Meine erste Anreise zur Spezi mit dem Velomobil
Am 20.4.16 habe ich mich vor den Toren Bremens aufgemacht, um mit dem Milan SL MK III in 3 Tagesetappen nach Germersheim zu fahren. Zuerst galt es die Gepäckflut in den Griff zu bekommen, denn so groß ist der Stauraum im Milan trotz Staufächern vorn an den Radkästen nicht. Wen die detaillierte Route interessiert, der findet den größten Teil
hier. An dieser Stelle möchte ich Martin noch einmal für die Beratung zur Streckenwahl danken. Als Navigationshilfe diente das Garmin Oregon 450 mit dem entsprechenden Track.
Das Wichtigste war aber die Flüssigkeitsversorgung. Ich habe insgesamt 4,5 Liter an Bord. Die Trinkblase versorgt mich während der Fahrt hervorragend. Als Nahrung während der Fahrt dienen Energieriegel. Davon muss jede Stunde einer durch den Hals. Muss deswegen, weil es nach dem vierten – auch wenn sie eigentlich lecker sind - langsam ein Widerstand dagegen bildet.
Als Vorbereitung dienten eine schnelle Tageetappe nach Cuxhaven mit 265 km und eine weitere Fahrt nach Minden mit 216 km. Beide Etappen wurden mit einem Gesamtschnitt von 36 km/h absolviert.
Der erste Tag ging mit 247 km und einem 36er Schnitt problemlos zu fahren. Das Wetter war auf der ganzen Hinfahrt sehr angenehm – sonnig und zwischen 5 und 16 °C. Am zweiten Tag bin ich dann auf den schwierigsten Teil – die Steigungen gestoßen. Es lässt sich in den Süden runter leider nicht vermeiden, irgendwo muss man einfach rüber. Die größten Steigungen lagen zwischen Sontra und Bebra. Da geht’s dann stellenweise auch über 8 %. Bei den mehrere Kilometer langen Steigungen habe ich zum ersten Mal gespürt, dass meine Übersetzung dafür nicht passt. Vorn 34 Zähne und hinten 33 aber bei 145er Kurbeln ist einfach zu gering. Da bin ich dann mit erheblichem Druck und 8 km/h hochgekrochen. Über die Kuppe hinweg ging‘s dann allerdings sehr rasant runter. Mit einer Spitzengeschwindigkeit von 101,4 km/h – gebremst auf der B 27 runtergesaust. Da wird man dann auch nicht mehr überholt. Der Wind pfeift am Visier wie im Kampfjet. Das Fahrwerk läuft absolut vertrauenserweckend ruhig. Man muss nur immer an den Bremsweg denken (70er Trommeln) und den vorausfahrenden Verkehr im Auge behalten.
Die Bundesstraßen haben über weite Strecken asphaltierte Seitenstreifen, auf denen man super fahren kann ohne den Autoverkehr zu behindern. Ich habe auch festgestellt, dass die Kraftfahrzeuge auf meiner Spur immer einen sehr großen Abstand zu mir gehalten haben und trotz Gegenverkehr wie selbstverständlich auf die Gegenfahrbahn ausgewichen sind, so dass der Gegenverkehr teilweise gezwungen war die Geschwindigkeit zu verringern. Auf kurzen Abschnitten, die als Kraftfahrstraße gekennzeichnet waren, bin ich mehrmals einfach durchgezogen, um unsinnige Fahrradwegeführungen durch Ortschaften zu vermeiden. Meistens waren sie in wenigen Minuten zu durchfahren. Einmal war auch ein kurzer Tunnel dabei, der mich vor zusätzlichen Anstiegen bewahrt hat.
In Bad Hersfeld habe ich mich dann das erste Mal richtig verfranst. Tipp – den ich nicht befolgt habe – vorher mal auf der Karte die Großrichtungen zu checken und sich auch mal an den Schildern zu orientieren. Das erleichtert das richtige einordnen und man verfährt sich nicht so leicht. Der Track ist nicht immer so klar abzulesen und wenn man an der Ampel steht, springt das Bild um und man zweifelt an der Richtigkeit seines Standpunktes. Im Laufe des Tages hatte ich mit schmerzenden Kniekehlen zu tun. Die Anstrengungen der Anstiege sind sehr ungewohnt. Abends gab’s dann erst mal ordentlich was in den Magen.
Die zweite Übernachtung war ein sehr schönes Bett & Bike Hotel mit Garage für den Milan in Gedern. Der nächste Morgen brachte schon eine gewisse Schwermütigkeit der Beine hervor. Aber es musste nach einem ausgiebigen Frühstück weitergehen. Und so schwang ich mich zur letzten Etappe auf. Wenn man erst mal wieder rollt, geht es auch. Und die Anstiege wurden weniger. Von Gedern aus bin ich erst mal auf dem Vulkan-Radweg gefahren. War empfohlen und ist eigentlich auch gut mit dem VM zu befahren. Eigentlich heißt, es gibt natürlich Drängelgitter, die aber langsam auch ohne auszusteigen zu durchfahren sind. Einmal allerdings bin ich dabei etwas zu weit an den Rand des Asphaltweges geraten und mit dem rechten Vorderrad soweit runtergesackt, dass ich fast zur Seite in den angrenzenden Graben gekugelt wäre – gar nicht auszudenken! Ich habe mich ganz nach links gelehnt, vorsichtig den Deckel geöffnet und bin mit dem Körpergewicht nach rechts gelehnt langsam aus dem Rad gekrochen – puhh! Hat gerade noch mal geklappt.
Der Vorteil des Radweges ist, dass man quasi überall gefahrlos anhalten und Pause machen kann und natürlich keinen Autoverkehr hat. – Obwohl, das stimmt nicht ganz, wurde doch gerade die Asphaltdecke an einigen Stellen erneuert. So war ich zu einer unfreiwilligen Pause von ca. einer halben Stunde gezwungen worden und musst dann am Grabenrand drängelnd den LKW, die Asphaltmaschine und die Walze vorbei lassen. Dann kam noch der Hinweis nicht über den frischen Asphalt zu fahren, weil das bleibende Spuren hinterlässt. O. k. bin ich am Grabenrand an der frisch asphaltierten Stelle vorbeigeschoben. Die nächsten habe ich dann allerdings mit schmackes genommen. Hab schon genug Zeit verloren.
Worms
Die nächste Herausforderung war dann Frankfurt. Es wurde geschrieben, dass kein Problem sei mitten durch die Stadt zu fahren. Ist es eigentlich auch nicht. Wenn man sich aber die Großrichtung nicht vorher ansieht und sich nur auf seinen kleinen Track verlässt, kann es auch schief gehen. Zunächst lief es sehr gut. An den Ampeln hört man dann öfter Leute juchzen wenn sie den Milan im Verkehr wahrnehmen. Mindestens zweimal hatte ich einen BMW voller junger Türken neben mit, die sich aus dem Fenster lehnten und rüber riefen: „Krass alter, ist Elektro? Was Kostet?“.
Als ich dann weiter ins Getümmel eingetaucht bin, konnte ich mal wieder meinen Track-Verlauf nicht richtig erkennen und fuhr dem Straßenverlauf einer vierspurigen Straße nach. Als ich merkte, dass ich meinen Track-Verlauf nicht mehr folgte befand ich mich auf einer Straße allseits mit Leitplanken und die Autos fuhren auch ziemlich schnell. Da beschlich mich ein seltsames Gefühl – und ich dachte hier darfst du gar nicht sein! Es war eine Stadtautobahn Richtung Flughafen. Mist!! Auf den Seitenstreifen, Gashahn auf und nichts wie weg zur nächsten Ausfahrt. Das waren dann so 4 bis 6 km – die vorgeschriebene Mindestgeschwindigkeit von 60 habe ich nicht ganz geschafft – dann kam die erlösende Abfahrt Frankfurt Flughafen. Da bin ich dann erst mal schnell runter und hab eine Pause in einem Wäldchen eingelegt. Von dort aus bin ich dann auf Nebenstrecken wieder auf meinen Track gelangt und habe Frankfurt verlassen. Danach wurde es wieder einfach dem Rest der Strecke zu folgen. Gegen 18:15 Uhr kam ich dann ziemlich erschöpft nach 648 km in Germersheim an – der Gesamtschnitt war inzwischen von anfangs 36 km/h auf 29,27 km/h gefallen - und habe sofort mit der Hotelsuche begonnen. Der Zufall führte mich zu einem Passanten, dessen Bruder noch mitten in der Stadt ein Fremdenzimmer zu vergeben hatte – leider nur für eine Nacht. Aber das war dann doch sehr angenehm. Der Milan durfte im Innenhof unter einer Gebäudedurchfahrt stehen.
Die Messe selbst war wieder mal ein Erlebnis mit vielen schönen Eindrücken und Gesprächen mit bekannten aus der Szene, die sich dort auch eingefunden haben. Meine Bewunderung galt K. G. Rasmussen, der von Kopenhagen mit seiner Leitra und 82 Jahren mal eben da runter gefahren ist.
Das Wetter hat am Sa. Leider kein Erbarmen gehabt und es regnete Stundenlang. So spielte sich das Leben in den Hallen ab und wer Probe fahren wollte musste draußen nicht lange warten. Für Samstagabend wurde ich dann noch weiter vermittelt habe mir vorher noch eine große Pizza vom Italiener geholt. Aber wo hin mit der Packung? Der Milan war ziemlich vollgepackt. Ich hab sie dann einfach neben die Schulter an die Seitenwand geklemmt und bin so 4 km außerhalb für die zweite Nacht gut untergekommen. Nur die Pizza war ziemlich zerdrückt und der Käse hatte sich leicht auf meinem Packsack ausgebreitet. Aber geschmeckt hat sich trotzdem und satt hat sie auch gemacht.
Am So. bin ich dann nach dem Frühstück so gegen 9 Uhr aufgebrochen. Die Sonne hatte sich auch wieder eingestellt und war ca. 6 °C warm. Aber im Milan waren während der Fahrt immer mindestens 17 bis 20 °C.
Frankfurt am So. Vormittag war deutlich entspannter und ich bin nur einmal falsch abgebogen und konnte in einer Nebenstraße gut drehen. War diesmal auch schlauer und hab mir die Großrichtung auf der Karte vorher angesehen.
Allerdings merkte ich, dass ich hier über lange Strecken eine leichte Steigung bewältigen musste. Das fühlte sich auf dem Hinweg deutlich besser an und man war viel flotter. Für das Antreten an den Ampeln musste ich mir angewöhnen vorher auf das kleine Blatt zu schalten, sonst war das doch eine sehr zähe Angelegenheit.
Ich habe dann die gleiche Etappe wie auf dem Hinweg bis Gedern geschafft und wieder mein Zimmer mit Garage bekommen. Als ich den Reifendruck kontrollierte stellte ich fest, dass der rechte Vorderreifen nur noch die Hälfte des Anfangsdrucks hatte. So habe ich vorsichtshalber den Schlauch ausgewechselt, anschließend gut gegessen und bin dann gleich in die Falle gegangen.
Am nächsten Tag sah es zuerst noch freundlich aus, aber dann schlug das Wetter um und es fing an zu regnen, daraus wurde später Hagel und je höher ich kam – es ging bis auf 700 m – wurde es neben der Strecke langsam weiß. Das Visier war fast ganz zu, aber der Hagel prasselte trotzdem in mein Gesicht und wirkte wie Schrotbeschuss.
Zwischendurch schien auch mal die Sonne aber der Niederschlag hatte deutlich die Oberhand. Viele kennen sicherlich das Gefühl. Man ist richtig schweißnass und draußen ist es kalt und nass. Wenn man Pause macht friert man bald und will nur weiter. Deshalb habe ich mich auf das Fortkommen konzentriert. Gott sei Dank wurden die Straßen nicht glatt, das stelle ich mir an Gefällestrecken nicht so angenehm vor. Bad Hersfeld habe ich – anders als auf der Hintour mit einmal über einen schnellen Spurenwechsel an einer Ampelkreuzung ohne mich zu verfahren geschafft. Auf den Bundesstraßen lief es wieder gut – aber halt was ist das jetzt – wollte am Ende der Steigung auf der B 27 auf das große Kettenblatt schalten, aber da tat sich nichts. Es war nur ein Schleifen der Kette am Umwerfer zu hören. Mist! Sicher ist der Zug gerissen. Glücklicherweise kam ein Stück weiter eine Unterbrechung der Leitplanke wo ich hindurch schlüpfen konnte. Dahinter war so etwas wie ein Fahrradweg, der endete aber kurz dahinter an einem Feld. Egal, Werkzeug und E-Teile raus und los geht’s. Die Sonne schien auch gerade nur der Wind spiff etwas. Schnell stellte sich heraus, dass sich nur die Klemmschraube gelöst hatte und der Zug durchgerutscht war. So war das eine kurze Angelegenheit und ich schlüpfte wieder durch die Leitplanke zurück auf die B 27. Dann ging’s auch flott weiter, weil Berg ab. Als ich dann endlich die bekannten Steigungen zwischen Bebra und Sontra hinter mir gelassen habe, bin ich irgendwann rechts ran gefahren und habe mich an die Zimmersuche gemacht. Ich habe versucht das Hotel anzurufen, in dem ich auf der Hinfahrt übernachtet hatte. Leider hat dort auch nach mehrmaligem Durchklingeln niemand abgenommen. Was machen – hab im Smartphone nach anderen Hotels auf der Strecke Ausschau gehalten. Als ich ein passendes hatte bekam ich leider nur zu hören, dass es ausgebucht sei. Und ich sollte auch lieber da suchen wo ich bin. Dann je näher ich nach Hannover komme desto geringer seien die Chancen auf ein freies Zimmer – warum, weil Hannover Messe war und Obama auch noch seine da war.
Ich befand mich zu der Zeit ca. 30 km vor Göttingen. Mittlerweile war es auch schon nach 18 Uhr. Als ich mich an meinem Standplatz umschaute sah ich ein Schild Berghotel. Ich gedreht und in den Ort gefahren. Da war nichts zu sehen. Es ging nur eine Abzweigung zum Arnsberg hinauf. Mmhm – aber was soll ich machen. Rauf auf den Berg so mit 4 % Steigung ging es etwa 5 km rauf. Da war dann Schluss. Es kamen ein paar Häuser und das Hotel. Jetzt wird’s spannend – ich ging rein und sagte: „ Sagen sie mir jetzt nicht dass sie ausgebucht sind.“
Doch tut mir Leid wir sind dicht – aber nebenan auf dem Bauernhof gibt es noch Fremdenzimmer. So bin ich da hin, hab ein Zimmer bekommen, der Milan seine Scheune und ich konnte nach einer ausgedehnten Dusche im Hotel lecker speisen und die Aussicht genießen.
Am nächsten Morgen war es zunächst noch einigermaßen schön und trocken. Aber man sah schon in der Ferne das sich da was zusammen braut. In Göttingen habe ich dann im Aral-Shop das zweite Frühstück eingenommen und bin ohne zu tanken weiter gefahren ;o)).
Der Himmel ergoss sich wieder in regelmäßigen Abständen und ein böiger Wind fegte über den Milan hinweg – ohne ihm auch nur ansatzweise die Richtung streitig zu machen. Langsam kam hier und da ein wenig Regenwasser durch irgendwelche Schlitze und Öffnungen. Ich hatte auch gar nicht in Erinnerung dass da auf dem Hinweg so viel Gefälle gewesen sein soll. Es ging sehr zäh und man musste immer wieder leichte Steigungen überwinden. Der Schnitt wollte sich nicht wirklich steigern. Nachmittags so bei Steimbke signalisierte mir der Körper, dass er dringend etwas verwertbares brauche, ansonsten geht da nichts mehr und nach Hause sind es noch knappe 70 km. So hielt ich an einem Edekamarkt und kaufte Bananen ein Hörnchen und etwas Kuchen. Nachdem ich das reingestopft hatte ging es wieder und ich schindete meine Beine weiter. Zuhause angekommen ging es erst mal mit einem großen Erdinger in Wanne und es wurde noch gut gegessen.
Die Polizei hat mich auf der kompletten Tour in Ruhe gelassen, zeigte aber auch kaum Präsenz. Insgesamt sind es 1.284 km in sechs Tagen mit einem Gesamtschnitt von 29,5 km/h gewesen. An dem Tag habe ich gesagt, dass ich die Tour wohl nicht wieder fahren würde. Heute denke ich, vielleicht schon, aber evtl. mit einer anderen Aufteilung. Man wird sehen, es war auf jeden Fall eine interessante Erfahrung und man lernt sich und seine Möglichkeiten deutlich besser kennen.