Hallo Peer,
Zu den schlechten Witzen: Wer Männer- und Frauenwitze gleichsetzt, ignoriert Machtstrukturen und (meist eigene...) Privilegien.
Ganz im Gegenteil: Wer Männer- und Frauenwitze, Schwulenwitze, Witze über Minderheiten und Mehrheiten nicht gleichsetzt, begeht unangemessene Übervorteilung einzelner Schnittmengen zwecks zumeist eigenem Gefühl der Bestätigung.
Witze sollen gleich behandelt werden - gleich = jeder Witz über was auch immer ist okay. Wenn er nicht lustig ist, wird nicht darüber gelacht, das ist OK und vertretbar. Doch jemanden für einen Witz in eine gedankliche Ecke zu stellen, ist wiederum genau das Gegenteil von tolerant.
Männern wird gesellschaftlich eben nicht die intellektuelle Kompetenz abgesprochen, finden sie sich doch in 80% (Zahl geschätzt) aller Führungspositionen etc.
Oh, glaub mal nur: Jeder Randbereich und jede Minderheit, genauso übrigens wie jeder Mainstream und jede Mehrheit besitzen unzählige Witze und doofe Sprüche. Und diese werden seltenst von hierüber treffend in Schubladen klassifizierbaren Menschen geäußert, sondern von einem kompletten Schnitt durch alle Bereiche (und gar nicht selten von Vertretern dieser Randgruppen, Mehrheiten o.Ä. selbst - da Selbstironie zum Glück nicht ausgestorben ist).
Solange Frauen in Werbung und Medien oft sexualisiert dargestellt werden, es immer noch Idioten gibt, die sagen, die Betroffene solle sich entspannen und den sexuellen Übergriff genießen etc. ist der Arztwitz potentiell übergriffig und verletzend.
Das ist strikt einseitige Betrachtungsweise und wird durch unausgewogene Medienfokussierung leider verstärkt. Schon einmal die üblichen Kleiderkataloge (für beide Geschlechter, wohlgemerkt) angeschaut? Einmal ganz unabhängig davon, dass es -sinnvoll- und -notwendig- ist, diese Kleidung in der jeweils angestrebten (partiell sexbezogenen - klar!) Ausrichtung zu zeigen: Männern und ihrer sexualisierten Darstellung widerspricht seltsamerweise kaum jemand, dabei sind dies genauso Stereotypen und geschlechtsbetonte Darstellungen. Bloß mit dem Unterschied, dass es den meisten Männern egal ist, ob der (dafür bezahlte und dies freiwillig beruflich durchführende) Herr einen langen Schniedel in der Armani-Boxershort zu erblicken bietet: Die konzentrieren sich auf die beworbene Hose - und gut ist.
Schon einmal die Männerhygieneartikelwerbungen angeschaut? Stereotypen. Die Frauenparfumwerbungen? Stereotypische Männer in sexy Dress. Da gibt es unendlich viele Beispiele für beide Geschlechter.
Humor darf meiner Meinung nach dann alles, wenn er sich gegen "die da oben" bzw. gegen den gesellschaftlichen Mainstream richtet.
Ach, was wäre das Leben langweilig, wenn Humor sich nur gegen "die da oben" richten dürfte - und wie würde es die Vorurteile verstärken, gerade, da es auch bei "denen da oben" extrem variable Menschentypen gibt. Nein, nein - Witze über alles und jeden sind OK. Wenn keiner lacht, war er in der Runde offenbar nicht so lustig - passiert, ist jedoch je nach Bereich und Personen um 180° variabel. Und das ist gut so: Gibt schon viel zu wenig zu lachen, bei der unschönen realistischen Prognose von Wissenschaftlern zur Zukunft.
Christen z.B. werden in dieser Gesellschafft so bevorzugt, dass Papstwitze ruhig derbe ausfallen können, Islamwitze dagegen bedienen schnell rechte Stammtische - die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.
Jeder darf austeilen - und muss einstecken. Bloß sollten Reaktionen auf Witze und Humor niemals in Gewalt ausarten - vollkommen irrelevant, was "der eigene Glauben" vorschreibt. Ansonsten schreitet es schnellen Schrittes in Richtung Orwells 1984 oder Huxleys Schöne neue Welt. Gerade dann, wenn sich auf "einen" Aspekt fokussiert wird - gleich, mit welcher Begründung. Das geht schief.
Natürlich ist es individuell die beste Strategie, sich ein "dickes Fell" zuzulegen (eben weil es auch ohne gesellschaftliche Veränderung möglich ist), trotzdem wünsche ich mir von meinen Mitmenschen, dass sie auch diejenigen mitdenken, die keines haben - sonst könnten wir ja auch aufhören, bessere Bedingungen für Fahrräder zu fordern und uns stattdessen in ein SUV setzen...
Ist leider ein sehr unpassender Vergleich: Die Gefühlswelt eines Jeden wird belastet, immer - es sei denn, er ist Diktator in einem Inselregime.. wobei: selbst dann wird immer etwas gegenläufig zur eigenen Weltanschauung ablaufen. Damit müssen die Menschen leben - oder sie sterben aus. Vor physischer Gewalt zu schützen, keine Frage - ist ein super Ansatz. Doch vor "Dingen, welche meiner Weltanschauung entgegen laufen"? Unmöglich. Gedankenpolizei incoming. Nicht umsonst ist der Term "Nazi" in den letzten, knapp über zwei Jahren so derart overused, verunstaltet und ausgelutscht geworden, dank Milliarden unpassender Vergleiche und Zuweisungen. Das juckt irgendwann niemanden mehr, weil es die Standardreaktion auf alles ist, was dem eigenen Weltbild entgegenläuft.
Und das ist schade, denn "Universalaussagen" und "Universalwahrheiten", zu welchen auch Totschlag(nicht)argumente zählen, existieren jeweils nur für eine (eigene) Denkweise, jedoch nie für den Umfang aller Lebewesen.
Ein sinnvoller und erstrebenswerter Ansatzpunkt bei "verletzenden" Wahrnehmungen ist immer: Distanziert betrachten, drüber nachdenken/schlafen und dann den neutralsten Betrachtungswinkel wählen, welchen einer selbst wählen kann (vor allem in Bezug auf das eigene Weltbild!), um eine Antwort zu formulieren. Ansonsten endet es zwangsläufig in Gedankenpolizei und übertriebenen Zuweisungen für kleinste gedankliche Abweichungen, welche nicht im Ansatz erfasst, dass -jeder- Mensch komplett grundverschieden ist und selbst zwei Menschen, welche in vielen hunderten Stunden ausgetauschten Themengebieten eine 1:1 übertragbare Meinung herumtragen, bei dem -kompletten- Wissen um die Weltanschauung und das Denken des Anderen (was zum Glück nicht möglich ist!) diesen nicht im Ansatz verstehen, nachvollziehen oder gutheißen könnten.
Lebensfähig ist nur, welcher ein gewissermaßen "dickes Fell" mitbringt. Und sei es nur so "dünn", dass es gerade so ermöglicht, sich nicht bei jedem Scheiß, welcher einen physikalisch nicht verletzt, "getriggert" zu werden.
Es ist indes sehr schade, dass die Eltern moderner Generationen vielfach versäumen, ihren Kindern außer der "Du bist eine Special Snowflake!"-Denkweise auch ein wenig Wissen über die Realität mit Kälte, Grausamkeit, Direktheit, Konfliktsituationen und ihre Lösung (ohne Herumzuschreien) mitzugeben. Denn wenn die Realität (nicht die Menschen!) eines gewiss ist, dann: ehrlich. Keiner kommt lebend aus dem Leben, doch sich über die Denkweisen und Witze anderer Menschen ernsthaft verletzt zu fühlen, wird das eigene Leben nicht erleichtern (und die anderen nicht ändern).
Das ist nun gewissermaßen eine Langvariante von
@blackadder s Beitrag, ergänzt mit einigen Aspekten meiner Betrachtungsweise. Natürlich muss diese für Dich nicht zutreffen, doch ich lasse mir Witze und Humor sowie das Recht von jedem zur freien Meinungsäußerung (auch, wenn diese verletzend sein sollte!) nicht verbieten, nie. Eher sterbe ich.
Viele Grüße
Wolf