Zum "schwedischen Modell":
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In der Todesstatistik werden nur die gezählt, die nach einem positiven Test im Krankenhaus gestorben sind. Außerdem gibt es in Schweden eine beträchtliche Verzögerung in der Berichterstattung, was zu Folge hat, dass die Todesfälle am Wochenende immer extrem niedrig liegen. Todeszahlen werden also immer nachträglich nach oben korrigiert.
Die Gesamtsterblichkeit im Monat März war in Stockholm doppelt so hoch wie im langjährigen, sehr stabilen Durchschnitt. Daraus ergibt sich, dass die Dunkelziffer von Corona-Toten wohl um einiges höher liegt, als dies die offiziellen Zahlen vorgeben. Tote werden allerdings nicht nachträglich auf das Virus getestet.
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Und IMO ganz wichtig:
Dass man die Kapazitätsgrenzen noch nicht erreicht hat, liegt aber auch daran, dass man mittlerweile ältere Patienten nicht mehr in die Intensivstationen aufnimmt, um die verfügbaren Plätze für jüngere, ansonsten gesündere Patienten bereit zu halten. Einem Beschluss des renommierten Karolinska Instituts zufolge betrifft dies Covid-Patienten über 80 Jahre, über 70 mit einer ernsten anderen Vorbelastung, und über 60 mit zwei Vorbelastungen. Auch das wirkt sich positiv auf die Statistiken aus, die zeigen, dass die immer mehr Patienten die Intensivbehandlung überleben.
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Also hat Schweden faktisch eine Triage eingeführt! Menschen über 60 mit zwei Vorbelastungen werden nicht mehr auf eine Intensivstation aufgenommen, über 80jährige gar nicht mehr.
Und mal zur Info: Vorbelastet sind nicht nur Leute, die 3 Herzinfarkte hatten, eine Krebserkrankung und massives Übergewicht. Nein, ich bin mir sicher, dass bei sehr vielen 60jährigen problemlos Vorbelastungen diagnostiziert werden können, mit denen sie aber trotzdem locker eine normale Lebenserwartung erreichen könnten.
Außerdem werden Tote zu Hause und in Alten- und Pflegeheimen nicht gezählt.
Ganz nebenbei: Ich bin mir sicher, dass so mancher der "Mein Gott, dann sterben halt ein paar Rentner, die eh bald abgenippelt wären!"-Fraktion trotz bestem Mannesalters Risikopatienten sind, ohne es zu wissen. Ich finde es ausgesprochen widerlich, dass es in der Diskussion anscheinend nicht reicht, auf die Rücksichtnahme für das Leben anderer verweisen muss, das Empathie und Mitgefühl nicht reichen, sondern dass man sagen muss: Auch DU könntest direkt durch Covid19 oder indirekt durch das Zusammenbrechen des Gesundheitssystems betroffen sein.
Wie mancher das Leben anderer als Verfügungsmasse sieht und sich anmaßt über den Wert eines Lebens zu entscheiden, macht mich sprachlos, überrascht mich aber leider auch nicht wirklich. Wer lange genug z.B. in der Behindertenhilfe gearbeitet hat, kennt solche Überlegungen und Rechenexempel leider zur Genüge. Was neu ist, das es nicht mehr hinter vorgehaltener Hand passiert, sondern dass so ein letzten Endes eugenisches Denken offenbar salonfähig wird. Mir macht Covid19 weniger Angst, als diese gesellschaftlich-moralische Verrohung, die sich in vielen Diskussionen zunehmend bemerkbar macht.