Die erste Prüfung
Hallo Rad-Freunde!
Schon eine Woche ist's her, dass ich die letzte Tour mit meinem Lowracer gefahren bin - und auch wenn's kein Brevet war, war es doch die erste echte "Prüfung".
Ich wollte wissen, was geht, und habe mir am Rechner eine Strecke gebastelt, die einige lange Hügel mitnimmt:
http://www.gpsies.com/map.do?fileId=wnkzconsssymrzzv
Ehrlich gesagt hatte ich davor relativ viel Respekt, weil ich am Berg bisher immer langsam war und weil die Strecke nach Rheinböllen hoch sich ganzschön zieht...
Hier meine Erkenntnisse in Kurzform:
- LowRacer machen einfach nur Spaß
- LowRacer (ohne Schutzbleche etc.) sind nicht nur für schönes Wetter und trockene Straßen geeignet
- LowRacer machen einfach nur Spaß
- LowRacer gehören auf die Landstraße oder auf wirklich gute Radwege
- LowRacer machen einfach nur Spaß
- LowRacer sind durchaus bergtauglich
- LowRacer machen einfach nur Spaß
- LowRacer brauchen Eingewöhnungszeit
- LowRacer machen einfach nur Spaß
- LowRacer sind bequem, komfortabel und schnell
Und hier der ganze Bericht:
Wenn der Nebel sich verzogen hat, dann mach ich heute eine Tour, denke ich. Und ringe doch mit mir selbst: Brevets werden bei jedem Wetter gefahren, heißt's im Forum. Aber dort heißt es auch: Renn-Tieflieger sind nur was für schönes Wetter. In der Tat habe ich Respekt davor, mich mit dem neuen Rad hinzulegen. Die Reifen haben kaum Profil und das Ding wird ganzschön schnell.
Egal: Heute will ich's wissen: Mein Halsweh ist schon fast wieder weg, am Wochenende habe ich keine Zeit und große Sprüche habe ich auch schon geklopft, dass ich die geplante Route fahren will. Über 70 km immerhin. Also: Der Schweinehund bleibt zu Hause, der Philip macht sich auf die Piste!
Müsliriegel in die Tasche, Flaschen gefüllt, Tacho zurückgestellt und ab gehts! Die Straße ist noch etwas feucht, das Gefühl im Magen flau. Bin ich nervös? Die Vögel zwitschern rundum und in der Luft liegt Frühling - es muss ein toller Tag werden. Klick, klick, bin ich in den Pedalen und rolle richtung Hauptstraße. Das flaue Gefühl ist vergessen: Ich bin unterwegs. Juhu!
Mein Radl fährt wie immer. Von der Nässe keine Spur. Ich fahre den Berg nach Schweppenhausen leicht angebremst. Nur kein Risiko, die Kurve am Ende der Geraden ist tückisch. Ich kenne sie ebenso wie den Rest der Strecke bis Bingen auswendig. Kein Autofahrer hupt oder drängelt heute - im Gegenteil, ich wundere mich, wie lange die Autos in meinem Rückspiegel fahren, ehe sie sich zu überholen trauen. Neugierige Blicke. Erst in Bingen betrete ich Neuland: Den Rheinradweg nach Bacharach kenne ich nicht. Wenn ich am Rhein fahre, dann auf der Straße, wenn die abgesperrt ist. Aber Tal-to-Tal ist erst im Sommer.
Leider ist der Radweg weit weniger gut, als hinter Bingen und in Richtung Ingelheim. Der LowRacer ist super komfortabel und Schlaglöcher stören mich nicht. Aber die ständigen Querrinnen aus Kopfsteinpflaster, in denen Wasser abläuft, müssen langsam durchfahren werden. Daran würde auch eine Federung nichts ändern. Ständig muss ich also bremsen. Auf die B9 will ich trotzdem nicht wechseln, ich bin ja heute bei einer Genußtour und nicht im Rennen. Und ich merke: Meine Elan-Racer-Tasche schützt mich vor Spritzwasser im Genick und auch das Vorderrad wirft Wasser allenfalls gegen den breiten Rahmen. Es gibt keinen Grund, mit dem Rad nur bei schönem Wetter zu fahren.
In Bacharach bin ich schnell. Ein bisschen Gehüpfe über das Kopfsteinpflaster und schon stehe ich auf der Straße nach Steeg. Rheinböllen 11 km steht auf dem Ortsschild und ich stelle fest: Wenn der Tacho 40 Tageskilometer anzeigt, bin ich oben! Schnell ein Müsliriegel eingeworfen und die Jacke ausgezogen und schon geht's bergan. Hinter dem Ort sehe ich die nächste Serpentine weit über mir. Da soll ich hoch? Ich wollte es ja so, denke ich, und trete beharrlich in die Pedale. Und leichter als erwartet stehe ich schon in der nächste Spitzkehre. Mit konstanten 11-12 km/h pedalliere ich gen Rheinböllen. Schneller fahren könnte ich nicht, aber diese Geschwindigkeit erfordert keine große Leistung oder Anstrengung, sondern tatsächlich nur beharrliches Weitertreten.
Ich kann den Berg genießen. Bei jedem zweiten Blick auf den Tacho ist's schon wieder ein Kilometer mehr auf dem Tageskilometerzählen. Noch fünf Kilometer und ich bin oben, denke ich zwischendurch - das ist doch zu schaffen. Und bin kurz drauf ganz verwundert, als ich schon bei Kilometer 36 "oben" bin. Von hier an geht's bergab nach Rheinböllen. Das hatte ich so nicht in Erinnerung, war aber auch ewig nicht mehr hier. Das Ortsschild erreiche ich dann trotzdem genau in dem Moment, in dem mein Tacho die vollen 40 Kilometer anzeigt.
Der Hunsrück ist erstmal wieder erklommen, denke ich, und genieße das herrliche auf und ab in Richtung Schanzerkopf. Mein Rad ist mittlerweile so souverän unter mir, dass ich mich herrlich wohl fühle. Nichts verspannt, nichts schläft ein. Sogar die langen Griffe schätze ich und greife immer mal wieder von oben nach unten um. Ich werde den Lenker doch nicht so stark kürzen, wie ich anfangs mal dachte.
Auf einer schnellen Abfahrt - ich rolle mit rund 65 kmh, macht der Lenker dann plötzlich einen Schlenker. Es passiert nichts und ich danke für die Mahnung. Bloß nicht übermütig werden. Aber schon bald kommt auch der Anstieg zum Schanzerkopf - würde ich jetzt umfallen, gäb's wohl nichtmal Schürfwunden, denke ich und muss lachen.
Der Schanzerkopf ist über 600 Meter hoch. 2. Gang, 13 kmh, keine Pause beim Pedalieren. Längst habe ich Licht eingeschaltet, weil ich im Nebel fahre. Der verschluckt die Autos, die mich überholen, so schnell, dass ich nicht erkennen kann, ob sie weiter bergan fahren oder ich den höchsten Punkt bald erreicht habe. Den Gegenverkehr dagegen spuckt er mir genau vor die Pedale. Aber was solls? Ich pedaliere weiter, Kurve rechts, kurve Links, geradeaus - und: oben! Es wird flach, und mit der nächsten Kurve stürze ich mich ins Tal!
Genial, denke ich. Nun habe ich den schwersten Teil der Tagestour schon hintermir, so ganz ohne große Mühe. Ein tolles Hochgefühl. Ich schreie laut raus: Juchhu! Genial!
Ich habe mich super an mein Rad gewöhnt, möchte kein anderes mehr fahren und noch viel mehr und viel längere Touren übernehmen. Und vor nassen Straßen oder Bergen habe ich keinen Respekt mehr. Ich rase bergab, über Schlaglöcher hinweg, immer mutiger. Während ich anfangs noch bremse, lass ich's jetzt einfach laufen. Kann das denn so genial sein, spukt es mir im Kopf herum? Ich will Euch alle an dieser Erfahrung teilhaben lassen und schreibe im Kopf schon einen Bericht der Tour. Und sehe mich plötzlich vor mir, wie ich im Krankenhausbett liege, den Laptop auf meinen gebrochenen Beinen und Euch von meiner Tour schreibe. Denn auf jede Hybris folgt der Fall. Doch statt des Rettungswagens kommt - ich bin ganz froh - die nächste Abzweigung und ein weiterer Anstieg. Den hatte ich an der Stelle garnicht so steil vermutet, aber was will er mir jetzt noch anhaben? Ich erreiche das Walderlebniszentrum Soonwald und kenne mich hier wieder aus. Ein Klacks, bis ich wieder zu Hause bin. Und so packe ich locker auch noch diese letzten Hügel und rolle gemütlich wieder ins schöne Eckenroth!
73,46 km zeigt mein Tacho an. Gefahren in 3:29. Ein Schnitt von 21 km/h - das hatte ich bei den vielen Hügeln garnicht erwartet.
Eine geniale Tour also! Ich bin super glücklich, komme zu Hause an, ohne mich ausgepowert zu fühlen. Im Gegenteil - ich könnte Bäume ausreisen. Und denke schon an die nächste Tour. Doppelt so viele Kilometer an einem Tag sind locker drin...da kann man Ziele erreichen!
Nun bin ich insgesamt erst knapp über 220 km mit dem Performer gefahren - aber ich fühle mich schon so gut auf dem Rad. Dass das Rad am Berg nicht schnell ist, liegt wohl eher an mir. Dass man Berge damit fahren kann, habe ich bewiesen.
Ich freue mich auf die nächste Tour!
Sodenn - dies Euch Interessierten als Erfahrungsbericht und um Lust auf die nächste Tour zu machen. Wer meine Runde nachfahren will oder in der Gegend entlang kommt, der melde sich: Bei mir gibt's den besten Espresso in der Gegend. Und vielleicht komme ich ja auch ein Stück weit mit...
Die Runde, wie ich sie gefahren bin, würde ich auch wieder fahren - dann aber ohne des Radwegs am Rhein. Der war mir doch zu schlecht. Ein LowRacer gehört auf die Landstraße oder einen wirklich guten Radweg.
Der oben angegeben Track ist übrigens am Rechner geplant und ich war ohne GPS unterwegs. Ich kann also nicht sagen, ob ich genau so gefahren bin, erkenne aber auch keine größeren Abweichungen. Nur in Rheinböllen habe ich einen kleinen unbeabsichtigten Umweg gemacht.
Liebe Grüße und allzeits gute Fahrt,
Philip