Artikel: "Verkehr in München - Radwege gefährlicher als Straßen"

Mit separaten Spuren wird eine Kreuzung verkompliziert, dadurch (so meine Vermutung) wird das Verkehrsgeschehen unsicherer. M.E. liegt es nicht alleine an der "Sichtbarkeit".
Ja, das klingt für mich logisch. Entsprechend ist auch eine simple zweispurige Straße zu kompliziert, wenn eine Seite zugeparkt ist und deshalb immer wieder Ausweichmanöver nötig sind, und zwar für Radfahrer wie für Autofahrer, und deshalb in (grob gesagt) zwei Geschwindigkeiten.
Rückspiegel statt Helm müßte in die Medien. Für mich ist der Rückspiegel das wichtigste, mich überholt keiner wenn ich aufpasse und nicht überholt werden will wo es zu eng ist.
Nein, sehe ich anders. Das funktioniert, wenn man mit einem schnellen Fahrrad ähnlich schnell wie der Autoverkehr ist; da kann man die Fahrspur problemlos dauerhaft dicht machen, weil ein Überholvorgang sowieso viel zu lange dauern würde. Aber als langsamer Radfahrer will man einerseits zügig überholt werden (statt vom dicht auffahrenden Auto gescheucht zu werden), andererseits müsste man bei jedem entgegen kommenden Auto die Fahrbahn dicht machen, damit man nicht genau dort überholt wird, wo kein Platz ist. Das ist doch unrealistisch. Es ist doch verdammt noch mal Pflicht des Überholenden, für ausreichend Abstand zu sorgen – nicht des Überholten.

Natürlich wird auch in der Verkehrserziehung viel zu wenig betont, wie wichtig eine selbstbewusste, vorhersehbare und vorausschauende Fahrweise ist. Statt dessen: Helm auf und gut.
Selbst wenn der Blick dorthin nicht versperrt ist, bleibt dann das Problem, dass alles dort an der Seite wahrscheinlich als „nicht relevant fürs Fahren auf der Fahrbahn“ in der Wahrnehmung des Autofahrers weggeschnitten wird.
Das ist der große Nachteil der Aufmerksamkeitsökonomie, die ja erforderlich ist, um mit 55 km/h und mehr (oder wer fährt dort wirklich 50?) innerhab von Ortschaften herumzurasen.
Nein, auch das sehe ich anders. Solange die Straße ausreichend übersichtlich ist (Extrembeispiel: Autobahn) und die Verkehrssituation nicht komplex (wie oben beim Zitat von @bergauf beschrieben), ist 55 oder auch 100 km/h von der Aufmerksamkeit her überhaupt kein Problem. Aber für unsere zugestauten und zugeparkten Städte ist es zu viel. Daher glaube ich auch nicht, dass flächendeckend Tempo 30 was bringt – mit am gefährlichsten finde ich zugeparkte Wohngegenden, wo zwar Tempo 30 herrscht, aber Autofahrer extrem unkonzentriert sind und nicht einmal blinken, weil sie ja gefühlt im Schneckentempo unterwegs sind (welches für viele Radfahrer aber Spitzengeschwindigkeit ist).

Als ich in Norwegen war, war ich zuerst begeistert, dass der Autoverkehr nicht so aggressiv wie in Deutschland war. Später habe ich dann aber gemerkt, dass dafür die Leute viel weniger aufmerksam sind. Das ist auch irgendwie verständlich, weil man kaum rasen kann (es gibt kaum Autobahnen, Landstraßen sind sehr kurvig, Wohnstraßen haben meist Verkehrsberuhigungen), aber über Land die Entfernungen groß sind. Mit der deutschen Verbissenheit würde man es gar nicht schaffen, viele Stunden lang über die kurvigen Landstraßen zu fahren; das geht nur mit einer gelassenen und entspannten Fahrweise. Umgekehrt klappt der Stadtverkehr nicht so toll, wenn man nicht voll konzentriert ist.
Nicht nur sind die typischen Unfallfolgen bei (50+x) km/h sehr viel verheerender, als bei, sagen wir mal 30 km/h, sondern erst bei so geringen Geschwindigkeiten reicht wahrscheinlich die Aufmerksamkeit, um alle relevanten Informationen wahrzunehmen und zu verarbeiten, in einer so engen und wuseligen Umgebung, wie man sie innerorts typischerweise hat.
Aber Radfahr-Infrastruktur muss so ausgelegt sein, dass Unfälle möglichst gar nicht erst passieren. Ob der Crash bei 30 oder 50 km/h erfolgt, macht nicht mehr so viel Unterschied, wenn man überhaupt keine Knautschzone hat.
 
Ob der Crash bei 30 oder 50 km/h erfolgt, macht nicht mehr so viel Unterschied, wenn man überhaupt keine Knautschzone hat.
Bei Fußlingen macht es den Unterschied zwischen 70% und 20% Überlebenschance: (Link -> PDF):
Während bei einer Aufprallgeschwindigkeit von 30 km/h „nur” 30% aller verunglückten Fußgänger getötet werden, sind es bei Tempo 40 schon 50% und bei Tempo 50 bereits 80%. [...]Ab einer Geschwindigkeit von 60 km/h gibt es für sie keine Überlebenschance mehr.
Ich vermute, dass es sich bei Radlingen ähnlich verhält. Ansonsten volle Zustimmung
 
Daher glaube ich auch nicht, dass flächendeckend Tempo 30 was bringt
Wenn wirklich MAXIMAL Tempo 30km/h durchgesetzt würde, fände ich das schon hilfreich.
Momentan wird "Tempo 30" nach meiner Erfahrung doch als "mindestens 30 km/h" gelebt. Ist zwar nicht in München, sondern in Bonn gewesen, aber mich hat sogar schon eine Polizeistreife in einer Tempo 30 - Zone überholt, in der ich mit dem VM schon Tacho 35 km/h fuhr :rolleyes:.
(Und nein, die hatten weder Blaulicht, noch Signalhorn an. Die fuhren halt einfach mit ca. Tempo 50 die Strasse entlang).
 
Und mich hat die Polizei mal auf der Hanauer Landstraße rausgewunken, weil ich ihnen als „zu langsam“ aufgefallen sei. Ich war mit einem Transporter mit 50Km/h unterwegs. Ist ja auch die offizielle Höchstgeschwindigkeit da. Interessiert halt nur niemanden anscheinend.
LG Oliver
 
Mein Englisch ist nicht gut genug um gesprochenen Text zu verstehen. Ich hab den Eindruck, dass es gegen die Autolobby keine Gegenwehr gab. Da interessieren mich die Gründe. Oder gab es die Gegenwehr, es wird nur nie darüber berichtet. Mit Ausnahme der "Stop Kindermord" Kampagne in den Niederlanden. Da könnte man noch fragen, ob die mehr forderten als Radwege.
 
... Aber als langsamer Radfahrer will man einerseits zügig überholt werden (statt vom dicht auffahrenden Auto gescheucht zu werden), andererseits müsste man bei jedem entgegen kommenden Auto die Fahrbahn dicht machen, damit man nicht genau dort überholt wird, wo kein Platz ist. Das ist doch unrealistisch. Es ist doch verdammt noch mal Pflicht des Überholenden, für ausreichend Abstand zu sorgen – nicht des Überholten. ...
Hallo Christoph,
ich gebe dir insoweit recht, als das "gescheucht werden" unangenehm ist und es tatsächlich die "Pflicht des Überholenden [ist], für ausreichend Abstand zu sorgen" - da für mich als Fahrrad-Berufspendler jeden Morgen ein Teil meines Arbeitswegs über eine innerörtliche Straße führt, die vor Jahrzehnten mal Bundesstraße war, und das im Kopf der Einheimischen bis heute ist, ist meine Reaktion jedoch eine andere.

Ich habe es gelernt, das Drängeln einfach auszuhalten, es nervt zwar, aber gefährdet mich nicht. Außerdem mache ich ganz konsequent immer bei Gegenverkehr "dicht".

Etwa einmal pro Jahr werde trotzdem derart gefährdet, dass ich eine Anzeige schreibe, die örtliche Polizeiwache kennt mich daher leider schon. Bisher wurde jede der Anzeigen von der Staatsanwaltschaft fallen gelassen, weil Aussage-gegen Aussage steht, aber ich denke schon, dass die entsprechenden Autofahrer dann etwas zum Nachdenken behalten. Viel häufiger gehen bei der Polizei jedoch Beschwerden über mich ein, die dann mit einer kurzen Erklärung der Verkehrsregeln erledigt werden - ich weiß nur davon, weil sie mir das mal beiläufig erzählt haben.

Aus meiner tägliche Erfahrung im Berufsverkehr kann ich nur sagen:
Behalte den Rückspiegel im Blick und mache nur dann Platz, wenn er auch vorhanden ist. Wo der Platz nicht zum sicheren Überholen reicht, fahre ich knapp rechts neben der Mitte des rechten Fahrstreifens - dann komme der Fahrer hinter mir erst gar nicht auf dumme Gedanken.
 
Gerade gestern gesehen, SO kann getrennter Verkehr für motorisierte Verkehrsteilnehmer und Radfahrer tatsächlich funktionieren. Das wird allerdings in Deutschland wohl immer Wunschtraum bleiben.

Radverkehr in Houten (Niederlande):

 
SO kann getrennter Verkehr für motorisierte Verkehrsteilnehmer und Radfahrer tatsächlich funktionieren.
Den hat Houten nicht mehr als andere Städte in den Niederlanden auch. Bedauerlicherweise sind dort alle Radwege auch für Mopeds freigegeben.
Es ist eine Kombination aus mehreren Dingen:
  • Vor allem der Zeitvorteil fürs Rad durch ein konsequentes Durchfahr-Verbot für PKW/LKW durchs Zentrum (Direktheit, konkurrenz zum Auto)
  • Ausreichend dimensionierte Abstellanlagen
  • Gefährdungshaftung für motorisierte Fahrzeuge
  • Radunterführungen sind einsehbar, es gibt keinen dunklen "Angsträume" (Attraktivität)
  • Beleuchtung auf Radwegen.
  • Wenig komfortverlust durch Verschwenkungen Stops und schlechte Oberflächen
  • Die Erkenntnis das Freizeitradfahren etwas anderes als Radverkehr ist
  • Kenntniss und Umsetziung von Maßnamen zur Steigerung der Radverkehrsqualität
  • Eine Evaluation dieser Maßnahmen nach klar definierten Kriterien (Fietsballans) z.B.:

1633075430092.png
Letzteres ist der m.E. Schlüssel zum Erfolg. Nicht "wir machen mal was für den Radverkehr" sondern harte Kriterien, an denen die Maßnahmen gemessen werden.

Gruß
Christoph
 
Die Erkenntnis das Freizeitradfahren etwas anderes als Radverkehr ist
Damit muss es aber doch anfangen, denn das bedingt letzlich alles weitere. Was fehlt ist Berücksichtigung der Wohnsituation. Dort muss es ebenfalls ausreichend geschützte Abstellmöglichkeiten geben. Und das ist ein städtebauliches Thema.
 
Houten wurde praktisch komplett neu gebaut und am Reißbrett für den Radverkehr geplant. Das ginge in D auch.
 
Stimmt. Bei den meisten über 65 ist jeglicher Lernprozess abgeschlossen und es wird das gewählt was man schon seit dem Krieg gewählt hat... ;)
 
Das würde aber heißen, dass man niemanden mehr wählen lassen darf. "Der Krieg" ist mehr als 65 Jahre her.
 
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