Ich habe genau ein Problem mit dieser "zivilistorischen Ordnungspolitik". Ich empfinde die Vorschläge als Verbote, Einschränkungen bzw. Schikanen.
Wenn wir absolute Ressourcenverteilungskonflikte mal ausklammern oder leugnen, dann ist diese übliche liberal-konservative Haltung weitestgehend plausibel. Dann muss die Freiheitseinschränkung sehr gut aus dem demokratisch-rechtsstaatlichen Miteinander hergeleitet werden. Ein Verbot des SUV-PS-Wettrüstens ist das per se nicht, wenn sie offenbar niemandem schadet. Eine Verbannung solcher Panzer aus den Städten oder ein Tempolimit auf öffentlichen (!) Wegen aber sehr wohl... denn da ist niemand mit seinem 200km/h-Freiheitsdrang allein unterwegs, hat niemand ein Recht auf die Okkupation öffentlichen Raumes (linke Spur, Parkplätze, Bremswege...) sondern stört und gefährdet mit seiner Freiheitsauslebung stets die Freiheits- und Sicherheitsinteressen Dritter. Für die (perfekte) Autobahn und alle anderen Straßen ist der Ansatz zur maximalen Differenzgeschwindigkeit die "sicherheitsorientiertere" Herleitung als das absolute Tempolimit (welches dennoch nicht schadet). Und es ist auch mit den bisherigen Formulierungen "angepasster Geschwindigkeit" schon längst diffus vorgegeben, doch in der deutschen Autokultur mittlerweile völlig aus dem Ruder gelaufen, insofern es unzählige Alltagsraser als "angepasst" empfinden, andere Verkehrsteilnehmer mit >100km/h Differenz von hinten zu nehmen... das ist es aber nicht, war es noch nie und wird es niemals sein. Und wenn der Raser (was ja immer die anderen sind) das selbst glaubt, lieber die Schuld bei den Schleichern und Spurwechslern sucht, dann ist das gemeingefährliche Selbstüberschätzung und Entrechtung Dritter - die mit einem generellen Tempolimit oder einer maximalen Differenzgeschwindigkeit gekappt wird.
Ob man das mit seinem Gewissen vereinbaren kann schneller zu fahren und damit mehr Schadstoffe auszustoßen ist jedem selbst überlassen:
Wenn wir dann doch mal absolute Ressourcenverteilungskonflikte einklammern (Umweltverbrauch, Klimaproblematik), so laufen die üblichen liberal-konservativen Lebensweisen komplett ins Leere, bzw. kultivieren die egoistische Ignoranz, insofern sie die drohende Klimakatastrophe und all ihre Folgen zu einer privaten Glaubens- und Gewissensveranstaltung herunterstufen - d.h.
wer nicht dran glaubt, muss sich auch nicht einschränken, alles andere wäre ja Ökodiktatur. Und insbesondere der verzögerte und globale Charakter der Klimakatastrophe verführt unseren Lebensstil dazu, das gewaltige Kollektivgutproblem, welches damit verbunden ist, nicht in seiner ganzen Wucht und Konsequenz ernst zu nehmen. Wenn man sich es nicht gleich als "Klimaskeptiker" geistig gemütlich macht (wie die halbe USA), so führt selbst die Anerkennung der wissenschaftlichen Evidenz bei 99% der aufgeklärten Freiheitsbürger allenfalls zu netten Sonntagsreden neben wichtigeren Problemen (z.B. Arbeitsplätze in der Auto- und Kohleindustrie, oder Benzinpreise.fr). Dabei werden liberale Bewältigungsmethoden beschwört, die bloß keine spürbaren Verbote nahelegen, sondern eine freiheitliche Suche nach der Effizienz... später mal. Ein paar Jahrzehnte später ist die Effizienz komischerweise aber immer noch nicht gefunden, sondern stets lifestyle-überkompensiert (SUV, Flugreisen, Fleisch, Wohnraum, Allerweltskonsum...), weil es sich "dem gesunden Menschenverstand" nicht erschließt, warum er seinen Lebensstil energetisch mal in die Gegenrichtung entwickeln solle... und zwar nicht nur so ein bissl, sondern von >10t CO2-Äquivalent auf <2t... also dermaßen radikal, dass damit kaum einer freiwillig anfängt... auch weil es nix nützt, wenn ein "Gläubiger" sich einschränkt, während alle "Ungläubigen" weiterhin auf dieses Kollektivgutproblem einen großen duftenden Haufen setzen, ihren Lebensstil und ihre Freiheit über das Malheur setzen, was der künftigen Menschheit da droht.
Wir werden die Kurve nicht mehr kriegen, weil wir nicht wirklich geistig in der Lage sind, uns für eine Kausalitätskette selbst nennenswert einzuschränken, die irgendeinem fernen Anderen mal in 30 Jahren trifft. Nur fängt halt jetzt die Zeit der Klugscheißerei an, mit welchem Ansatz man frühzeitig das Problem hätte konstruktiv fassen
müssen. Und für den MIV-Anteil führt da die gerechte Lösung nur über absolute Energiekontingente, totale Einpreisung externer Effekte und Einstellung des PS-Wettrüstens auf den Straßen (durch pragmatische 50kW; ich persönlich würde sogar 30kW als ausreichend vorschlagen, damit die Karren wirklich kleiner, leichter und effizienter werden... und ins Gesetz einen Passus schreiben, wonach jeder Fußgänger das Recht hat, in ein nicht vollbesetztes KFZ zuzusteigen
).
VG Steffen,
100PS-Diesel-Berufsvielfahrer