Aerodynamik bei Seitenwind für Vortrieb

Der Herr Bülk hat auf dem Foto ja auch schon ne tolle aerodynamische Frisur und der zweite von rechts, da dacht ich doch, das sei fluxx, aber wohl doch nicht : )
 
Schade das nicht andere VM dahingehend im Windkanal untersucht wurden, ob es da diesen Effekt auch gibt.
M. W. wurde die Leitra Sport als Modell im Windkanal getestet, und eine deutliche Verbesserung gegenüber der Classik-Verkleidung festgestellt. Auch vom Segeln der Leitra wurde berichtet, aber ob in diesem Zusammenhang ist mir nicht bekannt.
Vielleicht lohnt sich hier eine Recherche oder eine Anfrage an Carl-Georg Rasmussen?
wolf
 
Auch beim Darrieus-Rotor ist der Flügel ja sehr lang, also im Fachjargon „hoch gestreckt“. Genau das ist beim VM nicht der Fall.
Lass' gut sein, das will nicht ankommen.

Damit wir was zum verlinken haben für jedes Mal, wenn das Stichwort "Darrieus" wieder aufkommt:
Bildquellen hier und hier.
1578492467605.png
Ich habe nicht exakt den Betrachtungswinkel gefunden, dafür das VM deutlich größer gelassen. Selbst in der H-Bauform ist der Flügel ca. 25x höher als velomobilix' Milan SL.

Gruß,

Tim
 
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Ich habe mir gerade mal den Thunderstorm-Thread von vor zehn Jahren noch mal durchgelesen.
Etwas schlauer sind wir inzwischen schon - aber nur etwas.
(Nahezu alle Links funktionieren nicht mehr - soviel zu "das Internet vergisst nichts")
 
Auf der Hannover Messe anno 2011 habe ich auf dem Ostfalia-Stand ein Monitor-Bild gesehen dass eine Grafik zeigte welche durch einen Windkanalversuch klarmachte dass das Velomobil Milan ab einen Seitenanströmungswinkel ß (Wahrer Windwinkel) von 21° Vortrieb erzeugte!
Dann machte ich mich zuhause diese Messung aus der Praxis theoretisch zu verifizieren. Ein so flaches Velomobil, kann das wirklich sein? Ich kannte bisher nur hohe Strandsegler mit viel Wind an der Küste …
Um die Theorie und die Schwierigkeiten ein wenig zu erläutern siehe dazu die englischsprachige (weil die deutsche nicht so ausführlich ist) Wikipedia-Seite unter
aspect ratio (Streckung): https://en.wikipedia.org/wiki/Aspect_ratio_(aeronautics)
(https://de.wikipedia.org/wiki/Streckung_(Tragfl%C3%A4che))

Hochleistungssegelflugzeuge wie das ETA müssen eine hohe Streckung (hier AR = 51) haben um hohe Gleitzahlen bis 70 : 1 zu erzielen.
Das Problem beim Flugzeug ist der Druckunterschied zwischen Ober- und Unterseite des Flügels, dieser versucht sich über die Flügelspitzen auszugleichen und der einzige Lösungsweg ist eine möglichst hohe Streckung. Das erzeugt den sog.
Induzierter Widerstand oder Vortex, der immer entsteht wenn ein aerodynamischer Auftrieb besteht.
Die Concorde z.B. flog dennoch auch mit einer sehr kleinen Streckung von nur 1,55? - Nun ja, sie flog nur sehr schnell sehr gut. Dann hat sie einen kleinen
Ca (Auftriebsbeiwert, vergleichbar mit Cy aus unserer Milan-Messung) und der Cwi (Beiwert für den induzierten Widerstand) ist relativ klein nach der Formel (vereinfacht):
Cwi = Ca2 / Pi / AR.
Segelflugzeuge müssen hingegen auch oftmals, außerhalb bei Start und Landung natürlich, mit geringer Geschwindigkeit
mit hohen Anstellwinkel und somit hohes Ca fliegen wie z.B. beim Thermikkreisen und benötigen deshalb eine sehr große Streckung für hohe Effektivität (Gleitzahl).
Also, eigentlich ein schlechtes Ohmen für den Milan bei großen Anstellwinkeln von > 21° (hier heißt der Anstellwinkel Alpha = Seitenanströmungswinkel Beta) und mit großen Ca und seiner sehr, sehr kleinen Streckung von ca. 0,2? Reißt die Strömung nicht ab wie an normalen Tragflächen, ab Winkeln über 15°? - Nein - einen Vorteil hat die kleine Streckung: die Strömung kann nicht abreißen durch die seitliche Vortex-Umströmung , auch eben nicht bei 21°.. 45°! Erkauft aber wurde dieser eigentliche geringe Profilwiderstand durch den höheren Cwi!

Für Lesewütige:

https://www.grc.nasa.gov/www/k-12/airplane/downwash.html
https://www.grc.nasa.gov/www/k-12/airplane/induced.html
https://sites.google.com/site/aerodynamics4students/table-of-contents
+ + +

mehr dazu später …

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Sehr gute Seite, enthält eine App der Prandlt‘ Traglinien-/Flächentherorie mit der Umströmung von Flugzeugflächen bei Anstellung, aber auch von Fahrzeugen, hier des Velomobils Milans o.ä. bei Seitenwind:
http://www.aerodynamics4students.com/subsonic-aerofoil-and-wing-theory/llsolver.php
Die App basiert auf Fourier-Reihen, aus denen man ein Lineares Gleichungssystem, hier aus 15 Koeffizienten auflöst die die Auftriebs- und den induzierten Widerstandverteilung am Flügel berechnet und den mittleren Auftriebs- und induzierten Widerstandbeiwerts ausgibt (nach dem hervorragigen Werk von H. Glauert: "The Elements of aerofoil and airscew theory").
(Hier ist ein Fehler drin: um C_L zu berechnen muss Alpha in [rad] eingegeben werden und nicht in [Deg]!)
Dazu habe ich drei Streckungen (Apect Ratio, AR) zur Verdeutlichung vorgesehen: ein Segelflugzeug (AR = 40), ein kleines Sportflugzeug (AR = 4) und ein VM (AR = 0,4; Milan):

http://www.aerodynamics4students.com/subsonic-aerofoil-and-wing-theory/llsolver.php?span=100&rchord=3&tchord=2&wo=0&percentf=0&angle=10&a0r=6.2&alf0r=0&a0t=6.2&alf0t=0&option=Solve
[Der Segler ist ein wenig groß, lässt sich aber einfach rechnen, die Spannweite lässt sich einfach anschaulich nur durch 10 teilen … ;-) ]

Glauert-0c.png
Glauert-2c.pngGlauert-3c.png



… Dann ein Kleinflugzeug (Spannweite, Streckung x 1/10):
Glauert-5b.png
Glauert-6c.png
Glauert-7c.png


es geht gleich weiter ...

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… und schließlich ein „Lifting body“ (wiederum x 1/10), das später zu unseren Milan mutiert:
Glauert-8b.png
Glauert-8d.png
Glauert-10c.png
Glauert-9c.png
Glauert-9b.png


Man sieht sehr deutlich dass der Auftriebs-(Quertriebs)-Beiwert mit 100-fache Verringerung der Streckung auf ca. 1/6 abnimmt (zum Glück beim VM bei Sturm!), der induzierter Widerstand auf ca. das 100-fache ansteigt!!!

Ich habe die Kennwerte in die erste Tabelle eingetragen und in der zweiten Tabelle (für das VM) mit den verschiedenen Anstellwinkeln Alpha (= Beta) von 0° bis 180°.

In den Graphiken sieht man die gute Übereinstimmung bis 45° der Windkanalmessungen mit der Theorie! Nur von 45° bis 135° gib es keine gute Lösung weil der Auftrieb/Quertrieb doch schließlich abreißt und der Widerstand dadurch übermäßig zunimmt …


Dazu habe ich den max./min. Widerstand nach Prandtl für einen quergestellten Zylinder (Beta = 90°) der Streckung 5:1 bei RE = 1*10^5 .. 1*10^6 als Ober-/Untergrenze eingezeichnet:

Cy-Cx-Tabelle-1.png


... es geht gleich weiter
 
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Cy-Cx-Kurve-1.png

Cy-Cx-Kurve-2.png


+ + +

Um zu sehen welche größere Höhe (mit der entsprechenden Streckung) für den Vortrieb beim VM bedeuten würde, ist in der Tabelle 3 dargestellt:

< Tabelle 3 >

Apect Ratio (AR):
0,8
0,6
0,4
Höhe Milan [m]:
1,8
1,35
0,9
entspricht einer Höhe von:
PKW
Leitra
Milan
k.C_L [rad]
1,77
1,43
1,04
k.-C_L [deg]
0,0309
0,0250
0,0182
k.C_D == k.Cwi
0,398
0,531
0,796

Der Seitenkraftbeiwert Cy geht annähernd linear mit der Höhe (und damit die Seitenkraft quadratisch!), Cwi geht umgekehrt proportional mit der Höhe ein.
Daraus folgt eine Steigerung des Vortriebs mit der Höhe … J

Muss mal sehen ob die Leitra ebenso/effizienter ist als der Milan. Ich hatte irgendwo die Windkanalmessungen der Leitra …


< Geschwindigkeitparalelogramm/Kräftebild >

Kräftebild.png

Gruß Lars
 
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Interpretiere ich deine Betrachtungen richtig:
Die Strömung reist wohl wahrscheinlich so ab 45° von vorn ab.
Trotzdem war im Windkanal bei 75° der maximale Vortrieb.

Das bedeutet also, dass diese Vortriebskraft ausschließlich durch die auftreffende Luft zustande kommt und dann kein Unterdruck auf der Lee-Seite hierzu etwas beiträgt?
 
Ja, das ist richtig, wobei bei normaler Auftriebsanströmung ca. 1/3 des Auftriebs auf der Druckseite und 2/3 auf der Sogseite des Flügels zustande kommt. Somit fällt fast der gesamte Auftrieb in der Sogseite bei ß von 45° bis 90° weg!
Bei sehr großen Winkeln ß, hier z.B. 75°, ist Cwi + Cwp sehr groß => winkel € ist groß (nur noch eine kleine "Gleitzahl") - aber durch die Verkippung des Kräfteparalelograms mit der Resultierende R nach vorne entsteht auch ein größerer Winkel Eta der das Maß für Cx ist ... :)(y)
 
Auf www.velomobileseminars.online habe ich die Windkanal-Messung der Leitra im Maßtab 1:5 entdeckt:

W-Leitra.png
...

Die Leitra-Modelle wurden wohl wie Flugzeugmodelle im 50x50 cm² Windkanal befestigt, d.h. leider ohne Bodenkontakt!
Deshalb scheinen die Auftriebsbeiwerte nicht zu stimmen, ich erwartete für dCy/dAlpha das Doppelte aufgrund des etwa doppelt so hohen Streckung (AR)!
... Und was ist mit Rädern??
Die aerodynamischen Werte wurden von mir manuel vom PDF in Excel übertragen. Also kleine Unkorrektheiten sind vorprogrammiert ... ;)

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Ich habe erst vor wenigen Tagen von diesem fantastischen Thread sowie ähnlichen und dem obigen Beitrag von Georg Rasmussen gehört. Das Thema interessiert mich schon seit Jahren, leider nicht praktisch, da ich in der Schweiz wohne, wo es auf den wenigsten Strassen brauchbare Winde gibt, sondern als Versuch zu quantifizieren, wieviel auf einem Rundkurs mit einem Velomobil theoretisch gesegelt werden könnte. Die folgenden Ausführungen entstammen also meinem Wissensstand vor der Lektzüre dieser Beiträge im VM-Forum.

Ich habe dazu eine Tabellenkalkulation gemacht. Der erste Schritt besteht darin, den scheinbaren Wind als Vektoraddition des wahren Winds und des Fahrzeuggegenwinds zu bestimmen. Dann braucht es neben den üblichen Fahrzeugparameter die Auftriebs- und Widerstandsbeiwerte der Verschalung. Ich habe dazu die bekannten Bücher von S.F. Hoerner, Fluiddynamic Drag und Fluiddynamic Lift, studiert. Die üblichen Berechnungen für Flügel bzw Segel gehen nur sehr bedingt, da die Streckung (aspect ratio AR) einer Verschalung mit ca. 1 sehr klein ist, während die meisten Daten sich auf hohe AR beziehen. Auch die Methode, vom Fall AR = unendlich den indizierten Widerstand dazuzurechnen, greift wohl zu kurz und es braucht echte Messungen von Körpern mit kleinen AR.

Solche Messungen und auch theoretische Berechnungen gibt es in Hoerner etliche, aber nur für den Auftrieb (d.h. beim VM die Seitenkraft), und Widerstandsmessungen fand ich nur für einen einzigen Körper, den olympischen Diskus. Da ein halber solcher Diskus eine passable VM-Verschalung darstellen könnte (bei denselben Reynolds Zahlen), habe ich für meine Tabellenkalkulation eine Funktion gebastelt, die den publizierten Daten etwa entspricht.

index.php


Dieses Bild zeigt den Auftriebsbeiwert von Flügeln mit niedrigem AR sowie dem erwähnten Diskus. Es zeigt sich, dass der Strömungsabriss bei immer grösseren Anströmwinkeln geschieht, desto kleiner AR ist. Beim Diskus zeigt sich eine abrupte Verschlechterung ab 27°. Die Widerstandsbeiwerte liessen sich hier nicht gut darstellen, aber ich habe die Verhältniss Auftrieb/Widerstand (L/D) ungefähr vermerkt, und es ist diese Zahl, die uns interessiert, besonders das Maximum von 3 bei etwa 13°.

Die Übernahme dieser Daten stellt allerdings eine starke Vereinfachung dar. Der halbe Diskus (hochkant) als Verschalung hat zwar denselben AR um 1 bis 1.27 (je nach Definition), aber der Boden macht natürlich viel mehr aus. Einerseits übt der Boden des Fahrzeugs einen zusätzlichen Widerstand aus, auch wenn offen, und andererseits bremst der Boden den wahren Wind, was auch den scheinbaren Wind verdreht: ganz in Bodennähe kommt er von weiter vorne. In der Tabellenkalkulation habe ich zudem den seitlichen Schlupfwinkel und den zusätzlichen Widerstand der seitlich belastetetn Reifen nicht berücksichtigt. Die Resultate sind also grob optimistisch.

Hier ein Bild der Tabellenkalkulation (die Datei selbst liess sich nicht anhängen):
ScreenshotSailforces.ods.png
Es wird eine Fahrt um einen Halbkreis herum berechnet, beginnend mit einem genauen wahren Gegenwind (0°) bis zu einem wahren Rückenwind (180°). Zunächst wird die benötigte Leistung bei Null wahrem Wind berechnet, hier also 182 W. Das ist also hauptsächlich der Luftwiderstand bei der gewählten Fahrgeschwindigkeit (Achtung: CD bezieht sich auf die projizerte seitliche Fläche, nicht Stirnfläche) und der Rollwiderstand. Optional noch eine Steigung, hier Null. Das ist also die rote Linie. Dann kommt der wahre Gegenwind dazu; jetzt werden fast 400 W benötigt. Wenn nun der Wind nur ganz wenig seitlich kommt, reduziert sich die benötigte Leistung sofort: das Hybridsegeln findet also bei jedem Winkel statt. (Die scharfe Spitze irritiert mich: ich hätte eine Abrundung wie bei 180° erwartet.) Von 55° an (= wahrer Wind, der (hier verdeckte) scheinbare Wind kommt von 20°) findet echtes Segeln statt. Um die definierte Geschwindigkeit von 10 m/s zu behalten, muss nun gebremst werden, bis ca. 150°, und dann bis 180° wieder leicht getreten werden. Der "günstigste" Kurs ist also um 100°. Könnte die Segelenergie gespeichtert werden (z.b. mit elektrischer Nutzbremsung) würde über den ganzen Halbkreis ein Energiegewinn stattfinden (Punktlinie, gemittelt ca. 15 W, bei 100% Wirkungsgrad). Geht diese Energie jedoch durch nichtregeneratives Bremsen verloren, beträgt die mittlere benötigte Leistung ca. 70 W (gestrichelte Linie), also gut 100 W weniger als ohne Wind. Das ist also echtes Hybridsegeln.

Es ist zwar nur ein ungenaues Gedankenexperiment mit etlcihen falschen Annahmen, das aber zeigt, dass theoretisch bei jedem kreisförmigen Rundkurs und jedem Wind Energie gerntet wird. In der Praxis mit böigem Wind dürfte dies allerdings weniger zutreffen, so dass die Rekorde auf Rundkursen weiterhin mehr oder weniger der menschlichen Leistung entsprechen. Aber es ist sicher möglich, bei günstigen Bedingungen zu proftitieren, wie die in diesem Thread gezeigten Beispiele belegen.
 
Danke! Hier das fehlende Bild mit den Daten aus Hoerner.LowAR_ShapeData.png
 
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