AW: Velomobil trifft auf Erdenmensch
Wer was ähnliches anzubieten hat, bitte hier mal posten. Ich bin da immer neugierig und einige weitere garantiert auch.
Hallo Andreas,
ganz herzlichen Dank für Deinen Beitrag und den Hinweis auf den Artikel von Schulze-Hoos
Sehe ich das richtig, dass es dir vor allem um zwei Aspekte geht:
1 Die Gefährdung für Velomobile wäre sehr viel geringer, wenn die Autofahrer achtsamer wären
2 warum sind sie das (oft) nicht?
Ein Beispiel dafür, was der „Autonome Urverstand“ alles kann, habe ich im Buch “Bauchentscheidungen, die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition von Gerd Gigerenzer) gefunden:
Beim Cricket geht es ja auch darum, einen im hohen Bogen kommenden Ball aufzufangen.
Dies ist an sich überhaupt nicht möglich: der Fänger müsste aus Steigwinkel und Anfangsgeschwindigkeit die Flugbahn berechnen, außerdem den Einfluß des Windes und die Entfernung zum Startpunkt kennen und selbst, wenn es das alles könnte, würde es nicht klappen, weil der Ball nicht völlig rund ist und der berechneten Bahn nicht genau folgt.
Inzwischen hat man herausgefunden, dass der Spieler nach der einfachen Regel arbeitet: Fixiere den Ball, beginne zu laufen und passe deine Geschwindigkeit so an, dass der Winkel zwischen Ball und Erde konstant bleibt.
Dies (und Hunderttausende anderer Strategien) hat der Mensch wohl schon vor Jahrhunderttausenden gelernt und alles wird über die Gene weiter gegeben.
Ich glaube, Plato hat schon erkannt, in dem Moment, in dem eine Entscheidung ansteht, hat der Mensch (d. h. der autonome Urverstand) diese auch schon getroffen, man könnte auch sagen, aus dem Bauch oder intuitiv. Danach setzt der Mensch dann seinen Verstand in Gang, um die unbewusst bereits getroffene Entscheidung mental zu untermauern oder zu rechtfertigen.
Wir könnten ohne diesen Urverstand oder salopp gesagt, ohne „Autopilot“ gar nicht überleben. Sehr schwierig ist die Frage, was gehört alles zu diesem Urverstand, Glaubenssätze, familiäre oder gesellschaftliche Prägungen, Handlungsroutienen?
R. Ornstein spricht in seinem Buch „Multimind“ von Moduln, die wir (unbewusst) hervorholen, wenn wir sie brauchen.
Eine Hilfe könnte das Üben der Achtsamkeit im Alltag sein, von der viele spirituelle Lehrer sprechen, das berühmte „Hier und jetzt“. Ich bin sicher, dass diese Achtsamkeit einem auch besser Auto fahren ließe; ich übe sie allerdings seit einigen Jahren mit der Hoffnung, das Leben überhaupt intensiver zu genießen, über mehr als ein paar Minuten am Stück bin ich noch nicht hinaus gekommen.
Ich vermute, dass in diesen Fragenkomplex auch die Rolle des „Darmhirns“, das man jetzt erst langsam zu erforschen beginnt, und des Herzens als halb selbstständige Computer hereinspielt. (Siehe Servan-Schreiber, Die neue Medizin der Emotionen)
Es läuft wohl wieder mal auf die uralte Frage WER BIN ICH? Hinaus.
Meiner Frau hat Dein Beitrag so gut gefallen, dass sie Dir ebenfalls antworten möchte:
Hallo, Andreas,
Als Werner mir deine Mail zum Lesen hinlegte, dachte ich mir "noch so ein Liegeradler mit einem mächtigen Feindbild" aber dann wurde ich doch hellhörig. Ich habe deine Mail genau gelesen, mich dann mit dem ganzen Artikel von Schulz-Hoos auseinander gesetzt und muß sagen hoch interessant. Was mich besonders bewegt hat, ist seine Aussage, dass wir den Urverstand mit dem Denken verwechseln und daß die Information abstrakt gespeichert wird. Einfach toll.
Zu einigen Punkten deiner Mail:
Du fragst, ob die Velomobile auf dem Computer der Autofahrer nicht gespeichert werden. Ich antworte: auf zweierlei Weise. 1. langsamer oder später oder gar nicht, weil sie momentan noch nicht in den Rahmen passen, den sich ein jeder von uns von der Umwelt macht, damit wir nicht ständig nochmals alles nachprüfen oder hinterfragen müssen.
2. schneller gespeichert, weil man sie ablehnt und sie ein hervorragendes Objekt für ein Feindbild sind. Solange man über sie herziehen kann, ist man mit den anderen beschäftigt und braucht nicht zu spüren, wie man mit sich selbst umgehen und was man denkt.
Du schreibst "ich habe sie gar nicht kommen sehen" ist die dümmste und gefährlichste aller Ausreden....." nach meiner Meinung ist das aber die reine Wahrheit. Sie haben dich wirklich nicht gesehen. Dass sie dann keine Verantwortung übernehmen wollen, ist doch alltägliche Erfahrung, selbst bei den kleinsten Kleinlichkeiten. Es ist ein langer Lernprozess zu sich zu stehen. Ich staune oft, dass Menschen noch in hohem Alter diesen Schritt noch nicht machen konnten. Warum? Ihnen fehlt die Bewusstwerdung, sprich die Achtsamkeit, was sie mit sich und mit den anderen machen.
Für mich besteht ein Unterschied zwischen Aufmerksamkeit und Achtsamkeit. Aufmerksamkeit ist sehr, sehr anstrengend und kann nur für kurze Dauer geleistet werden Achtsamkeit ist nicht anstrengend, kann aber nur durch sehr langes Üben erworben werden Meditieren ohne Kissen, sprich zu beobachten, was ich denke, ist schon sehr anstrengend und im Grunde, das was wir am wenigsten wollen. Wir entdecken nämlich, was wir da alles über uns und über die anderen denken. Keine erbauliche Angelegenheit!!!!Wir entdecken den Bösewicht in uns.
Deine Frage nach dem Verstreichen der Zeit ist toll. Die Antwort klasse! Für mich kommt noch eine Aspekt hinzu: Je älter wir werden, um so mehr Vergangenheit liegt hinter uns, d.h. wir beschäftigen uns nicht nur mit der Zukunft sondern auch mit der Vergangenheit. Das läuft dann so ab: "Ich hätte damals.....die hätten sich aber so und so verhalten müssen...." d. h. wir versuchen, die Vergangenheit zu verändern. Damit können wir den Rest des Lebens verbringen.
Unser Denk-Ich ist mit Vergangenheit und Zukunft beschäftigt und der Urverstand, jene nicht geahnte Größe ist in der Gegenwart beheimatet. Mit dem Zurückholen unserer Gedanken in die Gegenwart, kommen wir diesem "Anderen" etwas näher und fangen an das Leben intensiver, wacher zu leben (E.Tolle. Jetzt. Die Kraft der Gegenwart.)
Gruß
Katharina
Ich finde es sehr gut, dass du nicht, wie sehr häufig, bei der uralten Taktik des Sündenbock – Findens, d. h. beim Feindbild Autofahrer stehen bleibst.
Meine Frau und mich wird der Artikel jedenfalls noch eine ganze Weile beschäftigen, also, nochmals, vielen, vielen Dank
Gruß Werner