Da war Streeck mit seiner Prognose von sinkenden Zahlen ab März/April deutlich näher dran als die ganzen 4. Welle Apokalyptiker, die für Mai bis zu 100.000 Neuinfektionen pro Tag prognostiziert haben.
Erstens mal: Ersetze oben 4. Welle durch 3. Welle.
Zweitens: Ich weiß nicht, ob Du Berechnungsmodelle, die eine Zahl von bis zu 100.000 möglichen Neuinfektionen prognostiziert haben, einfach nicht verstehst oder doch weißt, was hinter solchen Prognosemodellen steckt, aber bewusst Nebelkerzen zündest? Ist mir auch langsam egal. Denn egal was zutrifft: Ich glaube, ich kann da auch mit dem Blumentopf vor meiner Tür reden.
Allgemein: Man kann Streeck zu Gute halten, dass er diese Aussage, für die ihn einige schadenfroh stark kritisieren und andere wiederum abfeiern, Mitte Januar (15.1.) getroffen hat, als ihm vermutlich die Auswirkungen der brit. Variante noch nicht klar waren.
Lauterbach sagte ähnliches in einem am 12.1. erschienenen SZ-Interview, er meinte, dass der Sommer super würde. An dieser Aussage hielt er auch die ganzen letzten Monate fest (das Interview ist in seinem Twitter-Account oben angepinnt).
Er warnte aber auch weiterhin (Beispiele mal nur aus Februar von Twitter, den Rest spare ich mir und euch jetzt mal):
15.2.:“Neue noch unveröffentlichte Auswertungen zeigen, dass Mutationen inzwischen schon einen Anteil von weit über 20% haben. Die Gefahr ist nicht gebannt. Öffnung Grundschulen muss schnell kommen, aber sicher ist sie nur in Kombination Wechselunterricht + Testen + Lehrerimpfung“
und: „Das Problem, was auf uns zukommen kann: Fallzahlen sinken bis Mitte März, steigen dann automatisch wieder, weil B117 und B135 Varianten mehr als Hälfte der Neuinfektionen ausmachen. Wenn man in einen solchen Anstieg hinein lockert und Osterreisen macht droht massive 3. Welle.“
(„Funfact“: Ein Freund ist Statistiker. Als in D der Anteil der brit. Variante Ende Jan./Anf. Februar noch bei 6 % lag, meinte er nach kurzem Blick auf den Verlauf in GB zu mir: „Ostern können wir knicken.“)
16.2.:“Wir werden auch Zielinzidenz von 35 erreichen, für die wir von kritischen Beobachtern verspottet wurden. Dann werden die Infektionswerte aber wieder automatisch ansteigen, durch die nicht mehr aufzuhaltenden Varianten. Für diese Vorhersage werden wir wieder verspottet werden...“
Am 17.2.:“Es ist leider so. Meine eigenen Berechnungen laufen auf die gleiche Entwicklung hinaus. Wiederanstieg der Neuinfektionszahlen ab Mitte März etwa. Öffnung der Grundschulen ohne Kinderschnelltestung und Wechselunterricht wäre Einladung für die 3. Welle.“
Am 18.2.: „die Mutationen B117 und B135 wachsen ungebremst. In Köln und BW führt das langsam schon zu einem Anstieg der Gesamtfälle. R(Mut)=1,2. Die Bevölkerung muss den bestehenden Lockdown ernster nehmen. Sonst beginnt die 3. Welle!“
Am 19.2. sagt er, dass die Fallzahlen spätestens in 2-3 Wochen wieder steigen.
Am 20.2. schreibt er z.B.: „Dritte Welle beginnt jetzt. Weil Anteil B117/B135 Mutationen von 30% bald erreicht. R-Wert Mutationen liegt derzeit bei ca 1,2. Öffnung der Schulen wird das beschleunigen. Schnelltests müssen dringend für Schüler eingesetzt werden, 2x/Woche. Dazu Impfung Lehrer vorziehen.“
Am 22.2. betont er, wie wichtig eine Öffnungsstrategie und -perspektive ist, begründet aber auch, wie ungünstig die damals geplanten Lockerungen zu Beginn der sich aufbauenden 3. Welle sind.
Am 23. Februar konstatiert er den Beginn der 3. Welle und sagt weiterhin, dass die Fallzahhlen bei Ü80 durch die Impfungen nicht so dramatisch sein werden, dass aber die Zahlen bei den Ungeimpften mittleren Alters bedingt durch die Mutante nach oben schießen werden.
Ist an diesen Aussagen auch rückwirkend betrachtet irgendetwas falsch?
Die Beschlüssen mit Lockerungen der MPK im März kritisierte er. Er meinte, dass durch die Öffnung in steigende Fallzahlen hinein eine dritte Welle so befeuert würde, dass früher oder später ein erneuter Lockdown komme, durch die Verzögerungen müsse dieser aber dann vermutlich länger und stärker ausfallen (inkl. Schulschließungen, Ausgangsbeschränkungen) UND es würden bis dahin unnötig viele Menschen erkranken und sterben. Man hätte also durch zu frühe Lockerung, bzw. nur halbherzige Lockdowns das schlimmste aus beiden Welten: Maximaler Schaden, weil die Schließungen dann in der Endsumme länger dauern UND hohe Infektions- und Krankheitszahlen. Er blieb aber die ganze Zeit dabei, dass im Sommer Enspannung eintreten würde.
Ist daran aus jetziger Sicht irgendetwas daran falsch?
Und jetzt wird von verschiedenen Seiten nicht zuletzt mit Blick auf die Entwicklungen in GB vor einer vierten Welle gewarnt (was übrigens aus Streeck tut!). Lauterbach sagt dazu, dass es wohl auch in D zu erhöhten Krankheitszahlen kommen wird, aber dank der Impfungen nicht mehr zu so einer Situation wie im Dezember/Januar und April und das entsprechende Einschränkungen wohl nicht mehr nötig würden.
Bitte zeige mir nach einem Blick auf Entwicklungen in GB (und Indien) Denkfehler auf!