Scheuer will Radfahren sicherer machen

Hallo,

Die Stadt Hannover hat Standards für Radwege festgelegt, von denen Sie aber gerade in der Innenstadt oft abweicht.

Oh, Hannover baut sein eigenes Ding! Gehen die Standards denn wenigstens über die ERA 2010 (Empfehlungen für Radverkehrsanlagen) und die RASt 06 (Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen) hinaus?

Da setzt sich ein Radschnellweg bei gleicher Pflasterung nach einer Amlelquerung (mit roter Markierung des Radwegs auf dem Asphalt auf der anderen Seite als Fußgängerzone inkl. „Radfahrer erlaubt“ fort oder der Radweg wird vor der Landesbank aus optischen Gründen einheitlich mit dem Gehweg gepflastert und durch gleichfarbige „Bordüren“ abgesetzt.

Radschnellweg durch die Fußgängerzone (= Schrittgeschwindigkeit)?

Dann ist es natürlich kein Wunder, wenn niemand (der Fußgänger) begreift, wo jetzt eigentlich der Radweg ist.
Fährt man dort mit normaler Geschwindigkeit durch, gilt man gleich als Rowdy...

Ist man auch, wenn es sich um"erlaubten Radverkehr in einer Fußgängerzone" handelt.
Allerdings sind Deine Schilderungen widersprüchlich:
a. Fußgängerzone, Radverkehr erlaubt = Schrittgeschwindigkeit
b. Vom Fußgängerbereich abgetrennter Radweg mit blauem Radwegschild = Besondere Rücksicht, angepasste Geschwindigkeit
Was ist es?

(Es gibt hier auch einen Radverkehrsbeauftragten, dessen Funktion jedoch leider eher der eines Blattes der Pflanzengattung Ficus entspricht ;-)

Für dieses Bruchteilzeitjob (= wenige Sekunden am Tag, ansonsten wichtigere Aufgaben) habe ich aufgrund meiner Erfahrungen mit der in Solingen eine Bezeichnung kreiert: Radfahrendebeschwichtigungsbeauftragte.
Feige ist sie aber auch, denn sie versteckt sich gerne hinter dem"runden Tisch" mit dem örtlichen ADFC, der stolz ist auf die schmalen Wegelchen im Türschlagbereich, die er ausgehandelt hat.
Dort soll die Veloroute Vohwinkel - Düsseldorf übrigens durch eine Fußgängerzone (die immer wieder wie z.B. seit Freitag für eine Pfingstveranstaltung für Fahrzeuge aller Art gesperrt ist) geführt werden.

Gruß, Klaus
 
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Oh, Hannover baut sein eigenes Ding! Gehen die Standards denn wenigstens über die ERA 2010 (Empfehlungen für Radverkehrsanlagen) und die RASt 06 (Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen) hinaus?
Nee, eher werden ergänzend Pflasterungen und Farben für Hannover festgelegt.
Ist man auch, wenn es sich um"erlaubten Radverkehr in einer Fußgängerzone" handelt.
Allerdings sind Deine Schilderungen widersprüchlich:
a. Fußgängerzone, Radverkehr erlaubt = Schrittgeschwindigkeit
b. Vom Fußgängerbereich abgetrennter Radweg mit blauem Radwegschild = Besondere Rücksicht, angepasste Geschwindigkeit
Was ist es?
widersprüchlich sind auch die Markierungen/Pflasterungen.
Dieselbe farblich abgesetzte Pflasterung ist vor der Straßenquerung vom Fußgängerbereich abgetrennter Rad(schnell)weg (ja, mit blauem Radwegschild) und nach der Straßenquerung
Fußgängerzone, Radverkehr erlaubt = Schrittgeschwindigkeit.

Die einheitlich ausgeführte Pflasterung vor der Landesbank soll einerseits auf einer nur durch zwei Läuferschichten optisch abgegrenzten Fläche ein abgetrennter Radweg sein (ja, auch mit mit blauem Radwegschild am Beginn der Fläche) und sonst Fußgängerbereich.

Blinde sollten übrigens beide Bereiche meiden, da sie, wie auf allen nur durch (Pflaster-)Farbe abgesetzten Flächen, keinerlei Chance zur taktilen Orientierung haben.
 
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wie das die Mutter zum Kinder kam ich zu aufgaben unseres Fahrradclubs. Und ihr seid Schuld, das ich mich mit Verkehrspolitik und Regeln beschäftige. Seit gestern geht es heiß her diesen Faden. So möchte einige Anekdoten zu all diesen Themen geben:

Era: bei einem Arbeitskreis Radverkehr einer Kommune zog ich RAST und ERA aus der Tasche. Kein einziger (und da sind auch Ordnungsamt, Bürgermeister und Planungsbehörden dabei) kannte diese Vorschrift. Wir debattieren hier auf bereits hohem Niveau. Dennoch müssen viele mehr in verschiedenen Organisationen der Unruheherd sein, wie auch @Klaus d.L. es lange war und heute als Einzelkämpfer ist. CM sind dazu wichtiger den je, weil dort treffen wir up-fahrer, welche mehr als mancher Fahrradclub mehr Radverkehr fordern.

Vor kurzem wurde eine Diskussion über Tempolimit geführt. Herr Dr. Scheuer wandte sich eindeutig dagegen. Wenn er gleichzeitig auf Elektromobilität setzt, widerspricht er sich. Die maximal sinnvolle b.z.w. mögliche Geschwindigkeit eine E-MIV liegt im Bereich der heutigen Richtgeschwindigkeit (und damit diskutierten Tempolimits) auf Autobahnen. Zuviel zur Fähigkeit des vernetzten Denkens und Glaubwürdigkeit Verkehrsministers.
Dennoch regt das BMVI hier Dinge an, die dem Stand der Technik entsprechen und in einigen EU-Staaten praktiziert werden. Die Umsetzung erfolgt jedoch auch Landes, Kreis oder Kommunalebene. Wie bereits treffend formuliert, versuchen die Radbeauftragten vieles anzuschieben und sind nur ein Feigenblatt. Ich entsinne mich bei der diesjährigen AGFK Bayern an ein Gespräch mit einen Radbeauftragten (20 Jahre im Amt, grössere Stadt), der sehr frustriert Klang.
Die Planungen machen aber andere, eher nicht radaffine Verwaltungsbeamte.

Auch in dieser Forums- Diskussionen, abgesehen von einigen persönlichen Duellen, zeigt sich eines: Der Verkehr muss anders organisierte werden. Es ist die Quadratur des Kreises es ohne Opfer des MIV zu tun. Die Strassen sind angelegt und an diesen Strassen stehen Gebäude, die es unmöglich machen, die Strassen zu verbreitern, das nur die Umwidmung von Strassenteilen möglich ist und die juristische Umverteilung des Strassenraums (StVO Änderung).

Die Kennzeichnung von Radstreifen, farbigen Pflasterungen, Radpiktogramme aufmalen sind Krüken, denen man sich als Vertreter für den Radverkehr nicht widersetzen kann (aus praktischen Gründen). Aber sie sind Blödsinn und Spiegeln zweierlei wider:
  1. Politisches Würdenträger trauen sich nicht oder können / wollen nicht eine gleichberechtigte Verkehrsinfrastruktur zu schaffen
  2. Verwaltungen verhindern dies durch kluges agieren der jeweiligen Verwaltungschefs (Planungsbehörden, Ordnungsamt), aufgrund ihres konservativen Denkens
  3. und beide bedingen einander und können sich gegenseitig ausbremsen
Dilemma des Radlobbisten ist es, je höher der Gegenpart angesiedelt, umso diplomatischer muss er sein, damit ihm nicht die Tür der Nase zugeschlagen wird. (Aber vielleicht sollte er sich öffentlich wirksam mal die Tür vor der Nase zuschlagen lassen.) Daher ist er alleine ohne andere Bewegungen wie CM, .... , wertlos. Leider sind viele Teile der Gesellschaft (auch radaffine) noch nicht bereit dies mitzutragen oder dafür aktiv zu werden.
 
Hallo,

Era: bei einem Arbeitskreis Radverkehr einer Kommune zog ich RAST und ERA aus der Tasche. Kein einziger (und da sind auch Ordnungsamt, Bürgermeister und Planungsbehörden dabei) kannte diese Vorschrift.

Bis auf die Straßenverkehrsbehörden muss diese Regelwerke keiner kennen. Und es ist auch nicht erwünscht, dass andere sie kennen, denn sie sind nur kostenpflichtig erhältlich (die RASt 06 kostet so um die 60 €).

Wenn er gleichzeitig auf Elektromobilität setzt, widerspricht er sich. Die maximal sinnvolle b.z.w. mögliche Geschwindigkeit eine E-MIV liegt im Bereich der heutigen Richtgeschwindigkeit (und damit diskutierten Tempolimits) auf Autobahnen.

Naja, Teslas laufen über 200 km/h, der Roadster kann mit über 400 km/h rasen, der hiesige "ich-bin-so-öko-Bäcker" wurde kürzlich angeklagt wegen eines Beschleunigungsrennens auf der hiesigen Ortsumgehung. Das schnellste Modell von Audi erreicht 240, Jaguar 200, Mercedes 250.

Gruß, Klaus
 
Für die aus der anderen Richtung? Nein, ich glaube dir schon dass die wirklich so bescheuert sind!
 
Wenn die ERA nicht bekannt ist, können wir damit nicht argumentieren und für dessen Umsetzung werben.
 
Hallo,

Wenn die ERA nicht bekannt ist, können wir damit nicht argumentieren und für dessen Umsetzung werben.

1. Das ist möglicherweise neben den Wirtschaftsinteressen des Verlages ein Grund dafür, dass sie nicht frei verfügbar ist. Ich besitze sie nur deshalb, weil ich in diesem Forum erfuhr, dass eine Stadtverwaltung sie "versehentlich" ins Netz gestellt hatte - für kurze Zeit, bis es den falschen Leuten auffiel. Wichtige Passagen findet man in Form von PP-Vorträgen im Netz.
Die RASt habe ich nicht, kann damit jemand dienen?
2. Wenn ich mit der ERA argumentieren will, mache ich die Passagen bekannt. Bei Behördenvertretern reicht es mir völlig, wenn die die Vorschriften kennen, die für sie gelten.

Gruß, Klaus
 
Hallo,
Bis auf die Straßenverkehrsbehörden muss diese Regelwerke keiner kennen.

Eine Straßenverkehrsbehörde ist für die Ausführung der Straßenverkehrsordnung zuständig. Die brauchen die ERA oder RASt eher weniger. Straßenbaubehörden brauchen die ERA und RASt.

Und es ist auch nicht erwünscht, dass andere sie kennen, denn sie sind nur kostenpflichtig erhältlich (die RASt 06 kostet so um die 60 €).

Die englische Übersetzung der RASt stellt der Verlag kostenlos als PDF zur Verfügung:
http://www.fgsv-verlag.de/catalog/product_info.php?products_id=3173
 
Hallo,

Eine Straßenverkehrsbehörde ist für die Ausführung der Straßenverkehrsordnung zuständig. Die brauchen die ERA oder RASt eher weniger. Straßenbaubehörden brauchen die ERA und RASt.

Mal abgesehen davon, dass beide bei uns beim Tiefbauamt angesiedelt sind und der Chef derselbe ist, benötigt die Verkehrsbehörde mindestens die ERA, weil sie letztendlich für die Schilder zuständig ist.

Die englische Übersetzung der RASt stellt der Verlag kostenlos als PDF zur Verfügung:
http://www.fgsv-verlag.de/catalog/product_info.php?products_id=3173

DANKE! Puh, 130 Seiten.

Gruß, Klaus
 
Die englische Übersetzung der RASt stellt der Verlag kostenlos als PDF zur Verfügung:
http://www.fgsv-verlag.de/catalog/product_info.php?products_id=3173

Wie relevant bzw. verbindlich ist die denn? Wenn ich z.B. auf die Seiten 27 und 28 des verlinkten pdf schaue sehe ich:

- Einzuplanender Seitenabstand eines Radfahrers vom Bordstein: 50cm
- Einzuplanender Seitenabstand eines Radfahrers von Zäunen, Gebäuden etc: 25cm
- Einzuplanender Seitenabstand eines Radfahrers von schräg geparkten Fahrzeugen: 25 cm
- Überholabstand eines LKW zum Radfahrer: 75cm
- Abstand eines Busses zu einem Radfahrer im Begegnungsverkehr: 75cm
- Breite eines PKW ohne Spiegel: 1,75m
- Breite eines Radfahrers: 80cm plus links und rechts je 10cm Sicherheitsraum, gesamt 1m.
- im Falle von Fahrrad mit Kinderanhänger +30cm

Auf S.81 folgende wird in Abb. 71 die Breite eines Angebotsstreifens (gestrichelte Linie) auf der Fahrbahn mit 1,50m incl. Markierungen angegeben, mindestens aber 1,25m , egal ob rechts daneben Parkplätze sind oder der Bordstein. Bei einem Schutzstreifen (durchgezogene Linie) sind zwischen Parallelem Parkstreifen und Schutzstreifen noch 50-75cm Sicherheitsraum vorgesehen (Abb. 72) alternativ ohne Parkplätze 25cm zum Bordstein; ausserdem eine Mindestbreite von 160cm bei einseitigem Radverkehr (2oocm empfohlen bei höherem Fahrradaufkommen) sowie 200cm (bzw 250cm) bei einem Zweirichtungsradweg. (Tabelle 28). Etc. etc.

Das kommt mir insgesamt alles schon recht knapp vor, sowohl was die angenommenen Fahrzeugabmessungen angeht als auch was die Platzempfehlungen angeht.
 
Hallo,

Leute, wacht mal auf! Scheuer will doch nicht das Radfahren sicherer machen. Er schmeißt uns ein paar Brotkrumen hin, damit wir das Maul halten und beim nächsten Mal die jetzt noch viel grünere CDU ankreuzen.

Die spannenden Frage ist, ob die Taktik der CDU aufgeht. Sich anzubiedern, hat in der Geschichte oft zum eigenen Untergang geführt. Werden wir Radfahrer mit den Brotkrumen zufrieden sein? Oder jetzt erst Recht Appetit auf echte Gleichberechtigung und Sicherheit bekommen?

Grüße
Andreas
 
Hallo,

Wie relevant bzw. verbindlich ist die denn?

Als "Richtlinie" sollte die schon verbindlich sein, wie verbindlich, entscheiden Gerichte im Einzelfall. Und bedenke: Sie ist von 2006, also älter als die ERA 2010 sind.

- Einzuplanender Seitenabstand eines Radfahrers vom Bordstein: 50cm
- Einzuplanender Seitenabstand eines Radfahrers von Zäunen, Gebäuden etc: 25cm
- Einzuplanender Seitenabstand eines Radfahrers von schräg geparkten Fahrzeugen: 25 cm
- Überholabstand eines LKW zum Radfahrer: 75cm
- Abstand eines Busses zu einem Radfahrer im Begegnungsverkehr: 75cm
- Breite eines PKW ohne Spiegel: 1,75m
- Breite eines Radfahrers: 80cm plus links und rechts je 10cm Sicherheitsraum, gesamt 1m.
- im Falle von Fahrrad mit Kinderanhänger +30cm

Vieles entspricht der gängigen Praxis, ist aber durch Gerichtsurteile überholt wie die 75 cm Überholabstand. Und SUV gab es erst ab 1994 in Europa, es waren also nicht einmal 12 Jahre Zeit, deren Breite einzuarbeiten.

Auf S.81 folgende wird in Abb. 71 die Breite eines Angebotsstreifens (gestrichelte Linie) auf der Fahrbahn mit 1,50m incl. Markierungen angegeben, mindestens aber 1,25m , egal ob rechts daneben Parkplätze sind oder der Bordstein.

Angebotsstreifen ist der veraltete Name für Schutzstreifen. Die Namensänderung kam iIrc gleichzeitig mit der Aufnahme des Tatbestandes "Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot durch Nichtbenutzung des Schutzstreifens" in den Bußgeldkatalog. Somit ist der Streifen kein Angebot mehr, sondern die Benutzung soll gegen den Wortlaut der StVO (und ein aktuelles Gerichtsurteil) Pflicht sein.

Bei einem Schutzstreifen (durchgezogene Linie) sind zwischen Parallelem Parkstreifen und Schutzstreifen noch 50-75cm Sicherheitsraum vorgesehen (Abb. 72) alternativ ohne Parkplätze 25cm zum Bordstein; ausserdem eine Mindestbreite von 160cm bei einseitigem Radverkehr (2oocm empfohlen bei höherem Fahrradaufkommen) sowie 200cm (bzw 250cm) bei einem Zweirichtungsradweg. (Tabelle 28).

Hier geht einiges durcheinander. Die von Dir genannten Maße gelten für Radfahrstreifen (durch durchgezogenen Breitstrich von der Fahrbahn und nicht zu dieser gehörende, benutzungspflichtige Radwege). Bei den Mindestbreiten mischt Du die Werte mit denen für Bordsteinradwege ("Cycle paths alongside roads"), Zweirichtungsradfahrstreifen sind im deutschen Verkehrsrecht glücklicherweise nicht vorgesehen.

Das kommt mir insgesamt alles schon recht knapp vor, sowohl was die angenommenen Fahrzeugabmessungen angeht als auch was die Platzempfehlungen angeht.

Es übertrifft jedoch die gelebte Praxis teilweise deutlich.

Gruß, Klaus
 
Der soviel Schutz bedeutet wie damals die Schutzhaft.

Klar, aber er durfte halt nicht mehr "Angebot" im Namen haben und der neue Name gibt einen Grund, die Benutzung zu verlangen: Nimm den Schutz gefälligst an und fahr mit schlecht abgesenkten Gullys dekorierte durch die Dooringzone!
 
Leute, wacht mal auf! Scheuer will doch nicht das Radfahren sicherer machen. Er schmeißt uns ein paar Brotkrumen hin, damit wir das Maul halten und beim nächsten Mal die jetzt noch viel grünere CDU ankreuzen.

Die spannenden Frage ist, ob die Taktik der CDU aufgeht. Sich anzubiedern, hat in der Geschichte oft zum eigenen Untergang geführt.

Na ja, wenn sinnvolle Regelungen Gesetz werden ist mir eigentlich egal woher die kommen - ich werde bestimmt nicht aus partei-ideologischen Gründen Gesetzesinitiativen ablehnen, die ich sachlich für sinnvoll erachte... Und genauso wenig würde ich eine bestimmte Partei wählen, nur weil die ein einziges mal an einer einzigen Stelle sinnvolle Regelungen in's Gespräch gebracht hat nach jahrzehntelanger Ignoranz oder gar Konterproduktivität. Schon gar nicht, falls ich sonst mit der betreffenden Partei nicht übereinstimmen sollte. Ich vermute, das werden andere nicht viel anders handhaben. Ausserdem ist der Scheuer Andi in der CSU und die können die meisten eh gar nicht wählen. :p
Auf der anderen Seite: Man hat den C*-Parteien (IMHO durchaus zu recht) vorgeworfen, aus Unwillen, Unfähigkeit und Konfliktscheu die elementaren Probleme der Welt zu ignorieren zugunsten von Karrieregeplänkel, Populismus und Wirtschaftslobbyismus (was bzw. für die anderen Parteien - ebenfalls IMHO - nicht minder zutrifft). Wenn die jetzt einmal einen Schritt machen, der zumindest auf den ersten Blick nicht völlig verkehrt aussieht ist's auch wieder nicht recht. Schon irgendwie komisch, oder? Man muss sie ja deswegen nicht gleich wählen... Wär's denn besser, wenn sie so ignorant blieben, wie sie bisher waren?
Mal ab davon, dass den Schritt weder die CDU noch die CSU gemacht haben sondern der Bundesverkehrsminister, vermutlich ein Stück weit getrieben von seiner Verwaltung. Der ist halt zufällig in der CSU. Dadurch wird die CSU noch lange nicht zur Radfahrerpartei, auch wenn der Scheuer in den Videos ein bisschen aussieht wie Calimero. :D

Also gucken wir uns doch mal an, was da sachlich drinsteckt: Sind die Vorschläge vom Scheuer
- sinnvoll
- notwendig
- hinreichend / vollständig
- realistisch / umsetzbar
- zweckdienlich / praxistauglich

oder sind sie lediglich populistisch, undurchdacht, praxisfern und bescheuert? :whistle:

1. Generelles Halteverbot auf Schutzstreifen und Erhöhung der Bußgelder für das Parken in zweiter Reihe
- sinnvoll -> ja
- notwendig -> leider ja
- hinreichend / vollständig -> unklar
- realistisch / umsetzbar -> eher nicht: wird heute schon nicht kontrolliert/geahndet
- zweckdienlich / praxistauglich -> nein, da das Problem des Lieferverkehrs nicht gelöst ist bzw. wird. Da wo es Liefer- und Ladezonen gibt werden sie zugeparkt, oft gibt es erst gar keine.

Fazit: Ohne ständige, laufende und flächendeckene Kontrollen bleibt die Reform sinnlos und ohne ergänzende Lösungen für den Lieferverkehr praxisfern.

2. Mindestüberholabstand für Kfz 1,5m innerorts/2m ausserorts

- sinnvoll -> ja
- notwendig -> ja, die Rechtssprechung ist zwar eindeutig aber Autofahrer negieren diese, da es sich ihrer Meinung nach um Einzelurteile handele, die nur für den jeweiligen Fall gälten.
- hinreichend / vollständig -> vermutlich ja, ist "nur" eine Umsetzung der geltenden Rechtssprechung
- realistisch / umsetzbar -> eher nicht: wird heute schon nicht kontrolliert/geahndet. Die Polizei sieht sich ausserstande, Überholabstände zu messen obwohl es im Ausland (USA, Österreich) mittlerweile gemacht wird und entsprechende Gerätschaften zu kaufen sind. Auch in Deutschland gibt es wissenschaftliche und journalistische Projekte - es fehlt also offenbar an Kapazität sowie vor allem am Willen der Exekutive. Umsetzung also sehr zweifelhaft.
- zweckdienlich / praxistauglich -> jain. Einerseits klare Rechtsnorm mit klaren Verhältnissen (gut), andererseits in sehr vielen Straßensituationen nicht umsetzbar ohne kilometerlange Staus zu produzieren. Kann man in Kauf nehmen, dessen sollte man sich aber bewußt sein. Es fehlt die Möglichkeit zum situationsgerechten Augenmaß, das ist aber wohl eine Folge des Überholverhaltens der Autofahrer und damit selbstgewähltes Elend.

Fazit: Ohne ständige, laufende und flächendeckene Kontrollen bleibt die Reform vermutlich weitgehend wirkungslos, zumal sie im Alltag bei Beachtung zu fühlbaren Einschränkungen für die Autofahrer führen wird. Insgesamt eine notwendige und sinnvolle Regelung, die lediglich die Rechtssprechung in ein Gesetz giesst.

3. Schrittgeschwindigkeit für rechtsabbiegende Lkw innerorts, 7-11 km/h
- sinnvoll -> ja
- notwendig -> eher nicht
- hinreichend / vollständig -> nein, Abbiegeassistent wäre ergänzend erheblich sinnvoller, alternativ Beifahrerpflicht innerorts. Dass man da nicht autonom agieren könne sondern auf die EU warten müsse halte ich für vorgeschoben - in London z.B. gibt es seit einigen Jahren Vorschriften für LKW und noch sind sowohl UK als auch London Teil der EU. Auch sonst gibt es EU-weit durchaus Unterschiede was im oder am Fahrzeug zu sein hat (bekannt: Motorradverbandskasten in Österreich, Warnschilder am Fahrradträger in Italien, etc.). Ist also eine faule Ausrede und die Regelung ungenügend.
- realistisch / umsetzbar -> wahrscheinlich ja.
- zweckdienlich / praxistauglich -> nein, da das Problem der Gefährdung beim Rechtsabbiegen von LKW nicht gelöst wird. Grosse LKW biegen bereits heute häufig langsam ab bis hin zur Schrittgeschwindigkeit, dennoch kommen auch bei im Schritttempo abbiegenden LKW Radfahrer um's Leben, z.B. in Berlin 2017.

Fazit: Nette Ergänzung, aber nicht wirkungsvoll und praxisfern. Alibigesetz. Wirkungsvolle Lösungen werden vermieden und gar nicht erst erwähnt.

4. Grüner Pfeil für Radfahrer

- sinnvoll -> ja
- notwendig -> nein
- hinreichend / vollständig -> unklar
- realistisch / umsetzbar -> ja
- zweckdienlich / praxistauglich -> ja, da im Wesentlichen Legalisierung einer vielfach längst gelebten Praxis. Gute Erfahrungen in anderen Großstädten im Ausland. Aber: potentiell konfliktträchtig, der grüne Pfeil für PKW (aus der DDR übernommen) funktioniert im ehemaligen Westdeutschland eher so mittelprächtig.

Fazit: Mostly harmless. Gute, pragmatische Regelung ohne nennenswertes Risiko. Genaue Ausgestaltung muss man sehen, ebenso, ob das von den Gemeinden überhaupt umgesetzt wird und ob es Ausführungsvorschriften oder gar einen Rechtsanspruch unter bestimmten Bedingungen geben wird.

5. Einrichtung von Fahrradzonen
- sinnvoll -> vermutlich ja, bei passender Ausgestaltung hilfreich zur Etablierung des Fahrrades als Verkehrsmittel
- notwendig -> nein
- hinreichend / vollständig -> unklar
- realistisch / umsetzbar -> wahrscheinlich ja
- zweckdienlich / praxistauglich -> muss man sehen. Die existierenden Fahrradstrassen, denen die Fahrradzonen nachempfunden werden sollen, werden nicht besonders gut akzeptiert von Autofahrern (Durchfahrtverbot für Nicht-Anlieger, Vorrang von Radfahrern). Sinnvoll wären Regelungen wie "Parken nur auf ausgewiesenen Parkplätzen" analog zu verkehrsberuhigten Zonen und eine tatsächliche deutliche Limitierung der Autoparkplätze sowie ausgwiesene Ladezonen. Hier in Berlin unterscheiden sich Fahrradstrassen von normalen Strassen nur durch ihre Schmalheit (bei gleichzeitigem beidseitigem Zugeparktsein), Piktogramme auf der Fahrbahn und Schilder an Beginn und Ende.

Fazit: Kann schön sein, kann sinnvoll sein, kann ein schlechter Witz sein - kommt auf die Ausgestaltung an.

6. Nebeneinanderfahren von Radfahrenden erleichtern
- sinnvoll -> nein
- notwendig -> nein
- hinreichend / vollständig -> ja, vermutlich
- realistisch / umsetzbar -> ja
- zweckdienlich / praxistauglich -> nein, eher nicht. Zwar ist es schon heute problemlos möglich, dass Radfahrer nebeneiander Fahren und dabei gesetzeskonform überholt werden können (und erzwingt innerstädtisch auf Mehrspurigen Strassen sogar sinnvollerweise den Fahrstreifenwechsel des Überholenden), ich würde jedoch erhebliches Konfliktpotential mit Autofahrern erwarten mit entsprechendem Aggressionspotential. Insbesondere, wenn Fahrradfahrer die Vorschrift nur halb lesen und ableiten sie dürften immer nebeneinander fahren. "Sofern der Verkehr nicht behindert wird" ist sehr interpretationsfreudig...

Fazit: Schön für Radfahrer, ärgerlich für Autofahrer. Im Zuge einer politischen Klimawende hin zu einer Bevorzugung des Radverkehrs und einer Einschränkung des Autoverkehrs ein interessantes Signal, jedoch mit gewaltigem Konfliktpotential.

7. Ausweitung des Parkverbots vor Kreuzungen und Einmündungsbereichen (5m vom Beginn der Eckausrundung)
- sinnvoll -> ja
- notwendig -> leider ja
- hinreichend / vollständig -> unklar
- realistisch / umsetzbar -> eher nicht: wird heute schon nicht kontrolliert/geahndet. Ist das nicht eh schon längst generell in der StVo, ganz ohne Radweg? §12.3.1 StVo:
(3) Das Parken ist unzulässig
1. vor und hinter Kreuzungen und Einmündungen bis zu je 5,00 m von den Schnittpunkten der Fahrbahnkanten,
Oder ist gemeint, es auszuweiten, also um die ausdehnung der Kurve zu verlängern (Schnittpunkt der Fahrbahnkanten vs. Beginn der Eckausrundung)?
- zweckdienlich / praxistauglich -> ja, aber nur, wenn es auch überwacht wird, mit heftigen Bußgeldern versehen und konsequent abgeschleppt wird. Also wohl eher nein.

Fazit: Sinnvoll, aber vermutlich längst geltendes Recht? In jedem Fall wird die bereits geltende Regelung nicht mal im Ansatz durchgesetzt. Warum sollte das bei einer neuen besser sein?

8. Vereinfachung für Lastenräder (Piktogramm)
- sinnvoll -> perspektivisch ja
- notwendig -> perspektivisch ja
- hinreichend / vollständig -> unklar
- realistisch / umsetzbar -> wird schon nicht so schwer sein. Konsequenzen / Bedeutung unklar. Dem Video nach geht es um Ladezonen für Lastenräder. Das ist tatsächlich mal in die Zukunft gedacht.
- zweckdienlich / praxistauglich -> So wie Ladezonen für Lieferfahrzeuge von Autos zugparkt werden werden wahrscheinlich die für Lastenfahrräder von Autos UND Fahrrädern zugeparkt....

Fazit: Kommt mir, nach Klarstellung durch Betrachten des Videos, sinnvoll vor um die innerstädtische Logistik per Rad zu fördern.

9. Verkehrszeichen Radschnellwege (auch auf sandigem Untergrund)
- sinnvoll -> vermutlich nein
- notwendig -> vermutlich nein
- hinreichend / vollständig -> unklar
- realistisch / umsetzbar -> vermutlich ja
- zweckdienlich / praxistauglich -> vermutlich ja, wenn die Intention sein sollte, einen Radschnellweg auch dann ausweisen zu können, wenn ein kurzes Stück nicht geteert ist. Definitiv nein, wenn es als Alibi missbraucht wird, beliebige Feldwege als Radschnellweg ausweisen zu können, damit formal welche da sind. Niemand käme auf die Idee eine Sandpiste als Autobahn auszuweisen. Warum ist das dann bei Radschnellwegen so?

Fazit: Riecht nach Alibiregelung, die notwendige und sinnvolle Investitionen verhindert und Pseudo-Fahrradfreundlichkeit ermöglicht.

10. Überholverbot von Radfahrenden

- sinnvoll -> keine Ahnung
- notwendig -> mE nein - das Problem hatte nich noch nie.
- hinreichend / vollständig -> unklar
- realistisch / umsetzbar -> wahrscheinlich ja, weiss bloss keiner warum.
- zweckdienlich / praxistauglich -> löst ein Problem, das heute realiistischerweise nicht vorhanden ist. Vielleicht gedacht im Vorgriff auf drastisch steigenden Radverkehr?

Fazit: Motivation unklar, brauch ich nicht.

11. Innovationsklausel (zur Erleichterung von Modellversuchen)
- sinnvoll -> ja
- notwendig -> vielleicht
- hinreichend / vollständig -> unklar
- realistisch / umsetzbar -> hoffentlich
- zweckdienlich / praxistauglich -> Wenn es so ausgestaltet ist, dass wirklich unbürokratisch mehr Freiräume für schnelleres Experimentieren da sind eine gute Sache.

Fazit: Kann schön sein, kann sinnvoll sein, kann ein schlechter Witz sein - kommt auf die Ausgestaltung an.

12. Vereinfachte Öffnung von Einbahnstraßen für Radfahrer in Gegenrichtung

- sinnvoll -> ja
- notwendig -> nein, habe nicht das Gefühl, daß da aktuell ein Problem besteht.
- hinreichend / vollständig -> unklar
- realistisch / umsetzbar -> wahrscheinlich ja - habe nicht das Gefühl, dass da heute ein Problem bestünde.
- zweckdienlich / praxistauglich -> vermutlich eher nein, da das Problem eventuell gar nicht existiert.

Fazit: Verstehe den Grund der Regelung nicht, daher kein Urteil.


Werden wir Radfahrer mit den Brotkrumen zufrieden sein? Oder jetzt erst Recht Appetit auf echte Gleichberechtigung und Sicherheit bekommen?

Insgesamt hört sich das durchaus nach ein paar sinnvollen Sachen an, ergänzt um ein paar Unklare und ein paar Uzureichenden/Feigenblättern. Und möglicherweise nach dem Beginn einer grundlegenden langfristigen Weichenstellung in Richtung Rad (wenn wir Glück haben) - auf jeden Fall nicht nach dem Ende der Fahnenstange. Aber Sonntach iss aufm Platz . Kommt drauf an, was am Ende wirklich auf der Strasse ankommt - wir werden sehen. Und was das Thema Gleichberechtigung angeht (auch wenn ich mich damit wahrscheinlich unbeliebt mache): Rechte gehen in unserer Gesellschaft typischerweise mit Pflichten einher. Zwar betrachten weitere Anteile der Autofahrer hier in Berlin die StVo als unverbindliche Empfehlung anstatt als gültige Vorschrift (was zu Recht u.a. von den Radlern beklagt wird), erhebliche Anteile der Radler tun aber noch nicht mal das - sie ignorieren sie dauerhaft vollständig. Und solange Gehwegradeln, Rotradeln, Fahren ohne Licht, Fahren entgegen der Fahrrichtung, Fahren kreuz und quer über die Kreuzung und was es da noch so alles gibt von relevanten Anteilen der Radfahrer selbstverständlich praktiziert wird brauchen sie sich nicht wundern, wenn sie von anderen in erster Linie als Störenfriede, Gefährder und Selbstmörder wahrgenommen werden und nicht ernst genommen. Und von Gleichberechtigung kann da keine Rede sein. In einer gleichberechtigten Verkehrswelt müssten Radler die gleiche Bereitschaft zeigen sich an Verkehrsregeln zu halten, wie sie sie von Autofahrern erwarten, auch was den §1 StVo angeht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo,
Angebotsstreifen ist der veraltete Name für Schutzstreifen. Die Namensänderung kam iIrc gleichzeitig mit der Aufnahme des Tatbestandes "Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot durch Nichtbenutzung des Schutzstreifens" in den Bußgeldkatalog. Somit ist der Streifen kein Angebot mehr, sondern die Benutzung soll gegen den Wortlaut der StVO (und ein aktuelles Gerichtsurteil) Pflicht sein.
Die Namensänderung gab's m.W.n. im Zuge der 1997er Fahrradnovelle, wo der Schutzstreifen Eingang in StVO und VwV-StVO und auch BKat fand ...
Du meinst OVG Lüneburg?
[DOUBLEPOST=1560175631][/DOUBLEPOST]
Der soviel Schutz bedeutet wie damals die Schutzhaft.
Nun hab Dich doch nicht so!
Er schützt doch zuverlässig die Autofahrer vor lästig zu weit links radelnden Radelnden!
 
Hallo,

Aber: potentiell konfliktträchtig, der grüne Pfeil für PKW (aus der DDR übernommen) funktioniert im ehemaligen Westdeutschland eher so mittelprächtig.

Dieses Problem ist beim Radlerblech aber anders gelagert. Die Probleme mit dem Kraftfahrergrünpfeil baden die schwächeren Verkehrsteilnehmer aus, dass es beim Fahrradblech zunehmend Unfälle mit Fußgängern geben wird, halte ich für unwahrscheinlich.

Du meinst OVG Lüneburg?

Ja.

Er schützt doch zuverlässig die Autofahrer vor lästig zu weit links radelnden Radelnden!

:ROFLMAO: Tut er nicht, erstens folgen doch einige meiner Empfehlung und fahren auf der Linie, zweites fühlen sich Autofahrer oft auch von rechts der Linie Radfahrenden belästigt.:ROFLMAO:

Gruß, Klaus
 
Selbst wenn man nur die 75cm Abstand nimmt und das Fahrrad 80 cm Raum bekommen soll müsste die Mindestbreite eines „Schutzstreifens“ 155 cm betragen und nicht 125cm. Außerdem müssten die Autofahrer dann noch die 75cm Abstand zum Fahrrad auf der eigenen Fahrspur einräumen...
...faktisch stellt ein Schutzstreifen also fast immer eine Verschlechterung der Sicherheit gegenüber einem mit angemessenen Abstand zu parkenden Autos in der Fahrspur fahrendem Radfahrer dar.
 
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