Tretkultur wie erlernen oder verbessern

roland65

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Hallo,

Weil das Thema aufkam und ich das in den letzten 2 Jahren (2020 Einrad, 2021 MBB) sehr schön selbst erfahren konnte beschreibe ich mal kurz mein Vorgehen, wenn es darum geht, ein neues Rad, eine andere Geometrie oder Fahr-Technik zu erarbeiten.
Das Vorgehen basiert auf meinen Erkenntnissen aus der:
  • Physiotherapie,
  • Trainingslehre,
  • Neurologie,
  • Übetechniken/-strategien aus der Musik,
  • Feldenkrais,
  • und natürlich eigenen Erfahrung.
Keine Frage, dass das häufig auch ohne Probleme und Beschwerden abläuft, aber es kann eben auch anders sein und bevor ich das immer neu schreibe, kann man auch auf diesen Thread verlinken.

Ich beginne da eher nicht einfach wild drauf los, sondern versuche mich körperlich rein zu fühlen, was ich an Kraft und Muskeln brauche und was nicht.
Bezogen auf LR/VM würde ich anfangs eh keinen großen Druck empfehlen, da erst mal unser Hirn lernen muss, in der veränderten, neuen Position korrekt anzusteuern. Gerade Neulinge stellen ja fest, dass sie weit weg sind von den Geschwindigkeiten, die hier so zwischendrin genannt werden. Zeit lassen. Viele fahren aus der Freude heraus anfangs zu schnell und zu viel. Dann kommen die ersten Beschwerden. Cleats sind für mich ein Muss, weil sonst zur Arbeitsleistung des Tretens noch die Haltearbeit auf dem Pedal dazu kommt.

Einige Übung wären:
  • Setz Dich mit aufgebocktem Hinterrad ins VM und tritt langsam und gefühlvoll mit der Vorstellung, eine schöne runde Bewegung zu erreichen. Für's LR wäre eine stationäre Möglichkeit am besten, es geht aber auch langsam rollend im Freien und so hab ich mit dem MBB so gemacht, weil ich die Bewegung nur WÄHREND des Fahrens erlernen konnte. Die Knie sollen weder nach außen noch nach innen abweichen, die Füße gerade stehen - anatomische Ausnahmen ausgenommen. Die Bewegung soll leicht und weich sein und schön gleiten. Mach das mal anfangs sehr kontrolliert. Jetzt übernimmst Du diese Übungen draußen und fährst erst mal ohne größeren Druck. Klar gibt's dann mal Geländewellen, die dann auch mal mehr Druck brauchen, aber sobald es geht, nimmst Du den wieder raus.
  • Finde den gefühlt besten Punkt, wo die Kraft effizient einfließt bzw. der Krafteinsatz am geringsten ist. Beim MBB z.B. ist der Druckpunkt in einem ganz ungewohnten Bereich. Aber mit diesen ruhigen Übungen hatte ich das wirklich sehr schnell heraus.
  • Wenn stationär, dann übe das mal mit geschlossenen Augen. Das hat den Effekt, dass wir so eine verstärkte Wahrnehmung unserer Körperrezeptoren haben und leichter erspüren, wo es vielleicht hakt.
  • Erhöhe kontinuierlich die Trittfrequenz. Schließlich fahren wir häufig mit gekürzten Kurbeln (bei mir kommt alles vor - 155, 165, 170, 172,5). Wenn Du z.B. mit 80er Frequenz startest, dann fahre immer mal eine Minute mit einer 110-120er Frequenz. Kein Druck, sondern Frequenz - also runterschalten. Ziel ist es, problemlos mit 100er Frequenz fahren zu können.
  • Man liest immer wieder mit Staunen, dass man wohl locker ein 70er oder 75er KB fahren sollte. ;) Für eine hohe Endgeschwindigkeit ist das sicher o.k., aber das würde ich Neulingen nicht empfehlen. Schon 65 ist da schnell zu viel. 60 Zähne wäre völlig o.k. und zusätzliches kleines Blatt wäre auch gut. Klar gibt's die riesigen Ritzel - das muss jeder für sich rechnen. Die Trittfrequenz hat halt großen Einfluss darauf, welche Kraft beim einzelnen Tritt auf die Gelenke wirkt. Die mögen das nicht in jedem Fall. Nicht ohne Grund werden im RR-Jugendbereich recht kleine Gänge gefahren - nix 11er hinten. :whistle:
  • Einbeinig fahren - echt ne harte Nummer. Trittfrequenz nicht unter 90 und anfangs für 30, dann 45 und 60 Sek. erst das eine, dann das andere Bein. 1 Min. Pause und wiederholen. Nach 3x hast Du das Gefühl, als wenn Deine Beine noch nie Radgefahren wären. :D Das verbessert deutlich die neuromuskuläre Ansteuerung und meist wird damit gleich noch die Trittfrequenz höher.
Wenn mir oder auch anderen noch was einfällt, werde ich die Moderatoren bitte, das hier einzufügen, damit man nicht einen ganzen Thread durchsuchen muss.

Viel Freude und ein beschwerdefreies Fahren,
Roland
 
Hallo Roland,

ich finde es spannend, wenn Du Deine Erfahrungen hier teilst, komme aber selbst teilweise zu stark unterschiedlichen Schlüssen.

Dann kommen die ersten Beschwerden. Cleats sind für mich ein Muss, weil sonst zur Arbeitsleistung des Tretens noch die Haltearbeit auf dem Pedal dazu kommt.
Das ist ein schönes Beispiel:
Es braucht keine Haltearbeit auf den Pedalen, wenn man mit leicht gestrecktem Knöchel fährt. Dann steht die Fläche des Pedals nicht senkrecht, sondern ca. 45° geneigt und Abrutschen wird zuverlässig verhindert, ohne, dass dies Kraft kostet.

Ich fahre gemütliche und keine Strecken mit Straßenschuhen. Cleats verwende ich nur auf längeren Runden.

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Selten, aber doch, habe ich für Einradfahren kleine Kurse gegeben oder anderen Einradfahrern beim Erlernen etwas komplexerer Tricks geholfen. Mein Fazit aus dieser Tätigkeit ist: Es ist extrem individuell und man muss sich für jede Person neu anschauen, was dieser Person am besten hilft.

Der eine lernt's am einfachsten mit "einfach wild drauf los". Der Körper merkt schon, was klappt, wenn er's oft genug probiert.

In anderen Fällen ist ein Trainer mit ausreichend eigener Erfahrung eine großartige Hilfe. Das kann ein Hinweis mit ein paar Worten oder 3 Mal vorzeigen sein, und plötzlich klappen Dinge, bei denen einer alleine schon lange "hängt" und nicht weiterkommt.

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Damit ich nicht falsch verstanden werde: Die Tipps finde ich wertvoll.
Es kann aber in vielen Fällen auch grad anders rum besser laufen.
Man sollte daher wirklich bei jeder einzelnen Person schauen, was gerade am besten hilft.

Gruß, Harald
 
Ich finde, mir hilft regelmäßiges Fahren mit Starnabe. Leider keine LR Anpassung, Ich würde gerne mal mit Messpedalen fahren, um zu sehen, ob es wirklich was bringt. Ansonsten habe ich früher es auch mit einbeinig Fahren und Spinups versucht, Sollte ich eigentlich mal wieder machen, Gute Anregung.

Hier sind doch mal welche (@bike_slow ?) mit diesen beweglichen Kurbeln gefahren, die rückwärts quasi zurückfielen und auf Zug gehalten werden mussten,
 
meine Erfahrung: sobald das Tretlager bei der Liege höher ist als die Sitzfläche braucht es ohne Klickies Haltearbeit, die mache ich ohne es groß zu merken, egal wie gestreckt der Knöchel ist, einbeinig treten wäre ohne Klickies schwierig oder? Es sei denn, die erwähnte endlostreter-methode Starrnabe...
 
habe ich bewusst nicht mit einbezogen, da das doch nochmal etwas anders funktioniert. ;)
gehören hier zu den Spezialteilen. Es mag Gründe geben diese einzusetzen. Ich achte aber immer sehr stark auf Symmetrie bzw. Re-Li-Balance und das wäre damit ganz anders, kann ich aber aufgrund mangelnder Erfahrung nicht einschätzen.
Es braucht keine Haltearbeit auf den Pedalen, wenn man mit leicht gestrecktem Knöchel fährt.
Genau das ist Haltearbeit - aktiver Einsatz von Muskulatur. Ich denke, dass in der Phase ohne Druck entweder ein Restdruck nötig ist, damit der Fuß auf dem Pedal bleibt oder der Hüftbeuger muss etwas mithelfen das Bein oben zu halten. Wenn man es gewöhnt ist, merkt man es vmtl. gar nicht mehr. Ich wäre mir jetzt nicht mal sicher, ob man das über die Vector 3 rausmessen kann. GCN hat da mal ein nettes Video gemacht, wo sie - natürlich auf dem Up - einen längeren Anstieg mal mit mal ohne Klickies gefahren sind. Der Unterschied war nach meiner Erinnerung nur ca. 20 Sek. Allerdings hält beim UP die Schwerkraft den Fuß auf dem Pedal. Das ist beim LR vllt noch bei tiefem Tretlager halbwegs der Fall, aber bei Überhöhung eher nicht. Wäre also sicher mal interessant mit verschiedenen Modellen einen Vergleichstest in moderater Steigung zu machen - mit und ohne Klickies und dabei anhand der Zeit und Leistungsdaten zu vergleichen.
 
GCN hat da mal ein nettes Video gemacht, wo sie - natürlich auf dem Up - einen längeren Anstieg mal mit mal ohne Klickies gefahren sind.
Auf den Test gebe ich nicht viel, weil die Fahrer seit Jahren ständig nur Klick fahren und trainieren und jetzt mal plötzlich ohne. (Und ich glaube, das war noch dazu mit weichen Sohlen, die nicht für Pedale gemacht sind?)
 
Hi Roland,

Ich denke, dass in der Phase ohne Druck entweder ein Restdruck nötig ist, damit der Fuß auf dem Pedal bleibt oder der Hüftbeuger muss etwas mithelfen das Bein oben zu halten.
Dann schau Dir das Bild halt an, wenn das Pedal nicht senkrecht, sondern 45° schräg steht.
Von der schrägen Fläche rutscht der Fuß nicht ab und damit kriegst Du die Haltearbeit raus.
Ich vernachlässige dabei bewusst, dass das Strecken des Knöchels minimale Muskelarbeit benötigt.
Wenn ich die dazu nötigen Kräfte betrachte, sind das nur wenige % der Arbeit, die man bei senkrecht stehdender Pedalfläche brauchen würde.

Weil man halt gern in die antrainierten Bewegungsmuster (bzw. Denkmuster) fällt, sieht da die eine Fraktion nicht so recht, was die andere macht...

da das [Einradfahren] doch nochmal etwas anders funktioniert.
Im Prinzip sehe ich da keinen Unterschied. Da wie dort geht's darum neue, dynamische Bewegungsmuster zu lernen.
Und das braucht einfach Zeit und Übung.
Aufmerksamkeit hilft und auch ein guter Trainer kann ab und zu recht hilfreich sein.
Die notwendige Übung kann aber der auch beste Trainer nicht ersetzen...

Die Dynamik des Gehens ist ähnlich kompliziert wie Einradfahren.
Wir haben nur alle sehr (!) viel Übung damit.

Gruß, Harald
 
wenn das Pedal nicht senkrecht, sondern 45° schräg steht
Bedeutet aber auch das du dadurch am Fuß eine gewisse Haltung brauchst. Somit wird Energie benötigt um das Pedal in dieser Stellung zu halten. Wir brauchen hier glaube ich nicht über die Vor- und Nachteile von Klickpedale sprechen. Wenn es effizient sein soll geht es nicht ohne. Wenn es richtig effizient sein soll zusätzlich nur mit Carbonsohle.

Gruß
Daniel
 
Vor- und Nachteile von Klickpedale
würde ich hier auch gar nicht besprechen wollen. Solche Betrachtungen würde ich nur über echte Messung angehen, sonst wird es Kaffeesatzlesen. Maximale Leistung auf die Straße zu bringen mag nicht für jede/n gleich wichtig sein, aber genau diese Effizienz soll durch Beitrag #1 erhöht werden.
 
Neee, ich hatte zwar mal eine Zeit lang nach den Power Cranks gesucht, aber *der* Power Crank Fahrer war / ist(?) @Sutrai
Auch schon länger nicht mehr. Aber jedem, der mit unrundem Tritt zu kämpfen hat, kann man die Dinger empfehlen. Am Anfang konnte ich die Pedale kaum im Kreis herumbekommen, nach kürzester Zeit konnte ich nicht mehr. Mehr als 2km waren anfangs nicht möglich. Aber es ging sehr schnell immer besser, die Muskulatur baute sich um und ich fuhr plötzlich Streckenrekorde. Zumindest solange, bis die Sehnen sich bemerkbar machten... Die brauchten einfach viel länger, um sich auf die veränderte Belastung einzustellen als die Muskeln. Später konnte ich dann auch Brevets mit den Powercranks fahren und dachte schon, ich hätte den runden Fahrstil jetzt intus. Aber es dauert nur ein paar Minuten und ich falle auf Standardkurbeln wieder zurück in meinen Stampfrhythmus. Der ist dann wohl hartkodiert im Stammhirn eingebrannt.
Mein Fußsohlenbrennen wurde durch die zwangsweise wechselnde Belastung durch die erzwungene Zugphase etwas besser. Deutlich mehr Besserung haben dann aber die speziellen Einlagen gebracht, die hier im Forum empfohlen wurden. Wenn man die wieder finden würde, jetzt auf die Schnelle...
 
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