ich hatte mir für die 24h keine sportlichen Ziele gesetzt, mit meiner mickrigen Jahres-km-Leistung hätte das auch keinen Sinn gemacht. So war meine erste Motivation, den Bäcker in Negenborn nach zwei gefahrenen Runden noch vor 13 Uhr zu erreichen um dort ein leckeres Stück Erdbeerkuchen zu futtern. Check !
Allerdings brauchte ich dafür einen Schnitt von >39km/h, also vom Start aus der kalten Hose los wie die Feuerwehr. Die Mission geriet kurz vor dem Ziel noch in akute Gefahr, als ich Anfang der dritten Runde hinter einer kleinen Rennradgruppe, gefolgt von einem Pferdetransporter und vier oder fünf weiteren Fahrzeugen, die einfach nicht überholen wollten, festhing.
Ebenfalls gegen 15 Uhr hatte ich die ersten 100km hinter mir, Zeit für ein Nutella-Brötchen. Gegen 17 Uhr dann der nächste kurze Halt und die Gelegenheit, die Rennhaube aufzusetzen. Mir ging der Wind nämlich gehörig auf die Ohren. Vor allem auf den Windmühlenberg rauf direkt in den rechten Gehörgang. Also besser den Lärm unter der Haube hinnehmen als nächste Woche Schmerzmittel. Außerdem bot die Haube noch einen kleinen Schutz gegen die Kamikaze-Schwalben, die auf der nördlichen Seite des Berges auf Futterjagd waren und mir mehrmals Aug in Aug entgegen flogen.
Die möglichen Fahrgeschwindigkeiten stiegen dadurch natürlich etwas an, der Wasserverbrauch allerdings auch. Direkt aus der Flasche durch die Haut in die Klamotten, und kaum Zugluft zum Ablüften. Zur Nudelpause gegen 19 Uhr nach 200km also einmal komplett umgezogen.
Mindestens zwei Stunden Pause wollte ich einlegen, auch dieses Ziel habe ich erreicht !
Überhaupt war die ganze Veranstaltung ein dauernder Kampf des Kopfes gegen den Körper. Gerne erinnere ich mich an den Moment kurz nach 17 Uhr, als
@Guzzi und
@Radfahrer vor einem dampfenden Teller Nudeln saßen, und ich mit zwei Keksen bewaffnet wieder Richtung Milan entschwand, ohne auch nur einen Gedanken an die Nudeln verschwendet zu haben.
Gegen 21.45 Uhr ging es wieder rund, allerdings nur einmal. Wegen der triefnassen Klamotten hatte ich einige wunde Stellen, die mit Vaseline versorgt werden wollten. Die hatte ich natürlich kurz vorher aus dem Rad ins Auto gepackt, zusammen mit der Sonnencreme und dem Windlatz. Brauchte ich ja schließlich nicht mehr...
Mittlerweile wurde es etwas dunkel, und ich stellte fest, das der Scheinwerfer wegen des neuen, dickeren Hinterreifens zu tief eingestellt war. Außerdem konnte ich bei der Gelegenheit noch die Fußlochabdeckung entfernen um etwas mehr Luft ins Rad bekommen. Also wieder raus.
Auf der nächsten Runde stellte ich fest, das der Scheinwerfer jetzt viel zu hoch eingestellt war, und sich werkzeuglos nicht wieder zurückbewegen wollte. Also nochmal nach nur einer Runde in die Box.
Da der Wind mittlerweile stark nachgelassen hat, habe ich die Rennhaube auch gleich wieder runtergenommen und statt dessen eine Mütze aufgesetzt. Viel besser, so habe ich noch zwei weitere Runden gedreht.
Bei jeder Durchfahrt am Sportplatz ein kurzer Blick zum Feuerkorb - immer noch nicht in Betrieb ?! Dabei wollten sich die beiden Heidjer doch schon vor zwei Stunden darum kümmern ! Alles muß mal selber machen !
Gegen Mitternacht nach rd. 270km war also wieder Pause angesagt. Nach etwas suchen konnte
@DerBildRiese in seinem Transporter neben einem kleinen Fläschchen Ausbesserungslack (nebenbei bemerkt: ein 10 Liter-Eimer wäre für die nötigste Versorgung notwendig
) noch ein funktionsfähiges Feuerzeug aus einer anderen Zeit ausgraben.
Kaum loderten die Flammen auf, wurden die üblichen Verdächtigen wie die Motten angelockt und es wurde gemütlich geplaudert rund um den Korb. Sogar die in mühevoller Handarbeit geklöppelten Pizzaschnecken wurden nach nur einer freundlichen, aber (eigentlich) unmissverständlichen
Aufforderung herausgerückt und verteilt.
Meine Taktik schien langsam aufzugehen, ein VM-Pilot nach dem anderen zog sich zum poofen zurück. Vom
@Radfahrer mal abgesehen, der scheint abgedunkelte Seitenscheiben und so nichts vom Lockfeuer gesehen zu haben. So konnte ich gegen 2.45 Uhr unbehelligt wieder auf die Strecke gehen. Ist schon toll, wenn man weder durch den Tacho, durch vorbeirasende Mitfahrer oder durch die vorbeischleichende Landschaft daran erinnert wird, wie langsam man eigentlich unterwegs ist.
In der blauen Stunde dann noch zwei bemerkenswerte Begegnungen, von denen ich überzeugt bin, das sie tatsächlich stattgefunden haben:
auf dem Anstieg zum Windmühlenberg kurz hinterdem Parkplatz sah ich an der linken Fahrbahnseite plötzlich eine Gestalt, die dem Strohmann oben auf dem Feld erstaunlich ähnlich sah, nur etwas kleiner. Hut mit breiter Krempe, dunkeles Cape um die Schultern und eine kleine Leuchte in der Hand. Den dunkelen Schemen des Strohmannes konnte ich etwas weiter oben aber noch auf dem Feld ausmachen.
in der nächsten Runde stand in Bennemühlen plötzlich Didi Senft links am Straßenrand und grüßte herüber. Didi hatte zwar seinen Dreizack nicht dabei und auch sein Teufelskostüm nicht an, sondern ein blaues (?) T-Shirt, und aus dem Sauerkraut im Gesicht glimmte die Glut eines Zigerattenstummels. Hatte er überhaupt eine Hose an ? Schnell weiter !!!
Ich war bestimmt noch klar im Kopf (oder jetzt wieder), denn den Strohmann gab es wirklich, der saß jetzt mit Flinte und Feldstecher bewaffnet auf einem Hochsitz am Straßenrand aus spähte auf das Feld. Zum Glück war er wohl nicht auf Raubvögel aus, mein Milan wäre auch ohne Vorhalt ein leichtes Ziel gewesen.
Gegen 4.45 Uhr hatte ich die 20. Runde geschafft, und meine Oberschenkelmuskulatur ließ keinen Zweifel daran aufkommen, das es gleichzeitig auch meine Letzte sein sollte. Also erst noch ans Feuer, dann umziehen und versuchen, etwas zu schlafen. Mehr als dösen wurde es jedoch nicht, denn meine Nachbarn die Heidjer rissen mich nach nichtmal zwei Stunden in aller Herrgottsfrühe aus der Ruhe. Aber das ist eine andere Geschichte...
Mit den erreichten ~335km habe ich meine Jahresfahrleistung mit dem Milan mindestens vervierfacht !