Nach Norwegen auf dem Cruzbike Vendetta

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Dies ist mein Reisebericht meiner Tour vom Ruhrgebiet aus nach Schweden und dann Norwegen, die ich im Juli 2022 auf dem Cruzbike Vendetta V20 unternahm.

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Schon lange hatte ich mir gewünscht, endlich mal wieder eine längere Radtour zu machen, bei der ich mit allem was ich so brauche unterwegs bin und im eigenen Zelt schlafe. Dieses Mal zog es mich wieder nach Norwegen, wo ich vor vielen Jahren schon meine allererste Tour auf dem Liegerad gemacht hab. Schon seit Anfang des Jahres hab ich mich viel mit der Planung von Ausrüstung und Technik beschäftigt. Das Cruzbike V20 ist eigentlich als reines Rennliegerad für die Straße gedacht und nicht als Tourenrad. Aber im Zeitalter von Bikepacking schafft man es schon, auch auf dem Rennrad eine komplette Campingausrüstung mitzunehmen, wenn man sie einigermassen klein und leicht hält. Dabei bin ich mit 12 kg Gepäck noch nicht mal im Bereich der echten Bikepacker, die noch viel weniger dabeihaben.

Meine Reiseausstattung​

Mein Ziel war es, möglichst autonom unterwegs zu sein, also:
  • Schlafen im eigenen Zelt und Kochen mit Campingkocher
  • Stromversorgung von Licht und Navigation durch Nabendynamo
  • Möglichst viel Strecke mit dem Rad selber fahren (anstatt mit anderen Verkehrsmitteln anzureisen)
  • Gerne viele und steile Berge, d.h. ich muss es auch mit Gepäck noch den Berg hochschaffen
  • Fahren im Sommer, aber bei jedem Wetter (Norwegen halt, also definitiv auch im Regen)

Mein Fahrrad​

Mein Rad ist ein zweirädriges Liegerad mit Vorderradantrieb vom Typ „Cruzbike Vendetta V20“ und hat zwei 28“ Räder und eine Rennradausstattung. Dieser Radtyp hat die Abkürzung „MBB“, was für „Moving Bottom Bracket“ steht. Dabei sind das Vorderrad und das Tretlager in einem festen Dreieck zueinander fixiert, was sich dann relativ zum Sitz bewegt. Das hat den Vorteil, dass die Kette nicht umgelenkt wird, und eine direkte Kraftübertragung zwischen Kettenblatt und Antriebsrad gegeben ist. Der Nachteil ist vor allem dass das Antriebsrad damit vorne ist, und bei schlechtem Untergrund die Bodenhaftung verlieren kann. Oder anders gesagt: Bergauf fahren geht nur auf sauberem glatten Asphalt wirklich gut. Wenn diese Vorraussetzung aber gegeben ist, ist das MBB bergauf schneller als die meisten anderen Liegeradtypen.

Ich fahre das Rad seit vier Jahren und komme damit ziemlich gut zurecht. Zuletzt bin ich damit zum dritten Mal den 24h Radmarathon „Rund um den Brelinger Berg“ gefahren, wo ich auf dem Rad eine Strecke von 636 km gefahren bin, mit einem Schnitt von 32,4 km/h, bei einer reinen Fahrzeit von 19,5 Stunden. Das war natürlich mit Rennreifen und ohne Gepäck. Auf der Tour werde ich wohl deutlich langsamer unterwegs sein, aber prinzipiell ist das Rad für sehr lange Strecken hervorragend geeignet und dazu auch noch recht schnell und ziemlich bequem.

Ursprünglich hatte ich das Rad mit einer mechanischen SRAM Red 2x11 Gruppe aufgebaut, mit Aero-Carbon-Laufrädern und Felgenbremsen. Nach und nach hab ich dann verschiedene Komponenten ausgetauscht, um das Rad so besser an meine Bedürfnisse anzupassen.

Schaltung und Übersetzung​

Mit der Schaltung und der Übersetzung hab ich mich am längsten beschäftigt, bis ich alles so hatte, dass ich damit gut und schmerzfrei steile Berge raufkomme.
Ich fahre relativ kurze Tretkurbeln mit 152mm Länge. Mit längeren Kurbeln hatte ich meistens Knieschmerzen. Die kurzen Kurbeln erfordern jedoch eine hohe Trittfrequenz, und am Berg heisst das, ich brauche eine deutlich niedrigere Übersetzung als das, was im Rennradbereich üblich ist. Nach viel Rumprobieren hab ich vorne zwei Kettenblätter mit 50 und 26 Zähnen, und die Kassette hat 11-32 Zähne. Der kleinste Gang hat damit eine Übersetzung von 0,81. Etwas vergleichbares würde ich wohl auch mit einer Einfach-Schaltung hinbekommen, aber dann bräuchte ich wohl eine Kassette wo das grosse Ritzel 50 oder 52 Zähne hat, und dafür müsste ich die komplette Ausstattung vom Rad (Schaltung, Schalthebel, Bremsen) austauschen. Mit der vorhandenen SRAM Red 2x11 Schaltung geht es auch so.
Mein schwierigster Anstieg in Norwegen hatte 12 Prozent Steigung über mehrere km. Mit vollem Gepäck, und mit Beinen, die nach mehreren Tagen auf der Tour schon recht erschöpft waren, war das noch möglich, aber ganz schön hart. Vielleicht würde ich beim nächsten Mal sogar eine noch kleinere Übersetzung nehmen, oder etwas längere Kurbeln. Längere Anstiege mit 10 Prozent Steigung waren jedoch kein Problem.

Reifen​

Nach viel Recherche im Netz bin ich auf bicyclerollingresistance.com auf die „Cinturato Velo TLR 28-622“ aufmerksam geworden, die dort als schnelle Tourenreifen mit sehr gutem Pannenschutz getestet wurden. Nach der Tour kann ich das voll bestätigen. Ich hatte keinen einzigen Platten und auch sonst keine Probleme mit den Reifen.
Ich hab die Reifen tubeless gefahren, hatte aber zur Sicherheit zwei Ersatzschläuche mit, die ich dann zum Glück nicht gebraucht habe.
Mit einer Breite von 28mm passen sie gerade noch so in den Rahmen der V20. Obwohl ich damit mal kurze Stücke auf schlechten oder unbefestigten Strassen fahren konnte, bleibt das Rad damit eindeutig noch ein Strassenrad, und längere Schotterstrecken sind nicht möglich. Schon gar nicht wenn es bergauf geht. Aber dafür ist die V20 eh nicht gedacht. Wer in Norwegen und Schweden aber wirklich ins Hinterland will (z.B. um dort zu zelten) braucht ein Gravel-Rad mit breiteren Reifen und Hinterradantrieb, da dort die meisten Nebenstrassen keinen Asphalt sondern nur Gravel haben (und manche Waldstrassen haben sogar sehr groben Schotter).

Bremsen​

Die ursprünglichen SRAM Red Felgenbremsen waren ok, aber auf den Carbonfelgen war die Bremsleistung bestenfalls ausreichend, und bei Nässe war sie teilweise mangelhaft. Nach verschiedenen Experimenten habe ich nun die „JUIN Tech GT-P“ 4-Kolben Hybrid Scheibenbremsen. Das sind mechanisch-hydraulische Bremsen, bei welchen der Bremszug einen Bremszylinder betätigt, der direkt an der Bremse sitzt. Damit bin ich sehr zufrieden. Vollhydraulische Bremsen sind von der Leistung und Modulation sicher noch etwas besser, brauchen dafür aber wieder andere Bremshebel und sind unterwegs schwerer zu warten.

Stromversorgung​

Für die Stromversorgung unterwegs benutze ich einen SONdelux Nabendynamo, an den ein Forumslader Pro (V6) angeschlossen ist. Damit kann ich alle Verbraucher aufladen und die Lichtanlage betreiben. Das hat auf der Tour relativ gut funktioniert. Einzig die Steckverbindung am Smartphone (was ich als Navi benutze) war bei Regen etwas anfällig, und war dann nur schwer wieder trocken zu kriegen.
Etwas schwierig war am Anfang die Funkverbindung vom Forumslader zum Smartphone, da ich den Lader in der Carbonbox vom Rad montiert habe. Sven (der Entwickler des Laders) hat mir dann erklärt, wie ich mit einem Stück Kabel eine Bluetooth-Antenne vom Lader nach draussen legen kann, und damit hat es dann gut funktioniert.
Das Bordnetz ist an den 12V Ausgang vom Forumslader angeschlossen. Damit werden drei Lampen versorgt, und der 5V Anschluss am Lenker, an dem ich das Smartphone/Navi lade.

Beleuchtung​

Vorne hab ich den 12V Scheinwerfer der mit dem Forumslader zusammen verkauft wird. Es ist ein umgebauter IQ-X Scheinwerfer, welcher an die Bedürfnisse und Möglichkeiten des Forumsladers angepasst ist.
Hinten hab ich ein normales Rücklicht von SON, und ein Bontrager Flare RT als sehr helles Tagfahrlicht. Beide sind über passende Spannungswandler an das 12V Bordnetz angeschlossen. Während der Tour hab ich das vordere Licht meistens ausgelassen, und die Rücklichter waren immer an.

Gepäcktaschen​

Am Kopfende ist eine Cruzbike Carbonbox. Darin ist die Ladeelektronik, Werkzeug, Ersatzteile, und ein 1,5l Camelbak mit nach draussem gelegten Mundstück, für die Wasserversorgung während der Fahrt.

Vorne an der Lenkstange hatte ich eine kleine 1l „SKS Explorer“ Rahmentasche. Darin hatte ich das Essen für Unterwegs, und auch meine Kreditkarte (Bargeld hab ich auf der ganzen Reise nicht gebraucht, ausser in Deutschland).

Unter dem Sitz ist das Cruzbike Moose Pack. Darin waren weiteres Werkzeug und Ersatzteile.

Noch eine Etage tiefer ist unter dem Rahmen eine Apidura Rahmentasche. Ursprünglich hatte ich hier die Regensachen drin, aber in der Praxis war diese Tasche unterwegs nur sehr umständlich erreichbar, deshalb hab ich sie später nicht mehr so viel benutzt.

Das Hauptgepäck war in zwei Seitentaschen vom Typ „Radical Banana M“ mit wasserdichten Innentaschen. Die Aufhängung der Taschen am V20 erfordert etwas Vorbereitung für den harten Toureneinsatz. Insbesondere sammelt sich da, wo die Taschen aufliegen, Dreck, der dann am Rahmen scheuert. Das hatte ich bei einer Probefahrt herausgefunden. Für die grosse Tour hab ich deshalb alle Kontaktflächen zwischen Fahrradrahmen und den Taschen grosszügig mit Klebeband abgeklebt, und ich hab später auch die Taschen noch an verschiedenen Stellen mit Kabelbindern am Fahrrad fixiert, weil die Taschen sonst manchmal verrutscht sind und dann an den Rädern gescheuert haben. Mit der Fixierung ging es dann aber sehr gut.

Ich hab die Taschen während der Tour also immer am Fahrrad gelassen, konnte aber die Innentaschen mit allem Inhalt sehr leicht herausnehmen, und würde das auch wieder so machen.

An einer Innentasche hatte sich im Verlauf der Tour die Abdichtung der Nähte gelöst, und diese Tasche war dann nicht mehr komplett wasserdicht. Radical hat mir nach der Tour dann kostenlos noch zwei neue Innentaschen geschickt. Dafür würde ich für die nächste Tour vielleicht noch passenden Kleber mitnehmen, oder die Nähte vorher zuhause nochmal behandeln.

Den Inhalt der Taschen hatte ich mit 2 Sets „Aufbewahrungsbeutel Travel“ von Decathlon noch weiter unterteilt damit nicht alles zusammenrutscht und übersichtlich bleibt. Das hat super funktioniert.

Unter dem Sitz hatte ich noch zwei 1l Fahrradflaschen, so dass ich insgesamt bis zu 3,5l Wasser mitnehmen konnte.

Navigation und Fahrradcomputer​

Als Navi und Fahrradcomputer benutze ich ein Pixel 6 Android Smartphone, was mit einer Quadlock Halterung am Lenker befestigt ist. Um möglichst wenig Strom zu verbrauchen betreibe ich das Gerät während der Fahrt ausschliesslich im Offline Modus.

Zur Streckenplanung verwende ich sowohl komoot als auch Locus Maps Classic mit Brouter. Das Einrichten von Locus Maps mit Brouter ist ein Thema für sich und ziemlich komplex, aber wenn man sich damit einmal eingearbeitet hat ist es ziemlich brauchbar und liefert sehr gute Navigationsergebnisse, und das völlig offline.
Am Anfang hatte ich das Brouter Profil „fastbike-lowtraffic“ verwendet. Dieses bevorzugt rennradtaugliche Strecken, routet manchmal aber auch über kürzere Gravel-Strecken. Ich habe dann im Netz ein anderes Profil gefunden, was Gravel Strecken wirklich konsequent vermeidet, auch wenn das Umwege bedeutet.

Die erstellten Strecken hab ich in Locus Maps dann gespeichert, und in der anderen App „IpBike“ geladen und damit abgefahren. Locus könnte zwar auch direkt als Navi genutzt werden, aber ich komme mit IpBike besser klar, weil ich es schon seit Jahren als Fahrradcomputer nutze.

Pedale und Schuhe​

Ich verwende Favero Assioma Duo Powermeter Pedale mit Look Keo Cleats und entsprechenden Rennradschuhen. Weil ich so daran gewohnt bin, mit Powermeter zu fahren, hatte ich gar nicht daran gedacht, für die Tour andere Pedale oder Schuhe zu nehmen. Stattdessen hatte ich noch ein paar normale Schuhe zum Rumlaufen mit.
Mit Rennradschuhen kann man schnell fahren, aber sie sind extrem unpraktisch, wenn man mal schieben muss, oder sonst irgendwie während der Tour rumlaufen will. Deshalb werd ich bei der nächsten Tour wohl auf die Powermeter verzichten und ein paar Mountainbikepedale mit Schuhen nehmen, mit denen ich auch mal auf Schotterstrecken die Füsse auf den Boden setzen kann, ohne dass dabei gleich die Cleats drunter leiden. Immerhin hatte ich noch Cleatschoner mit, aber auch damit kann man allenfalls mal eben in einen Laden gehen und keinesfalls längere Strecken laufen.

Campingausrüsting​

Zelt: Hilleberg Enan​

Mein Zelt ist ein relativ leichtes 1-Personen Zelt vom Typ „Hilleberg Enan“. Es wiegt ca. 1,2kg. Es gibt auch noch Ultraleicht-Zelte die nur die Hälfte wiegen, aber diese sind oft nur in den USA erhältlich, und ich habe mit Ultraleicht-Sachen auch schon die Erfahrung gemacht, dass sie sehr leicht kaputt gehen. Hilleberg Zelte haben immerhin den Ruf, ziemlich robust zu sein, und bislang kann ich das auch bestätigen. Für eine Person ist der Platz ziemlich grosszügig bemessen, wenn man sich einmal daran gewöhnt hat, und selbst das Auf- und Abbauen in strömendem Regen war möglich.
Es ist ein Tunnelzeit, ist also nicht freistehend, und braucht einen relativ ebenen Untergrund. In manchen Gegenden wäre ein freistehendes Zelt vielleicht besser, oder auch eine Hängematte (wenn es keine ebenen Stellen gibt, aber dafür Bäume). Ich bin mit dem Zelt aber gut klar gekommen und hab es gerne benutzt.

Andere Sachen:​

  • Isomatte: Exped Synmat UL M
  • Schlafsack: Daunenschlafsack von Decathlon
  • Schlafsack-Inliner: Seiden-Innenschlafsack von Decathlon
  • aufblasbares Kopfkissen: Sea to Summit - Aeros Premium Pillow
  • Campingkocher: integrierter Gasbrenner/Kochtopf von EOE
 
Zuletzt bearbeitet:
Streckenplanung
Es gibt ein paar Eckdaten für die Tour. Ich möchte endlich mal wieder nach Norwegen in die Berge, und ich wurde eingeladen, auf dem Weg dorthin Freunde in der Nähe von Malmö in Südschweden zu besuchen. Also plane ich, mit der Fähre zum südlichsten Punkt Schwedens zu fahren, um dann von dort aus nach Norwegen zu radeln. Für die eigentliche Norwegen Tour finde ich einen Routenvorschlag auf Komoot, der entlang der Küste von Bergen nach Kristiansand führt. Von dort will ich mit der Fähre zurück, entweder über Dänemark oder nach Holland. Wie sich das dann im Detail gestalten wird werde ich unterwegs entscheiden, je nachdem wie es so läuft. Schon im Vorraus höre ich, dass das Wetter in diesem Jahr an der Westküste von Norwegen nicht so toll sein soll. Wir werden sehen.

Hier ist die Strecke, die ich dann tatsächlich gefahren bin:

Tag 1-3: Bochum -> Travemünde

Distanz (km)​
Zeit Gesamt​
Zeit in Fahrt​
Ø km/h​
Höhenmeter​
Ø Leistung (W)​
Tag 1​
114,4​
04:46​
04:17​
26,7​
780​
157​
Tag 2​
173,7​
10:14​
06:54​
25,2​
610​
147​
Tag 3​
174,4​
09:10​
07:06​
24,2​
630​
151​

Tag1-3.PNG

Tag 4-9: Von Trelleborg an der schwedischen Westküste bis nach Norwegen

Distanz (km)​
Zeit Gesamt​
Zeit in Fahrt​
Ø km/h​
Höhenmeter​
Ø Leistung (W)​
Tag 4​
46,9​
02:13​
01:57​
23,9​
205​
167​
Tag 7​
169,7​
08:49​
07:18​
23,2​
709​
149​
Tag 8​
190,9​
11:35​
08:58​
21,3​
806​
134​
Tag 9​
173,0​
10:46​
07:38​
22,7​
1016​
142​

Tag4-9.PNG

Tag 10-13: Nach Norden bis nach Lesja, and dann mit der Bahn nach Åndalsnes

Distanz (km)​
Zeit Gesamt​
Zeit in Fahrt​
Ø km/h​
Höhenmeter​
Ø Leistung (W)​
Tag 10​
186,2​
11:52​
08:18​
22,4​
1340​
143​
Tag 11​
148,9​
11:03​
07:53​
18,9​
1674​
168​
Tag 12​
131,4​
10:13​
06:45​
19,5​
1429​
143​
Tag 13​
11,4​
01:20​
00:40​
17,0​
144​
138​

Tag10-13.PNG

Tag 13: Von Åndalsnes über den Trollstigen Pass

Distanz (km)​
Zeit Gesamt​
Zeit in Fahrt​
Ø km/h​
Höhenmeter​
Ø Leistung (W)​
Tag 13​
63,0​
05:08​
03:44​
16,9​
1152​
161​


Tag13b.PNG

Tag 14-17: Von Eidsdal nach Süden Richtung Bergen

Distanz (km)​
Zeit Gesamt​
Zeit in Fahrt​
Ø km/h​
Höhenmeter​
Ø Leistung (W)​
Tag 14​
11,7​
01:59​
00:31​
22,2​
75​
113​
Tag 15​
86,5​
11:07​
05:55​
14,6​
1562​
157​
Tag 16​
112,4​
07:19​
05:30​
20,4​
998​
141​
Tag 17​
83,3​
05:30​
04:18​
19,3​
1171​
159​

Tag14-17.PNG

Tag 17: Durch den Regen über die Halbinsel

Distanz (km)​
Zeit Gesamt​
Zeit in Fahrt​
Ø km/h​
Höhenmeter​
Ø Leistung (W)​
Tag 17​
34,5​
02:21​
02:01​
17,0​
621​
165​

Tag17b.PNG

Tag 18-19: Nach Bergen, und dann mit der Fähre nach Stavanger, und dann mit dem Zug nach Kristiansand

Distanz (km)​
Zeit Gesamt​
Zeit in Fahrt​
Ø km/h​
Höhenmeter​
Ø Leistung (W)​
Tag 18​
65,4​
07:40​
03:54​
16,7​
800​
144​
Tag 19​
20,9​
01:42​
01:16​
16,4​
170​
133​
16,0​
01:03​
00:52​
18,4​
124​
144​

Tag18-19.PNG

Tag 20: mit der Fähre von Kristiansand nach Eemshaven

Tag 21: von Eemshaven zurück Richtung Ruhrgebiet

Distanz (km)​
Zeit Gesamt​
Zeit in Fahrt​
Ø km/h​
Höhenmeter​
Ø Leistung (W)​
Tag 21​
193,7​
10:55​
08:11​
23,6​
201​
127​

Tag20.PNG

Insgesamt waren es 2390 km mit 16872 Höhenmetern in 21 Tagen (inkl. der Pausentage).
 
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Reisebericht​

Tag 1​

Trotz bester Vorsätze bin ich am Tag der Abreise noch ziemlich lange mit Packen und Vorbereiten beschäftigt. Da meine alten Look Keo Cleats schon ziemlich abgenutzt sind, montiere ich schnell noch neue Cleats. Leider sind die Schuhe schon ziemlich alt, und die ursprüngliche Markierung für die Cleat-Position ist nicht mehr erkennbar. Im Eifer der Abreise vergesse ich, mir die alte Position zu merken und positioniere die Cleats etwas zu weit vorne. Das soll sich leider später noch zu einem Problem entwickeln.

Es ist schliesslich 15:40, als ich endlich loskomme. Macht aber nichts, ich hab mir für die erste Tagesetappe nur ganz entspannte 114km vorgenommen, vom Ruhrgebiet aus nach Nordosten raus zwischen den grossen Städten hindurch bis zu meinem ersten Campingplatz dieser Reise.

Die Wasserflaschen in den neuen Halterungen rütteln sich während der Fahrt mehrfach los und fallen aus der Halterung. Aus Haargummis und Kabelbindern bastel ich mir eine Halterung, welche die Flaschen sicher hält.

Es geht durchs Flachland bei schönem Sonneschein. Gegen halb neun erreiche ich mein Tagesziel und schlage zum ersten Mal auf dieser Reise mein Zelt auf. Ich freu mich total, endlich auf dieser Reise zu sein.

01_PXL_20220708_133230974.jpg02_PXL_20220708_153430085.jpg03_PXL_20220708_153645775.jpg04_PXL_20220708_165633243.jpg06_IMG_1109.jpg07_IMG_1107.jpg
 

Tag 2​

Ich schlafe recht gut im Zelt und wache gegen sechs von der Morgensonne auf. Nach dem Frühstück sind die Sachen schnell zusammengepackt, und ich bin um 6:54 „on the road again“. Heute geht es weiter geradeaus Richtung Nordosten ins Hinterland mittendurch zwischen Bremen und Hannover.

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Kurz nach dem Losfahren bemerke ich ein Schleifgeräusch am Hinterrad. Beim Einpacken sind die Seitentaschen wohl etwas verrutscht, und eine der Halterungen schleift am Hinterrad. Dabei ist der Reifen wohl haltbarer als das Nylon von der Schnalle, die schon gut 1 mm Material verloren hat. Immerhin ist noch nichts dramatisches passiert, aber zum Glück bin ich damit auch nicht weitergefahren. Ich habe mir wohlweislich eine Tüte Kabelbinder mitgebracht und nutze diese, um die Schnallen der Taschen am Rahmen zu fixieren, damit das nicht wieder passieren kann. Mit Klebeband fixiere ich die losen Tragegurte, damit auch diese nicht ans Rad kommen können.

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Ich komme an eine Strassensperrung wegen einer Baustelle. Ich will das vollgeladene Rad an der Absperrung vorbeischieben, aber mit Rennradschuhen ist das nicht möglich. Umständlich ziehe ich mir meine normalen Schuhe an, und damit geht es dann. Solche Sachen kosten total viel Zeit, aber das gehört eben auch dazu. Bei der nächsten Tour sollte ich vielleicht Mountainbike-Schuhe mitbringen.

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Die Fahrt geht heute durchs Flachland, und ich mache an einer Brücke Pause und geniesse den blauen Himmel.

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Kurz darauf schlägt das Wetter um, und ich kann zum ersten Mal auf dieser Tour meine neue Regenjacke ausprobieren. Beim Fahren auf der nassen Strasse höre ich vom Hinterrad kommen kratzige Schleifgeräusche. Die Taschen hatte ich ja fixiert, ausserdem klingt es eher nach schleifenden Bremsscheiben. Aber der Regen ist eh schon vorbei, und sobald es wieder trocken ist hören auch die Geräusche auf.
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Die Strecke führt mich ins tiefste Hinterland. Hier ist es friedlich und idyllisch. Deutschland hat wirklich schöne Ecken.

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Ich erreiche gemütlich mein Tagesziel für heute. Auf eine Seite bemerke ich eine Reizung der Achillessehne. Das hatte ich beim Radfahren noch nie. Aber es war ja auch eine sportliche Etappe heute. Ich vermute, dass es etwas mit der Cleat-Position zu tun haben könnte, und stell die Cleats neu ein, so dass sie wieder etwas mehr hinten sind.

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Tag 3​

Pünktlich um sechs wache ich wieder auf, ganz ohne Wecker. Heute lasse ich mehr etwas mehr Zeit für den morgen und fahre erst kurz vor acht los. Ich hab mich um 11:00 mit @HenriP in Lüneburg verabredet, und fahre die 68km bis dahin zügig durch.

Auf dem Weg dahin bin ich auf einer völlig einsamen Landstrasse. Es gibt wohl einen Fahrradweg, ich fahre aber auf der Strasse. Plötzlich kommt von hinten ein SUV angeschossen und überholt mich extrem eng während es dabei noch beschleunigt und hupt. Offenbar wollte der oder die Fahrerin mir damit signalisieren, was er oder sie von Radfahrern auf der Straße hält. Sowas hab ich bislang noch nie erlebt, und das hatte mich tatsächlich auch ganz schön erschrocken. Immerhin ist nichts passiert.

Ich komme kurz vor 11 im Zentrum von Lüneburg an und mache ich auf die Suche nach Henri, den ich dann in einer Bäckerei finde, wo wir noch zusammen einen Kaffee trinken. Ich kann seine neue V20c bestaunen (das neueste Vendetta Modell von Cruzbike), die er grad erst vor kurzem bekommen hat. Henri ist sehr nett und absolut fahrradbegeistert.

Wir werden im Laufe des Tages gemeinsam weiter bis nach Lübeck fahren, und machen unterwegs bei Henri Mittagspause. Ich erinnere mich an das vermeintliche Bremsenschleifgeräusch von gestern im Regen und frage Henri, ob er einen Dremel oder eine Feile hat. Er hat selber nicht soviel, hat aber einen Freund der eine gutausgestattete Werkstatt hat. Ich habe den Bremsadapter in Verdacht, der es verhindert, dass ich die Bremse so ausrichten kann, dass die Bremse mittig auf der Bremsscheibe sitzt. Ich habe ja nicht mein normales Laufrad, sondern das Tourenrad mit dem Nabendynamo, und da ist der Abstand der Bremsscheibe offenbar etwas anders, und ich vermute, dass aufgrund des zu geringen Abstands bei Nässe der Dreck zwischen Scheibe und Bremse hängenbleibt und schleift. Wir verbringen eine halbe Stunde damit, den Bremsadapter etwas abzufeilen, damit ich die Bremse besser ausrichten kann. Leider verletze ich mich bei der Aktion am Daumen. Das passiert halt wenn man ein Metallteil feilt, was dabei scharfkantig und extrem heiß wird. Hätte ich die Arbeitshandschuhe mal vorher angezogen.

Am Nachmittag fahren wir weiter Richtung Lübeck, wo wir dann am frühen Abend ankommen. Henri zeigt mir ein Restaurant, was er mag, und wir gehen dort noch zusammen essen. Dann verabschiedet Henri sich, und ich fahre noch die letzten 15km des Tages zu meinem Campingplatz.

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Tag 4​

Ich finde mich am morgen kurz nach acht am Fährhaven von Travemünde ein und verstaue mein Rad auf der Fähre. Fähren werden mir auf dieser Reise noch oft begegnen. Die Überfahrt von Travemünde nach Trelleborg dauert insgesamt rund 10 Stunden, und wir Radfahrer dürfen zudem erst als letzte vom Schiff runter. Als ich so richtig startklar bin, ist es schon nach halb acht abends. Ich brauche noch etwa zwei Stunden für die 47 km von Trelleborg nach Lund, wo mich mein Abendquartier bei Freunden erwartet.

Der schwedische Abendhimmel belont mich mit fantastischen Panorama Ansichten, und ich freue mich, in Skandinavien angekommen zu sein.

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Tag 5 und 6: Lund​

In Lund mache ich zwei Tage lang Pause und gehe mit den Freunden dort wandern.
 

Tag 7​

Frisch ausgeruht nach den Pause-Tagen fahre ich in Lund los Richtung Norden.
Ein erster Stop an einem schwedischen Supermarkt am Rand einer kleinen Stadt überrascht mich damit, dass es im Einfangsbereich ein Waschbecken gibt, und im Inneren sogar eine gut ausgestattete und sehr saubere öffentliche Toilette. Das war dann auch so bei allen anderen Supermärkten in Schweden in denen ich war, und hat für mich die Trinkwasserversorgung und auch den Zugang zu Toiletten tagsüber sehr komfortabel geregelt.

Hin und wieder gibt es ein paar Regenschauer, und ich merke, dass ich die Regensachen leichter erreichbar verstauen muss als ganz unten in der mittleren Rahmentasche. Ausserdem schwitze ich ja unter den GoreTex Sachen und werde also mit oder ohne Regensachen nass. Zum Glück wird es bald wieder sonnig und bleibt dann auch so für den Rest des Tages.

Brouter mit dem modifizierten Profil „fastbike-lowtraffic-no-gravel“ vermeidet Radwege und versucht, mich auf z.T. stark befahrene Strassen zu schicken, was sowohl mich als auch die Autofahrer irritiert. Irgendwann entdecke ich den schwedischen Nationalradweg Nr. 1, der an der Küste entlang führt, hervorragend ausgebaut ist, und völlig frei von Autos ist. In Schweden sind die Radwege so gut, dass es sich lohnt, ein Routingprofil zu nehmen, was mich tatsächlich auch auf Radwege schickt. In Deutschland vermeide ich das eher, und fahre lieber auf ruhigen Nebenstrassen ohne Radweg, aber in Skandinavien geht es auf Radwegen tatsächlich besser und meist sogar schneller, und es ist auf jeden Fall schöner und macht mehr Spaß.

Ich geniesse den Blick aufs Meer und beschliesse am Abend, den nächsten Campingplatz aufzusuchen. Da erwartet mich ein Kulturschock. „Camping“ heisst inzwischen wohl, mit dem riesigen Wohnmobil unterwegs zu sein. Der Campingplatz hat ca. 400 Stellplätze für Wohnmobile, aber nur vier ausgewiese Plätze für Zelte, die auch schon alle voll sind. Früher gab es auf Campingplätzen eine Zeltwiese, wo man immer noch irgendwie draufgepasst hat. Aber das ist wohl vorbei. Die Dame an der Rezeption weigert sich strikt, mir für mein kleines Zelt etwas anderes als einen offiziellen Wohnwagenplatz zu vermieten. Da ich ziemlich ausgepowert bin und keine Lust mehr habe, mich darüber zu ärgern, nehme ich dann den letzten freien Wohnmobilplatz für 46€, um ihn mit meinem winzigen Trekking-Zelt zu belegen. Immerhin hab ich eine warme Dusche. Aber da muss es doch eine bessere Lösung geben.

Ich lese im Netz ein paar Reiseberichte von Fahrradreisen durch Schweden, und die zelten wohl alle wild. Wahrscheinlich hätte ich einfach ganz legal auf der Wiese vor dem Campingplatz mein Zelt aufschlagen können. Aber das traue ich mich noch nicht so richtig. Ausserdem sind mir eine Dusche und die anderen sanitären Einrichtungen auch was wert. Aber zwischen den Wohnmobilen zu zelten ist irgendwie bekloppt. Ich beschliesse das im weiteren Verlauf der Tour anders zu machen.

02_IMG_1331.jpg03_IMG_1332.jpg04_PXL_20220714_141038533.jpg05_PXL_20220714_142935019.jpgIMG_1333.jpgIMG_1334.jpgIMG_1335.jpgIMG_1336.jpgIMG_1338.jpg
 

Tag 8​

Inzwischen hab ich schon eine gute Routine beim morgendlichen Packen, und die Sachen verschwinden schnell in den Radtaschen.

Ich folge dem Nationalradweg 1 (dem „Kattegattleden“), der bis nach Göteborg führt. Durch die Stadt selber komme ich weitestgehend getrennt vom Autoverkehr problemlos und flüssig durch. Es gibt viele Unterführungen. Ich glaub in der ganzen Stadt musste ich nur an drei Ampeln halten. Erstaunlich, wie gut Fahrradinfrastruktur sein kann.

Am frühen Abend hole ich einen anderen Tourenradler ein, der recht erfahren aussieht. Wir unterhalten uns ein wenig und finden heraus, dass wir beide Deutsche sind. Er ist Anfang 70 und verbringt seit Jahren jeden Sommer mehrere Wochen mit dem Fahrrad in Skandinavien und war praktisch schon fast überall.
Ich frage ihn, wie er das mit dem Übernachten macht, und er erzählt, wie er sich Plätze zum Wildcamping sucht. Er ist damit einverstanden, dass wir uns gemeinsam einen Lagerplatz suchen. Mit Hilfe der Karte schauen wir uns ein paar Plätze an, die sich aber alle als ungeeignet erweisen. Schliesslich finden wir einen guten Platz in einem Wäldchen direkt am Fluss.
Ich gehe mich im Fluss waschen, während er nochmal in den Ort fährt, um was zu Essen zu kaufen, und mir auch ein Bier mitbringt. Hier im Wald am Fluss ist es tausendmal schöner als auf dem doofen Wohnmobilplatz.

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Tag 9​

Mein Zeltplatznachbar hat mich darum gebeten, ihn morgens nicht zu wecken, da er meist bis zehn schläft, während ich um sechs aufstehe und gegen acht wieder weiterfahre.

Ich fahre weiter nach Norden auf völlig leeren Strassen durch Wälder und vorbei an vielen Seen.

Bei der Mittagspause in einer kleinen schwedischen Stadt treffe ich eine Gruppe von drei Bikepackern auf Gravel-Bikes, die eine mehrtägige Tour durch Schweden machen. Wir essen zusammen eine Pizza. Sie sind erstaunt, dass ich sowas mit dem Liegerad mache.

Ohne es zu merken überquere ich im Verlauf des Tages die Grenze zu Norwegen. Da ich nach Möglichkeit wieder wild zelten will, nutze ich am frühen Abend einen der vielen Seen, an denen ich vorbeikomme, und zu baden und mich ein bisschen zu waschen, da ich ja abends wahrscheinlich keine Dusche oder Waschmöglichkeit haben werde. Und beim letzten Stop an einem Supermarkt fülle ich auch nochmal alle Wasserbehälter auf, damit ich für Abendessen, Zähneputzen, Frühstück, und die erste Tagesetappe, genug Wasser habe.

Ab 18 Uhr fange ich an, nach möglichen Schlafplätzen Ausschau zu halten, und frage mich bei jedem kleinen Feldweg, der von der Strasse abgeht und zwischen den Bäumen verschwindet, ob der zu einem guten Platz führen könnte. Soviele gibt es davon aber auch nicht. Es wird 19 Uhr, und ich beschliesse, die nächste Gelegenheit die sich bietet zu nehmen. Kurz darauf finde eine kleine Waldlichtung neben der Strasse und schlage dort am Rand zwischen den Bäumen mein Zelt auf. Die Stelle ist von der Strasse aus nicht sichtbar und fühlt sich gemütlich und gut geschützt an. Mein dunkelgrünes Zelt verschwindet optisch ja auch ganz gut in der Abenddämmerung. Nur das Fahrrad mit dem hervorstechenden weissen Cruzbike Logo ist damit noch nicht wirklich für Stealth-Camping geeignet. Ich überlege, das Logo mit Klebeband zu verdecken, mache es dann aber doch nicht. Hier kommt eh keiner hin, der mich sehen könnte.

Es gibt hier recht viele Mücken, weil ein kleiner Teich in der Nähe ist, aber mit etwas Insektenschutzspray auf der Kleidung geht es noch. Die übliche Abendroutine ist: Zelt aufbauen, umziehen, Fahrradsachen zum Trocknen aufhängen, Abendessen (meistens eine grosse Portion Nudeln die ich im Kocher zubereite), alle Sachen wieder ins Zelt holen (weil es nachts ja regnen kann), Zähneputzen, über den Tag nachdenken, schlafen. Auf der Karte sehe ich, dass ich nun in Norwegen bin, nur etwa 65 km südöstlich von Oslo entfernt, aber es fühlt sich an wie mitten in der Pampa.
Ein bisschen aufregend ist das Wildzelten so ganz allein schon, zumal ich das ja auch zum ersten Mal mache. Nachts höre ich noch ein paar Autos mit lauter Musik auf der nahegelegenen Strasse rumfahren, aber das gibt sich irgendwann. Ich fühle mich nicht unsicher, aber so richtig tiefenentspannt schlafe ich auch nicht.

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Tag 10​

Ich wache früh auf und bin heute super effizient im Einpacken. Die Mücken tragen vielleicht auch dazu bei, dass ich an diesem Ort kein langes, ausgedehntes und gemütliches Frühstück mache. So bin ich heute schon kurz nach halb acht wieder unterwegs.

Die Strecke, die Brouter mir erstellt hat, führt mich weiter nördlich auf ruhigen Nebenstrassen auf gutem Asphalt durch viele Wälder. Alles scheint gut zu klappen, bis mich der Navi gegen Mittag auf einen Waldweg schicken will. Geschottert, nicht geteert. Ich fahre einen guten Kilometer auf dem Gravel, fühl mich aber immer unwohler dabei. Ich schau mir die Karte nochmal genau an. Diese Strasse führt über einen kleinen (?) Berg, also wird es auch immer steiler, und dabei wird der Schotter (gefühlt) auch noch immer grober, meine Vorderradtraktion immer schlechter. Und das soll nun knapp 30 km so gehen. Ich habe Angst, mit meinem nicht-gravel-tauglichen Rad im Wald stecken zu bleiben, schlimmstenfalls mit Reifenpanne oder gar Speichenbruch, oder zumindest ohne Fahrmöglichkeit. Das ist mir doch zu heikel, und ich fahre zurück auf die Asphaltstrasse. Dort hab ich zum Glück Handyempfang und plane die Teilstrecke zur nächsten Stadt nochmal mit Komoot. Auch Komoot will mich wieder durch den Wald schicken und behauptet fest, dass diese Strecke rennradtauglich ist. Offenbar ist hier das zugrundeliegene Kartenmaterial falsch, und die Schotterpiste ist als Asphaltstrasse eingetragen. Ich ändere die Route manuell so dass sie auf der richtigen Strasse um den Wald herumführt, was ein paar Kilometer extra kostet, aber für mich immerhin befahrbar ist. Schade, die Waldstrecke wäre sicher sehr schön gewesen.

Gegen Nachmittag komme ich zum Mjøsa See, dem größten See Norwegens. Ich mache eine ausgiebige Badepause an einer der vielen Badestellen.

Weiter gehts entlang auf der Uferstrasse, die praktisch frei von Autos ist, die alle auf der parallelen Schnellstrasse fahren. Lange Teilstücke fahre ich auch auf dem ausgewiesenen Radweg. Nur Plätze zum Wildzelten gibt es hier nicht so richtig. Gegen Abend steuere einen offiziellen Campingplatz an, der direkt am Seeufer ist und dort schöne Aussichten hat. Dort treffe ich einen anderen Fahrradurlauber aus Holland. Er ist mit dem Zug nach Trondheim gefahren und fährt von dort aus südlich bis Kristiansand, was auch das Endziel meiner Reise ist, aber ich will ja erstmal noch ein Stück weiter nach Norden und dann an die Westküste von Norwegen.
Im Restaurant vom Campingplatz genehmige ich mir eine Pizza für 16€ und ein Bier für 10€. Norwegen ist teuer, aber das wusste ich ja schon vorher.

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Tag 11​

Wie immer wache ich gegen sechs von alleine aus. Heute morgen regnet es deutlich, und erweckt auch nicht den Anschein, dass es bald aufhören wird. Zum ersten Mal auf der Reise packe ich alle Sachen im Zelt zusammen während es draussen regnet. Es ist ganz schon eng in meinem kleinen 1-Personen Zelt, aber irgendwie geht es. Zuletzt packe ich das nasse Zelt zusammen und mache mich im Regen abfahrbereit. Es dauert alles deutlich länger als bei meiner bisherigen Tagesroutine, aber das ist eine Norwegen Tour, und ich wusste, worauf ich mich einlasse. In voller Regenkleidung beginne ich meine Tagesetappe. Nach einer Weile hört der Regen dann doch wieder auf, und ab Mittag wird es sogar wieder sonnig. Das hebt die Laune.

Die erste Tageshälfte führt mich noch bis zum nördlichen Ende vom Mjøsa See, der wirklich riesig ist. Bei km 80 verlasse ich das Seeufer und mein Weg führt mich nun hoch in die Berge. Zum ersten Mal auf dieser Tour komme richtige Höhenmeter auf. Das Seeufer lag bei 110 Höhenmeter. Für den Rest des Tages geht es praktisch nur bergauf bis auf 730 Hm.

Ich merke meine Achillessehne, die durch die falsche Cleat-Einstellung am Anfang der Tour gereizt wurde. Mein flottes Tempo lässt auch keine wirkliche Erholung zu. Langsam fühlt die Sehne sich fast entzündet an. Nicht gut. Jetzt wo die Berge so richtig anfangen wird das immer deutlicher. Gleichzeitig bin ich aufgeregt und glücklich, in den norwegischen Bergen angekommen zu sein, und tatsächlich liegen nun auch die schönsten Etappen dieser Reise vor mir.

Meine Strecke ist touristisch nicht erschlossen und führt durch Wälder und landwirtschaftlich genutzte Gebiete. Dafür ist die Strasse absolut ruhig. Nur selten begegnet mir ein Auto. Ich geniesse die Ruhe und komme zügig voran.

Gegen Abend bin ich am Bredsjön See. Hier in der Bergen wird es immer schwieriger, gute Plätze zum Wildzelten zu finden, weil es neben der Strasse nur dichten Wald auf steilen Abhängen gibt, und es gibt auch keinen Campingplatz in der Nähe. Schliesslich finde ich einen verlassenen Feldweg, der komplett zugewachsen ist, und probiere dort mein Glück. Nachdem ich das Rad etwa hundert Meter von der Strasse weg den Berg hoch geschoben habe, finde ich eine halbwegs flache Stelle auf die mein Zelt passt, und werde mit einer grandiosen Aussicht auf den Sonnenuntergang belohnt. Ich geniesse den ruhigen Abend hier mitten in schöner Natur. Das ist Urlaub.

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Tag 12​

Weiter gehts bei durchweg schönem Wetter auf einsamen Bergstrassen. Heute fahre ich durch meinen ersten norwegischen Tunnel auf dieser Reise. Die werden mir in den nächsten Tagen noch öfters begegnen.

Es wird stetig bergiger. Von der Strasse aus habe ich öfters einen schönen Blick auf steile Felswände. Die ersten Stunden des Tages führen mich über zwei Bergpässe mit knackigen Anstiegen, bis es dann erstmal wieder ganz weit runter zum Fluss geht.

Bei der Mittagspause in Otta gönne ich mir eine extra grosse Pizza, die wohl größte, ich jemals allein gegessen hab. Aber irgendwo muss der Treibstoff für die Fahrt ja herkommen.

Eigentlich waren die Radwege und Nebenstrassen meiner Route bislang sehr ruhig und entspannt. Am frühen Nachmittag mündet mein Radweg unverhofft auf die E6. Diese Strasse ist eine zweispurige Schnellstrasse (eine Spur pro Richtung, vergleichbar mit einer deutschen Bundesstrasse), und offenbar ist es eine der Hauptverbindungen zwischen dem Süden von Norwegen und Trondheim. Dementsprechend gibt es hier plötzlich sehr viel Autoverkehr, den ich als langsamer Radfahrer ordentlich ausbremse. Im Rückspiegel sehe ich eine lange Schlange von Autos. Die Strasse hat direkt am Fahrbahnrand eine Leitplanke. Einen Seitenstreifen gibt es nicht. Ich kann also nicht mal rechts ranfahren, um die Autos vorbeizulassen. Dann findet sich doch mal eine Stelle, wo ich Platz machen kann, um die Kolonne vorbeizulassen. Danach wird es noch schlimmer, weil nach einer Weile dann die nächsten Autos mit 100 km/h ankommen und wegen mir bremsen müssen. Am schlimmsten sind die Lastwagen, die gelegentlich kommen. Ich beobachte alles im Rückspiegel und fühle mich ziemlich gestresst, während ich ständig von Autos überholt werde. Nach fünf Kilometern, die mir wie eine kleine Ewigkeit vorkommen, geht endlich wieder eine Nebenstrasse ab, wo auch der offiziell ausgewiesene Radweg verläuft. Es ist ein Gravel-Weg, aber das ist mir egal. Hauptsache runter von dieser Hauptstrasse. Ich muss eine Weile den Anstieg heraufschieben, aber dann wird es wieder flach genug so dass ich wieder fahren kann.

Den Rest des Tages fahre ich auf kleinen Nebenstrassen die parallel zur Hauptstrasse verlaufen. Manchmal hab ich Gravel, manchmal Asphalt. Wenn der Gravel zu steil wird muss ich schieben, was mich sehr viel Zeit kostet. Auf OpenStreetmap sind die gelben Strassen in Norwegen meist asphaltiert, die kleinen weissen Strassen sind es mit Sicherheit nicht. Die roten Strassen sind die Bundesstrassen. Ich mache mir Gedanken, ob es im weiteren Verlauf der Reise genug gelbe Strassen gibt auf denen ich fahren kann. Entlang der Bundesstrasse verläuft manchmal ein Radweg, aber manchmal (bzw. oft) verschwindet dieser, und dann müssen die Radfahrer auf der Hauptstrasse fahren, so wie heute.

Der Schreck von dieser Schnellstrasse sitzt mir noch in den Knochen, und plötzlich merke ich auch, wie erschöpft ich bin. Immerhin hatte ich seit Beginn der Tour ein ordentliches Tempo vorgelegt, und dazu kamen noch die Berge der letzten zwei Tage. Viertel vor sechs entdecke ich den perfekten Wildcampingplatz auf einer versteckten Wiese hinter einem Wäldchen am Fluss und beschliesse, für die Nacht hierzubleiben. Der schöne Platz ist eine Belohnung für all die Strapazen. Nach dem Bad im Wildbach fühle ich mich wieder sauber und erfrischt. Ich versuche, meine Sachen im Fluss zu waschen. Wirklich sauber werden sie dadurch nicht, aber es ist besser als nichts.

Ich geniesse den Abend an dieser idyllischen Stelle. Dann schaue ich mir die Karte im Routenplaner nochmal sehr genau an. Am nächsten Tag möchte ich nach Åndalsnes. Von den 90 km bis dahin hätte ich 30 km Fahrradweg (immerhin), aber 52 km Bundesstrasse. Die fünf Kilometer auf der E6 heute waren mir schon zuviel. Das zehnfache davon ist nicht vorstellbar. Wirkliche Alternativen dazu gibt es auch nicht, weil die Strecke durch ein Tal führt, was von steilen Bergen umgeben ist. Hier gibt es vielerorts einfach keine Nebenstrassen auf die ich ausweichen könnte. Ich könnte allenfalls zurückfahren und die Strecke völlig neu planen, wenn ich das Stück auf der Bundesstrasse vermeiden will. Ich fühle mich entmutigt. Dazu kommen noch meine allgemeine Erschöpfung, und die Schmerzen in der Achillessehne, die immer schlimmer werden. Schliesslich habe ich die Idee, mit dem Zug nach Åndalsnes zu fahren.
Es dauert eine Weile, bis ich auf dem Smartphone herausfinde, wie ich eine Zugfahrkarte mit Fahrradmitnahme buchen kann, aber es klappt. Also wird es doch irgendwie weitergehen, und zufrieden kann ich gut schlafen.

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Tag 13 a) Lesja – Åndalsnes​

Ich lasse den Morgen sehr gemütlich angehen. Vom Zeltplatz aus bis Lesja sind es nur 11 km, und von dort geht mein Zug erst kurz nach Mittag los. Also kann ich mir viel Zeit lassen bis das Zelt trocken ist und kann noch in aller Ruhe einen Tee trinken, oder auch zwei. Mein Körper braucht eh eine Pause. Im Supermarkt von Lesja leiste ich mir noch einen gefühlten Grosseinkauf und finde dann den kleinen Bahnhof, wo ich auf meinen Zug warte. Hoffentlich kann ich das Liegerad mit in den Zug nehmen.
Das ist dann auch kein Problem. Die Zugfahrt überrascht mich mit sehr spektakulären Aussichten von grandiosen Bergfelsen und vielen Wasserfällen. Die gesamte Fahrt lang gibt es über die Lautsprecher im Zug eine Audioführung auf Englisch, welche die Aussichten für Touris wie mich erklären.

Vom Zug aus sehe ich auch manchmal die Strasse, auf der ich sogar Radfahrer sehe. Das ist jetzt auch nicht mehr die E6, sondern die E136, die nicht so stark befahren ist. Vielleicht wär es mit dem Rad sogar doch nicht so schlimm geworden. Aber ich geniesse die Zugfahrt und finde, ich hab alles richtig gemacht. Vom Zug aus sehe ich auch die schneebedeckten Gipfel, die ich bislang auf meinem Weg allenfalls aus Weiter Ferne erahnen konnte. Ich freu mich.

Nach einer Stunde kommen wir um halb zwei in Åndalsnes an. Dies ist der nördlichste Punkt meiner Reise, denn von hier an will ich südwestlich nach Bergen an die Küste fahren. Es ist bewölkt und ab und zu nieselig, aber insgesamt wirkt es trocken genug. Der halbe Tag Pause hat mir gut getan, und ich fühle mich deutlich besser. Trotzdem macht mir meine Achillessehne ein bisschen Sorgen. Herumlaufen tut inzwischen fast mehr weh als Radfahren. Aber ich gönne mir erstmal ein Mittagessen. Nachdem es bislang meist nur Pizza gab, ist dieser Ort ein Touristenzentrum und es gibt viel mehr Auswahl, so dass ich mir ein Thai Restaurant aussuche. Ist extrem teuer, so wie alles hier, aber was solls.

Von Åndalsnes aus führt der Weg südlich über den Trollstigen, einer der bekanntesten und spektakulärsten Passstraßen in Norwegen. Darauf hatte ich mich schon seit Beginn der Tour ganz besonders gefreut. Beim Mittagessen überlege ich, ob ich genug Kraft habe, um das heute noch in Angriff zu nehmen, und ob das Wetter da mitspielt. Ich beschliesse, es zu wagen. Achillessehne hin oder her.

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Tag 13 b) Trollstigen​

Nach der Zugfahrt und dem halben Tag Pause fühle ich mich einigermassen erholt und neu motiviert. Den Trollstigen bin ich schon einmal bei meiner letzten Norwegen Tour vor vielen Jahren gefahren und weiss, worauf ich mich freuen darf. Das wird bestimmt ein absolutes Highlight dieser Tour. Inzwischen ist auch das Wetter wieder etwas freundlicher und die Strasse ist trocken, als ich mich gegen halb vier in Åndalsnes auf den Weg mache und Richtung Süden losfahre.

Nach ein paar Kilometern bin ich schon auf der Strasse, die zum Pass führt, was auch von einem Schild gross angekündigt wird. Mir kommen zwei vollbeladene Tourenradler entgegen und jubeln mich an „You can do it“.
Kurz darauf fängt der eigentliche Anstieg an. Die nächsten Kilometer wird es über viele Serpentinen mit etwa 10% Steigung den Berg heraufgehen, vom Meeresspiegel aus auf 850 Höhenmeter am Scheitelpunkt.

Die Passstrasse ist in einen Talkessel eingearbeitet und windet sich auf tollkühne Weise den Berg herauf. Es gibt zwei grosse Wasserfälle, welche den ganzen Kessel mit lautem Getöse erfüllen, was diesen Ort umso gewaltiger erscheinen lässt. Wie alle anderen Touris hier auch halte ich gefühlt alle paar Meter an um diesen überwältigen Ausblick zu bestaunen und um Fotos zu machen. Die meisten Leute hier sind mit Wohnmobilen und Autos unterwegs, aber ich sehe auch eine ganze Handvoll Radfahrer. Die meisten sind jedoch Rennradfahrer ohne Gepäck, die mich natürlich überholen.
Ich nähere mich der tiefhängenden Wolkendecke immer mehr, bis ich plötzlich kurz vom Gipfel in sie eintauche, und mich plötzlich in einer surrealen Nebellandschaft finde. Meine Sichtweite beträgt nur noch ca. 20m. Auf dem Gipfel gibt es ein Besucherzentrum, was ich aber gar nicht sehen kann. Bloss ein paar Autos auf dem Parkplatz davor kann ich schemenhaft erkennen. Dann sehe ich den Gipfel, und schon geht es wieder bergab. Vom Aufstieg durchgeschwitzt, und nun plötzlich im kalten Nebel, ziehe ich meine Regenjacke an. Auch die Finger werden plötzlich ganz schon kalt bei der Abfahrt. Aber bald bin ich wieder unterhalb der Wolken. Der Ausblick auf die Berglandschaft hier ist grandios.

Schliesslich komme ich auf der anderen Seite des Berges wieder am Meer an und nehme dort die Fähre nach Eidsdal. Die kleinen Fähren in Norwegen sind für Radfahrer alle kostenlos.
Auf der Fähre treffe ich zwei holländische Rennradfahrer, die mich vorher am Pass überholt hatten. Sie machen von einem Campingplatz aus Tagestouren. Ich überlege, mich ihnen anzuschliessen, aber der Campingplatz auf den sie wollen wäre nochmal ein Anstieg von mehreren hundert Höhenmetern. Ich bin total platt, und probiere stattdessen einen etwas nähergelegenen Platz, der nur 65 Höhenmeter Anstieg verlangt, die ich gerade noch mit letzter Kraft schaffe. Zum Glück gibt es einen Platz für mich auf der Zeltwiese, und die Dame an der Rezeption ist unglaublich freundlich und hilfsbereit.
Es ist schon gegen neun, als ich endlich mein Zelt aufgebaut habe, und mein Abendessen koche. Was für ein Tag.

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Hach jeh, das Fahrrad nochmal so zu sehen..! Da ist nicht mehr viel von dem dran, was man da sieht. :D (Hoffentlich ist es dann bald auch mal fertig und wieder fahrbereit. Muss mich mal endlich weiter drum kümmern…)
Und diesen Bericht nochmal zu lesen..! War ein netter Tag! Und die Bäckerei muss ich auch endlich mal wieder besuchen. Die Keller-Werkstatt von Tobias, die wir da aufgesucht haben, werde ich heute Abend wahrscheinlich auch nochmal anfahren.
 

Tag 14: Eidsdal​

Meine Achillessehne ist nun endgültig überreizt, und ich beschliesse, an diesem schönen Ort einen Tag Pause zu machen.
Mittags fahre ich zum Ort runter, nehme wieder die Fähre auf die andere Seite des Fjords, weil der Ort dort größer ist und mehr Geschäfte hat, und finde heraus, dass es im Supermarkt eine kleine Apotheke gibt, wo ich Voltaren bekomme. Mal schaun ob es was bringt.
Tatsächlich geht es mir damit besser, und am Nachmittag mache ich eine kleine Wanderung den Berg hinauf. Oben gibt es grandiose Aussichten auf den Fjord.
Abends gesellen sich ein paar Motorradfahrer aus Deutschland zur mir auf den Campingplatz. Sie wollen bis zum Nordkap. Vielleicht mach ich das auch mal irgendwann, aber dann mit dem Fahrrad.
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Tag 15​

Der Ruhetag hat mir gut getan. Meine Achillessehne ist jetzt nicht wirklich wieder fit, aber ich glaube ich kann weiterfahren und beschliesse, es zu probieren. Ich fahre wieder den Ort herunter und nehme zum letzten Mal die Fähre auf die andere Fjordseite.
Eigentlich war mein Plan, von Eidsdal aus weiter zum Geirangerfjord zu fahren, was einer der schönsten Orte Norwegens sein soll. Das kann ich auch bestätigen, denn da war ich schon bei meiner letzten Reise. Aber schön heisst auch viele Touris. Sehr sehr viele Touris. Die Motorradfahrer auf meinem Campingplatz kamen von dort, und meinten, es wär total überlaufen gewesen, und die Strasse war so voll mit Wohnmobilen und Bussen dass sie selbst mit dem Motorrad nicht mehr richtig durchgekommen sind, und die Campingplätze waren alle ausgebucht. Darauf hab ich irgendwie keine Lust. Ausserdem hat die Strasse nach Geiranger nochmal extrem viele Höhenmeter, und ich will mich eigentlich etwas schonen, damit ich es überhaupt irgendwie wieder nach Hause schaffe. Also hab ich gestern meine Routenplanung so angepasst, dass ich mit etwas weniger Höhenmetern nach Bergen komme.

Ich fahre also westlich am Geirangerfjord vorbei. Heute hab ich richtig viele Tunnel auf der Strecke, die auch immer länger werden. Lange Tunnel mit dem Fahrrad sind ganz schon gruselig. Es ist dunkel, kalt, laut, eng, und ich habe ganz schön Angst vor Begegnungen mit Autos im Tunnel, aber ich muss wohl oder übel da durch. Auf dem Weg zum Nordkap gibt es wohl einen sieben Kilometer langen Tunnel. Mir reichen die Tunnel mit rund 2km heute schon völlig. Zum Glück haben die größeren Tunnel oft eine Umgehungsmöglichkeit für Radfahrer, die dann auf der alten Strasse lang führt, und manchmal durch einen verlassenen alten Tunnel geht.

Ich folge meinem Navi und bin erfreut über die kleine, malerische Nebenstrasse frei von jeglichem Verkehr, auf der ich langsam bergauf fahre. Plötzlich endet die Strasse auf einem Wanderparkplatz. Ein älteres Ehepaar spricht mich erstaunt an, wie es möglich sein kann, dass ich hier mit so einem komischen Rad langfahren will. Ich schau mir die Karte nochmal genau an, und tatsächlich hab ich mich hier von Komoot und Brouter wieder reinlegen lassen. Vor hier aus führt ein kleiner Wanderweg über den Bergpass, den man allenfalls mit dem Mountainbike befahren könnte, was aber wohl zudem hier auch noch verboten ist. Aber es ist unglaublich schön hier.
Ich beschliesse, eine Wanderetappe einzulegen, und die 10 km zur anderen Seite des Berges zu schieben. Und tatsächlich werde ich mit einer der schönsten Stellen auf meiner ganzen Reise belohnt, bei herrlichem Sonnenschein.

Der Wanderweg, auf dem ich nun mein Rad schiebe, führt mich um einen Gebirgssee herum. Ich sehe viele Wasserfälle und geniesse die schönen Aussichten. Der Weg wird immer schmaler und ist irgendwann nur noch ein schmaler felsiger Trampelpfad entlang des Ufers. Nach anderthalb
Stunden erreiche ich den Gipfel. Oben sind viele kleine Gebirgsseen, an denen sich kleine norwegische Ferienhütten befinden. Hier würde ich auch gerne mal eine Zeit lang verbringen.
Der Weg den Berg herunter auf der anderen Seite ist unglaublich steil, und immer noch grob geschottert. Obwohl ich nur schiebe, muss ich permanent bremsen, und irgendwann riechen die Bremsen etwas angebrannt und sind tatsächlich siedend heiß. Nach etwa einer Stunde bergab komme ich wieder auf die Strasse und kann weiterfahren. Weiter geht es auf den Fahrradnebenstrassen durch alte kleine Tunnel ohne jeglichen Verkehr, während der Hauptverkehr die grossen schnellen Tunnel befährt.
Mein Campingplatz heute Abend hat eine richtige Zeltwiese direkt am Fluss, auf der sich auch viele Leute mit Zelt einfinden. Hier geht es mir gut.
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Tag 16​

Langsam bin ich aus der Haupt-Touri Zone rund um Geiranger wieder raus und fahre weiter südlich auf relativ einsamen Landstrassen, teilweise auf sehr guten Radwegen entlang der Strasse. Heute ist es im Vergleich zu den letzten Tagen auch regelrecht flach, und das ist auch gut, weil mein körperlicher Zustand und meine Achillessehne auch keine hohen Leistungen mehr zulassen würden.
Um meinem Körper etwas mehr dringend benötigte Erholung zukommen zu lassen beende ich die Tagesetappe am frühen Nachmittag nach 112 km und 998 Höhenmetern und mache es mir in der Lounge vom Campingplatz von Førde gemütlich.
Meine ursprünglichen Pläne, den norwegischen Küstenradweg von Bergen nach Kristiansand zu fahren, sind angesichts der entzündeten Achillessehne nicht mehr realistisch. Ich will nur noch irgendwie nach Hause kommen. Es gibt eine Fähre von Bergen nach Stavanger, und es gibt einen Zug von Stavanger nach Kristiansand. Vor dort gibt es dann eine Fähre nach Holland. Das ist doch ein guter neuer Plan.

Bis Bergen sind es noch ca. 200 km, mit knapp 3000 Höhenmetern. Ich bin mir unsicher, ob ich das in meinem aktuellen Zustand noch schaffe. Aber hierbleiben kann ich ja auch nicht auf Dauer. Es gibt einen Bus nach Bergen, aber die Webseiten des norwegischen Busunternehmens sind auf dem Handy für mich nicht so einfach durchschaubar. Offenbar kann diese Buslinie zwei Fahrräder pro Bus mitnehmen, aber es ist nicht klar, ob ich einen Fahrradplatz auch verbindlich reservieren kann. Das Risiko, meine Fähre zu verpassen, weil der Bus mein Liegerad dann doch nicht mitnimmt, ist mir zu gross. Wenn ich entspannt weiterfahre wird es schon irgendwie gehen. Ich geniesse den halben Tag Pause, gönne mir Abends ein grosszügiges Essen und zwei Bier und beschliesse, dass ich es schon noch bis Bergen schaffen werde.

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