Brevet Paris-Hamburg 1200 km, 25 Jahre ARA, 11.09.-14.09.2017

Moin zusammen,
Ich darf kurz berichten, dass alle drei Milane und deren "Motoren" in Hamburg eingetroffen sind. Uwe lag bei der Aufnahme schon im Bett und der Milan stand schon im Fahrradkeller. @Sturmvogel haben wir ohne größere Pannen nach Hamburg gebracht. Aber der Mann hat einen Kalorienbedarf.... Frühstück am Morgen danach..
 

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D.h. heißt ja nicht völlig pannenfrei ;), von einem gerissenen Schaltzug wurde ja schon berichtet.
Bei den üblichen Pannenberichten von @Sturmvogel ist ein gerissener Schaltzug wohl nicht der Rede wert.
Reifenpannen gab es zwei bei @Bergschnecke auf den ersten 100km (Pro One mit Butylschlauch).
Wir sind dann gestern auch gemeinsam von Hamburg zurück in die Heimat gefahren. Nachdem sich Heiner von den Pro One verabschiedet hat, scheint er das Reifenproblem auch im Griff zu haben.
Für mich haben sich die schlauchlosen Pro One vorn und Wild Run mit Latex und Doc Blue hinten wieder mal bewehrt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Na , lese gerade mit Interesse von der Tour.
1,5 Wochen vor euch habe ich das mit dem Kettwiesel alleine gemacht. Euren Weg ab Dagstuhl bis Verdun bin ich rückwärts gefahren, habe mich dann aber fürchterlich verfahren, weil ich eigentlich dachte mich im Saar-Pfalz Bereich auszukennen. verwechselte Theley mit Tholei, Nonnweiler mit Nohfelden etc. kam dann über Baumholder erst Mitternacht zu hause an. Vor Verdun kam ich über Reims, Eperney und durch die Champagne ... Viele gute Trauben gegessen .. Naja, aus Paris raus habe ich auch mehrmals verfahren, wollte eigentlich am Marne Kanal entlang fahren (ihr habt das wohl geschafft), kam dann aber mit dem Kettwiesel nicht durch die Sperren und bin dann über den Flughafen in St. Denis gelandet aber anschließend tolle Landschaft bis Brye erlebt.
Hinzus auch mal auf einem Camp-Platz umschlossen von den Schützengräben übernachtet.
Hin über Luxembourg. Viele schöne Museen und Dome gesehen und fahren in Frankreich ist einfach toll. 2 Tage in Lux und 3,5 Tage in Paris. Die Fenster im Dom zu Reims waren sehenswert.
Sicher hätte ich eure Geschwindigkeit nicht mithalten können, somit alleine gestrampelt, waren schöne 11 Tage.
Gruß
h.
 
Kurz danach konnte ich mich ja wie üblich bei längeren Brevets an kaum etwas erinnern. Deswegen gabs auch nichts zu schreiben. Mit dem Abstand von zwei Wochen fällt mir aber doch viel wieder ein. Und um für mich die Erinnerung wach zu halten, habe ich mich jetzt bis in die Lüneburger Heide vorgeschrieben. Und weil nicht mal @Sturmvogel mit einer seiner spektakulären Geschichten aufwarten konnte (ein kleiner Schaltzug gilt nicht) und die Stravadaten der Aufrechtfahrer nicht die ganze Geschichte erzählen, nutze ich die Feiertage jetzt, um auch schreibend auf dem Stintfang anzukommen. Wird aber etwas länger, der Text. Wer nicht gerne liest, sollte auf den Film warten!;)
Grüße von Henrik
 
Paris-Hamburg 2017 (BRM 1200): Teil 1
Frankreich

Am Montag, dem 11. September startete ein 1200km-Superbrevet, das von den deutschen Randonneuren Claus Czycholl, dem Gründer des ersten deutschen Audax in Hamburg und Rainer Paffrath, dem Vizepräsidenten des Randonneursweltverbandes veranstaltet wurde.

Gemeinsam mit ein paar französischen Randonneuren, unter ihnen Sina Witte, die manche von uns aus dem Film „Brevet“ kennen, wurde eine Strecke ausgearbeitet, die uns vom Stadion de la "Remise aux Fraises" am "Cours de l'Arche Guédon" in Noisiel, einer kleinen Gemeinde rund 25km östlich von Paris und Startpunkt der vom Pariser Audax veranstalteten Brevets, schließlich bis Hamburg vor die Jugendherberge „Auf dem Stintfang“, direkt an den Landungsbrücken, führen
sollte.
Einem hoch über der Elbe thronenden Juwel, das einen atemberaubenden Blick über den Hafen mit seinen Docksanlagen, an- und ablegenden Ozeanriesen, die an scheinbar winzigen Schleppern durch die Rinne bugsiert werden, und zur Linken auf die neu entstehende Hafencity frei gibt. Dazwischen, mitten im Strom das gläserne Zelt der neuen Elbphilharmonie. Spektakulär!

Aber halt, das alles hat mich ja erst am Freitag, nachdem die offiziellen Feierlichkeiten, Reden, Essen, Feiern vorüber waren und sich die Randonneure bereits einzeln oder in kleinen Gruppen wieder in alle Winde zerstreut hatten, gefangen genommen, während ich auf einer der Terrassen sitze und auf einen im Hamburger Umland wohnenden Freund warte, mit dem ich noch einen weiteren Urlaubstag verplaudern will.
Mit einem etwas schalen Geschmack im Mund. Kennt ihr das? Eben erst hingt ihr zwischen der Zeit auf der Landstraße, die Erlebnisse noch nicht verklungen, jetzt wieder allein, der Alltag schiebt sich in einiger Entfernung vor euch her, gleichsam auch mit dem Herzen zwischen den Stühlen.

Anreise

Aber erst mal soweit kommen! Die größten Abenteuer hält die Deutsche Bahn bereit; mit dem Rad im Nahverkehr von Mittelhessen nach Paris! Zweitägig. Eingekeilt zwischen flegelhaftem Volk, das gern sein Schrottgerät in mein Alabastergefährt rammen möchte und kaum, dass man es ihm verwehrt hat, Nazivergleiche krakeelt und barschen Schaffnern, die „Probiern ses doch woanders!“ und „Könn wir ja nichts für!“ auf jede höflich gestellte Frage parat haben.
Auf leeren Bahnsteigen, dem eben erst gemächlich aus dem Bahnhof rollenden Anschluss sehnsuchtsvoll hinterher schauend. Im Schienenersatzverkehr eingekeilt zwischen Pendlern, die das hier schon mit beachtlichem Galgenhumor sechs lange Wochen ertragen.

Anschließend mit dem Rad nach Hamburg zu fahren, allein der Platz, herrlich!!!

Am Donnerstag vor dem Event hatte ich bereits alles gepackt, mein treues M5 geölt und gesalbt bereit, eine Premiere. Bis auf eins; meinen neuen Schlafsack hatte ich noch nie im Kompressionssack, aber wird schon passen. Gegen zwei Uhr in der Nacht, schweißüberströmt, sterbensmüde, passt dann auch alles. Also so wie immer.
Nach einer kurzen Nacht rolle ich zum Bahnhof, alle Anschlüsse sauber geplant, so nehme ich mir vor, den ersten von zwei Tagen in der Bahn zu verdösen. Bloß keine Hektik.

Um die Frequenz an frechen Schrottgurkenlenkern ein wenig einzuschränken, hatte ich bis Straßburg alles IC gebucht, Fahrradreservierung. Schaden macht klug. Und weil man im Europa des 21. Jahrhunderts so ohne Weiteres keine Fahrkarte bis ins Ausland kaufen kann, zumindest nicht im Nahverkehr und schon gar nicht online, sollte mir ein satter einstündiger Aufenthalt das in händischer Weise gestatten.

So läuft das prima bis Mannheim. In Mannheim wird der Anschluss nach Karlsruhe ersatzlos gestrichen.
Richtig, die Tunnelruine von Rastatt, die aufgegebene Tunnelbohrmaschine, das abgesunkene Gleisbett. Das hatte ich irgendwie nicht auf mich bezogen. Mit Rad und Gepäck aus dem Bahnhof raus, rein in einen der zahlreichen Busse. Schienenersatzverkehr nach Baden-Baden, dicht gedrängt zwischen Pendlern. Diese scheinen sich in den sechs Wochen bereits gut kennen gelernt zu haben, die Atmosphäre ist fatalistisch und auch etwas heiter. Ich bin bemüht, niemanden an meine ölige Kette zu lassen.
Von nun an nur noch Regionalexpress. Mit drei Stunden Verspätung Straßburg, Gedränge und Geschiebe durch die überfüllte Halle, bis ich einen Platz am Fahrscheinautomaten ergattere. Sprachauswahl deutsch, ab dem zweiten Menüpunkt in französisch. Sprachauswahl englisch, das klappt. Führe ich Haustiere mit, wo geht‘s zur Bahncard? Das sehr wörtlich übersetzte Englisch ist bisweilen kryptisch. Ich verzichte, um voran zu kommen. Mir wird höflich Hilfe angeboten.
Endlich, meine Karte.
Jetzt habe ich raue Mengen Zeit und gehe erst mal was essen.

Auf dem Rückweg touchiere ich in dichtem Gedränge hin und wieder Reisende. Ein junger Mann entschuldigt sich. Niemand weicht mir so direkt aus, aber es stellt sich mir auch niemand breitbeinig in den Weg, niemand belehrt oder beschimpft mich! In Deutschland wäre das hier Krieg!

Unbeschadet trete ich meine letzten 200km für heute an, Bar-le-Duc ist das Ziel, eine Kleinstadt rund 250km östlich von Paris. Hier habe ich ein Zimmer gebucht und freu‘ mich schon auf eine heiße Dusche.
Durch eine sandsteinfarbene Kleinstadt fahre ich bei Nacht, es ist mild, aus einer Kneipe dringt Musik, der Tresen gut besetzt. Zwei Kreisel direkt hintereinander, das ist raffiniert. Ein Kanal verströmt Kühle, Laternen hängen an Kabeln über die Straße, wie vor 30 Jahren, als ich hier jeden Sommer verbrachte. Nur die Autos sehen geringfügig anders aus.
Vorfreude dringt durch einen Spalt.
Vor dem Hotel alles dunkel, Rollläden unten, wenn ich anrufe, klingelt es drinnen. Auf mein Rufen öffnet sich im ersten Stock ein Fenster, ich erkläre mich, ein Mann will sich kümmern. Dann Stille. Erneutes Rufen. Ein bedauerndes Wort. Das Fenster wird geschlossen.
Ich erinnere mich an die Kneipe, trete ein, frage nach Rat. Einer der Gäste schnappt sein Rad, um selber mal hin zu fahren. Mir wird ein Bier und Baguette hin geschoben. Eine Frau mir gegenüber erklärt, sie könne auch gut englisch, z.B. „I love you!“ Ihr Mann sitzt daneben. Ich lächle unverbindlich.
Nachdem die Gäste mein Dilemma ausgiebig besprochen und ich mein Bier geleert hatte, schickt mich der Wirt zu einem Freund auf der anderen Kanalseite. Der hätte Zimmer und würde auf mich warten. Ich breche auf, das Bier geht auf‘s Haus.
Der Freund Bernard steht schon in der Tür und wartet. Mein Rad wird in einer Garage verschlossen und nach zehn Minuten stehe ich still in einem großzügigen Zimmer und bekomme mein Dusche.

In Paris spuckt mich der Gare de l‘Est gleich auf der richtigen Seite aus. Erinnerungen werden wach; die Ankunft vor zwei Jahren, im Dunkeln, schwer bepackt mit meinem 22kg-Stahlrad, meine erste Brevetsaison. Paris-Brest-Paris eine ebenso beeindruckende wie vergebliche Unternehmung.

Jetzt, um so viele Erfahrungen reicher, trete ich gegen Mittag auf‘s Pflaster, rolle los auf Busspur und Radweg, die roten Ampeln Empfehlungen, die ich nach Art echter Pariser befolge und bin Herr der Lage.
Zuerst an der Seine entlang, auf Promenaden und Radwegen, auf verwinkelten Gässchen durch die Vororte, auf Kieswegen an einem bewaldeten Kanal entlang sind die 25km bis nach Torcy ins Hotel schnell und friedlich erledigt. Gelegentliche Regenschauer nutze ich für kurze Stopps unter Brücken.
Im Hotel wird als erstes mein Rad in einem Abstellraum des Hotels sicher verwahrt, Das von Martin D. aus Berlin steht schon da. Michael und Walter vom ARA Nordbayern haben ihre mit auf‘s Zimmer genommen. Es ist Samstag, jetzt kann ich mich zwei Tage entspannen. Heute erlaufe ich mir den Ort, der aus einem pittoresken Ortskern und wuchtigen Hotelkomplexen an der Peripherie besteht.
Die Stadthalle ist nach Lino Ventura benannt, etwas eigentümlich. Hinter einem von einem kleinen Park mit seltenem Baumbestand umschlossenen Château und einer angrenzenden Kirche aus dem 19. Jahrhundert reihen sich kleine Geschäfte, Gemüse unter Schirmen, Bäcker in niedrigen Gebäuden. Ein indischer Supermarkt schräg gegenüber dem Hotel 24/7, ein paar Restaurants, verhungern werden wir nicht.
Am Sonntag Nachmittag um fünf ist Fahrerbesprechung in der Nachbargemeinde Noisiel, langsam wird es auch Zeit, die Ungeduld wächst.
Wir bekommen unsere Rahmenschilder, Kontrollhefte, Gruppenzuteilung. Claus erinnert an die erste deutsche AR Gründung in Hamburg vor 25 Jahren, unsere Fahrt feiert dieses Jubiläum, Rainer erzählt etwas über seine Anfänge bei ARA, die russische Gruppe, die zweitgrößte nach uns Deutschen, wird gesondert vorgestellt, unter ihnen der Organisator von Vologda-Onega-Ladoga. Leider haben nur wenige Franzosen den Weg zu uns gefunden.

Start: Île-de-France, Montag

Am Montag morgen um fünf Uhr setzt sich das Feld in zwei Gruppen in Bewegung und nimmt die knapp 400 ersten Kilometer bis zur deutsch-französischen Grenze unter die Räder.

Die ersten 165 km geht es in hügeligem Auf und Ab durch die Île-de-France. Die ersten rund 40 km ist es noch dunkel, es nieselt etwas, wir überfahren ein paar erstaunlich kräftige Steigungen, dann tagt es in milchigem Pastell, wenig später zieht links von vorne die Sonne auf und gibt die Szene frei auf einen warmen und überwiegend trocknen Tag, geprägt von starkem Rückenwind, der die Aufrechtfahrer mit zum Teil reichlich 40 km/h auf die deutsch-fränzösische Grenze zublasen wird.
Die geringe Stirnfläche meines M5 bewirkt, dass ich diesen mächtigen Vortrieb nicht nutzen kann. Eine Vierergruppe, der ich öfters begegne, saust über eine Kuppe an mir vorbei und ist schnell außer Sicht. Auch auf Flachstücken oder bergab gelingt es mir nicht, mich dran zu hängen. Ich realisiere erst sehr spät, woran es liegt und verausgabe mich bei dem ebenso frustrierenden wie vergeblichen Versuch. Einige Male ziehe ich mich am Lenker hoch und beschleunige auf 35 km/h.
Später wird mir eine Randonneurin aus dieser Gruppe diese knapp 400 km als rauschhaftes Erlebnis schildern, das auch sie reichlich Körner gekostet habe, weil es sie verleitet habe, immer noch eine Schippe drauf zu legen.

Champagne-Ardenne

Wir verlassen die Île-de-France, und folgen dem nördlichen Marneufer durch die Region Champagne-Ardenne. Bis zum ersten Kontrollpunkt in Châlons-en-Champagne bei km 165 führt die Strecke nicht direkt am Ufer entlang, sondern auf zumeist kleinen Landstraßen mit zweifelhaftem Belag in hügeligem Auf und Ab an den Hängen entlang. Die Landschaft ist von kleinen, pastellfarbenen und etwas herunter gekommenen Ortschaften mit niedriger Bebauung geprägt. Wir durchqueren auf teils matschigen Wegen diese Weinanbauregion, denn es ist Erntezeit, ein unablässiger Strom von Schleppern und Kleinlastern pendelt zwischen Dorf und Feld und nimmt dabei die lehmige, schwere Erde vom Feld mit auf die Straße, hin und wieder nieselt es; so entsteht ein seifiger Belag. Der ist besonders bergab schwer zu fahren und bremst das Vorankommen.
Auch der starke Verkehr zerrt mir zunehmend an den Nerven. Der unablässige Strom von Kleinlastern älterer Bauart schleudert uns unablässig seinen Dieselruß entgegen, eingekeilt zwischen Schritt fahrenden Erntemaschinen und diese riskant überholenden Lastern ist Konzentration gefragt.
So behalte ich diesen Abschnitt trotz seiner detailreichen Landschaft als frustrierend und auch etwas nervtötend in Erinnerung.

Lothringen

Die knapp 100 km bis zur zweiten Kontrolle in Verdun führen uns nach Lothringen ins Departement Meuse. Verdun, das ist eine Kleinstadt und nicht einmal die Bezirkshauptstadt, das ist Bar-le-Duc, wo ich auf der Hinfahrt so ereignisreich übernachtete.

Man stellt sich Verdun vielleicht aufgrund seiner geschichtlichen Bedeutung als eine Großstadt vor. So steht die Verdunschlacht 1916 im Zentrum der Erinnerungen in Frankreich und Deutschland an den Ersten Weltkrieg. 1,5 Millionen Soldaten kämpften hier ergebnislos 10 Monate lang gegeneinander an. Mehr als 300.000 französische und deutsche Soldaten wurden in der “Mühle von Verdun” getötet. Verdun gilt bis heute als das bedeutende Symbol für die Sinnlosigkeit des Krieges.

Heute fahren Randonneure aus unseren beiden und ein paar weiteren Ländern friedlich in die Stadt ein, sie unterhalten sich, essen miteinander, helfen sich bei Pannen, stützen sich moralisch in der Nacht. Nirgendwo wird das Völker verbindende unseres Tuns deutlicher als an diesem Ort.

Während ich mich der Stadt nähere, habe ich tatsächlich ein beklommenes Gefühl. Links von mir taucht ein Gräberfeld auf, weiße Steine in langen Reihen, es erinnert mich an Arlington, nur wesentlich kleiner. Weiter unten auf der gegenüber liegenden Seite ein Friedhof Deutscher Soldaten, graue, grob behauene Steine. Die Sonne scheint.

Ein paar Meter weiter lockt eine Auberge, Stempel und ein warmes Essen sind hier leicht zu bekommen. Mit ein paar grausligen Französischbrocken bekomme ich innerhalb von 10 Minuten alles was ich brauche, die resoluten Damen haben ihren Laden im Griff. Ein großes Radler, Nudeln und ein penibel sauberes Klo für’s Unvermeidliche. Nach 27 Minuten bin ich wieder draußen. Ein vorbildlicher Boxenstopp. Während weitere Randonneure nachströmen, bin ich bereits wieder auf der Straße, mein 23er Bruttoschnitt unangetastet.

Weitere 120 Kilometer ziehen im Einerlei des grobprofiligen französischen Asphalts an mir vorüber, ohne Greifbares zu hinterlassen. Überdruss und Unruhe ergreifen Besitz von mir. In Metz überquere ich die Mosel.
Nach rund 400 Kilometern, die ich bis auf ein paar gelegentliche Begegnungen als Alleinfahrer verbracht habe, bekommt meine Moral Risse.
So bin ich froh und erleichtert, als ich ins Saarland einfahre, auf glattem Asphalt spürbar beschleunige und schließlich im Dunkeln nach einer rasanten Schussfahrt durch waldreiches Gelände den Campingplatz in Wallerfangen erreiche, die dritte Kontrolle und Standort des ARA Saarland.
 
Wenn ich den Bericht so lese bin ich echt traurig, leider 2 Jahre zu spät mit dem Liegerad- und Brevetfahren angefangen. Aber es rollt ja..... :D
 
Paris-Hamburg 2017 (BRM 1200): Teil 2
Deutschland: Wallerfangen bis Spich

Saarland: Dienstag

Hier vertrödele ich im Grunde vier nutzlose Stunden. Das Ziel habe ich so richtig nicht mehr im Auge, esse, trinke, lege mich schlafen. Auspacken und einpacken von Schlafsack und Isomatte Zeitverschwendung. Nach einer halben Stunde bin ich wieder wach, sitze nutzlos herum. Ein Randonneur berichtet von Knieschmerzen. Er bricht trotz Zureden ab.
Das Thema Schmerzen. Mir kommt der Satz eines Mitfahrers in den Sinn auf meinem ersten 600er, erfolgreiches Randonnieren bestehe vor allem aus gutem Schmerzmanagement. Er sollte Recht behalten. Meine damals kaum auszuhaltenden Knieschmerzen lösten sich nach 70 km in Luft auf. So erlebte ich zusammen mit einem Kollegen ein traumhaftes Finish im letzten Licht des Tages.

Hunsrück

Gegen vier in der Früh raffe ich mich doch auf, hänge mich zunächst an eine Vierergruppe. Diese stoppt immer wieder und so entschließe ich mich schweren Herzens doch wieder allein zu fahren.
Nach ein paar Stunden überholt mich die Vierergruppe wieder. Jetzt sind es fünf. Ein hagerer LEL-Fahrer hat sich angeschlossen. Wir pausieren beim ersten Bäcker. Regen zieht im Moment auf. Ein schlafender Russe sitzt am Tisch, wir klemmen uns dazu, wach wird er nicht.
Plötzlich ist der LEL-Fahrer nicht mehr zu halten, er habe keine Lust mehr. Das hier habe keinen Sex. Er fragt die Bäckersfrau nach dem nächsten Bahnhof und macht sich auf den Weg. Ich trage innerliche Kämpfe aus, mitfahren oder bleiben. Sein schnelles Verschwinden nimmt mir die Entscheidung ab.
Nach einer halben Stunde raffen wir uns auf, aber bereits nach 10 Minuten öffnet der Himmel seine Schleusen und es schüttet aus Eimern. Während sich die Gruppe langsam bergan entfernt, rette ich mich in ein Bushäuschen, um volle Regenmontur anzulegen, denn es ist kalt geworden, zu kalt, um die nassen Klamotten während der Fahrt wieder trocknen zu lassen.

Im ersten Licht des Tages werde ich der herrlichen Landschaft, ruhig, waldreich und bergig, gewahr. Trotzdem sind meine Akkus leer, eine moderate Steigung schleiche ich hinauf und verliere bereits während der Fahrt Zeit. Hier stelle ich die Sinnfrage, der nächste Bahnhof ist meiner, ich Idiot, wäre ich dem LEL-Fahrer doch bloß gefolgt. Mit einem Mal hänge ich in der Luft. Die ist komplett raus. Ich schleppe mich wie ein Sterbenskranker. Gummibeine. Von Selbstmitleid durchtränkt. Das Kopfkino macht mich fertig. Gedanken im Konjunktiv, das Gegenteil beglückenden Randonnierens.

In einiger Entfernung höre ich Kettengeräusche. Einer überholt mich. Es ist Andreas, der mit Schlagzahl 100 metronomgleich an mir vorüber zieht. Obwohl er sich rasch entfernt, gibt mir sein Erscheinen irgendwie Hoffnung. Mit schlappen Beinen komme ich in Fahrt. Ein guter Radweg tut sein übriges, der Aufgang zum Erbeskopf ist erreicht, ein Randonneur sitzt im Straßengraben und flickt seinen Reifen, sieben oder acht kommen mir von oben entgegen, hängen in der Bremse. Es sind ein paar Kehren aber gut zu fahren, selbst für mich, Schilder mit Höhenangaben ziehen vorüber, jetzt ist auch egal, wo ich schon mal hier bin.
Es zieht sich doch etwas, aber weil das Wetter so bescheiden ist, kalt, nebelig, regnerisch, macht Anhalten auch keinen Sinn. Kontrollheft lochen, Zeit notieren. Dann hole ich mir eben den Stempel auch noch.
Oben angekommen steht Andreas da und befragt wie immer ausgiebig sein routingfähiges Navi, beschaut sich Höhenprofile und strahlt eine Ruhe aus, die auf mich abfärbt.
Er kommt gerade von einem Aussichtspunkt und erzählt mir, dass wir einen traumhaften Blick runter ins Moseltal hätten, wäre die Sicht gut. Die beträgt aber unter 30 Meter und so beschließen wir uns warm einzupacken und gemeinsam runter zur Mosel zu fahren, eine Abfahrt mit kleinen Unterbrechungen von etwas einer halben Stunde. Geschenkte Kilometer.
Als wir aufbrechen, kommen die drei Milane an, steigen aus im Kurzarmtrikot. Die sind froh, dass sie mal lüften können!

Mosel

Das Moseltal zeigt sich uns von seiner besten Seite, die Sonne kommt raus, gelegentlich schauert es fünf Minuten, wir stoppen unter einer Brücke, dann raus aus den Regenklamotten. Herrlich! Luft kommt an den Körper, ich spüre die Wärme. Bin immer noch schlapp aber guter Laune. Die kräftigen Schwünge meines Vordermanns geben mir Auftrieb.
Nach einem kurzen Stück am Fluss entlang überqueren wir die Mosel und fahren in gerader nördlicher Richtung der Eifel entgegen.

Eifel

Die Strecke zwischen Wallerfangen und Köln ist in meinen Augen das landschaftlich reizvollste Stück. Teils kräftige Anstiege sammeln Höhenmeter, die augenblicklich wieder vernichtet werden. Lange waldreiche Passagen führen uns gelegentlich durch kleine verschlafene Dörfer. Das Wetter zeigt sich theatralisch, aber im Grunde gutmütig. Es ist warm, mit gelegentlichen Regenschauern demonstriert die Natur uns ihre Macht, ohne sie jedoch voll auszuspielen.

Einer dieser Schauer entpuppt sich als ein ausgewachsener Wolkenbruch, die Szenerie am Himmel wechselt augenblicklich auf ernst, wir suchen Deckung unter einer Eiche, das reicht aber nicht, der Regen schlägt schräg hinein, bleiben wir stehen, sind wir in ein paar Minuten klatschnass.
Links vor uns oben auf der Kuppe eines Hügels steht ein Bauernhaus. Im überdachten Mittelbau sehen wir Claus gerade in der Haustüre verschwinden, seine Gruppe steht davor. Wir rennen los. Die Haustüre steht offen, Claus steht im Flur, unterhält sich bereits angeregt. Wir werden herein gebeten, die Küche stehe zur Renovierung an, wir sollten uns ruhig setzen. Unsere Flaschen und Trinkblasen werden aufgefüllt, die Großmutter dieses Dreigenerationenhauses reicht uns belegte Brote, kocht Tee. Wir sitzen im Warmen, Claus erzählt von Hamburg, lädt die Leute auf eine Stadttour ein. Wir erfahren, dass der Dialekt der Eifeler aus Luxemburg stammt, 70 km Luftlinie westlich von uns. Nachdem der Wolkenbruch abgezogen ist und es bereits allzu gemütlich geworden ist, brechen wir auf.

Nach Mittag füllen wir unsere Vorräte bei einem Aldi auf und stempeln an der Zieltanke ein paar Meter weiter.

Jetzt sind es noch gut 130 Kilometer bis Troisdorf-Spich, dem Standort des ARA Köln/Bergisches Land. Hier werden wir nach Einbruch der Dunkelheit einreiten. Auf den letzten Kilometern erleben wir noch eine kleine Odyssee. Diese beginnt bei der Überquerung des Rheins und ist zum einen dem auf 500 Punkte herunter gerechneten Track und zum anderen der Streckenführung zu verdanken, die einem Haken schlagenden fliehenden Hasen nachempfunden zu sein scheint.
Aber, Messtechniker sei Dank, hat sich Andreas vorher auf googlemaps schlau gemacht, und so identifiziert er sicher die kryptischen Linien auf seinem Display als unter einer Brücke versteckten Fahrradaufgang über eine Rheinbrücke.

Der Standort ist voll, Randonneure sitzen teils schlafend an den Tischen, andere essen, ziehen sich um. Im ersten Stock befinden sich die Duschen und ein Schlafraum. Erfreut stelle ich fest, dass hier die Forstarbeiten eingestellt sind, nehme eine heiße Dusche und gönne mir einen frischen Satz Unterwäsche, den ich liebevoll seit 600 km genau für diesen Zeitpunkt spazieren gefahren bin.
Nach sparsamem Geplänkel mit ein paar Kollegen packe ich Schlafsack und Isomatte aus und legen mich für zweieinhalb Stunden auf‘s Ohr. Vor fünf, wenn möglich, soll es weiter gehen, die Flucht aus dem im Großraum Köln einsetzenden Berufsverkehr frühzeitig beginnen.
Erst mal finde ich schwer Schlaf. Irgendeiner hat seine Socken nicht gewechselt. Übler Fußgeruch steigt mir in die Nase. Das kann wohl nicht wahr sein!
Um halb fünf klingelt der Naviwecker. Ich schnüre mein Bündel und bemerke, dass der üble Geruch aus meinen Radschuhen kommt, die ich am Kopfende abgestellt hatte.
Peinlich berührt schleiche ich mich davon. Gott sei Dank ist es finster. So habe ich meine Gesichtsröte für mich allein.
 
Paris-Hamburg 2017 (BRM 1200): Teil 3
Deutschland: Spich bis Hamburg

Mittwoch: Bergisches Land, Ruhrgebiet

Der dritte Tag dieses Brevets sollte vor allem bestimmt sein durch ein über weite Teile heftiges Verkehrsaufkommen, unterbrochen durch kleine Abschnitte Bahntrasse, die kaum zum Luft holen reichen, bevor wir uns wieder die schmalen Landstraßen und Ortsdurchfahrten mit einem schier endlosen Strom an Lastern und Pkw teilen müssen. Ausgeliefert und fassungslos am Straßenrand zurückgelassen nach einem der zahlreichen überaggressiven Angriffe durch Autofahrer, die vielleicht nur die Angst um ihren Lack davon abgehalten hatte uns einfach umzumähen.

Zum anderen durch das heftige Unwetter, das Deutschland weit für abgedeckte Dächer, hunderte voll gelaufene Keller, faustgroßen Hagel, eingeschlagene Windschutzscheiben, entwurzelte Bäume, beschädigte Bahntrassen, einen Tornado und sogar für einen entgleisten IC sorgt, und in dessen Zentrum wir uns gerade befinden.

Diesen Mittwoch muss man richtig wollen, um nicht entnervt das Handtuch zu werfen.

Claus spannt sich immer mal wieder mit uns zusammen. Aber eine Gruppe wird nicht aus uns. Er verschwindet schnell aus unseren Pausen und fährt halt sein Ding. Wir holen ihn dann irgendwann ein, er legt dann schon mal vor und so fort. An einer Kreuzung begegnen wir einem Hamburger Randonneur, der seine Nackenmuskeln nicht mehr anspannen kann. Mit hängendem Kopf und stark eingeschränkt in der Sicht kämpft er sich vorwärts. Unwillkürlich muss ich an diesen legendären Youtubeclip denken, in dem sich ein PBP-Teilnehmer seine lange Radhose um den Kopf bindet, die Hosenbeine am Rücken herab führt und sich auf das Ende drauf setzt, um so das gleiche Problem zu lösen. Wir können ihm nicht helfen und überholen.

Im Anflug auf die Zieltanke in Olfen ebbt der Verkehr ab, die Gegend wird flach und ländlich. Wir schöpfen Luft. Nur der heftige Seitenwind macht uns zu schaffen. Bei manchen Böen muss ich den Lenker richtig fest halten und mich in Schräglage gegen den Wind stemmen, das luftlose Loch dahinter wirft mich fast um. Einer 50kg-Randonneurin vor mir ergeht es schlechter. Sie wird von einer Böe erfasst und in einen Abzugsgraben neben der Straße gedrückt. Ich biete ihr an, sich hinter mir klein zu machen. Sie schimpft mutlos vor sich hin und lehnt ab. Am Kontrollpunkt Münster wird sie das Risiko herab stürzender Äste nicht weiter eingehen und steigt nach 800 km aus. Gegen Abend ebbt der Sturm etwas ab.

Olfen erreichen wir 11 Minuten vor Zeitschluss! Dass es so knapp werden würde, hatte ich nicht realisiert. Das bringt mich etwas aus der Fassung, denn ich weiß, dass sich noch etliche Fahrer hinter uns auf der Strecke befinden, die hier aus der Zeit fallen werden. Eine Minute vor Zeitschluss fährt die Berlinerin vor die Tanke. Sie beginnt sich ihre Handschuhe auszuziehen und macht sich an ihrem Rad zu schaffen. Wir klopfen von innen an die Scheibe und rufen, sie soll ihr Rad sein lassen und sofort stempeln kommen und starten gleich weiter zur nächsten Kontrolle in Münster rund 40 km entfernt.

Die Strecke ist flach und läuft gut, trotzdem werde ich nervös und trete richtig rein. Der Radweg neben der Straße ist wegen des Sturms mit Ästen übersäät, so wechsele ich auf die Straße. Wenige Minuten später fährt ein dicker BMW neben mich, die Scheibe geht runter und der Fahrer brüllt mir irgendetwas zu. Er fährt die ganze Zeit über auf der Gegenfahrbahn und schaut zu mir hinüber. Wenn es jetzt knallt, werde ich von umher fliegenden Wrackteilen getroffen. Ich winke er soll weiterfahren. Das tut er und bremst kurze Zeit vor mir auf der Straße. Als ich neben ihm bin, zieht er auf die Straße und drängt mich in den Gegenverkehr ab. Dann verschwindet er in einer Ausfahrt. Wenige Minuten später brüllt mich der Fahrer eines Volvo-SUVs durch die geöffnete Seitenscheibe an. Ich bin vom Zielschluss bedroht und fahre weiter.

Über holprige Betonplattenwege geht es in Münster weiter zu einem Sportplatz, Stützpunkt des ARA Münsterland. Die Anlage erstreckt sich über die ganze Länge der Straße. Ich finde die Stempelstelle zunächst nicht, lande bei einer Judoveranstaltung, ein Passant glaubt, dass sich weitere Gebäude der Anlage links ab hinter einem Parkplatz befinden könnten. Dort werde ich schließlich fündig.
Dem Verantwortlichen, einem Lehrer, berichte ich, dass sich an der Straße kein Hinweisschild befindet. Ich bekomme zur Antwort, 98 Prozent der Teilnehmer seien sehr zufrieden. Der Standort sei auch von allen problemlos gefunden worden. Ich finde das reichlich lieblos und sage das auch.
Am Ende der Metalltreppe befinden sich zwei Türen. Ich öffne die falsche und werde sogleich darüber aufgeklärt, dass sich ja wohl noch niemand bisher so dumm angestellt habe wie ich. Im Stempelraum werde ich mit den warmen Worten, ich bekäme hier trotzdem etwas zu essen, empfangen.
Die Speisen hier sind vegan. Weil ich sie nicht zuordnen kann, entscheide ich mich für ein neutral schmeckendes Granulat, das ich mit Kokosmilch aus einem kleinen Tetrapack übergieße.
Schnell verlasse ich den Standort, nachdem ich meinen Trinksack auf dem Klo aufgefüllt habe. Freunde für‘s Leben finde ich hier keine.

Großenwieden: Teutoburger Wald und Weserbergland

Andreas und ich verlassen das Münsterland bei strahlendem Sonnenschein. Um Nordrhein-Westfalen zu verlassen, müssen wir durch den Teutoburger Wald, der sich im Nordosten wie ein Riegel vor Niedersachsen schiebt. Wir wollen das Tageslicht voll ausnutzen und so viel Schlafzeit wie möglich für Großenwieden heraus fahren, unseren nächsten Kontrollpunkt in gut 130 km Entfernung.
Kurz hinter Vlotho werden wir bei km 900 die Weser überqueren und zwischen Südkamm des Wesergebirges und nördlichem Weserufer ins Weserbergland eintauchen.

Die folgenden 200 Kilometer durch den Teutoburger Wald und das Weserbergland bis zur Einfahrt in die Lüneburger Heide stellen für mich den zweiten landschaftlich schönsten Streckenabschnitt dieser Tour nach Hunsrück-Mosel-Eifel dar. Waldreich, bergig, überwiegend verkehrsarm.

Gegen halb acht am Abend beschließt Andreas, schon mal für die Nacht einzukaufen, ich aber spüre eine innere Unruhe, will weiter, der Trinksack ist noch halbvoll, will den unvermeidlichen Verpflegungsstopp knapper setzen, fahre allein voraus. Die ersten vierhundert ersten Kilometer als Alleinfahrer haften noch gut im Gedächtnis, so halten sich Befreiung und Beklemmung die Waage. Das Metronom wird mich schon mit seinem jungen Russen im Schlepptau wieder einholen. Und tatsächlich finde ich im letzten Tageslicht einen Lidl.
Beim Rauskommen fällt mir auf, dass ich vergessen hatte, das Rad in Fahrtrichtung abzustellen, eigentlich eine Grundregel, die ich automatisch befolge. Jetzt kann ich mich nicht mehr erinnern, fahre los, stoppe, wende, fahre zurück, zoome ein, zoome auf. Das hier gleitet mir durch die Finger. Wach und fit kein Problem, aber jetzt ist mein Hirn träge, drei Stunden Schlaf in zwei Nächten machen sich bemerkbar. Obwohl ich weiß, dass ich jetzt richtig liege, misstraue ich meiner eigenen Wahrnehmung und glaube Orte, Werbeschilder, Geschäfte wieder zu erkennen. Meine Fluchtinstinkte werden wach, ich trete ordentlich rein, damit ich endlich die Reihenfolge von zwei oder besser drei Ortschaften kriege, nur um sicher zugehen.
Nachdem das geklärt ist und sich die Aufregung gelegt hat, frage ich mich, ob meine Mitfahrer während meiner kopflosen Irrfahrt unbemerkt an mir vorbei gefahren sind. Andreas sehe ich jedenfalls erst in Großenwieden wieder.
Sichtlich erschöpft und mit einer mittlerweile dick geschwollenen linken Achillessehne geht es für mich auf den letzten knapp 70 Kilometern nochmal um die Wurst. Die Strecke ist anspruchsvoll, bei der Raspelei vom linken Bein kommt ein rechter Flow nicht auf, schade, denn die Strecke ist gerade richtig schön, das bemerke ich selbst bei Dunkelheit.

An einem hell erleuchteten Bushäuschen, ausgestattet mit gläsernen Wänden, einer breiten geraden Holzbank ohne Lehne, groß, sauber und mit Mülleimer stoppe ich und suche vor dem erneut einsetzenden Regen Schutz. So etwas habe ich noch nie gesehen. Dusche fehlt noch und um ein Haar wäre ich hier eingezogen. Stattdessen pelle ich mich ganz behaglich in meine Regenklamotten, genieße die klare, frische regenschwere Luft, es ist still bis auf ein paar Windgeräusche bewegter Äste und das feine Rauschen des Regens.
Die Neoprenstulpe links kann ich nicht tragen, die verstärkt den Schmerz zu sehr, also nasser Fuß trockener Fuß.
Hinaus in die Nacht und in den Regen. Geduldig Steigung um Steigung. Mehr mit rechts belasten. Den Schmerz schön eindringen lassen, aber nichts dramatisieren. Schmerz rein, Schmerz wieder raus aus dem Körper. Konjunktive vermeiden.

Im Nirgendwo eine Tankstelle, erleuchtet, offen. Ich trinke eine Cola und frage nach Randonneuren, die hier vor mir durch gekommen sind. Vor 10 Minuten sei einer über die Anlage gefahren, habe sich umgesehen und sei dann gleich weiter. Das muss Andreas gewesen sein, so ganz habe ich die Hoffnung auf seine nächtliche Begleitung noch nicht aufgegeben, aber 10 Minuten sind jetzt Welten.

Ich fahre in Vlotho ein, eine größere Ortschaft, und habe Mühe Kurs zu halten. Die Augen sind mir so schwer, erst kann ich sie immer wieder ganz aufreißen, dann nur noch dünne Schlitze. Bevor ich die auch nicht wieder aufkriege und einschlafe, halte ich an und lege mich hin. Sobald mein Kopf den Boden berührt, bin ich weg. Nach etwa 10 Minuten komme ich hoch. Mich fröstelt, aber ich bin klar. Jetzt schau ich doch mal nach, wie viele Kilometer noch. Im Streckenplan lese ich die vier Ortschaften, die noch fehlen: Rinteln, Engern, Kuhlenstädt, Großenwieden. 17 Kilometer. Das wird ab jetzt mein Mantra. Erst leise, dann immer lauter rufe ich es in die Nacht: Rinteln-Engern-Kuhlenstädt-(Pause)-Großenwieden, Rinteln-Engern-Kuhlenstädt-(Pause)-Großenwieden, das hat einen schönen Rhythmus und hilft beim Wach bleiben.
Ich muss das noch über eine Stunde aufsagen, dann biege ich in den Hof der Freiwilligen Feuerwehr Großenwieden ein. Den Stempel hole ich mir also auch noch!
Vor dem Backsteingebäude stehen die drei Jungs mit ihren Milanen und applaudieren. Sie machen aus ihrer technischen Überlegenheit eine Tugend und erwarten die nach ihnen herein Kommenden mit Beifall. Das baut auf, besonders wenn man auf der letzten Rille rein kommt so wie ich jetzt. Eine tolle Sache!
Dank Euch, Leute!
Schnell Klamotten runter pellen, trinken, essen, schlafen. Zweieinhalb Stunden. Zum Duschen bleibt keine Zeit. Ich will um 4 Uhr wieder auf der Straße sein, denn um 8 Uhr will ich die 1000 km voll haben, die Restzeit für einen überschaubaren 200er dann satt.

Um vier werde ich von einem der freiwilligen Helfer geweckt. Es ist der Randonneurskollege, der in Paris am Vortag des Starts auf einen Betonpoller aufgefahren ist und hier jetzt Dienst schiebt. Ohne Aktive wie ihn oder den Velomobilfahrer Hajo, der die Helfer in Spich verstärkt, könnten wir solche Veranstaltungen vergessen.
Ich habe enorme Schwierigkeiten die Augen auf zu kriegen. Mir ist übel, mein Bein schmerzt und es dauert annähernd eine halbe Stunde, bis ich wieder klar bin.
Um halb fünf in der Früh stehe ich trotzdem wieder auf dem Vorplatz. Mich friert. Ein Flutlicht taucht die Szene in gleißende Helle. Ich wechsele Navi- und Rücklichtakkus und rolle los.

Donnerstag: Lüneburger Heide, Schneverdingen

Wir verlassen jetzt die Weser, den Kurs Ost, dem wir seit Münster gefolgt waren und zweigen jetzt direkt nach Norden ab auf die Lüneburger Heide zu.

Andreas ist hinter mir, er spielt mit seinem Navi.

Die ersten paar Kilometer geht es teils kräftig einen Berg rauf, man hatte uns vorgewarnt. Ich bleibe von Anfang an bei 100+ Umdrehungen und belaste mehr mit rechts. Hinter mir höre ich einen Kollegen. Plötzlich platzt der Knoten, ich fahre mich frei, komme mühelos bergan. Auf einem besonders steilen Stück schiebe ich, jetzt bloß nicht voll reintreten, komme aber auch hier gut gelaunt ins Rennen. Einmal sehe ich das Licht meines Verfolgers vor mir auf der Straße. Dann verschwindet es wieder. Es folgt ein märchenhaftes Auf und Ab auf dem Plateau, schließlich darf ich die erarbeiteten Höhenmeter in einer rauschhaften Abfahrt durch Wald und schlafende Dörfer vernichten. Unten angekommen zweigt der Track für einen Schlenker von der Hauptstraße ab und bringt mich direkt vor einen gut sortierten Bäcker. Drinnen kann man sich setzen. Es ist warm. Zeit fürs Frühstück.

Ein paar Kilometer weiter glättet sich die Landschaft, leichte Wellen machen Strecke gut. Am Steinhuder Meer vorbei sind die 1000 Kilometer voll. Beruhigt setze ich die Fahrt fort.
Nachdem das Adrenalin aus dem Blut gewichen ist, setzt die Müdigkeit wieder ein. Für 10 Minuten lege ich mich auf die Straße. Prompt höre ich ein Auto anhalten, zurücksetzen, eine Fahrertür klappt und der Fahrer bittet mir seine Hilfe an. Ich versichere, dass alles in Ordnung ist und bestätige nochmal seine Nachfrage. Dann bin ich weg.
Unterwegs treffe ich Martin aus Berlin, der in Torcy im gleichen Hotel abgestiegen war. Froh um eine Abwechselung muss ich ihn und seine Gruppe aber wieder ziehen lassen. Sie sind zu schnell für mich.

Hinter Rethem bei km 1030 verpasse ich den Abzweig nach links und folge weiter der B 209. Erst kurz vor Walsrode bemerke ich den Irrtum, und jetzt wird es doch noch mal spannend, eine Route quer zum Track gibt es nicht, nach einigem Hin- und Her endet meine Suche nach einem Schleichweg auf einem verlassenen, herunter gekommenen Bauernhof. Ein großer zottiger Hund an einer Kette bellt mich kehlig an.
Ich schlucke die bittere Pille, fahre nach Walsrode und von dort nach Visselhövede, wo ich den Track wieder schneiden würde. Seltsamerweise begegnen mir auf offener Strecke die drei Milane. Heiner versichert mir, sie seien genau auf dem Track. Wir verabreden uns für Schneverdingen. In Visselhövede fülle ich nochmal den leeren Trinksack, das hatte ich auf meiner Umwegsaktion vernachlässigt, und finde gleich den Track. Auf den letzten Kilometern holt mich Andreas wieder ein. Während ich mich für ein ausgiebiges Nudelmahl und eine Plauderei setze, verlässt er die Stempelstelle gleich wieder.

Die letzten Kilometer bis in die Harburger Berge (es gibt sie wirklich!) geht es nochmal im Zickzackkurs für jeweils 30 Kilometer an zwei kurz hintereinander geschaltete Kontrollen. Hier sammeln wir offenbar noch Kilometer, um die 1200 voll zu kriegen.

Auf einer schmalen Straße über erstaunlich steile Hügel führt die Strecke geradewegs auf die Süderelbe zu. Es geht durch Kiefernwald und kleine Ortschaften in Rotklinkerbauweise. Daneben ein Handtuch breiter Radweg, dicht von einem Teppich aus Kiefernadeln bedeckt, der einen seifigen Belag bildet. Das Unwetter hat auch hier seine Spuren hinterlassen. Äste liegen kreuz und quer. Autos rasen bei strömendem Regen dicht an uns vorbei. Viele hupen, einige brüllen. Die Mischung aus schmaler Fahrbahn und ein Radweg, den man nicht befahren kann. Das hier ist brandgefährlich.

Ein Auto fährt neben mich. Durch die geöffnete Seitenscheibe brüllt mich der Fahrer an. Er hat Sichtkontakt zum Radweg. Er überholt, schneidet mich, kommt quer auf der Fahrbahn zum Stehen, steigt aus und brüllt mich bereits im Herannahen weiter an. Ich erwidere ihm, dass er für die Aktion in den Knast geht. Er rast davon. Ich probiere den Radweg. Der ist wirklich unpassierbar. Nach wenigen Metern wechsele ich auf die Straße. Ein VW-Bus rast wenige Zentimeter an meinem Ellenbogen an mir vorbei. Ich gerate auf den Grünstreifen zwischen Fahrbahn und Radweg. Der Fahrer des Busses rast weiter.

Hier verliere ich die Fassung, suche Schutz in einem sandigen Bushäuschen, ziehe mir die durchweichten Klamotten aus , wechsele auf verstunken und Regenzeug. Für die letzten Kilometer wollte ich nicht nochmal anhalten. Ein Fehler. Zum ersten Mal auf dem Brevet ist alles nass.

Auf die Straße zurück oder abbrechen? Eine Umfahrung gibt es von hier aus nicht. Matschige Waldwege ins Nichts.
Ich kehre auf die Straße zurück und bringe die letzten Kilometer bis zur letzten Kontrolle vor dem Ziel hinter mich.

Die von Claus angekündigten 1000 Jahre Knast in der Bikerkneipe entpuppen sich als umgängliche Leute. Einigen sieht man an, dass sie nicht erst seit gestern auf der Welt sind, aber sie sind freundlich und neugierig. Die immer wieder gestellte Frage, warum wir uns das antun, kann ich auch nicht beantworten. Jeder tut eben das, was er muss.
Ich bleibe eine Weile, die Mundart wärmt meine Seele. Hier habe ich, gleichwohl Hesse, meine Jugend verbracht und verfalle bei meinen seltenen Besuchen erstaunlich schnell in den alten Zungenschlag. Claus ist ja auch in Hessen geboren, aber dann in Hamburg geblieben. Glaubt man gar nicht! Für viele ist er ja das Sinnbild eines eingeborenen Hamburgers. Aber nicht selten ist Lokalpatriotismus bei den Zugezogenen am ausgeprägtesten.

Als ich die Kneipe dann doch verlasse, fährt Wolfgang aus Hamburg ein, im Schlepptau die große Russengruppe.
Die trödeln mir zu sehr. Wolfgang schließt sich mir an und so spannen wir uns für die letzten 40 Kilometer zusammen.

Hamburg: Claus‘ kleine Stadtrundfahrt

Wir fahren auf dem Damm des Fünfhausener Hauptdeichs an der Süderelbe entlang, der Belag ist glatt, es hat aufgehört zu regnen, flache Klinkerbauten sind in mildes Abendlicht getaucht, ich kriege richtig Lust auf Radfahren, lege los und Wolfgang muss mich stoppen. Mir ist wirklich nicht zu helfen!

Von nun an folgen wir einer anspruchsvollen Route abseits des Verkehrs, die Claus kenntnisreich und touristisch um die Sehenswürdigkeiten seiner Stadt herum ziseliert hat. Einige Male stoppen wir und müssen beraten, kleine und kleinste Wege schrauben sich in die Stadt. Wer sich seinen Restschnitt ausgerechnet und knapp in der Zeit ist, hat hier verloren. Unser Zeitkonto ist gut gefüllt, knapp drei Stunden bis Zeitschluss, und so schimpfen auch wir ein bisschen, aber die Bewunderung über unsere kleine unverhoffte Erlebnisreise überwiegt.

Besonders die bereits beleuchtete, von Baukränen umsäumte neue Hafencity schlägt mich in ihren Bann. Wir werden aus verschiedenen Perspektiven an sie heran geführt.

Zunächst überqueren wir die Süderelbe kurz oberhalb der Gabelung und gelangen so nach Stillhorn zwischen Süder- und Norderelbe. Über und unter Brücken geht es jetzt auf schmalen Wegen direkt auf die Veddel ins Zollhafengebiet. Wir passieren das Auswanderermuseum, eine Reihe lang gestreckter rot geklinkerter Hallen. Hier wurden die Auswanderer vor ihrer Reise in die Neue Welt abgefertigt. Herzstück des Museums ist seine weltweit vernetzte genealogische Sammlung mit 18 Mio. online verfügbaren Dokumenten.
Wir verlassen die Veddel, queren die Elbe erneut, auf einem Radweg direkt an der Schutzmauer der Großmarkthallen entlang, vorbei an den Deichtorhallen,wo sich uns ein unvergleichliches Hafenpanorama bietet. Über den Sandtorkai, linker Hand die Speicherstadt, rechter Hand die Hafencity, halten wir auf die Elbphilharmonie zu, die auf der Spitze des Sandtorkais direkt im Fluss auf dem Fundament eines alten Speichers thront. Am Michel vorbei, der bedeutendsten Barockkirche Norddeutschlands, mit ihrem weit hin sichtbaren Turm fahren wir auf breiter Spur durch Kleinmanhattan und schauen an den Glasfassaden hoch.
Über Kopfsteinpflaster erreichen wir direkt an den Landungsbrücken die Jugendherberge „Auf dem Stintfang“, die kleine Rampe bis zum Treppenaufgang nehmen wir betont sportlich unter dem Jubel einer Gruppe Randonneure, die uns von der Ballustrade herab als Sieger empfangen, unter ihnen wieder die drei Milanpiloten. Ich bin unheimlich erleichtert und auch irgendwie gereinigt. Das zwanghafte Gegrinse geht erst später los.
 
Paris-Hamburg 2017 (BRM 1200): Teil 4
Abschlussfeier: Freitag

Mittags treffen sich noch einmal alle in einem Tagungsraum der Herberge. Die Finisher nehmen ihre Medaillen entgegen. Claus und Rainer finden Worte der Anerkennung für die rund 60 Helfer, wir essen gemeinsam zu Mittag und hier lerne ich noch einmal einige von den Teilnehmern besser kennen, die mir während des Brevets begegnet sind.
Da erscheint Ichiro. Mit einem Tag Verspätung hat er sich ins Ziel gekämpft, sichtlich gezeichnet, das Gesicht etwas geschwollen, die Augen weit aufgerissen.
Von Claus wird er als der einzig wahre Randonneur unter uns bezeichnet und bekommt stürmischen Sonderapplaus. Er verbeugt sich und verspricht in einer kleinen Rede, auch in Zukunft seiner Finisherquote treu zu bleiben.
Und auch ich verbeuge mich vor der Leistung der vielen Freiwilligen und sage Danke, ohne Euch wären wir nichts!
 
Vor dem Backsteingebäude stehen die drei Jungs mit ihren Milanen und applaudieren. Sie machen aus ihrer technischen Überlegenheit eine Tugend und erwarten die nach ihnen herein Kommenden mit Beifall. Das baut auf, besonders wenn man auf der letzten Rille rein kommt so wie ich jetzt. Eine tolle Sache!
Dank Euch, Leute!
Das war nicht Großwieden, sondern Münster. Aber macht nichts, wenn es Dir gefallen hat. Du hast in Münster so gewirkt, wie Du geschrieben hast. Die Mannschaft in Münster war sehr nett. Aber Dein Zustand war wohl grenzwertig.
Toller Bericht und toll, dass Du Dich so durchgebissen hast.
 
@Fafnir
hier zwei Bilder von Dir, die Dich noch in gutem Zustand am 1. Tag gegen 13.14 Uhr kurz hinter Chalon-en-Champagne bei km 180.
Gruss Norbert
 

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Es hat lange gedauert bis ich Zeit und Ruhe gefunden habe, aber jetzt:

Anreise und Tag 1
Da ich noch nicht wusste, wie ich nach Paris kommen sollte, stellte ich eine Frage auf der ARA-Seite ein. Es antwortete mir Heiner mit einem auf den ersten Blick abenteuerlich anmutenden Plan. Die Velomobile sollten mit der Bahn transportiert werden. Alleine wäre es schwierig, diese unhandlichen Dinger in den Zug zu wuchten, zu zweit sicher machbar. Also trafen wir uns in der Nähe von Aachen in einem kleinen Hotel, wo Heiner etwas verspätet eintraf. Ihm war die Abdeckplane ins Schaltwerk geraten. Sollte er seinem ihm vorauseilenden Ruf als Pannenkönig gerecht werden?

Am Samstagmorgen begann unser Abenteuer mit dem Regionalexpress von Aachen nach Verviers und einem von unseren Rädern begeisterten Schaffner. Der Anschlusszug nach Brüssel klappte auch gut, nur im IC nach Tournai drohte der Zugbegleiter uns stehen zu lassen. Jedoch waren die Räder bereits verladen und der Zug hinter seinem Plan. Um die Verspätung nicht durch eine langatmige Diskussion eskalieren zu lassen, entschloss er sich widerwillig, uns mitzunehmen.

Von Tournai ging es auf eigener Achse nach Lille, wo uns SNCF endgültig einen Strich durch die Rechnung machte. Keine Chance auf eine Mitnahme der Räder und noch 250 Kilometer bis Paris. Heiner hatte etwas pannensicherere Reifen montiert, aber noch in Lille führte ein Glassplitter zu schmutzigen Fingern. Es wurde bald klar, dass wir das gebuchte Hotel in Torcy an diesem Tag nicht mehr erreichen würden. Mit Einbruch der Dunkelheit suchten wir nach einer Unterkunft. Unser Französisch war arg eingerostet und wir verstanden die Hinweise eines Passanten nicht sofort, dabei standen wir bereits vor der Herberge. Die Beschriftung an der Hauswand war einfach zu groß für uns. Nach dem Duschen versorgte uns die Wirtin sogar noch mit einem kleinen Nachtmahl.

Nach einem, wie es in Frankreich üblich ist, sehr bescheidenen Frühstück ging es weiter Richtung Süden. Die Routenführung des Garmin erlaubte kein zügiges Vorankommen, aber wir hatten es auch nicht eilig, machten neben einer Patisserie auf dem Gehweg eine Mittagspause und näherten uns nachmittags dem Startpunkt des Brevets an einem Sportplatz zur Einschreibung. Dort trafen wir auf Norbert, dem dritten Teilnehmer mit Velomobil, sowie Christof und Henrik, die mit Liegerad fahren wollten. Unter den Rennradlern kannte ich nur Christian, Henning und Rainmar von den Weserbergland-Brevets. Im Rahmen der kurzen Ansprachen wurden insbesondere einige osteuropäische Randonneure begrüßt, die so gut wie gar nicht Französich, Deutsch oder Englisch sprachen und trotzdem den Weg nach Hamburg fanden. Nach den Formalitäten checkten wir für eine kurze Nacht im Hotel ein. Auf dem Parkdeck trafen wir auf einen Japaner aus Frankfurt, der mir in Erinnerung rief, dass ich vor Jahren einmal mit einem seiner Landsleute zusammen den 200er im Weserbergland bestritten hatte. Darauf angesprochen, erwiderte er nur: „Ja, das ist mein Therapeut.“

Gegen fünf Uhr morgens wurde in drei Gruppen gestartet, wir in der Letzten. Nach einigen Kilometern und einem kurzen Anstieg war ich überraschend alleine und musste eine Viertelstunde auf Heiner und Norbert warten, weil Heiners Milan die Kette abgeworfen hatte. Wenige Minuten später hatte ich das Gefühl, es geht gar nicht voran. Ursache war ein Platten vorne rechts. Bis zur Dämmerung nach zwei Stunden Fahrzeit hatten wir immerhin schon 30 Kilometer zurückgelegt.

Der Track führte uns das Marne-Tal hoch, leider nicht immer am Ufer entlang, sondern auch über die Hügel, um die Schleifen des Flusses abzukürzen. Dabei sahen wir sehr schöne Landschaften, kamen aber nicht ins Rollen. Erst in der Champagne wurde es mit dem Auf und Ab etwas besser, aber durch die Weinernte waren die Straßen sehr verschmutzt. Bei den Rennradlern führte der Schlamm zu vollständig zugebackenen Bremsen, bei mir zum zweiten Platten, diesmal links. Die erste Kontrolle erreichten wir in Châlons-sur-Marne hinter einigen Rennradlern und enterten gemeinsam das erste Bistro zum Stempeln und Mittagessen. Christian am Nebentisch wirkte etwas gequält. Er hatte am Tag zuvor beim Sightseeing in Paris eine Absperrung übersehen und sich die Rippen geprellt, was ihn später zum Aufgeben zwang.

In Verdun überqueren wir die Maas, in Metz im Feierabendverkehr die Mosel. Mit der Dunkelheit nähern wir uns der deutschen Grenze, die man auch nur daran erkennt, dass die Ortsschilder eine andere Farbe haben. Bei der Kontrolle in Wallerfangen gab es etwas zu essen und die Möglichkeit zu schlafen, was wir auch wahrnahmen. Heiner hatte zwar ein Hotel etwa 40 Kilometer weiter gebucht, worauf wir aber angesichts der späten Stunde verzichteten. Das sollte sich als Fehler erweisen, denn als Schlafstätte hatte man für uns nur Feldbetten mit dünnen Decken in einem Zelt vorgesehen. Es waren wohl Temperaturen erwartet worden, die einer durchschnittlichen Septembernacht entsprochen hätten. Die Realität fühlte sich anders an. An erholsamen Schlaf war nicht zu denken, es war viel zu kalt. Als ich es nicht mehr aushielt, weil das Zittern nicht aufhörte, war Heiner schon wieder losgefahren. Norbert schlief noch und ich packte meine Sachen und machte mich auf den Weg.
Tag 2
Im Lauf der Nacht hatte es angefangen leicht zu regnen. Ein Stück entlang der Saar ließ sich gut fahren, dann ging es im Hunsrück stetig bergan Richtung Erbeskopf. Als die ersten Geschäfte öffneten, sah ich Heiners Milan vor einem Kiosk stehen. Drinnen traf ich erstmal nur einen anderen Randonneur an, dem die Nacht so zugesetzt hatte, dass sein nächstes Ziel der Bahnhof sein sollte. Auch Heiners Stimmung war nicht die Beste. Kein Wunder, denn der Kiosk war kein Delikatessenladen und eine Toilette gab‘s auch nicht und der nächste Streckenabschnitt war eine vom Regen aufgeweichte Baustelle. Kurz nach unserer Abfahrt schloss auch Norbert wieder zu uns auf.

Der Erbeskopf liegt auf über 800 Metern und warum musste man da hoch? Richtig, weil dort die nächste Kontrolle in Form einer Zange war, die kleine Löcher in unsere Hefte stanzte. Es war kalt, regnerisch und windig, also begaben wir uns möglichst bald wieder in die Obhut der Milane. Die Abfahrt war trotzdem ungemütlich, denn man konnte die Räder nicht einfach laufen lassen. Die Geschwindigkeit stieg allzu schnell und die Bremsen wurden ebenso schnell sehr warm. Bei den kurzen verkehrsbedingten Zwischenstopps konnte man es sogar riechen. Kurz vor Mülheim an der Mosel die vorerst letzte Belastungsprobe in steilen Serpentinen. Ein Aufenthalt im Weißen Bären entschädigte uns für den Hunsrück mit lecker heißem Kakao und Wraps mit Blick auf den Fluss bei Sonnenschein.

Über die Eifel hört man nicht viel Gutes, wenn es um Velomobilfahren geht, aber die Bahntrasse ließ sich wirklich gut fahren. In Wittlich, nach der Kontrolle, bog ich einmal falsch ab, was uns einen etwas beschwerlichen Weg mit Schiebeeinlage zurück auf Kurs bescherte. Durch die lange, moderate Steigung fiel unser Trio auseinander, weil jeder seinem eigenen Rhythmus folgte und ihn auch beibehielt. Durch einen weiteren Verfahrer meinerseits vermutete ich die anderen beiden vor mir und legte noch eine Schippe nach. Eine halbe Stunde später erzählten sie mir am Telefon, dass sie gemütlich in einem zum Café umgebauten Eisenbahnwaggon säßen und Pause machten. Wir entschieden für den Rest des Tages unabhängig voneinander weiterzufahren. Das Wetter schlug wieder um und auf der Abfahrt ins Ahrtal entluden sich wahre Sturzfluten aus den Wolken, die die anderen Teilnehmer auf den offenen Rädern leider nachhaltig beeindruckten.

Die Grenze zu Nordrhein-Westfalen war erreicht und es galt noch eine Wasserscheide zu überwinden. Mehr als zehn Kilometer zog sich diese Steigung hin, dann ging es auf das Rheintal zu, durch Bonn und über eine spiralförmige Rampe auf die Rheinbrücke. Die letzten Kilometer nach Spich im Dunkeln waren etwas schwierig zu finden, denn der Track führte durch Wohngebiete auf Schleichwegen zwischen Hecken lang. Am Sportplatz angekommen, prüfte ich nach den Erfahrungen der letzten Nacht erstmal den Schlafraum. Aber nicht nur der, sondern auch die Bewirtung waren sehr nach meiner Mütze. Ich freute mich Hajo zu treffen, der mit Vereinskollegen die nächtliche Betreuung der Randonneure übernommen hatte. Nach dem Essen und Duschen waren auch die anderen beiden Velomobilisten eingetroffen, Heiner mit gerissenem Schaltzug, den Hajo ihm dankenswerterweise austauschte, während ich mich in die Waagerechte begab.
Tag 3
Morgens um fünf, als wir wieder losfuhren, endete auch das Zeitfenster zum Stempeln. Wir waren an der Maximalzeit angelangt. Bei Altenberg mussten wir das Tal der Dhünn verlassen. In den Serpentinen machten wir uns bestimmt beliebt durch eine lange Autoschlange, die wir hinter uns herzogen, ohne eine Möglichkeit diese passieren zu lassen. Es folgte wieder eine alte Bahntrasse im Wechsel mit Autostraßen. In Wermelskirchen verpassten wir die Auffahrt zurück zur Trasse, die ein paar Meter oberhalb über Brücken geführt wurde. Da uns der Verkehr nicht gefiel, trugen wir die Räder durch ein Gebüsch hoch auf den Bahndamm. Jeden Tag ein kleines Abenteuer. Der Kettenabwurf von Heiner an einem Drängelgitter gehört schon fast nicht mehr erwähnt. Ab Lennep hätten wir schön rollen lassen können, wenn nicht der Wind zugenommen hätte und dazu auch noch böig gewesen wäre. Mehr als einmal brauchten wir etwas Platz für ungewollte Schlenker. Nach Überquerung der Wupper machte das Bergische Land noch einmal seinem Namen Ehre, dann wurden wir durch Witten und Dortmund gepustet und es wurde endlich flach.

Durch den kräftigen Rückenwind waren die Rennradler streckenweise fast so schnell wie wir mit den Milanen. An der Kontrolle in Olfen hatten wir schon wieder viel Zeit gutgemacht und bis Münster war es noch eine gute Stunde. Nur der Verkehr in Münster hielt etwas auf. Dort wäre wieder Gelegenheit zum Schlafen gewesen, aber dazu war es noch viel zu früh. Also füllten wir nur die Speicher auf und hielten auf den Teuto zu. In Bad Laer fuhr Heiner versehentlich auf eine Autostraße und Norbert hatte ein kleines Problem mit der Kette. Während ich zusah, dass ich die Autostraße hinter mich brachte, verloren wir uns aus den Augen und nach einem Telefonat fuhr wieder jeder auf sich gestellt.

Sobald ich mich wieder in meiner erweiterten Heimat und damit auf bekannten Straßen bewegte, lief das Rad gleich viel besser. Die Hügel bis Herford nahm ich schon gar nicht mehr richtig zur Kenntnis und die Steigung aus Herford raus auf Exter zu hatte ich auch schlimmer in Erinnerung. Die fünf Kilometer nach Vlotho runter blieb meist eine sechs oder sieben vorne auf dem Tacho. Entlang der Weser erreichte ich mit dem Dunkelwerden Großenwieden, wo ich schon oft zum Brevet gestartet war. Die Skyline von Großenwieden war allerdings von blauem Flackerlicht beleuchtet. Es war jemand statt auf die Fähre, mit dem Auto in die Weser gefahren und Polizei und Feuerwehr waren im Einsatz. Kein Personenschaden, aber das Fahrzeug musste noch geborgen werden. Das Feuerwehrhaus, unsere Stempel- und Versorgungsstation, war deshalb auch etwas unterbesetzt, was aber durch Christian, der hinter Wallerfangen abgebrochen hatte, ausgeglichen wurde. Er war mit der Bahn nach Hause gefahren und engagierte sich hier als Helfer.

Mir war noch nicht nach Schlafen und es war noch nicht sehr spät. Ich kündigte mich also zuhause an und machte mich auf den Weg. Entlang der B217 gibt es nur eine Möglichkeit zu fahren. Jedoch war dieser Weg übersäht mit Windbruch und ich fürchtete einen größeren Umweg durch umgestürzte Bäume oder unfreiwillige Bastelpausen durch Reifenpannen. Es blieb aber bei einer verlangsamten, vorsichtigen Fahrt. Es ist schon ein gutes Gefühl, frisch geduscht im eigenen Bett zu liegen, morgens mit der Liebsten zu frühstücken, etwas Gepäck abzuladen und frisch den vierten Tag anzugehen.

Tag 4 und Rückfahrt
Das Wetter hatte sich beruhigt und es machte wieder richtig Freude zu fahren. Bis Schneverdingen gab es keine erwähnenswerten Vorkommnisse. Die Stempelstelle war ein gutbesuchtes Hotel am Ortsrand. Die Randonneure mit ihren Warnwesten standen in starkem Kontrast zu den schlipsbewehrten Seminarbesuchern und eine freundliche Angestellte verhalf mir zu einem leckeren zweiten Frühstück. Da für ein Superbrevet die Strecke über 1200 Kilometer lang sein muss, hatte man noch eine Kontrolle in Hollenstedt eingebaut, was nebenbei auch noch zu einer Besichtigungstour durch die Harburger Berge führte. Landschaftlich durchaus reizvoll, aber ich wollte nun doch so langsam mal ankommen. Noch eine Zange in Quarrendorf, eine angekündigte aber wieder vergessene und deshalb überraschende kleine mobile Versorgungsstelle auf freier Strecke und dann die Kontrolle in Stelle, der Klimperkasten, wo hundert Jahre Knast zusammensitzen laut Claus Czycholl beim Eröffnungsbriefing. Ich hatte eine nette, kurze Unterhaltung mit den schweren Jungs, aber es war definitiv zu verqualmt, um dort länger zu verweilen.

Entlang dem Elbdeich kam Hamburg näher. Ich ließ es gemütlich rollen, denn es war noch Zeit genug. Über die Süderelbe führte ein sehr schmaler Pfad parallel zur Autobahn. Bitte kein Gegenverkehr! Auf kleinen Nebenstraßen zur Norderelbe und dann auf Radwegen durch die Hafencity und als I‑Tüpfelchen noch 500 Meter Kopfsteinpflaster vor der Jugendherberge, wo der Empfang unspektakulär war, was ich aber eigentlich auch nicht anders erwartet hatte.

Das Eintreffen von Heiner und Norbert habe ich verschlafen. Erst zum Frühstück sahen wir uns wieder, um uns über die Vorkommnisse des letzten Tages auszutauschen. Zum Mittagessen fanden noch einmal alle verbliebenen Teilnehmer zusammen, um Medaillen für die Erreichung des Zieles entgegen zu nehmen. Ich vertrödelte den Rest des Tages und machte mich am nächsten Morgen auf den Heimweg. Dabei verließ ich mich auf das Routing des Garmin, was mich zuerst sicher aus Hamburg rausführte, jedoch in der Lüneburger Heide auf einen Sandweg leiten wollte. Also dem Navi widersprechen und ein paar Extrakilometer sammeln. Der Rest bis nachhause war Routine.

Es war eine schöne und erlebnisreiche Woche mit meinen beiden Begleitern und all den Anderen, Teilnehmern wie Helfern. Wir hatten von vornherein geplant, jede Nacht zu schlafen, was nur in der ersten Nacht problematisch war. So konnten wir meinem größten Widersacher, der Müdigkeit, aus dem Weg gehen. Meine durchgefahrenen 600er habe ich mühseliger in Erinnerung als dieses überwiegend bei Tageslicht bewältigte Super-Brevet. Heiner hat seinen Ruf als Pannenmagnet nicht bestätigt, dafür wird ihm jetzt in manchen Kreisen nachgesagt, er sei immer hungrig und stehe zu viel in Bäckereien rum. Norbert fiel in erster Linie durch Unauffälligkeit auf und spulte einfach sein Programm ab. Dieses Mal kam kein Gedanke auf, der in der fragwürdigen Sinnhaftigkeit des Unterfangens begründet war, sondern ich machte noch in Hamburg Pläne für das nächste Jahr.
 
Hallo zusammen,

ein kleiner Bericht, Teil 1:

Nach der Arbeit fahre ich mit der S-Bahn zum Busbahnhof, ab wo mich ein Flixbus nonstop nach Paris bringen soll. Eigentlich wäre mir ein Zug lieber gewesen, aber über Nacht fährt da nichts mehr, so dass ich einen ganzen Tag verlieren würde. Ich bin zwar rechtzeitig am ZOB, aber den Bussteig erfährt man erst kurz zuvor, so dass man nur herumsuchen kann. Die Abfahrtszeit rückt näher, aber der Bus bleibt verschwunden. Erst über eine halbe Stunde verspätet taucht er dann auf; ich versuche, das Liegerad an den Fahrradständer zu hängen, aber der Arretierhebel ist zu lang; der Busfahrer findet mir einen Platz in einem Laderaum. Auf der Fahrt kann ich halbwegs schlafen; morgens staut sich der Bus nach Paris hinein, und kommt nicht zu sehr verspätet am Busbahnhof Bercy an. (Wie ich später erfahre, war die Fahrt im gemieteten Bus der Hamburger viel länger und mühsamer.) Von dort aus ist es nicht weit zum Gare de Lyon; ich will erst mal mein Gepäck abladen. Es führt eine RER-Linie direkt nach Noisy. Bei der RER sind Fahrräder erst nach dem Berufsverkehr erlaubt, kosten dafür aber nichts. Dank einer vorigen technischen Störung waren die Züge aber auch derart überfüllt, dass ich mit dem Liegerad überhaupt keine Chance gehabt hätte.

Nach dem Check-In ziehe ich noch einmal los; ich fahre mit dem Zug in die Stadt, und besichtige das Musée d’Orsay. Vor allem die Sammlung der Impressionisten ist beeindruckend. Anschließend schaue ich mir die Fondation Louis Vuitton an – dieses Museum hat zwar gerade keine Ausstellungen, aber schon die Architektur ist beeindruckend. Dann noch die Aussicht vom Dach der Galeries Lafayette mitnehmen, und durch den strömenden Regen zurück zur RER, und ab ins Hotel. Gut, dass der Regen jetzt durchzieht. Für das Brevet ist weitgehend trockenes Wetter angesagt, Sonne und Wolken, und angenehme Temperaturen – nicht so heiß wie in der Vorwoche, aber auch nicht zu kalt, knapp 20 °C. Und vereinzelt Regen, aber nur sehr geringe Mengen. Zumindest ist es das, was mehrere Wetterberichte übereinstimmend sagen.

Am Samstag ist es sonniger, mit vereinzelten Schauern; wenn ich schon hier im Osten von Paris bin, besuche ich auch das Disneyland. Mag zwar nicht jedermanns Sache sein, aber alles ist definitiv sehr detailreich und liebevoll gestaltet. Und am Sonntag ist die Vorbesprechung am Startort, nur 4 km vom Hotel entfernt. Auf dem Weg werfe ich einen Blick in den Park des Schlosses Champs-sur-Marne, der sich vom Schloss sanft nach unten bis zur Marne erstreckt. Die berühmteste Schlossbewohnerin war Madame de Pompadour. Dann noch bei der Schokoladenfabrik Menier vorbei, und dann zum Startort in Noisiel. Warum ausgerechnet dieser kleine Sportplatz? Weil die Pariser Brevets auch von dort starten. Ich treffe die anderen Spezialradfahrer – @Fafnir , @Bergschnecke und @Sturmvogel . Claus Czycholl hält eine Ansprache, unterstützt von Sina, die ins Französische übersetzt. Wir erfahren einige Anekdoten, wie es zur Gründung es ARA kam – und dass es dabei nicht nur um Radsport ging, sondern sich tiefe persönliche Freundschaften entwickelt haben. Claus empfiehlt uns auch die russischen Brevets – der russische Veranstalter nimmt auch teil, und überreicht Claus ein russisches Trikot. Dann ist die Vorbesprechung auch schon bald beendet; nachdem wir unsere Startkarten haben, verschwinden wir in unsere Hotels, um für morgen gut ausgeschlafen zu sein. In meinem Hotel sind zum Glück die Hamburger mit ihrem Bus, so dass ich das Gepäck gleich vor der Abfahrt einladen kann.

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Am Montag dann das Brevet. Kurz vor vier Uhr morgens muss ich aufstehen; die anderen Randonneure haben zum Glück arrangiert, dass man um diese Zeit schon frühstücken kann, und ich versuche, in kurzer Zeit möglichst viel in mich hereinzuschaufeln. Als ich dann kurz vor halb fünf mein Gepäck in den Bus einladen will, schüttet es gerade wie aus Kübeln. Das ist doch jetzt echt nicht nötig! Aber schon nach wenigen Minuten ist es vorbei, ich steige auf mein Liegerad, und fahre die vier Kilometer bis zum Start. Dort haben die Organisatoren zwar auch ein kleines Frühstück aufgebaut, aber ich bin froh, schon zuvor in Ruhe etwas gegessen zu haben. Und bald darauf geht es auch schon los. Wir müssen leise sein, weil nebenan der Hausmeister des Sportplatzes mit seiner Familie noch schläft. Nachdem die erste Startgruppe weg ist, hole ich meinen Startstempel, starte meinen GPS-Tracker und mein GPS, und bin bereit zur Abfahrt – fast! Denn mir fällt siedendheiß auf, dass ich gar keinen Track auf meinem GPS habe. Alles runtergeladen, die richtigen Karten aufs Handy, den Tracker gestartet, aber das GPS vergessen. Verdammt! Jetzt muss es ohne gehen, d.h. den anderen Fahrern folgen, oder immer wieder aufs Handy schauen und mit der GPS-Karte abgleichen.

Nach einer ersten Steigung haben wir die Vororte von Paris verlassen, und es geht über das flache Land dahin. Zumindest sieht es ländlich aus; nichts deutet darauf hin, dass in wenigen Kilometern Chessy mit dem Disneyland liegt. Wir queren die Autobahn, kurz danach die Schnellfahrstrecke; dazwischen steht unvermittelt eine Windmühle am Waldrand. Hinter zwei Dörfern der Brie (ja, von hier kommt der Käse) geht es hinunter in ein Flusstal. Mangels Track verfahre ich mich kurz, und werde von den Rennradlern, die ich nach dem Start hinter mir gelassen habe, überholt. Auf dieser kleinen Straße kommen mir viele Autos entgegen – der Berufsverkehr scheint begonnen zu haben, und nutzt diesen Schleichweg. Nach einem weiteren Stück über eine Hochebene geht es bei Jouarre hinunter zur Marne; ich verfahre mich kurz, und langsam wird es hell. Laut Schildern fahren wir kurz durch die Picardie, bald sind wir aber in der Champagne – Weinberge säumen das Tal und Weingüter die Dörfer.

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Einige Flussschleifen weiter komme ich durch Château-Thierry, und hier erwartet mich ein Stau. Anscheinend wegen einer Abzweigung, wo der Verkehr an der Marne-Brücke abzweigt oder einmündet. Ein Rennradler nach dem anderen kommt und fährt am Stau vorbei; schließlich taste ich mich auch nach vorne, und hinter der Kreuzung ist die Straße wieder frei. Aber zwei Dörfer später passiert das nächste Malheur: Es geht leicht bergab, und geradeaus durch einen Kreisverkehr. Ich tippe nur leicht auf die Bremse, und schon stürze ich und schlittere über den ganzen Kreisverkehr. Zum Glück war kein Auto direkt hinter mir. Es muss spiegelglatt gewesen sein. Obwohl Knie, Knöchel und Oberschenkel aufgeschürft sind, fahre ich sofort weiter – nur, um kurz danach von einem Pfeifen auf einen Platten im Hinterrad hingewiesen zu werden. Taugt der Minits Lite doch nichts? Es stellt sich heraus, dass ein mehrere Millimeter großes Steinchen komplett im Reifen steckt, anscheinend sich mit Schlamm hingeklebt hat, und dann mit jeder Umdrehung reingehämmert wurde. Und auf den nächsten 10–20 km verstehe ich auch, warum: Wir fahren hier im Marne-Tal durch die Weinberge, in denen die Trauben für den Champagner wachsen. Und anscheinend ist gerade Ernte, und die Traktoren haben Unmengen von Erde auf den Straßen verteilt, die dank des kürzlichen Regens sehr gut klebt und sehr rutschig ist. Ich fahre wie auf rohen Eiern, teils dreht das Hinterrad beim Antritt durch, weil sich der Schlamm millimeterdick auf dem Reifen absetzt. Und dabei habe ich es noch gut. Bei den Rennradfahrern betoniert er die Bremszangen zu; alle sagen später übereinstimmend, so etwas hätten sie noch nie erlebt, und einer leiht sich mein Multitool, um den festgebackenen Schlamm mit Gewalt loszuhebeln.

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Fünf Stunden nach dem Start öffnet sich das Tal, die Weinberge verschwinden, und die Champagne wird so, wie ich sie kenne: flach, mit Feldern bis zum Horizont. Ich fliege dahin, überhole immer wieder mal einen Rennradler, und bin bald in Châlons-en-Champagne, wo sich die vorausfahrenden Rennradler eine Bäckerei als Kontrollstelle ausgesucht haben. Ich halte ebenfalls an, kaufe mir ein zweites Frühstück, und schmiere mich mit Sonnencrème ein – in der Hoffnung, dass es ein sonniger Tag wird. Dann geht es weiter durch die Stadt, vorbei an vielen Ampeln, und dann hinauf aus dem Tal nach L’Épine. Hier fuhr ich bei 3wheels4france in Gegenrichtung; kaum zu glauben, dass diese geringe Steigung in Gegenrichtung mit dem Velomobil so schnell wird. Weiter geht es über kleine Nebenstraßen nach Osten, vorbei an weiten Feldern und Getreidespeichern, und der zunehmende Westwind bläst mich ordentlich vorwärts. Lange fahre ich alleine dahin, teils etwas zäh, weil es unmerklich bergauf geht, aber hole dann noch zwei Rennradfahrer ein. Aber ab Sainte-Menehould, wo es hinauf in die Argonne geht, muss ich zumindest einen von ihnen ziehen lassen. Bei Clermont-en-Argonne (da hatte ich bei 3w4f gefrühstückt und einen Platten geflickt) und Dombasle warten weitere Steigungen auf mich, inzwischen hat es sich bewölkt und der Wind bläst ziemlich kalt, und vor Verdun erweist sich ein gelbes Blinklicht neben der Straße als Panzer auf dem Truppenübungsplatz. Ich bin froh, als ich unten bin, treffe die anderen wieder bei einer Bäckerei, und kaufe mir eine Stärkung. Ich bin etwas erschöpft, weil es durch die Hügel und mit dem kalten Wind doch anstrengend war.

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Anschließend folgt der Stadtverkehr durch Verdun, und mehrere Steigungen auf stark befahrenen Straßen aus dem Maas-Tal hinauf. Der Verkehr lässt schnell nach, wohl dank der parallelen Autobahn, aber die folgende Abfahrt kann ich trotzdem nicht genießen – die Windböen sind so heftig, dass ich arg ins Schwitzen komme. Und dann warnen Schilder vor einer Straßensperrung in 20 km Entfernung und raten zu großräumiger Umfahrung. Ich ignoriere das natürlich; hat den Vorteil, dass die Straßen dorthin dann praktisch verkehrsfrei sind. Seit der großen Abfahrt ist das Land wieder bretteben, die dichte Bewölkung hat sich wieder aufgelöst, und es geht sonnig und mit Rückenwind flott dahin. Die Baustelle erweist sich als gesperrte Brücke; aber als Radfahrer kann man an den Bauarbeitern bequem vorbeifahren.

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Dann steigt das Land wieder langsam an, nach einem Zwischental immer steiler, und anschließend geht es bergab zur Mosel – hinein in den Ballungsraum von Metz. Und eine Baustellenampel sorgt prompt für einen längeren Stau. Als ich so stehe, werde ich wieder von Rennradlern überholt, und folge ihnen schließlich vorbei am Stau. Da ich immer noch keinen Track auf dem GPS habe, hänge ich mich schließlich an einen Rennradler, und lasse mich von ihm zickzack durch Metz navigieren. Das ist sehr anstrengend, weil er offenbar versucht, seine Gruppe wieder einzuholen; aber auf der anderen Seite der Mosel, wo ich kurz falsch abbiege, wird die Wegführung wieder einfach, und ich kann in Ruhe den Berg hinaufkurbeln. Es geht auf einer schnurgeraden Straße mit viel (aber abnehmendem) Verkehr nach Nordosten; links in der Ferne sehe ich die Kühltürme von Cattenom, und rechts und links voraus sehe ich Regenschauer, aber zum Glück erwischt mich keiner.

Vorbei an lustigen Ortsnamen wie Freistroff und Rémelfang erreiche ich irgendwann Bouzonville; dahinter geht es wieder zäh bergauf. Und die Abfahrt danach, hinunter zur deutschen Grenze, kann man auch nicht genießen, weil man unten abbremsen und links auf eine winzige Straße fahren muss, wieder bergauf in ein Dorf mit zwei Ortsschildern von beiden Ländern. Wieder eng bergab in ein Flusstal, und bald wieder lange bergauf auf der anderen Seite; schließlich bremse ich auf den Serpentinen bei St. Barbara den Höhengewinn wieder weg, und rolle schließlich zum Campingplatz von Wallerfangen, der dritten Kontrolle. Die Abendsonne hat sich langsam im Dunst aufgelöst, der Wind bläst nach wie vor, und mit der Dämmerung kommt die Kälte. Auf den letzten Metern kommen mir ein paar Randonneure entgegen; ich werde aber erst einmal eine ausführliche Pause machen. Schön, sich hinsetzen und ausruhen zu können – die letzte Etappe war doch anstrengend.

Eigentlich habe ich mich auf eine warme Suppe oder ähnliches gefreut; die Veranstalter haben zwar ein reichhaltiges Angebot an Essen, aber leider nichts warmes, außer Kaffee. Und auch die Schlafmöglichkeit ist wenig einladend, draußen in der Kälte im Zelt. Die Veranstalter haben wohl auch mit wärmeren Temperaturen gerechnet. Während ich Kartoffelsalat, Frikadellen, Kuchen und immer wieder Kaffee in mich hereinschaufele, bearbeite ich das GPS; ich habe zum Glück meinen USB-OTG-Adapter dabei, so dass ich den Track vom Handy aus draufkopieren kann.

Nach einer ausgiebigen Pause geht es dann weiter. Längst ist es stockdunkel geworden; jetzt gilt es, den Hunsrück zu überqueren. Stefan hatte gesagt, der Weg sei harmlos, es ginge die nächsten 70 km gleichmäßig nach oben. So ganz stimmt das nicht; die Steigung hält sich zwar in Grenzen, aber es gibt immer wieder Abfahrten, so dass man einen Teil der Höhenmeter doppelt fährt. Noch läuft es ganz gut, aber die ganzen Höhenmeter seit der Champagne stecken mir noch in den Knochen. Ich komme unter anderem durch Dagstuhl – hier, in dieser Abgeschiedenheit, befindet sich im Schloss das Leibnitz-Zentrum für Informatik, wo Tagungen stattfinden. Irgendwann begegnen mir dann zwei Randonneure, die langsam herumeiern; ich ziehe an ihnen vorbei, aber eine Weile später überholt mich einer von ihnen, Paffi, wieder. Es wird immer steiler, es läuft immer zäher, aber irgendwann bin ich dann doch endlich oben auf dem Gipfel des Erbeskopf. Paffi kommt mir erst ganz am Ende entgegen; er hat also genauso gekämpft. Oben muss ich erst einmal die Kontrollzange finden; das Schild sehe ich zwar bald, aber ich muss erst einmal draufkommen, dass die Kontrollzange unten am Fuß des Pfostens tief im Gras liegt. Schnell noch GPS-Akkus wechseln, und dann weiter – hier oben bläst ein ziemlicher Wind, es ist schweinekalt.

Dann kommt die Abfahrt; leider passe ich nicht auf, und verpasse die Abzweigung nach Morbach. Egal, der Track quert die Umgehungsstraße, und ich will nicht umdrehen und bergauf fahren. Leider quert der Track auf einer Brücke. Ich entschließe mich, das Rad die paar Meter zu tragen; und muss mich dann in der Dunkelheit über eine sehr steile Böschung durch das Gestrüpp hocharbeiten, was deutlich härter ist als gedacht. Aber irgendwann bin ich oben, wuchte das Ding über die Leitplanke, und will mit einem kräftigen Antritt losfahren. Pling – da reißt die Kette. Das muss irgend ein Materialfehler sein; schon vor zwei Wochen ist mir ein Kettenglied durchgerissen, daher weiß ich zumindest, was ich machen muss. Kette wieder durch die Rohre fädeln, in die ölige Umlenkrolle greifen, schauen, dass sich nichts verdreht, mit dem Kettennieter das kaputte Glied entfernen, mangels Verschlussglied ein Ersatzglied vom Reservestück abtrennen, und alles wieder vernieten. Nach einer Ewigkeit bin ich fertig, und kann weiterfahren. Zuerst geht es noch einmal lange bergauf – und dann kommt endlich die Abfahrt hinunter an die Mosel. Leider mit vielen Serpentinen, die ich langsam herunterrolle. Und mit der Kälte und Erschöpfung geht der Kreislauf in die Knie, und ich werde todmüde. Ich muss mehrmals anhalten, um nicht einzuschlafen. Eigentlich war ja mein Plan, die erste Nacht durchzufahren, und später dann immer mehr zu schlafen. Wenn es hier eine Bank mit Geldautomatenvorraum gäbe, würde ich mich reinlegen – aber hier ist weit und breit nichts. Ich habe zwar einen Biwak-Sack dabei, aber auch keine echte Lust, mich hier bei Kälte und Wind in den Straßengraben zu legen. Also weiter. Ist ja nicht mehr weit bis Wittlich. Der Track geht über kleine Wege, ich bevorzuge die größeren Straßen, und verfahre mich am Ortseingang, weil ich die tiefergelegte Umgehungsstraße nicht erkenne. Endlich bin ich bei der Tankstelle, wo der Nachtschalter besetzt ist und ich mir etwas kaufen kann. Zwei Brezen und einen Red Bull. Währenddessen taucht ein anderer Randonneur auf, den ich vorher schon herumschleichen gesehen habe; bei ihm läuft es wohl auch nicht so gut.

Den Anfang des Bahntrassenradwegs finde ich recht problemlos; und dann geht es angenehm kurvig mit gleichmäßiger Steigung und durch mehrere Tunnels hinauf in die Eifel. Hinter dem Ende der Bahntrasse kommt wieder die Müdigkeit, die Konzentration für steile Abfahrten und enge Kurven fehlt, und so halte ich in Gillenfeld an einer Tankstelle, und kaufe mir einen Kaffee. Das tut gut! Langsam wird es hell; ein weiterer Bahntrassenradweg beginnt, und führt in Schleifen durch die Vulkaneifel. Jammerschade, dass man von den Maaren nicht viel sieht, und das Wetter grau und regnerisch ist. Irgendwann erreiche ich dann Daun, wo die Bahntrasse auf einem Viadukt ein Tal überquert und einen schönen Blick auf die Stadt bietet. Leider beginnt es zu regnen. Hinter Daun endet der Bahntrassenradweg auch schon wieder, und es geht auf einer verkehrsreichen Straße weiter, die zum Glück anfangs einen Radweg hat, der aber einige Zusatz-Höhenmeter bietet und vor der Autobahn endet. Ein paar Kilometer weiter zweigt der Track zum Glück ab; es geht auf winzigen Sträßchen bergauf und bergab, und dann noch einmal steil nach Boxberg rauf. Eigentlich ist der Regen gar nicht so unangenehm, aber ich bin dann doch froh, als er endet; auf einem Höhenrücken geht es nach Nordwesten, in den Wolkenlücken kommt teilweise die Morgensonne durch, und taucht die umgebenden Täler in ein goldenes Licht. Bei Hoffeld hat man dann einen schönen Blick auf die Kuppe des Arembergs. Weil sich der folgende Track dahinschlängelt, habe ich die Hoffnung, durch ein Flusstal bergab aus der Eifel hinaus zu reiten; aber leider geht es erst auf winzigen Straßen kurvig und steil hinunter an die Ahr, so dass man alles wegbremsen muss, und dann ein paar Kilometer am Fluss entlang. In einem Café sehe ich einen Randonneur frühstücken; leider hält die Bergab-Etappe nicht an, sondern bald geht es nach links, durch das Tal eines Nebenflusses, wieder bergauf. Natürlich nicht steil, aber zäh, die Motivation ist niedrig, und der Randonneur überholt mich. Am höchsten Punkt geht es dann wieder nach Nordosten. Bald sehe ich rechts in einer Senke die weiße Schüssel des Radioteleskops Effelsberg; jammerschade, dass der Track nicht direkt dort vorbeigeht. Das Tal wird kurz darauf gequert, leider wieder in engen Kurven, so dass man jeglichen Schwung wegbremsen muss. In Rheinbach habe ich dann endlich die Eifel verlassen, und es geht flott dahin – und ich will endlich ankommen. In einem der nächsten Dörfer sehe ich den Randonneur wieder; er springt auf, spurtet los, und hängt sich an mich dran – wie er mir später sagt, musste er gerade die GPS-Batterien wechseln, und so hat er sich lieber an mich gehängt und ist mir gefolgt. Gemeinsam fahren wir durch Bonn und die ganzen Vororte, mit etlichen Abzweigungen und Ampeln. Auf der anderen Seite des Rheins ist es zwar besser, dafür werden wir über winzige Pfade hinten um die Dörfer geführt – wir sind froh, dass wir den Weg nicht nachts finden müssen, bei Tag ist es schon schwierig genug. Endlich sind wir in Spich, wo ich mir wieder eine lange Pause verdient habe.

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Teil 2:

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Während ich mich durch das Büffet futtere, werde ich von einem Reporter interviewt. Es ist ein angenehmes, langes Gespräch; der Reporter ist wohl wirklich interessiert, und will nicht nur seine Vorurteile bestätigen. Draußen macht er noch einige Fotos von mir, und schreibt nachher auch einen wirklich schönen Artikel. Nach dem Essen mache ich mich wieder auf den Weg; die Straßen sind zwar noch nass, aber das Wetter sieht gut aus. Die Strecke kenne ich vom letzten 400er-Brevet, damals allerdings in den frühen Morgenstunden. Aber auch jetzt hält sich der Verkehr in Grenzen. Bei Bergisch Gladbach begrüßen mich zwei Schilder, die die verbleibende Strecke bis Hamburg anzeigen und mir Bonne Route wünschen. Bald darauf bin ich in Odenthal, es geht entlang der Dhünn, und dann in Altenberg hinauf auf die Höhen des Bergischen Landes. Ich bin schneller oben als gedacht; mir haben in den vergangenen Stunden die Knie wehgetan, wegen den Steigungen und der Kälte; aber jetzt, nach der Pause und der flachen Strecke, ging es mir immer besser. Bald bin ich auf dem Balkantrassen-Radweg; das komplizierte Stück in Wermelskirchen kenne ich zum Glück schon. Kurz darauf, am höchsten Punkt, halte ich für einen Fotostopp; aber dann fängt es an zu regnen und sogar zu hageln, ich stelle mich unter einen Baum – was bei dem kurzen Schauer ausreicht. Die vielen Kilometer feuchter Straße haben auch an meinem Rad Spuren hinterlassen; die Scheibenbremsbeläge sind stark abgenutzt. Ich wechsle sie, bevor die Abfahrten kommen. Das ist ein paar Kilometer weiter, hinter Lennep der Fall – schwungvoll geht es hinunter zur Wupper. Die Straße ist zwar nass, aber ich riskiere doch ein flottes Tempo, um die Autos und Lastwagen hinter mir nicht zu sehr auszubremsen.

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In Wuppertal halten mich einige Ampeln auf; aber dann geht es auch schon von Oberbarmen aus bergauf nach Norden. Einen Stau wegen eines defekten Autos umfahre ich auf dem Fußweg, und oben, hinter den Autobahnen, wird der Verkehr auch wieder erträglich. Sonnig und flott geht es dahin, hinunter nach Witten, und weiter im Westen von Dortmund vorbei. Immer wieder ziehen sehr dunkle Wolken durch, ich sehe Felder und Wiesen und Bauernhäuser und dahinter einen Regenbogen – und das Ganze mitten im Ruhrgebiet. Vor Waltrop muss ich mich noch einmal unterstellen, weil ein Regenschauer durchzieht. Hinter dem Datteln-Hamm-Kanal habe ich dann endgültig das Ruhrgebiet verlassen und fahre etwas zickzack nach Olfen, das ich gerade bei den letzten Sonnenstrahlen erreiche. Diese Etappe lief einfach fantastisch, es war relativ flach, zudem warm und meist sonnig. Ich bin richtig gut erholt, und fahre, wie als wäre ich frisch gestartet.

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Nach einer Wurstsemmel und einem Kaffee (beide fantastisch!) fahre ich weiter. Bis zur nächsten Kontrolle sind es nur 40 km. Mein GPS will schon wieder neue Batterien; vielleicht reichen sie noch bis Münster. Und so rase ich los. Hinter dem Dortmund-Ems-Kanal wird es bald richtig dunkel, und auf kleinen, verkehrsarmen Straßen geht es um Lüdinghausen herum, und dann nach Norden. Bei Hiltrup überhole ich einen österreichischen Randonneur (ich glaube, es war Ferdinand Jung), bin bald darauf in Münster, und habe mich im Zickzack durch die Stadt gearbeitet zur Kontrolle, die im Osten liegt. Hier esse ich eine Portion Nudeln; auch hier wartet ein Journalist, der Fragen stellt und Fotos macht. Während Ferdinand bald wieder weiterfährt, lege ich mich ins Bett. Ich fühle mich nicht wirklich müde, aber die nächste Kontrolle ist weit. Ich schlafe aber nur eine knappe Stunde, und mache mich dann fertig für die Weiterfahrt. Je länger ich warte, desto sicherer erwischt mich der Regen. Aus der Stadt bin ich schnell draußen; und danach wird es gleich sehr einsam. In Telgte erwarten mich noch die Reste eines Dorffests (aber kaum Leute), und danach wird es absolut einsam. Über viele Kilometer kommt kein nennenswerter Ort, in der Dunkelheit sehe ich kaum ein Auto, aber es ist flach und läuft ganz gut. Nach zwei Stunden kommt aber wieder die Müdigkeit. Ich muss immer wieder anhalten. Hinter Borgholzhausen geht es kurz bergauf, aber nicht so schlimm – schon ist der Teutoburger Wald gequert. Etwas später fängt der Nieselregen an – wenigstens hält der etwas wach. Bei Enger ist er aber dann so heftig, dass ich mich unterstelle; aber es ist kalt und nichts ist geöffnet, es gibt nicht einmal eine Bank mit Geldautomatenvorraum. Also weiter. In Herford gibt es eine geöffnete Tankstelle; ich verlasse den Track und fahre dorthin, um das Regengebiet abzuwettern. Ich trinke einen Kaffee, esse ein Brot, noch einen Kaffee, langsam wird es hell ... und der strömende Regen scheint nachzulassen, die Bäche auf den Straßen werden kleiner. Also weiter.

Aber das war ein Irrtum. Es schüttet weiter. Direkt im Osten von Herford geht es steil bergauf, so dass ich wenigstens nicht friere. Es geht immer weiter bergauf, bis zur Autobahn – und dann leicht bergab. Es ist viel Verkehr, der morgendliche Berufsverkehr, und viele Leute stehen an den Bushaltestellen an der Straße. Und ich pflüge mich durch die Sturzbäche auf der Straße. Ich muss sagen, das macht irgendwie Spaß. Bei Vlotho bin ich dann unten, überquere die Weser, und zweite auf eine kleinere Straße ab, mit weniger Verkehr. Jetzt müsste ich doch bald da sein – denke ich, aber bis Großenwieden zieht es sich noch. Ich will endlich ankommen – müde, geschafft und total durchnässt. Endlich biege ich ab auf den Hof der Feuerwehr.

Drinnen erwartet mich schon Uwe – und sagt, er habe mich kommen sehen. Er hat nämlich meinen GPS-Tracker im Internet entdeckt, und die gesamte Großenwiedener Feuerwehr hat mich im Internet verfolgt. Erstmal Pfoten waschen, mit einer Mülltüte wird der Stuhl vor Nässe geschützt, und dann futtere ich. Das tut gut. Und ich bin wohl nicht schlecht in der Zeit: Von etwa 85 Startern (angemeldet hatten sich 150 Leute) haben etwa 10 aufgegeben, und ich bin erst der 12. an dieser Kontrolle. Ich nehme mir Zeit, wir unterhalten uns; wie ich später erfahre, habe ich Glück – wenig später stürzt ein Auto an der Großenwiedener Fähre in die Weser, die Feuerwehr muss ausrücken, und kann sich nicht mehr um die Randonneure kümmern. Uwe will mich überreden, mich etwas hinzulegen; allerdings hat inzwischen der Regen aufgehört, und die Sonne kommt heraus – das kann man doch nicht verschlafen. Also weiter. Vorher, im Grau-in-Grau, habe ich von der Landschaft nichts wahrgenommen; jetzt sehe ich die Hänge, die die Weser links und rechts begleiten, und die ich überwinden muss. Langsam kurbele ich mich nach oben, durch einen Ort namens „Segelhorst“, immer weiter geht es hinauf in den Süntel. Die Sonne motiviert, und es bläst ein Wind, der mich schnell trocken föhnt. Leider kommt man oben in den Wald, es gibt keine schöne Aussicht nach unten, und überall liegen Zweige auf der Straße. Hier muss das Unwetter ziemlich gewütet haben. Und auf der anderen Seite wird der Wind immer stärker, teils muss ich abbremsen. Irgendwo überhole ich wieder einen Österreicher, wohl auch, weil ich auf dem Liegerad mit Gegenwind besser klar komme.

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Über einen Ausläufer des Süntel, und dann bin ich wieder im Flachland. Der Wind pfeift immer heftiger, und bei Lindhorst kommt auch noch Regen dazu. Ich flüchte mich in ein Bushäuschen. Der Österreicher kämpft sich durch den Regen – ich habe dazu keinen Nerv, ich warte ab, bis es besser wird, und nicke kurz ein.

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Dann kommt die Sonne wieder aus, aber der Wind bleibt. Hinter Sachsenhagen geht es nach links, hinauf auf den Rücken der Rehburger Berge. Obwohl die Straße hier von Häusern oder Hecken umgeben ist, pfeift es so heftig, dass ich in einer permanenten Schräglage fahre, und nur langsam vorwärts komme. Alles wirkt hier recht gepflegt und nobel; Hannover ist nicht weit weg, und hier, am Steinhuder Meer, ist sicher eine attraktive Wohngegend. Endlich ist Bad Rehburg erreicht; es geht bergab, und es wird windstill. Auf den folgenden Kilometern geht es flach durch den Wald dahin, ich finde wieder meinen Rhythmus, und es läuft immer besser. Der Wind nimmt aber auch immer mehr zu – es ist das Sturmtief Sebastian, zum Glück tendenziell von schräg hinten. Aber die Straßen sind von abgerissenen Blättern und Ästen übersät, teils fallen im Sekundentakt Zweige herunter, der Wind zerrt an den Ästen und rauscht in den Ohren, ich brauche volle Konzentration und halte verkrampft den Lenker. Ich komme an mehreren umgewehten Bäumen vorbei. Es ist krass. Und gefährlich. Wenn hier ein Ast abbricht, ich hätte nur eine Chance, wenn ich ihm ausweichen kann.

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Im Moor auf Höhe Nienburg merke ich, dass ich immer langsamer werde. Tatsache – ich habe einen Schleicher. Der Platten in der Champagne macht sich wieder bemerkbar; der Schnitt im Reifen ist so groß, dass der Schlauch dort exponiert war. Also flicken, und diesmal ein Stück Cordura unterlegen. Währenddessen überholen mich zwei Randonneure. Ich versuche, sie wieder einzuholen; aber obwohl ich mir in den nächsten Stunden die Seele aus dem Leib strample, ich sehe sie nicht mehr. Es ist sonnig und warm, aber der Sturm pfeift, und es geht endlos durch Waldstücke oder Alleen dahin. Ich rase dahin; unvernünftig schnell, aber wenn es läuft, muss man es laufen lassen. Kaum zu glauben, dass ich schon 900 km in den Knochen habe; ich fahre wie auf einer Tagestour. Aber es ist weit, und dauert deshalb Stunden. Irgendwann habe ich dann endlich Schneverdingen erreicht. Jetzt wäre eigentlich Zeit für eine Pause. Aber ich versiffter Randonneur passe nicht so richtig in das piekfeine Landhotel; die Bar hat noch kein Essen, aber eine Portion Nachos kann ich haben. Nun gut. Minimal gestärkt fahre ich weiter. Schließlich ist es nicht mehr weit, und ich will endlich ankommen. Es läuft weiterhin gut, über Nebenstraßen und durch Alleen; lediglich von der Lüneburger Heide sehe ich nichts. Kein Sand, kein Heidekraut, keine Heidschnucken. Der Wind ist aber in den letzten Stunden langsam eingeschlafen.

Irgendwann bin ich dann endlich in Hollenstedt, wo ich an der Tankstelle nur einen kurzen Stopp mache; inzwischen ist die Sonne untergegangen, und ich fahre in die Abenddämmerung. Ich kann das vorige Tempo nicht mehr halten; zudem sinkt die Temperatur ziemlich schnell, und es wird wieder etwas hügeliger. Spätestens in den Lohbergen ist bei mir wieder die Luft raus; ich schleiche dahin, werde müde, kann mich nicht zu einem Zwischenspurt aufraffen. Immer wieder halte ich an, um mich einen Moment zu erholen, weil es auf dem GPS einfach nicht vorwärts geht, und bei Dunkelheit sieht man nichts von der Landschaft. Irgendwann kommt dann endlich das Symbol der nächsten Kontrolle näher, die Geheimkontrolle in Quarrendorf. Ich habe diffus in Erinnerung, dass ich nach einem Schild suchen muss, an dem eine Kontrollzange hängt – in der Dunkelheit irre ich herum, bis mir jemand zuruft, ich solle am gegenüber liegenden Gebäude schauen. Aha! Ich habe am falschen Kartoffel-Schild gesucht! Jetzt raffe ich mich auf, immer wieder einen Sprint einzulegen, damit ich endlich an der nächsten richtigen Kontrolle ankomme, ein paar Dörfer weiter. Dann bin ich endlich in Stelle, wo die Kontrolle in einer urigen Biker-Kneipe ist, dem „Klimperkasten“. Auf den ersten Blick eine bizarre Spelunke, aber mit sehr netten Leuten. Sie finden es total krass und bewundernswert was wir machen. Ich bestelle mir einen Kaffee, und mache mich bald schon wieder auf den Weg. Eigentlich könnte ich es hier auch länger aushalten, aber ich will jetzt einfach ankommen. Es ist kalt, und ich muss in Bewegung bleiben. Eigentlich muss ich doch nur noch über die Elbbrücken und bin dann da, oder? Nicht ganz, es zieht sich doch noch ziemlich. Hinter dem Rangierbahnhof Maschen geht es nach rechts, über einsame Straßen und verschlungene Wege. Alles ist weiter als gedacht, man sieht den Straßenverlauf schlecht, und immer wieder muss ich anhalten und genau auf dem GPS schauen, wo eigentlich der Track verläuft. Die Organisatoren wollten einen möglichst verkehrsarmen Weg nach Hamburg nehmen; das ist ihnen sicher gelungen, aber bei Nacht sind diese engen, dunklen Wege mit teils kaum sichtbaren Abzweigungen schon mühsam. Lieber wäre ich auf einer hellen Landstraße und könnte es rollen lassen. Aber irgendwann ist dann die Elbe gequert, und es geht durch die Lichter der Stadt, vorbei am Großmarkt, ich kürze über die Shanghaibrücke ab, und bin dann bald auf dem Stintfang. Endlich!!! Zufällig treffe ich am Eingang eine Randonneurin, die auch gerade angekommen ist; sie hat in Münster aufgegeben und ist mit dem Zug gefahren, weil der Sturm sie mehrfach von der Straße geweht hat, und sie auch zuvor von jedem Regengebiet erwischt wurde. Dank Sturmschäden auf der Bahnstrecke nach Bremen hat sie eine Odyssee über Bielefeld und Hannover hinter sich. Gemeinsam meistern wir den Check-In mit der unfähigen Dame am Empfang, und hauen uns ins Bett.

Am nächsten Tag sehe ich dann nach und nach die anderen Randonneure ankommen; ich selber bin aber nicht in der Lage, irgend etwas Produktives zu machen. Umso erstaunlicher, dass einer der Hamburger Randonneure bereits am Mittwoch Nachmittag angekommen ist, gegen halb vier, und am Donnerstag gleich wieder in die Arbeit gegangen ist. Ich sitze mit den anderen Randonneuren zusammen, unterhalte mich, oder faulenze. Ähnlich am Freitag; nach dem langen Frühstück kommt dann das gemeinsame Mittagessen, und erst dann reisen die Leute ab. Ich bleibe noch einen Tag, um mir die Stadt anzuschauen – dummerweise ist es genau dann bewölkt und kalt; dann geht es mit dem Zug nach Hause.

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Und, wie war es?
  • Ich habe wieder einmal viele neue Gegenden kennen gelernt, und ich denke, ich kann mit meiner Leistung zufrieden sein.
  • Gerade in Frankreich lief es oft super, durch flaches Land und mit deutlichem Rückenwind. Den hätte ich nicht von vorne haben wollen. Auch in Norddeutschland kam der Wind tendenziell von hinten statt vorne.
  • Ich habe aber das Wetter falsch eingeschätzt. Beziehungsweise, die Wetterberichte lagen falsch, es war kälter und hat mehr geregnet als vorhergesagt. Während ich mit dem Regen viel Glück hatte und eigentlich nur im Weserbergland richtig nass geworden bin, hat die Kälte mir schon viel Energie geraubt.
  • Die Schwierigkeiten waren aber sehr ungleich verteilt. Während es bei Paris–Brest–Paris recht gleichmäßig schwierig ist, gab es hier sehr einfache, aber auch schwere Etappen.
  • Diese beiden Dinge waren wohl der Grund, warum meine Taktik, 600 km Vollgas geben und dann erst schlafen, nicht funktioniert hat. Ich bin einfach zu oft langsam dahingeschlichen, statt nach etwas Erholung Gas geben zu können.
  • Die Taktik war hier wichtig: Manche Leute haben jeden Regenschauer abbekommen, andere hatten Glück. Ebenso mit dem Verkehr: Die das Ruhrgebiet im Berufsverkehr erlebt haben, haben geflucht; ich fand es ganz in Ordnung.
  • Ich bin mit den Monster-Etappen schlecht zurecht gekommen. Alle 80 km eine Kontrolle ist ein gutes Maß; aber 160 km ist schon heftig, gerade wenn es durch eine kalte Nacht geht. Natürlich kann man auch unterwegs Pause machen, was essen und schlafen. Aber in manchen Gegenden war einfach wenig Infrastruktur, und man muss das ja auch erst einmal finden. Zudem ist es leichter, die Erholung zu steuern und schlechtem Wetter auszuweichen, wenn die Pausen feingranularer sind.
  • Mir hat gut gefallen, dass das Brevet Randonneure aus ganz Deutschland zusammengebracht hat. Normalerweise sieht man nur die Leute aus der eigenen Ecke.
  • Ebenfalls schön war das gemeinsame Mittagessen am Freitag – so saßen noch alle gemütlich beisammen, statt gleich nach der Ankunft in alle Windrichtungen zu verschwinden.
  • Etwas schade für ein Brevet von Frankreich nach Deutschland war, dass es abgesehen vom Start kaum Kontakt mit französischen Randonneuren gab. Andererseits, der ACP ist eben vor allem ein Pariser Club, und für das flache Land gibt es wohl keine dem deutschen ARA vergleichbare Dach-Organisation.
  • Man hätte noch ein paar Highlights in die Strecke einbauen können: zum Beispiel Radioteleskop Effelsberg, oder ein Stück Kernbereich der Lüneburger Heide. Das hätte lange eintönige Etappen etwas aufgelockert.
  • Liegerad oder Velomobil? Auf vielen Etappen wäre ein VM super gelaufen; und die steileren Anstiege wären zwar hart, aber die muss man dann eben langsam angehen oder schieben. Trotzdem, gerade in Hunsrück und Eifel war die Streckenführung so, dass man bergab viel wegbremsen musste. Bei PBP könnte es einfacher sein, weil die Höhenmeter mehr verteilt sind und es weniger lange Abfahrten gibt. Ich habe das Liegerad nur deshalb genommen, weil der Transport nach Paris und von Hamburg deutlich einfacher ist. Respekt, dass @Sturmvogel und @Bergschnecke ihre VMs per Bahn transportiert haben, hätte ich mich nicht getraut.
 
Bildunterschriften:
  1. Claus, Sina und jemand vom ACP (Name vergessen)
  2. Paffi bei der Ausgabe der Startkarten
  3. Morgendämmerung in Jouarre
  4. vor Châlons-en-Champagne, nach dem Ende des engen Marne-Tals
  5. bei Somme-Vesle
  6. Sainte-Menehould, bevor es in die Argonne rauf geht
  7. Clermont-en-Argonne
  8. Abfahrt hinter Verdun
  9. bei Mars-la-Tour
  10. Tunnel am Bahntrassenradweg hinter Wittlich
  11. Viadukt bei Daun
  12. Blick von dort auf Daun
  13. irgendwo bei Nohn in der Eifel
  14. irgendwo bei Nohn in der Eifel, Blick nach Osten
  15. Hagel-Pause bei Wermelskirchen auf Balkantrasse
  16. bei Eichlinghofen im Ruhrgebiet
  17. im Weserbergland bei Langenfeld, Blick auf Bückeberg
  18. Regenpause in Lüdersfeld
  19. Sturm, irgendwo auf Höhe Nienburg
  20. gemeinsames Mittagessen nach dem Brevet
 
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