Vorbereitung
Ja, das Wäschpi ist für das kommende Brevet ungeeignet*: Es sind zu viele Km auf zu schlechtem Naturbelag zurückzulegen und knapp 4000Hm/300km sprechen auch gegen gemütliches Cruisen. Ich wäre nicht hier, hätte ich nicht vor, dieses Jahr am Randonneur-Klassiker
Paris-Brest-Paris teilzunehmen. Für die Qualifikation
muss ich das Brevet fahren.
Ein kurzer Blick auf die anderen herumstehenden Fahrräder: Alle sauber bis blitzblank geputzt. Meine Devise ist in den letzten Jahren verkommen zu
fahren=trainieren bringt mehr [Spass] als putzen.
Ein leckeres Znacht und wieder ein paar bekannte und neue Gesichter mit Brevet-Stories und Gedanken zum morgigen Brevet später liege ich im Schlafsack.
Zmorgebuffet: Mmmmh!
Brevet
Ca 70 Randonneure starten um 07:00 zum 300 Km Brevet
Volcano Ride+, welches Einigen sicher noch lange in Erinnerung bleiben wird.
Danke fürs Foto,
Max
Die Haarnadelkurve nach 2km ist mit zweimal durchs Gras fahren gerade so ohne Aussteigen oder
Rollstuhlrückwärtsgang fahrbar.
Auf dem ersten Naturbelagsträsschen, wo auch die grüne Grenze überquert wird, überholt mich die zunächst etwa 7-köpfige Spitzengruppe, welche ich bis zum Fuss des ersten richtigen Anstiegs bei Km 70 immer wieder sehen werde.
Im Thurtal liegt etwas Nebel, was von der Talflanke aus ganz schön aussieht, ich aber leider nicht fotografiert habe.
Der erste Regen setzt pünktlich bei Marthalen ein. Für viele Randonneure ist es bis ins Ziel der letzte Moment mit trockenen Füssen.
Am Rheinfall, nach gut 60 km, gibt es von den Organisatoren nicht nur einen Stempel in die Brevetkarte und ein Erinnerungsfoto, sondern auch gleich die Reste vom Buffet - clever. Was ich noch nicht weiss: Es ist meine längste Pause des ganzen Brevets, ca. 3 Minuten. Als erster verlasse ich den Ort das Wäschpi gleich die steile Rampe bis Neuhausen hochstossend.
Fotos von anderen Randonneuren am Rheinfall
Die letzten 2 km zum höchsten Punkt des Brevets sind auf bei trockenem Wetter sicher gut rollendem Naturbelag. Heute presse ich drei viel zu tiefe Rillen in den Belag - anstrengend. Bergab dürfen die heute etwas spritzwassergekühlten Bremsen auf nicht-bremsendem Asphalt ähnliche Höchstleistungen erbringen.
Überhaupt ist die Brevet-Strecke zwischen Schaffhausen und Blumberg sehr höhenmeterlastig. In der zweiten Hälfte des "Blumberger Sauhunds" ist wieder stossen angesagt, gleiche Geschwindigkeit bei weniger Anstrengung.
An fünf(?) schon ordentlich eingeschlammten Rennradlern in Aeroposition rollt das Wäschpi auf der Strasse nach Hintschingen vorbei. Bis ins Ziel werde ich keine Randonneure und überhaupt kaum mehr Velofahrer sehen.
Es regnet, die Donauversickerung schaue ich mir ein andermal (wieder) an.
Donauradweg. Dank Nässe freie Fahrt.
Die lange steile Gerade
Muur de Tuttlingen hat sich mir von der letzten Austragung noch fest im Gedächtnis gehalten. Heute pedale ich im kleinsten Gang und gleich mehrere Nussrollen verdrückend gemütlich bergauf. Es folgt eine kurze(!) steile Gefällestrecke mit anschliessender ebensosteiler Gegensteigung - schnurgerade. Unten stehen 81 km/h auf dem Tacho, Sekunden später wieder oben noch 18 - Aerodynamik kann so geil sein! ("delfinieren")
Knapp unter der Wolkendecke lugen Bodensee und Vulkankrater (nicht im Bild) hervor
Mit dem Checkpoint "Pestkreuze" will uns der Organisator nicht nur Aussichten geniessen lassen und am Abkürzen hindern, sondern auch noch etwas Geschichte beibringen. Merci!
Randonneure auf Zweirädern werden sich im Ziel über den rutschigen Schlick unterhalten, wo ich mich einfach nur gefreut habe, dass es gar nicht so schlecht rollt. (Donau links im Bild)
Von der vom Organisator umschwärmten Schönheit vom Donautal, welche sich nur auf der Naturbelagstrecke erfahren liesse, bekomme ich vor lauter auf Schlaglöcher/Steine/etc aufpassen und Trommelfellbelastung nicht viel mit. Auf der Strasse(!) zwischen Beuron und Sigmaringen dann hingegen schon. Dennoch ist das Foto vom Dröhn-Abschnitt...
Fahrt Richtung Überlinger See
Den grössten Verfahrer der Tour leiste ich mir ausgerechnet im dichtestbesiedelten Teil des ganzen Brevets: Innenstadt von Konstanz. Im strömenden Regen (schlechte Sicht->Blick auf Verkehr/Strasse und nur halbherzig aufs GPSr => off route).
Das Brevet-Reglement verbietet blinkende Rücklichter. Im Dunkeln kann ich das zu 100% unterstützen, hier im Gegenlichtaufstieg zwischen Tägerwilen und Wäldi hätte ich mir ein Rücklichtstroboskop gewünscht. Positiv gesehen: Der Regen ist (diesmal nur für kurze Zeit) schon wieder vorbei.
Danke für die schöne Routenführung über den Seerücken. Weder der Gegenwind noch die festen Bestandteile des Niederschlags können den Genuss vollständig wegfegen oder ertränken.
Kurzer Blick zu den Alpen bevor es wieder zu schütten beginnt
Stein am Rhein, der letzte Stop der Runde (warum wohl?).
Um ca. 18:20 betrete ich im Ziel die Turnhalle...
...und bin ein wenig geschockt ab der gähnenden Leere: Von den 20 eine Stunde nach uns für das
200-km-TeuflischeHardcoreBrevet Gestarteten sind erst drei hier. Sie haben sich über gleich viele Höhenmeter und noch viel mehr Naturbelag oder gar Wanderwege schicken lassen.
Danke für die Bouillon, genau nach meinem Geschmack!
Die ankommenden Randonneure sind alle(!) deutlich gezeichnet von Regen->Kälte und Schmutz.
Gratulation allen, die das Brevet angegangen oder gar durchgezogen haben!
*Boah bin ich froh, das Brevet mit
dem schwersten Velo gefahren zu sein, keine Panne gehabt zu haben und körperlich/mental/technisch in der Lage zu sein, 300km einfach durchzufahren. Nur wenige Minuten ausserhalb der Kiste hätten wahrscheinlich gereicht, mich ebenfalls so herunterzukühlen.
Ausklang
Eine solche Schlamm- und Regenschlacht Revue passieren zu lassen, lässt einige fluchen, andere strahlen und dritte ziemlich apathisch die sich langsam leerenden Teller anstarren.
Gegen 22:00 schlüpfe ich abermals in den warmen trockenen Schlafsack - welch Luxus!
Bericht inkl. An- und Rückfahrt gibt es hier