russisches Sprichwort vor einer schwierigen Aufgabe ausdrückt. "Die Augen (der Kopf) haben Angst, aber die Hände machen's", im besagten Fall die Beine!
Es regnete ununterbrochen, wie beim ersten Versuch. Wegen des Regens verlor ich in Sonthofen die Orientierung, konnte die Navigationskommandos wegen der Regengeräusche kaum hören, und schon gab es den ersten Verhauer. Ab Blaichach dann ging es auf meine Stammstrecke und trotz Regen behielt ich mühelos die Orientierung. Den Pass hinter Immenstadt hoch nahm ich meine erste Mahlzeit während der Fahrt zu mir, und das sollte dann bis zur Donau reichen. Ab Isny hörte es zu regnen auf und wir bekamen dann auch schnell trockene Straßen.
Das erste Drittel bis zum Main fuhr ich beim zweiten Versuch nicht mehr so zurückhaltend wie beim ersten mal. Ich hatte mir vorgenommen insgesamt auf einem höheren Leistungsniveau zu fahren, was mir durch gezielte Dehnübungen und durch Tapen ganz gut gelungen ist. Selbst nach 30 Stunden Fahrt konnte ich den Milan immer noch auf über 60 in der Ebene beschleunigen. Das hat dann zwar gedauert, weil der Puls nicht mehr so leicht hoch zu kriegen war. Beschleunigt habe ich daher durch mehr Kraft und weniger durch mehr Drehzahl, also indem ich früh in die großen Gänge geschaltet habe.
Beim ersten Versuch hatten mir die Sehnen um das Knie und das Fußgelenk das letzte Drittel sehr geschmerzt. Dieses mal gar nicht. Ich konnte immer schön Druck auf die Pedale machen, wenn ich wollte. Hin und wieder hielt ich es auch geboten einen oder zwei Gänge zurück zu schalten. Denn ich werde schneller müde, wenn ich permanent immer die gleiche Leistung fahre. Ich brauche wechselnde Phasen mit hoher Belastung und niedriger Belastung. Allerdings ergeben sich dieselben auch oft aus der Verkehrssituation.
Ernährungstechnisch baue ich auf langkettige nachhaltig wirkende Kohlenhydrate, am besten naturbelassen, zwar gekocht wegen der leichten Verdauung, aber nicht so stark "gereinigt" wie Weißmehlprodukte. Ich verwende Buchweizen, Hirse, Amarant und Hafer. Zwischendurch Mais-und Reiswaffeln.
Zuckerhaltige Speisen meide ich. Es ist ja auch so, nach einer gewissen Zeit ist Appetitlosigkeit bei dauernder körperlicher Anstrengung das Problem.
Die Palette an Nahrungsmitteln, die einem da noch schmecken, wird kleiner und kleiner. Und süßes Zeug ist als erstes dabei, was mir nicht mehr schmeckt, ja auch sogar Trockenfrüchte. Haferbrei zum Beispiel geht bei mir immer runter.
Die kürzere Nacht natürlich trug mit dazu bei, dass ich um Stunden schneller voran kam, als beim ersten Versuch. Und auch das optimale Wetter am Pfingstmontag (trocken, nicht zu kalt, nicht zu warm, moderate Windverhältnisse) tat sein übriges hinzu.
Offiziell rechnete ich mit 35-36 Stunden. Wie wir den Abstecher hinter Husum weg von der B5 an den Deichen entlang machten, da genoss ich jeden
Kilometer der herrlichen Strecke, denn da war mir klar: das werden 33 Stunden, meine im Stillen erhoffte Wunschzeit
"Ich war noch niemals in" Dänemark..."einmal verrückt sein, und aus allen Zwängen flieh'n"
Dank dieses großartigen Teams im Rücken als "Rückenwind" sozusagen, ist ein wunderbarer Traum, gern auch etwas verrücktes, in Erfüllung gegangen
Danke Jessica, Patrick, Tim, Christoph, Frank, Erika, Karin, Klaus, Rainer, Christian, ihr ward super
Danke Euch allen, die mit gefiebert und mit gehofft haben. Das ist unser gemeinsamer Erfolg!
Allerbeste Grüße
Roland