Guten Mittag,
am vergangenen Wochenende bin ich den schönen 600er
Brüssel-Paris-Brüssel (BPB) gefahren:
Start war für mich am Freitag, denn ich wollte ein Stück mit dem Fahrrad anreisen, wie ich es fast immer mache, wenn es nach Belgien geht. Losgefahren bin ich eine Stunde später als geplant, sodass ich nicht wie angedacht die 130 km bis Eupen (erster belgischer Bahnhof) fuhr, sondern "nur" 112 km bis Aachen. Um die Höhenmeter zu verringern, hatte ich eine etwas nördlichere Route als üblich gewählt, nämlich durch Würselen und Aachen statt im Hügelland südlich von Aachen, durch Langerwehe und Breinig.
Etwas anders geplant hatte ich auch im Nordwesten von Köln, um zwei sehr enge Drängelgitter zu vermeiden, dabei stand ein Verkehrszeichen am Straßenrand, das man als Radfahrer doch eher selten sieht:
Der Preis für die umfahrenen Drängelgittern war allerdings ein Bahnübergang, bei dem ich mehrere Minuten Zwangspause hatte. Ich glaube, da plane ich nochmal um. Ansonsten war die Fahrt am Niederrhein ohne besondere Vorkommnisse mit etwas Gegenwind. Zu einem großen Teil habe ich die (von mir geplante) Strecke des 300ers ab Wuppertal genommen. Der Stadtverkehr in Aachen war dann wieder etwas gewöhnungsbedürftig. Auf der Oppenhoffallee konnte ich einen überholenden Auto ans Fenster klopfen; fortan fuhr ich in der Fahrbahnmitte. Und dadurch habe ich gleich zwei Unfälle vermieden, denn innerhalb weniger Minuten haben zwei Autofahrer ihre Türen aufgerissen, direkt in den Todes-Radstreifen. Wer so eine Scheiße plant, gehört mit dem Kopf vor eine Autotür geknallt.
Die Zugfahrt in den Vorort von Brüssel war dann völlig stressfrei, wie meistens in Belgien. Mein Gastgeber wohnte nur 500 Meter vom Bahnhof entfernt. Knapp außerhalb der Stadt (und Region) Brüssel, um flämischen Dilbeek, nur 1,5 km vom Startort. Nach einer schönen Portion Spagetti ging es auch bald ins Bett.
Am nächsten Morgen fuhr mein Gastgeber mit bis zum Start, wo sich etwa 45 Randonneure versammelten. Ich war nicht nur der einzige Deutsche, sondern auch der einzige Liegeradfahrer. Vom Organisator war auf halber Strecke eine Hotel-Übernachtung organisiert, einschließlich Gepäcktransport. Sehr pünktlich um 7 Uhr ging es los. Leider ohne die sonst übliche Ansprache (oder habe ich sie nicht mitbekommen?).
Zunächst rollte es etwas zäh, aber wie
Bergfloh vor einigen Wochen so schön sagte, ein Brevet entwickelt sich. Man sollte die ersten Anzeichen, dass ich nicht richtig läuft, nicht überbewerten. Abgesehen davon kam der Wind von vorne, und zwar recht deutlich. Es dauert bei mir dann eine Weile, bis sich der Rhythmus einpendelt und ich stoisch gegen den Wind trete. Also einfach locker weiterfahren, auch wenn der Tacho 3-4 km/h weniger anzeigt, also man es gerne hätte. Kräftiger treten wäre sicher falsch gewesen, denn es sollte den ganzen Tag hügelig sein. Immerhin 3.000 Höhenmeter sollte der 600er haben, also 500 pro 100 Kilometer. Das nicht nicht übermäßig viel, aber auch nicht gerade flach.
Bei zunächst städtischer Umgebung (wir starteten ja nur wenige Kilometer von Brüssel) hatte der Organisator eine nahezu ampelfreie Strecke gefunden, sodass es ohne Stopps rollte. Rasch wurden die Orte kleiner und es ging über landwirtschaftlich geprägte Hügellandschaft in Richtung Südwesten.
Das Wetter war eigentlich optimal, viele Wolken, trotzdem warm und nicht schwül. Nur der Gegenwind bremste. Aber was will man machen? Die Straßen waren ausnahmslos gut, jedenfalls in Flandern. In der Wallonie gab es dann hin und wieder Straßen mit schlechter Oberfläche und/oder Bremsasphalt. Nicht schlimmes, aber so leicht wie in Flandern rollt das Rädchen nicht.
Nach 68 km war die erste Kontrolle erreicht, eine kleine Kneipe mit freundlicher Bedienung. Nur Speisen hatten sie leider nicht. So fuhr ich nach 10 Minuten weiter. Die nächste Kontrolle lag bereits in Frankreich und war 102 km weit entfernt. Das war auf dem Brevet der längste Abstand zwischen den Kontrollen. Also habe ich nur 10 km nach der Kontrolle noch eine Pause gemacht und ein Sandwich gegessen. Kurz danach war die Grenze nach Frankreich erreicht, ohne dass sich die Landschaft in irgendeiner Weise änderte. Ich fuhr weiterhin durch eine Hügellandschaft zwischen Feldern. Gelegentlich durch kleine Orte.
10 Kilometer später ging es dann in den Wald. Schnurgerade Straßen, weiterhin leicht hügelig, mit sehr wenig Autoverkehr. Eine tolle Abwechslung.
Und im Wald die (angekündigte) Geheimkontrolle. Etwa auf halber Strecke zwischen Kontrolle 1 und 2. Und mit Verpflegung. An einem Picknick-Platz. Man kam auch an seine Taschen. Besser geht es nicht!
Nach dem Wald wieder die Hügellandschaft. Trotz Gegenwind kam ich recht ordentlich voran. Denn weil es keine engen Kurven gab, konnte ich bei nach praktisch jeder Abfahrt den Schwung bei der anschließende Auffahrt nutzen.
So sah es 90% des Tages aus.
Die zweite Kontrolle dann in Saint Quentin, mit 55.000 Einwohnern die größte Stadt auf der Strecke. Die Strecke in die Stadt und wieder heraus ließ sich dennoch flüssig fahren. Kaum Ampeln oder nerviger Stadtverkehr. Die Kontrolle wieder in einer Kneipe ohne Mahlzeiten, aber es gab in der direkten Umgebung eine gute Auswahl an Bäckereien und Gaststätten.
Der weitere Weg sah eigentlich genau so aus, wie der bisherige. Felder, Hügel und dazwischen ein graues Teerband.
Ganz gemächlich wurde es etwas hügeliger, hier und da waren auch mal 50 bis 70 Höhenmeter am Stück zu überwinden. Um 20:42 Uhr hatte ich dann nach 242 km die dritte Kontrolle in Pierrefonds erreicht. Wie bei den vorigen Kontrollen standen schon Rennräder am Straßenrand, diesmal vor einer Pizzeria. Nachdem ich die Portionen der anderen sah, habe ich nur eine kleine Pizza (lecker!) bestellt. Denn mit zu vollem Magen fährt es sich nicht gut, zumal es ja nicht gerade flach war.
Fast alle ausländischen Teilnehmer gemeinsam an einer Kontrolle: Drei Briten, ein Spanier und ich. Der einzige Niederländer des Brevets hatte offenbar eine andere Gaststätte im Ort gewählt (freie Kontrolle).
Bei der Weiterfahrt noch ein kurzer Blick auf das Schloss
Neuschwanstein Pierrefonds, einst Privatresidenz von Napoleon III.
Ganz langsam wurde es dunkler. In einigen Orten ging es über kurze Abschnitte extrem schlechtes Kopfsteinpflaster. An einem habe ich 100 Meter geschoben, um keinen vollständigen Zahnausfall und multiples Rahmenversagen zu riskieren...
Um etwa 23:40 hatte ich dann nach 289 km die letzte Kontrolle des Tages erreicht, den Döner-Imbiss
Paris Kebap in Plailly. Hier habe ich nur ein Cola getrunken, wurde aber von anderen Gästen (die irgendwie dazugehörten) mit einigen Stücken Wassermelone versorgt. Klasse!
Das letzte Stück zum Hotel war ziemlich kurz und flott. Die ersten 4 km bergab, dann wieder leicht hügelig. Hier habe ich einen Schnitt von etwas mehr als 25 km/h erreicht. Für mich ein sagenhafter Wert! Ich habe da deutlich gemerkt, dass ich mich auf der bisherigen Strecke nicht verausgabt habe, sondern schön einen gleichmäßigen Rhythmus gefahren bin.
So war ich gegen 0:35 am Hotel. Frank (der Brevet-Organisator) hatte bereits den Check-In erledigt und meine Tasche ins Zimmer gelegt, sodass ich direkt duschen und gut vier Stunden schlafen konnte. Um keinen anderen zu wecken, bekamen diejenigen ein gemeinsames Zimmer, die mehr oder weniger zugleich ankamen. Klasse durchdacht!
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