Nach zähem Ringen, standen an diesem Wochenende doch auch die Spezi und der Fleche Alemagne an, war klar, wir besuchen die Tante in Balingen. Sonst nehme ich bei diesen Gelegenheiten mein MTB mit, um die herrlichen Trails am Albabbruch zu genießen. Dieses mal habe ich mich aber für die
Rostbraune entschieden, da ich zumindest meine traditionelle Fahrt in den Mai machen wollte.
So bin ich Sonntagabend um fünf Richtung Lochensattel aufgebrochen. Die Tante hat, ob meines Vorhabens, die ganze Nacht radeln zu gehen, die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und ist noch schnell ein paar Brote schmieren gegangen. Meinen Einwand, dass ja Walpurgisnacht sei und ich bestimmt unterwegs etwas zu Essen bekäme ließ sie nicht gelten. Maibaum bewachen gäbe es bei ihnen nicht.
Am Wochenende darf der Lochen, von Motorrädern, nur abwärts befahren werden. Das ist sehr angenehm, ist doch meine Erfahrung, dass gerade Motorradfahrer, die mehr Platz hätten, sehr gerne eng vorbeizischen. Das erste Stück geht’s abseits der Straße schön beschaulich hoch. Dann kommt ein Stückchen Schotter und den Rest fährt man auf der gut ausgebauten Straße weiter bis oben.
Die B 440 fällt nach dem Pass beständig leicht ab. Jetzt wird es, trotz Gegenwind Zeit für einen kleinen Größenwahn. Das Pärchen mit den Pedelecs, das mich den Lochen hoch, beim Überholen, noch etwas hochmütig gegrüßt hat, war schnell im Rückspiegel verschwunden und bis Bärenthal musste ich selbst mehrmals nachschauen, ob nicht irgendwo an meiner Rostbraunen ein Motor verbaut ist.
Die Tante hat sich übrigens geirrt. In jeder Ortschaft war man eifrig am Schaffen um den Maibaum aufzustellen. Teils sogar mit Blasmusik und gegrilltem.
Ich hatte die Route mit dem Brouter geplant. Nach Bärenthal, das Tal der Bära war gerade so richtig eng, bekam ich die Anweisung: links Abbiegen. Ich glaubte mich verhört zu haben, war doch links von mir eine steile Fels-durchsetzte Wand. Nach etwas suchen fand ich einen Feldweg dem ich folgte und es tat sich eine Schlucht auf die mich mit sanfter Steigung zu einem Weiler auf der Hochfläche brachte.
Von dort gab es dann eine
rasante Abfahrt ins nächste Tal und ich war im Revier von
@fluxx, dem Donautal. Meine Rechnung ging auf. Die Straße war leer, fast ausgestorben, und das Licht reichte noch gut um die Schönheit der Landschaft, von Beuron bis kurz vor Sigmaringen zu genießen.
Nach dem Anstieg aus dem Donautal habe ich angehalten um mich für die Nacht fertig zu machen. Wie so oft hielt ein AUTOFAHRER um zu fragen, ob alles in Ordnung wäre. Das war es dann ja auch, weil ich mich für die Abfahrt ins Schmeiental schön warm angezogen hatte.
Nun war es langsam Zeit sich dem gesellschaftlichen Teil des Abends zu widmen. In Oberschmeien, am nächsten Maifeuer, hielt ich an und habe mich mit einem Bier in der Hand unters Volk gemischt. Bratwurst gab es auch, aber ich hatte ja meine Stullen. So hab ich kurzerhand mein Käsebrot gegen eine Bratwurstsemmel getauscht. Die Schwaben tun mir schon leid, dass sie so etwas essen müssen. Das kann ich euch als Kenner und Liebhaber der fränkischen Bratwurst nur sagen.
Nachdem die Landbevölkerung etwas zutraulicher geworden war, wurde ich in ein altes schwäbisches Brauchtum eingeführt. Dazu setzen sich ca. 10 Leute im Kreis um ein Trinkgefäß und legen einen Finger auf den Rand desselben. Dann wird Reihum laut eine Zahl gerufen, wenn die Zahl ertönt überlegt sich jeder schnell, ob er seinen Finger liegen lässt oder vom Rand wegzieht. Wer die richtige Anzahl der verbliebenen Finger geraten hat scheidet aus und der Letzte trinkt aus.
Nachdem ich nach der Zehnten Runde immer noch nichts zu Trinken bekommen hatte wurde es mir Langweilig und ich hörte mit der Brauchtumspflege auf. Oder lag es eher daran, dass alle mal kurz Pipi waren?
Der Abschied viel echt schwer. Alle standen an der Straße und haben gewunken. Selbst der Hinweis auf die Pension gegenüber half nichts, ich musste weiter. Das Schmeiental entpuppte sich, selbst nachts, als Landschaftlich sehr reizvoll.
Entweder sind die Schwaben geniale Straßenbauer, oder sie kaufen aus Sparsamkeit ihre Straßenschilder en gros. Alle beschilderten Steigungen lagen bei 7% . Ach, das stimmt ja gar nicht. Ich habe auch ein Schild mit 7,5% gesehen.
Ein paar Dörfer weiter wurde nochmals auf ein Bier angehalten. Die Stimmung war aber nicht so gut. Da waren alle schon unziemlich angetrunken. Nachdem ich dann völlig Lokalpatriotisch verlauten ließ, der Maibaum in Oberschmeien, bei meinen ehemaligen Kumpels, wäre viel höher, ist die Stimmung Vollendens gekippt und ich habe mich schnell vom Acker gemacht.
Der Rest des Weges über Albstadt hatte wohl wieder etwas Gefälle und es lief prächtig. Oder war es doch noch etwas Angst im Nacken? Das ich ein ganzes Stück auf der Kraftverkehrsstraße gefahren bin habe ich erst an dem Verkehrszeichen erkannt, das das Ende derselben angezeigt hat.
Morgens um vier, wieder in Balingen konnte die Tante dann auch wieder beruhigt Schlafen und ich hatte ca. 120 km mit 1300 hm hinter mich gebracht.