Hallo Dagmar,
das ist ein interessanter Thread, den Du da aufgemacht hast! Dann will ich auch mal meine Geschichte erzählen:
Ich bin schon immer gern Fahrrad gefahren. Schon als junger Teenager (ab 12 oder 13) setzte ich mich am Samstag Nachmittag, wenn ich langeweile hatte, auf mein Kettler "Daxi" Alu-Rad und erkundete die schöne Gegend rund um meine Heimatstadt. Das hielt an, bis ich einen Führerschein hatte, und dann natürlich erstmal lieber mit Mutti's Auto durch die Gegend und abends in die Disco fuhr. Doch dann, der Reiz des neuen war vorbei, und ich lebte mittlerweile in der Großstadt, gewann das Fahrrad wieder mehr an Bedeutung und ich erkundete wieder die Stadt per Velo, pendelte damit zur Arbeit und nutzte es auch sonst für tägliche Fahrten. Auf einer einjährigen Weltreise entdeckte ich in Neuseeland erstmalig das Mountainbike, und die nächsten 25 Jahre war das Mountainbike mein Verkehrsmittel und Sportgerät zugleich. Touren durch Italien und Frankreich folgten und mehrere Mountainbike-Urlaube in den Alpen wie dem Garda-See ebenfalls.
Vor sieben Jahren kamen dann die Kinder und Häuslebauen, und das Mountainbike verstaubte aus Zeitmangel im Keller, was mich sehr, sehr schmerzte, denn ich vermisste es sehr: die tollen Erlebnisse, die sportlichen Challenges, den Thrill während der Downhills.
Die Kinder sind nun aus dem Gröbsten raus, das Haus ist fertig und es bleibt wieder Zeit zum Radfahren. Doch die Fitness war nach quasi 5 Jahren "Abstinenz" dahin, das Gerät war mir Fremd geworden und ich hatte das Gefühl, es auch nicht mehr so sicher zu beherrschen wie zu den Zeiten, als ich sehr viel fuhr. Zudem wohne ich mittlerweile in einer Gegend, die sich nicht sehr gut zum Mountainbikefahren eignet. Es gibt hier zwar genügend Erhebungen, die sich für MTB-Fahrer eigenen, aber dafür wenig wilde Wege, für die ein MTB ja eigentlich auch gemacht ist. Um gute MTB-Bedingungen vorzufinden, muss man schon einen gwissen Aufwand treiben und mit dem Auto irgendwo hin fahren - mit dem MTB im Kofferraum oder auf dem Dach. Das kostet einen ganzen Tag und soviel Zeit habe ich dann doch noch nicht. Ausserdem zog ich mir letztes Jahr bei einem Sturz eine Armfraktur zu, die mich dann veranlassten, das Kapitel "Mountainbike" vorerst zu schließen.
Vor einen Jahr sah ich zufällig einen kurzen Video-Beitrag auf SPON über Trikes - genauer: über das Scorpion FS 26. Ich war sofort Feuer und Flamme, las alles, was es dazu im Internet zu lesen gab und recherchierte nach Händlern. Und siehe da: In Bietigheim-Bissingen, quasi 45 Fahrrad-Minuten von meiner Haustür entfernt, gab es einen "Spezialrad"-Händler, der, gemessen an seiner Größe, viele verschieden Trikes zur Probefahrt bereithielt. Ich fuhr einige zur Probe und entschied mich für das Scorpion FS 26.
Nach schier undendlich langer Wartezeit, stand dieses wunderschöne Scorpion nun in meiner Garage und ich erlebte eine völlig neue Dimension des Radfahrens: tiefe Sitzposition, sanft mit 25 - 30 dahinzugleiten, dafür aber gleichzeitig auf Bergabfahrten wie mit einem hochpotenten Sportwagen um die Kurven zu fegen - ein fantastisches Fahrerlebenis - und das mit einem Fahrrad!
So ziemlich gleichzeitig zum Zeitpunkt der Auslieferung meines Trikes entdeckte ich auch das "Velomobilforum", das ich bislang ignorierte bei meinen Recherchen. Die Gründe kann ich mir heute nicht mehr erklären. Aus heutiger Sicht muß ich sagen: "Zum Glück!". Denn als absoluter Novize in diesem Geschäft, hätten mich die Vielzahl von kompetenten aber unterschiedlichen Empfehlungen und Meinungen eher verwirrt, als daß sie mir geholfen hätten.
Zunächst las und schrieb ich ausschließlich in der "Trikes / Quads"-Rubrik, stöberte dann aber immer mal wieder in der Rubrik der Liegeräder. Hier wurde ich auf die sportlichen Möglichkeiten und auf das unglaubliche Geschwindigkeitspotential von Einspurern aufmerksam. Da ich immer gefallen am "schnell Radfahren" hatte, mich aber nie mit Rennrädern anfreunden konnte, war ich fasziniert und verschaffte mir fieberhaft einen Überblick am Markt erhältlicher sportlicher Lieger, denn ich wollte meinen Fuhrpark um einen sportlichen Einspurer ergänzen.
Ich stieß auf ein "Toxy ZR", das ich mir für eine Woche auslieh. Es überzeugte mich aber nicht so sehr, als daß ich es hätte kaufen wollen. Mein Händler in Bietigheim hatte gleichzeitig eine Vorführ-Bacchette "Giro 26" im Laden, die er verkaufen wollte. Auch diese fuhr ich eine Woche lang Probe, und ich war begeistert: Mit relativ wenig Krauftaufwand war es nun möglich über längere Distanzen Geschwindigkeiten von 30 - 35 km/h zu halten. Obwohl ich noch keine voll trainierten "Liegerad-Muskeln" hatte, trotzdem aber recht fit war, zeigte ich häufiger den Rennradfahrern mein Rücklicht - WIE GEIL WAR DAS DENN???!!! Also kaufte ich die Bacchetta.
Seit dem fahre ich 2 - 3 mal in der Woche Runden, teils sportlich, mit starrem Blick auf den Bike-Computer, teils aber auch Touren mit viel Berganteil und den Focus auf das Natur- und Fahrerlebnis.
Bin ich glücklicher als vorher? Klares "Jein!". MTB-fahren war jahrelang meine Leidenschaft und hat mich auch sehr glücklich gemacht. Alles hat aber seine Zeit und die MTB-Zeiten sind für mich vorbei, denke ich. Mit dem Liegeradsport habe ich eine andere Art des Radfahrens kennengelernt, die ich zum einen als meinen Ausgleichsport zu meiner Büro-Arbeit betrachte, zum anderen ich aber auch die ideale Art des Radsports gefunden habe, die derzeit am besten zu den Rahmenbedingungen meines Lebens passt.
Im Mai dieses Jahres entdeckte ich zufällig bei einem Händler in Holland ein Challenge "Fujin SL2", das mir schon immer gefiel, und dieses Modell hatte ich auch in der engeren Auswahl, als ich anfing mich mit Einspurern zu beschäftigen. Ich nahm aber schlussendlich vom Kauf Abstand, da es in D. kaum noch Händler gibt, die Challenge-Bikes vertreiben und auch die Existenz des Unternehmens nicht gesichert schien. Aus Gründen der Vernunft und auch der geringen Erfahrung, die ich mit Liegerädern hatte, ließ ich vom Fujin dann ab und entschied mich für die Bacchetta. Dennoch war und ist das SL2 für meinen Geschmack immer noch eines der schönsten Lowracer überhaupt und in seiner Klasses sowieso.
Ich fuhr nach Holland und schaute mir das fast neue SL2 an - und natürlich kaufte ich es. Um einige Erfahrungen mit Liegerädern reicher, und dem Wissen, daß Challenge-Bikes noch in Holland vertrieben werden, und somit auch die Esatzteilversorgung gesichert ist, waren meine Bedenken nun ausgeräumt.
Die Fahrleistungen diese Renngefährtes sind schon beeindruckend und hinsichtlich des Geschwindigkeitspotentials, legt es wegen seiner noch wieter zurückgelehnten Sitzhaltung und des geringen Gewichtes ("nackt" wiegt das SL2 keine 10 kg) im Vergleich zur Bacchetta nochmal ein Schippe drauf. Ich kaufte das Rad auch, da ich es auch als ein Lieberhaber-Stück ansehe - eine "Bella-Machina": So bezaubernd aber auch gleichzeitig wartungsintensiv und z. T. zickig wie ein alter Alfa Romeo, wenn man mir hier im Forum den Vergleich zur Autowelt erlaubt.
Ich besitze mittlerweile ein Trike und 2 Liegeräder. Genau wie
@TarnKappe hat jedes Rad seinen Einsatzzweck und ich genieße jede Ausfahrt, egal auf welchem Rad ich gerade umherfahre.
Seit einer Woche bin ich von einer 2-Wöchigen Trike-Tour durch Andalusien, Spanien, wieder zurück. Hier hat das Scorpion FS 26 seine Touring-Qualitäten unter Beweis gestellt und gezeigt, was es sonst noch so kann. Note: eine glatte 1
Die Verträglichkeit mit Aufrecht-Radlern habe ich noch nicht geprüft. Das muss ich aber auch nicht, da ich hier im Raum Ludwigsburg mittlerweile mehrere Liegerad-Fahrer kenne, mit denen ich gelegentlich Ausfahrten unternehme. Man bleibt lieber unter sich (gg**).
Ich besitze noch zusätzlich 2 MTB's älterer Bauart, die ich für Stadtverkehr und für den Wintereinsatz nutze, da mir wie
@TarnKappe meine Lieger zu schade für den Winter- und Alltagseinsatz sind. Mein vollgefedertes High-Tec-MTB (Cube "Sting") habe ich mittlerweile verkauft.
Jedes Rad findet auch bei mir seinen Einsatzzweck und ich erfreue mich an jedem meiner 5 Fahrräder, die allesamt sehr gepflegt und von mir selbst gewartet und - falls erforderlich - repariert werden. Im Gegenzug haben wir dafür ein Auto abgeschafft, da ich meine persönlichen Mobiltätsbedürfnisse zu 85 % mit dem Fahrrad abdecken kann.
Das ist meine Geschichte, wie ich zum Liegerad gekommen bin, die sich in vielen Punkten mit der von
@TarnKappe deckt.
Viele Grüße:
Tüddel