Aus dem Leben eines EVO-R

Heute, am letzten Tag unserer Langfahrt, hat Dynamik einen neuen Rekord aufgestellt: Ganze 275 km haben wir geschafft. Tja, wenn man kein Hotel suchen muss und deshalb Zeit hat bis Mitternacht, geht das schon.

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Les Prises, 5.6.23

Heute musste ich eine Lösung für die verschüttete Strasse nach Iselle finden. Denn dies ist mein einziger Weg zum Simplonverlad. Den zwei Kilometer langen Tunnel der Schnellstrasse darf ich ja nicht nehmen. Kurz vor Domodossola kommt mir die blendende Idee: Vielleicht kann man EVA auf den Personenzug verladen. Und tatsächlich, die BLS führt zwischen Brig und Domodossola Platform-Wagen. Da kann man mit EVA problemlos reinfahren. Und damit spare ich mir sogar den mühsamen Anstieg nach Iselle.

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Mit der BLS von Domodossola nach Brig

Schneller und bequemer als erwartet erreiche ich Brig. Und nun gehts der Rhone entlang immer leicht abwärts bis zum Genfersee. Die hundert Kilometer von Brig bis zur Rhonemündung sind etwas vom schönsten für Velomobilreisende. Das gleichmässig schwache Gefälle ermöglicht hohe Geschwindigkeiten und links und rechts zieht die imposanteste Bergkulisse vorbei.

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Mittagsrast hoch über der Rhone (kurz nach Susten)

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Kurze Pause am Genfersee (kurz nach Vevey)

In Lausanne muss ich nochmals hart in die Pedalen treten, um zum Neuenburgersee hinüber zu kommen. Kurz vor 22 Uhr erreiche ich Yverdon. Ich mache mir Sorgen um die Batterie für die Beleuchtung. Ob sie wohl bis nach Hause reicht? Ich beschliesse bei einer Tankstelle die Batterie nachzuladen und in dieser Zeit etwas zu Essen. Leider wird die Kasse gerade geschlossen. Kaufen könne ich nichts mehr aber laden dürfe ich an der Steckdose drausen. Als die Verkäuferin sieht, dass ich den letzten Schluck aus meiner Wasserflasche trinke, gibt sie mir das Sandwich und den Kuchen, den sie für sich mitnehmen wollte. Sie hätte noch andere Sachen zum Essen zu Hause. So liebenswürdig.

Mit dieser Stärkung und der geladenen Batterie kann ich nun getrost den letzten Anstieg von 400 hm in Angriff nehmen. Während ein roter Vollmond langsam am Horizont aufsteigt und sich im See spiegelt, kurble ich schön regelmässig Kehre um Kehre den Berg hoch bis zu unserem Häuschen hoch über dem Neuenburgersee.
 
Eine wunderbare Reise! Danke für diesen Bericht, die Lektüre gehört zu dem Besten was dieses Forum zu bieten hat.
 
gehört zu dem Besten was dieses Forum zu bieten hat.
und die sportliche Leistung ist unglaublich. Damit so etwas funktionieren kann braucht es zudem auch eine grosse Portion Erfahrung, damit man für die lange Reise nur das Wichtigste dabei hat und den richtigen Weg einschlägt.
Glaube diese Reisen von @Dynamik kann man zurecht als phänomenal und einzigartig bezeichnen. (y) :love: (y)
und Eva natürlich ebenso...
 
nicht einzigartig.
hm, die vielen schönen Städtchen und Landschaften, aber nicht nur aus der "normalen" Touri-Perspektive, die vielen Begegnungen mit äusserst liebenswerten Menschen (dazu braucht's natürlich auch gute Sprachkenntnisse, aber auch die positive Neugier und Menschensicht seitens Dynamik und dann natürlich so ein mega-attraktives und anscheinend schnelles Velomobil, all das zusammen ist sicher nicht Velomobil Standard. Incl. der sportliche Leistung (z.B. noch 'mal 400hm nach mehr als 200km "auf dem Buckel" am letzten Tag und das als nicht mehr ganz junger Hüpfer), ist der Bericht für mich schon beeindruckend. Zählt für mich mit zu den spannendsten Reiseberichten hier im Forum. Die Schreibe (immer eine Portion Selbstironie mit dabei) kann allerdings nicht jeder. Da gehört schon eine gewisse Begabung dazu. Nicht jeder hat zudem die Möglichkeit, relativ schnell höchst interessante Städte und Gegenden zu erreichen.
 
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"La lunga strada di sabbia", das war das Motto dieser Langfahrt. Eher zufällig bin ich auf das Buch mit diesem Titel von Pier Paolo Pasolini gestossen. Beim Lesen habe ich mich immer wieder gefragt, wie würde man heute, also 60 Jahre später, diese Reise erleben. Und damit war die Idee geboren, die gleiche Reise, die Pasolini mit seinem Fiat Millecento im Jahre 1959 gemacht hat, im Jahr 2023 mit dem Velomobil zu unternehmen.

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Ich bin mit dem Velomobil wahrscheinlich die gleichen Strassen gefahren wie Pasolini vor 60 Jahren. Vieles ist gleich geblieben, wie der schmale steinige Strand von Lerici oder die traumhaft schöne Küste von Amalfi. Aber ein Aspekt hat sich entschieden verändert: Italien ist in diesen 60 Jahren ein wohlhabendes Land geworden. Es sind nicht mehr die billigen Fiat 500, die das Strassenbild beherschen. Heute fährt die Jugend die neue (nicht gerade günstige) Version des Cinquecento oder den Mini (von BMW). Man geht aus und speist in teuren Lokalen. Von der Armut, die bei Pasolini immer wieder thematisiert wird, sieht man nichts mehr.

Das Velomobil ist das ideale Fahrzeug, um eine solche Reise nachzufahren. Es ist schnell genug, um in vernünftiger Zeit die Strecke zu bewältigen und langsam genug, um alles genau zu sehen und zu erleben. Ueberdies kommt man mit einem Velomobil mit den Leuten immer ins Gespräch. Wenn man dann noch das Buch von Pasolini hervorkramt und erklärt, warum man diese Reise unternimmt, ist die Begeisterung grenzenlos.

Italien ist das beste Land für Velomobilreisen. Hier hat man den Sinn für das Schöne. Es muss nicht alles praktisch sein, es genügt wenn es schön ist. Ich werde die vielen entzückten Zurufe wegen der Schönheit von EVA nie vergessen.
Dazu kommt die Offenheit und die Herzlichkeit der Italiener. Diese Reise ist meine zehnte Langfahrt mit dem Velomobil. Jede Reise war wunderschön aber diese war zweifellos die Schönste.

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(Die Berichte über die früheren Reisen finden sich auf:"https://armin.zcag.ch"
 
@Dynamik Habe deinen Spruch etwas umformuliert:

You can‘t buy happiness but you can buy a bike EVO-R (Eva) and that‘s pretty close
 
sind schon toll, diese Reisen, aber nicht einzigartig.
Sicher nicht einzigartig, denn EVA verrät die Kilometertagesleistung nur wenn sie besonders hoch ist. Meine Reisen mit EVA sind eigentlich eher Sonntagsausflüge. Und da bei mir seit der Pensionierung immer Sonntag ist, können solche Reisen recht lang werden.
 
Diese Touren beweisen eindrucksvoll, dass es auch für Menschen für die jeder Tag Sonntag ist, durchaus möglich sein kann fit und gesund zu bleiben und das ohne Akku. Dass so etwas nicht geschenkt wird, versteht sich von selbst.
Neben der körperlichen Verfassung muss auch der richtige Umgang mit der kleinen inneren Stimme klappen, die einem gern mal zuredet:
"tue ich mir das wirklich an, ist sicher sehr anstrengend, ist doch viel zu heiss, usw. ".

Hinter all den wundervollen Beschreibungen und Bildern schwingt leise eine zauberhafte Botschaft:
"auch Du kannst, dranbleiben lohnt..."

Eva ist natürlich eine treibende Kraft, deren Schönheit der "first gen. Evo-R" nur noch wenigen Besitzern vorenthalten ist.
Zu all dem @Dynamik meine Gratulation(y)(y)(y)
 
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You have been an inspiration for me. In 2024 my project is to go further than the Spezi.

My pension does not allow hotels or restaurants so I have to carry my accommodation and food preparation with me so I am just a little bit jealous of your weight savings :sneaky:
 
Italien ist das beste Land für Velomobilreisen. Hier hat man den Sinn für das Schöne. Es muss nicht alles praktisch sein, es genügt wenn es schön ist.
Italien war sehr schön, keine Frage, aber nicht immer und überall. Der Sinn fürs Schöne und Praktische schien leider schon erschöpft als es an den Straßenbau ging. Die schlechtesten Abschnitte auf all meinen Langfahrten fanden sich in Italien.

Ein Beispiel, das für @24kmh_sammler ganz übel hätte ausgehen können:

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aber was war nachher nicht mehr ganz?
Glücklicherweise war ich selbst noch völlig ganz - bis auf meine Laune!
 
Die sind einmalig. Gebaut mit Steinplatten vom Vesuv.
Was ich etwas störend empfand war, dass einige dieser Platten derart schräg im Boden lagen, dass Unebenheiten von mehr als 10cm keine Seltenheit waren. Mit einem VM-Reifen über derartige Beläge zu fahren ist fast unmöglich.
 
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