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Prolog
Lasst mich Euch vortragen die Mär von denen, die sich aufmachten um die Berge zu erobern. Es gibt Sachen, die man - als Mountainbiker - einfach mal gemacht haben möchte. Es gehört fast schon zum guten Ton, mal an einer Alpenüberquerung - kurz Transalp - teilgenommen zu haben. Aber aus dem gleichen Grund, aus dem die meisten Porschefahrer schon im gesetzten Alter sind, sind auch bei einer Transalp viele Teilnehmer Herren mit Bauchansatz und dem Geld für ein gutes Rad. Dazu noch ein Zipperlein hier und dort, dazu eine beginnende Midlifecrisis und fertig ist der Drang, sich selbst noch einmal etwas beweisen zu müssen. Wobei: ich rede hier von mir.
Auf einer MTB-Messe im Sauerland kam ich an einem Stand vorbei, in dem ein etwas verschrammter älterer Herr - nennen wir ihn Lutz - inmitten von Plakaten, Sitzgelegenheiten, Prospekten und einem großen Kaffeevollautomaten stand. Ich blieb stehen und Lutz bot mir einen Espresso und etwas Nussgebäck an. Wir kamen ins Gespräch und ich erhielt einen Prospekt. Rundkurs im Erzgebirge. Naja. Nicht so weit entfernt wie eine Transalp. Aha. Vorherige Toureinteilung nach eigenem Ermessen. Soso. Stempelkarten. Mhm. 9 Gipfel zu erstrampeln, 162 Kilometer Strecke, 4400 Höhenmeter. Uff! Und dann sagte ich zu Lutz: "Könnte man mal machen." Die Kernaussage war aber die gleich wie nach einem Onenightstand: "Ich rufe dich mal an...". Also eher ein Lippenbekenntnis. Ohne Anspruch auf Erfüllung.
Doch das schlechte Gewissen über diese Aussage kam und ging nicht mehr weg. Nach einem After-Tour-Weizenbier mit einem ebenfalls radelnden Freund habe ich davon erzählt. Und er meint spontan: "Du, da komme ich mit!" Nun sind wir normale Feierabendradler mit ca. 1000-1500 km pro Jahr und keine trainierten Wochenend-sportler mit Wettkampferfahrung.
Da hatte ich mir was aufgehalst! OK, in Zeiten des WWW wurde die Suchmaschine gefüttert und das Angebot des Tourismusverbandes Erzgebirge gefunden. Interessant. 1-, 2- und 3-Tages-Touren, Open Class, E-Bike-Class. Voll- und Halbpension, Übernachtung mit Frühstück, ein zusätzlich buchbarer Gepäcktransport zwischen den Pensionen und Hotels. Auch Lunchpakete kann man bestellen. Alles sehr professionell präsentiert.In Zeiten der Berichterstattung über gleichgeschlecht-liche Paare wurde per E-Mail kurzfristig noch geklärt, dass zwar ein Doppelzimmer, aber getrennte Betten gewünscht wurden. Auch da kam vom TVE schnell ein "Kein Problem" zurück.
Wunschpaket zusammengestellt, gebucht, bezahlt. Die Unterlagen kamen per Post mit allen notwendigen Infos.
So kam es zum Miriquidi. Grund: Check!
Kapitel 1: Die Vorbereitungen
Regenklamotten, Pumpe, Ersatzschläuche, Flickzeug, Werkzeug, Ersatzschrauben, Trinkflaschen, Magnesiumpillen, Klopapier, Plastiktüten, Kabelbinder. Alles landet in den Gepäcktaschen. Handschuhe, Helm, Kettenglieder und Nieten. Noch mehr Werkzeug. Schon die Packtaschen wiegen ein paar Kilo. Und die Trikes erst.
Wir sind beide überzeugte, aber nicht gerade militante Trike-Fahrer. Klaus fährt ein heckgefedertes Tadpole, welches laut Vorbesitzer der Prototyp einer kleineren Manufaktur war. Optimiert hat man es nach dem Aufbau nicht. Dementsprechend wiegt das gute Stück auch rund 26 Kilo.
Mein Trike ist ein häufig umgebautes Trike eines lettischen Herstellers. Aus dieser Schmiede hatte ich eines der allerersten vollgefederten Trikes und gleichzeitig eines der Ersten in Deutschland. Gemeinsam haben Hersteller und ich via E-Mail-Kontakt das Trike optimiert und immer wieder angepasst, so dass es nun ein richtig guter Serienartikel geworden ist.
Gepäck für 2 Personen und 2 Trikes müssen ins Erzgebirge transportiert werden. Zum Glück hat mein Freund einen Kleintransporter und erklärte sich bereit, An- und Abreise damit zu übernehmen. Transport: Check!
Kapitel 2: Der Stoneman
Es gibt mehrere Stonemen. Den "Dolomiti" in Italien: 115 km, 4000 Höhenmeter. Marinkele, Leckfeldsattel, Passo Silvella, Padolà, Bergstation Rotwandbahn.
Den ganz neuen "Glaceria" in der Schweiz: 127 km, 4700 hm. Märjela, Moosfluh, Breithorn, Binn, Reckingen, Bellwald.
Und den "Miriquidi" grenzübergreifend in Deutschland und Tschechien mit den oben schon angesprochenen Daten. Hier sind Oberwiesenthal, der Bärenstein, Pöhlberg, Scheibenberg, Rabenberg, Auersberg, Blatenský vrch, Plesivec, Klinovec und Fichtelberg zu erstrampeln.
Ausgedacht hat sich das ein scheinbar sadistisch veranlagter Mountainbiker namens Roland Stauder als Event für den sportlich veranlagten MTB-Fahrer.
Das Konzept des Stoneman ist prima für Gegenden, in denen aufgrund der Klima-veränderung der Wintersport zurückgeht und die armen Gemeinden verstärkt auf den Radfahrer als touristischen Geldesel setzen. Eine Win-win-Situation. Warum nicht!
Kapitel 3: Anreise
Morgens halb Acht in Deutschland: Klingeling. Wecker. Wecker verprügelt. Rumgedreht. Nee, da war doch was. Komisch. Vor Aufregung ist man kaum eingeschlafen, da ruft der Starttermin. Frühstücken, Gepäck rausschaffen. Trike auf dem Auto verzurren. Ab auf die Autobahn: es warten rund 600 km Asphalt darauf, überfahren zu werden. Langsam geht einem der komplette Irrsinn des Unternehmens auf. Eine Mountainbiketour mit dem Trike. In Mountainbike-Geschwindigkeit. Mit dem Trike...
Und wenn das Wetter nicht mitspielt, hat man aufgrund der vorgebuchten Übernachtungen schon verloren. Und überhaupt. So ein Trike wiegt das Doppelte bis Dreifache eines MTB. Mal eben absteigen und das Radl schultern geht damit nicht. Innerlich habe ich mich verflucht. Aber dann hat sich der Ehrgeiz durchgesetzt und der innere Schweinehund zog sich mit blutiger Nase in seine Ecke zurück.
Der Pensionswirt - Rennradler, Mountain-biker und mehrfacher Miriquidi-Finisher - verwirrt uns ungefragt mit solchen Aussagen wie "Ja, man sollte schon so 5 Monate vorher trainiert haben um einen Miriquidi zu absolvieren." oder "Das hier ist schon härter als der Stoneman Dolomiti."
Und dann wird ihm klar, was da noch auf der Ladefläche des Transporters schlummert. Über die Trikes ist er höchst erstaunt und räumt uns da ganz offen keine großen Chancen auf ein erfolgreiches Finish ein. Tja, es ist bezahlt und wird nun auch durchgezogen. Anreise: Check!
Kapitel 4: Die Tourplanung
Bedingt durch das gewählte Tourenpaket besteht unsere Tour aus 3 Teilen bzw. 3 Tagen. Theoretisch kann man irgendwo auf der 162 km langen Strecke bei einem der Tourenpartner starten. Die Strecke auf der Landkarte ist gegen den Uhrzeigersinn ausgeschildert. Da sich manchmal Hin- und Rückweg überlagern, ist es sinnvoll, der Streckenrichtungsvorgabe in der Karte zu folgen.
Tag 1: Von Johanngeorgenstadt über die Grenze nach Tschechien auf den Blatenský vrch (1043 m), den Plesivec (1028 m) und den Klinovec (1244 m). Der Klinovec oder Keilberg ist der höchste Punkt der Tour. Nach einem Sprung über den Fichtelberg (1215 m, höchster Gipfel des deutschen Teils des Erzgebirges) zurück über die Grenze nach Deutschland und das Etappenziel mit Übernachtung in Oberwiesenthal (914 m) suchen. 49 km Stecke, 1650 Höhenmeter.
Tag 2: Auf Oberwiesenthal als Startpunkt folgt der Bärenstein mit 898 m und der Pöhlberg mit 832 m. Quartier wird auf dem Scheibenberg aufgeschlagen. Dort befindet man sich auf 807 m über Normal Null. 48 km Strecke, 1140 Höhenmeter.
Tag 3: Vom Scheibenberg runter über einen kleineren Gipfel und rauf auf den Rabenberg (913 m). Und von dort auf den Auersberg mit 1019 m. Danach ins Tal. 66 km Strecke, 1610 Höhenmeter.
Beim Tourenpartner vor Ort gibt es das Starterpaket bestehend aus einem Transportbeutel, einer Karte, einem Prospekt, Stempelkarte, einem Umhängeband für Stempelkarte und einer Packung Magnesiumtabletten (!). Dazu vernünftigerweise eine kleine Tüte für Müll oder sonstige Hinterlassenschaften.
Die Landkarte mit aufgedrucktem Stoneman-Weg ist etwas detailarm und verfügt leider (oder zum Glück?) nicht über Höhenlinien. Eine Wanderkarte der Region oder ein wirklich verlässliches Navi mit ausreichend Ersatzakkus sind wärmstens zu empfehlen!
Kapitel 5: Tag 1
Frühstück. Das Thermometer zeigt 3 Grad in der Morgensonne. Aufsitzen. Es geht los. Gesucht wird das erste wegweisende Schild: ein kleines fahrradfahrendes Flämmchen auf gelber quadratischer Fläche. Aber erst geht es wie angekündigt durch Chinatown. Direkt hinter der Grenze zu Tschechien wird uns die Bedeutung des Wortes klar. Es werben Dutzende Asiaten mit lustigen deutschsprachigen Schildchen unter Anderem für "Malrboro"-Zigaretten, Ganzkörpermassagen etc.. Kleine Pappschildchen mit aufgemalten Telefonnummern, Hanfblättern oder nackten Damen werden aus der hohlen Hand gezeigt. Infos wie "Wir waschen ihre Wäsche und mähen Rasen." sind an uns Radler verschwendet. Es stehen aber auch stiernackiege Leute dort herum, die eine fühlbare Aura von drohender Gewalt verströmen. Unangenehm. Schnell weg.
Ca. 5 km weiter, aber auch 150 Meter höher wartet der Blatenský vrch mit seinen 1043 m Gipfelhöhe. Auf Schotterstraßen und Feldwegen nehmen wir den Aufstieg quasi "mit links".
Stoneman-Infotafel suchen, Locher mit der Stempelkarte füttern. Zack. Erstes Loch von 9. Easy going! Auf der Abfahrt sind wir zu schnell und übersehen einen den Abzweig. So landen wir im tiefen tiefen Tal namens Potucky. Ein Dorf mit Leerständen, bewohnten Ruinen aber auch tadellosen frisch renovierten Gründerzeitvillen. Zurückgefahren wird nicht und so suchen wir einen alternativen Weg zum Ziel.
Ein paar relativ flache Kilometer weiter steht ein weiterer Gipfel an. Der Aufstieg führt an einer vergammelten Seil-bahnstation vorbei. Warten die auf die kommende Saison oder ist das Ding dem Verfall preisgegeben? Who cares. Weiter auf Schotterwegen mit losem, kantigen faustgroßem Schotter. Wenn man nicht gleichmäßig und rund tritt, kurbelt man dem Hintermann vom durchrutschenden Hinterrad Dreck ins Gesicht. Oder Schlimmeres. Praxisschilder von Augenärzten habe ich hier auf dem Trail nicht gesehen. Deshalb ist die Benutzung einer Radbrille für mich eine logische Konsequenz.
Der Plesivec. 1028 Meter hoch. Karte stempeln und erstmal Nahrung nachtanken. Und was trinken. Angeblich soll man je 1/2 Stunde Belastung ca. 1/4- 1/2 Liter Wasser trinken. Dazu muss man sich erstmal zwingen. Aber ja, es hilft, denn nach dem ersten Aufstieg hat uns der Zweite schon ein paar Körner gekostet!
Runter geht es über ein Ding, das den Namen Weg echt nicht verdient hat. Schuhkartongroße kantige lose Felsbrocken liegen auf einem Hang mit geschätzten 100% Gefälle. Also 1 Meter Strecke auf 1 Meter Gefälle: sausteil! Ist das die alte Rodelbahn, vor der wir gewarnt wurden? Die Aussage war klar: "Das Stück ist unfahrbar. Immer wieder gehen da Radler über den Lenker und werden mit Knochenbrücken abgeholt." Allerdings hat so ein Trike 3 Aufstandspunkte und einen niedrigen Schwerpunkt. Unausgesprochene Übereinkunft: wir werden es versuchen.
Fast komplett gezogene Bremsen, die Schuhe ausgeklickt. Zum ersten (und auch hoffentlich letzten Mal!) müssen wir in den Pedalen stehen und rumpeln über die Brocken Richtung Tal. Nochmal 20 Meter weiter, dann mitten im Gefälle nach links. Die Bodenbeschaffenheit normalisiert sich. Geschafft!
Nun nur noch auf den Klinovec rauf und der Drops ist gelutscht. Dachten wir. Der Klinovec mit seinem Trailpark verleitet dazu per Seilbahn den schweren Aufstieg abzukürzen. Aber nicht per Trike. Einklicken, treten. Die Bergstation ist wieder ausgesprochen gammelig, dafür entschädigt der tolle Fernblick. Stechkarte zücken, Hebel ziehen. Klick, Loch 3 von 9.
Der Aufstieg zum Fichtelberg passiert wie im Wachkoma. Ja, wir waren da. Wie? Keine Ahnung. Ich glaube, ich habe da was fotografiert. Klick, Loch 4 von 9.
Jetzt nur noch ein bisschen rollen lassen und in Oberwiesenthal das Hotel finden. Nach dem Einchecken und Duschen vernichten wir nennenswerte Anteile des ansprechenden Abendbuffets und fallen dann komatös in die Betten.
Lasst mich Euch vortragen die Mär von denen, die sich aufmachten um die Berge zu erobern. Es gibt Sachen, die man - als Mountainbiker - einfach mal gemacht haben möchte. Es gehört fast schon zum guten Ton, mal an einer Alpenüberquerung - kurz Transalp - teilgenommen zu haben. Aber aus dem gleichen Grund, aus dem die meisten Porschefahrer schon im gesetzten Alter sind, sind auch bei einer Transalp viele Teilnehmer Herren mit Bauchansatz und dem Geld für ein gutes Rad. Dazu noch ein Zipperlein hier und dort, dazu eine beginnende Midlifecrisis und fertig ist der Drang, sich selbst noch einmal etwas beweisen zu müssen. Wobei: ich rede hier von mir.
Auf einer MTB-Messe im Sauerland kam ich an einem Stand vorbei, in dem ein etwas verschrammter älterer Herr - nennen wir ihn Lutz - inmitten von Plakaten, Sitzgelegenheiten, Prospekten und einem großen Kaffeevollautomaten stand. Ich blieb stehen und Lutz bot mir einen Espresso und etwas Nussgebäck an. Wir kamen ins Gespräch und ich erhielt einen Prospekt. Rundkurs im Erzgebirge. Naja. Nicht so weit entfernt wie eine Transalp. Aha. Vorherige Toureinteilung nach eigenem Ermessen. Soso. Stempelkarten. Mhm. 9 Gipfel zu erstrampeln, 162 Kilometer Strecke, 4400 Höhenmeter. Uff! Und dann sagte ich zu Lutz: "Könnte man mal machen." Die Kernaussage war aber die gleich wie nach einem Onenightstand: "Ich rufe dich mal an...". Also eher ein Lippenbekenntnis. Ohne Anspruch auf Erfüllung.
Doch das schlechte Gewissen über diese Aussage kam und ging nicht mehr weg. Nach einem After-Tour-Weizenbier mit einem ebenfalls radelnden Freund habe ich davon erzählt. Und er meint spontan: "Du, da komme ich mit!" Nun sind wir normale Feierabendradler mit ca. 1000-1500 km pro Jahr und keine trainierten Wochenend-sportler mit Wettkampferfahrung.
Da hatte ich mir was aufgehalst! OK, in Zeiten des WWW wurde die Suchmaschine gefüttert und das Angebot des Tourismusverbandes Erzgebirge gefunden. Interessant. 1-, 2- und 3-Tages-Touren, Open Class, E-Bike-Class. Voll- und Halbpension, Übernachtung mit Frühstück, ein zusätzlich buchbarer Gepäcktransport zwischen den Pensionen und Hotels. Auch Lunchpakete kann man bestellen. Alles sehr professionell präsentiert.In Zeiten der Berichterstattung über gleichgeschlecht-liche Paare wurde per E-Mail kurzfristig noch geklärt, dass zwar ein Doppelzimmer, aber getrennte Betten gewünscht wurden. Auch da kam vom TVE schnell ein "Kein Problem" zurück.
Wunschpaket zusammengestellt, gebucht, bezahlt. Die Unterlagen kamen per Post mit allen notwendigen Infos.
So kam es zum Miriquidi. Grund: Check!
Kapitel 1: Die Vorbereitungen
Regenklamotten, Pumpe, Ersatzschläuche, Flickzeug, Werkzeug, Ersatzschrauben, Trinkflaschen, Magnesiumpillen, Klopapier, Plastiktüten, Kabelbinder. Alles landet in den Gepäcktaschen. Handschuhe, Helm, Kettenglieder und Nieten. Noch mehr Werkzeug. Schon die Packtaschen wiegen ein paar Kilo. Und die Trikes erst.
Wir sind beide überzeugte, aber nicht gerade militante Trike-Fahrer. Klaus fährt ein heckgefedertes Tadpole, welches laut Vorbesitzer der Prototyp einer kleineren Manufaktur war. Optimiert hat man es nach dem Aufbau nicht. Dementsprechend wiegt das gute Stück auch rund 26 Kilo.
Mein Trike ist ein häufig umgebautes Trike eines lettischen Herstellers. Aus dieser Schmiede hatte ich eines der allerersten vollgefederten Trikes und gleichzeitig eines der Ersten in Deutschland. Gemeinsam haben Hersteller und ich via E-Mail-Kontakt das Trike optimiert und immer wieder angepasst, so dass es nun ein richtig guter Serienartikel geworden ist.
Gepäck für 2 Personen und 2 Trikes müssen ins Erzgebirge transportiert werden. Zum Glück hat mein Freund einen Kleintransporter und erklärte sich bereit, An- und Abreise damit zu übernehmen. Transport: Check!
Kapitel 2: Der Stoneman
Es gibt mehrere Stonemen. Den "Dolomiti" in Italien: 115 km, 4000 Höhenmeter. Marinkele, Leckfeldsattel, Passo Silvella, Padolà, Bergstation Rotwandbahn.
Den ganz neuen "Glaceria" in der Schweiz: 127 km, 4700 hm. Märjela, Moosfluh, Breithorn, Binn, Reckingen, Bellwald.
Und den "Miriquidi" grenzübergreifend in Deutschland und Tschechien mit den oben schon angesprochenen Daten. Hier sind Oberwiesenthal, der Bärenstein, Pöhlberg, Scheibenberg, Rabenberg, Auersberg, Blatenský vrch, Plesivec, Klinovec und Fichtelberg zu erstrampeln.
Ausgedacht hat sich das ein scheinbar sadistisch veranlagter Mountainbiker namens Roland Stauder als Event für den sportlich veranlagten MTB-Fahrer.
Das Konzept des Stoneman ist prima für Gegenden, in denen aufgrund der Klima-veränderung der Wintersport zurückgeht und die armen Gemeinden verstärkt auf den Radfahrer als touristischen Geldesel setzen. Eine Win-win-Situation. Warum nicht!
Kapitel 3: Anreise
Morgens halb Acht in Deutschland: Klingeling. Wecker. Wecker verprügelt. Rumgedreht. Nee, da war doch was. Komisch. Vor Aufregung ist man kaum eingeschlafen, da ruft der Starttermin. Frühstücken, Gepäck rausschaffen. Trike auf dem Auto verzurren. Ab auf die Autobahn: es warten rund 600 km Asphalt darauf, überfahren zu werden. Langsam geht einem der komplette Irrsinn des Unternehmens auf. Eine Mountainbiketour mit dem Trike. In Mountainbike-Geschwindigkeit. Mit dem Trike...
Und wenn das Wetter nicht mitspielt, hat man aufgrund der vorgebuchten Übernachtungen schon verloren. Und überhaupt. So ein Trike wiegt das Doppelte bis Dreifache eines MTB. Mal eben absteigen und das Radl schultern geht damit nicht. Innerlich habe ich mich verflucht. Aber dann hat sich der Ehrgeiz durchgesetzt und der innere Schweinehund zog sich mit blutiger Nase in seine Ecke zurück.
Der Pensionswirt - Rennradler, Mountain-biker und mehrfacher Miriquidi-Finisher - verwirrt uns ungefragt mit solchen Aussagen wie "Ja, man sollte schon so 5 Monate vorher trainiert haben um einen Miriquidi zu absolvieren." oder "Das hier ist schon härter als der Stoneman Dolomiti."
Und dann wird ihm klar, was da noch auf der Ladefläche des Transporters schlummert. Über die Trikes ist er höchst erstaunt und räumt uns da ganz offen keine großen Chancen auf ein erfolgreiches Finish ein. Tja, es ist bezahlt und wird nun auch durchgezogen. Anreise: Check!
Kapitel 4: Die Tourplanung
Bedingt durch das gewählte Tourenpaket besteht unsere Tour aus 3 Teilen bzw. 3 Tagen. Theoretisch kann man irgendwo auf der 162 km langen Strecke bei einem der Tourenpartner starten. Die Strecke auf der Landkarte ist gegen den Uhrzeigersinn ausgeschildert. Da sich manchmal Hin- und Rückweg überlagern, ist es sinnvoll, der Streckenrichtungsvorgabe in der Karte zu folgen.
Tag 1: Von Johanngeorgenstadt über die Grenze nach Tschechien auf den Blatenský vrch (1043 m), den Plesivec (1028 m) und den Klinovec (1244 m). Der Klinovec oder Keilberg ist der höchste Punkt der Tour. Nach einem Sprung über den Fichtelberg (1215 m, höchster Gipfel des deutschen Teils des Erzgebirges) zurück über die Grenze nach Deutschland und das Etappenziel mit Übernachtung in Oberwiesenthal (914 m) suchen. 49 km Stecke, 1650 Höhenmeter.
Tag 2: Auf Oberwiesenthal als Startpunkt folgt der Bärenstein mit 898 m und der Pöhlberg mit 832 m. Quartier wird auf dem Scheibenberg aufgeschlagen. Dort befindet man sich auf 807 m über Normal Null. 48 km Strecke, 1140 Höhenmeter.
Tag 3: Vom Scheibenberg runter über einen kleineren Gipfel und rauf auf den Rabenberg (913 m). Und von dort auf den Auersberg mit 1019 m. Danach ins Tal. 66 km Strecke, 1610 Höhenmeter.
Beim Tourenpartner vor Ort gibt es das Starterpaket bestehend aus einem Transportbeutel, einer Karte, einem Prospekt, Stempelkarte, einem Umhängeband für Stempelkarte und einer Packung Magnesiumtabletten (!). Dazu vernünftigerweise eine kleine Tüte für Müll oder sonstige Hinterlassenschaften.
Die Landkarte mit aufgedrucktem Stoneman-Weg ist etwas detailarm und verfügt leider (oder zum Glück?) nicht über Höhenlinien. Eine Wanderkarte der Region oder ein wirklich verlässliches Navi mit ausreichend Ersatzakkus sind wärmstens zu empfehlen!
Kapitel 5: Tag 1
Frühstück. Das Thermometer zeigt 3 Grad in der Morgensonne. Aufsitzen. Es geht los. Gesucht wird das erste wegweisende Schild: ein kleines fahrradfahrendes Flämmchen auf gelber quadratischer Fläche. Aber erst geht es wie angekündigt durch Chinatown. Direkt hinter der Grenze zu Tschechien wird uns die Bedeutung des Wortes klar. Es werben Dutzende Asiaten mit lustigen deutschsprachigen Schildchen unter Anderem für "Malrboro"-Zigaretten, Ganzkörpermassagen etc.. Kleine Pappschildchen mit aufgemalten Telefonnummern, Hanfblättern oder nackten Damen werden aus der hohlen Hand gezeigt. Infos wie "Wir waschen ihre Wäsche und mähen Rasen." sind an uns Radler verschwendet. Es stehen aber auch stiernackiege Leute dort herum, die eine fühlbare Aura von drohender Gewalt verströmen. Unangenehm. Schnell weg.
Ca. 5 km weiter, aber auch 150 Meter höher wartet der Blatenský vrch mit seinen 1043 m Gipfelhöhe. Auf Schotterstraßen und Feldwegen nehmen wir den Aufstieg quasi "mit links".
Stoneman-Infotafel suchen, Locher mit der Stempelkarte füttern. Zack. Erstes Loch von 9. Easy going! Auf der Abfahrt sind wir zu schnell und übersehen einen den Abzweig. So landen wir im tiefen tiefen Tal namens Potucky. Ein Dorf mit Leerständen, bewohnten Ruinen aber auch tadellosen frisch renovierten Gründerzeitvillen. Zurückgefahren wird nicht und so suchen wir einen alternativen Weg zum Ziel.
Ein paar relativ flache Kilometer weiter steht ein weiterer Gipfel an. Der Aufstieg führt an einer vergammelten Seil-bahnstation vorbei. Warten die auf die kommende Saison oder ist das Ding dem Verfall preisgegeben? Who cares. Weiter auf Schotterwegen mit losem, kantigen faustgroßem Schotter. Wenn man nicht gleichmäßig und rund tritt, kurbelt man dem Hintermann vom durchrutschenden Hinterrad Dreck ins Gesicht. Oder Schlimmeres. Praxisschilder von Augenärzten habe ich hier auf dem Trail nicht gesehen. Deshalb ist die Benutzung einer Radbrille für mich eine logische Konsequenz.
Der Plesivec. 1028 Meter hoch. Karte stempeln und erstmal Nahrung nachtanken. Und was trinken. Angeblich soll man je 1/2 Stunde Belastung ca. 1/4- 1/2 Liter Wasser trinken. Dazu muss man sich erstmal zwingen. Aber ja, es hilft, denn nach dem ersten Aufstieg hat uns der Zweite schon ein paar Körner gekostet!
Runter geht es über ein Ding, das den Namen Weg echt nicht verdient hat. Schuhkartongroße kantige lose Felsbrocken liegen auf einem Hang mit geschätzten 100% Gefälle. Also 1 Meter Strecke auf 1 Meter Gefälle: sausteil! Ist das die alte Rodelbahn, vor der wir gewarnt wurden? Die Aussage war klar: "Das Stück ist unfahrbar. Immer wieder gehen da Radler über den Lenker und werden mit Knochenbrücken abgeholt." Allerdings hat so ein Trike 3 Aufstandspunkte und einen niedrigen Schwerpunkt. Unausgesprochene Übereinkunft: wir werden es versuchen.
Fast komplett gezogene Bremsen, die Schuhe ausgeklickt. Zum ersten (und auch hoffentlich letzten Mal!) müssen wir in den Pedalen stehen und rumpeln über die Brocken Richtung Tal. Nochmal 20 Meter weiter, dann mitten im Gefälle nach links. Die Bodenbeschaffenheit normalisiert sich. Geschafft!
Nun nur noch auf den Klinovec rauf und der Drops ist gelutscht. Dachten wir. Der Klinovec mit seinem Trailpark verleitet dazu per Seilbahn den schweren Aufstieg abzukürzen. Aber nicht per Trike. Einklicken, treten. Die Bergstation ist wieder ausgesprochen gammelig, dafür entschädigt der tolle Fernblick. Stechkarte zücken, Hebel ziehen. Klick, Loch 3 von 9.
Der Aufstieg zum Fichtelberg passiert wie im Wachkoma. Ja, wir waren da. Wie? Keine Ahnung. Ich glaube, ich habe da was fotografiert. Klick, Loch 4 von 9.
Jetzt nur noch ein bisschen rollen lassen und in Oberwiesenthal das Hotel finden. Nach dem Einchecken und Duschen vernichten wir nennenswerte Anteile des ansprechenden Abendbuffets und fallen dann komatös in die Betten.
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