Kilometer sind nicht alles, oder?
Da hast du Recht. Stefan hatte sogar (mehrfach) angeboten, das Team zu wechseln, damit der Rest noch besser da steht. Sein Angebot in Ehren, aber mal im Ernst - wozu? Wenn ich mir letztes Jahr im Vergleich ansehe, hatten wir zwar absolut mehr Kilometer, aber der Abstand zu den nächstplatzierten ist dieses Jahr sogar deutlich größer. Egal welche Gedankenspiele man betreibt - an den Schnitt vom letzten Jahr kommen wir so oder so nicht ran. Und wenn wir ehrlich sind - interessiert das überhaupt jemand? Das Glücksgefühl nach einem 7:1 ist schon toll, aber mir reicht auch ein 1:0 im Finale, statt immer mehr zu wollen. Vor allem würde ich bei der Siegerehrung nicht auf die Spieler verzichten wollen, die die Endrunde auf der Ersatzbank sitzen mussten. Die aber wichtig für den Teamgeist sind. Das ist wichtiger fürs Team als die Kilometer die sie beitragen konnten.
Ich weiß, vorletztes Jahr hatten wir noch gefrotzelt, wie wir unsere Teamchefin Nora loswerden könnten, um unseren Platz zu verbessern. Aber im Ernst käme mir das nie in den Sinn. Fände ich armselig, das überhaupt in Betracht zu ziehen.
Stefan, völlig egal ob wir 3* oder 4* die Kilometer des zweitplatzierten schaffen. Gewonnen ist gewonnen.
Mit diesem Satz war letztes Wochenende eigentlich schon alles gesagt. Unnötig das noch mal intern zur Diskussion zu stellen.
Dabei kommt mir ein Arbeitskollege in den Sinn. Ungefähr mein Alter. Betreibt extrem viel Sport, hauptsächlich Laufen. Geld verdient er damit nicht. Alles nur in der Freizeit, so wie wir alle hier. Aber sehr ehrgeizig. Will immer an der Spitze sein.
Jedenfalls hat er uns mal erzählt, wie er seine Freundin mit auf eine Radtour genommen hatte. Da waren sie erst ein paar Wochen zusammen. Sie war schon sportlich, aber bei weitem nicht so fit wie er. Er jedenfalls vorneweg, irgendeinen Berg hoch. Sie wollte nicht klein beigeben, hat also versucht dranzubleiben. Bis sie vor Erschöpfung vom Rad gefallen ist. Und er ist einfach weiter bis zur Spitze gefahren. Ehrlich - so hat er's selbst erzählt! Danach war sie natürlich nicht mehr seine Freundin.
Auf die Erwiderung seiner ganzen Kollegen, das könne man doch nicht tun, wie rücksichtlos von ihm usw. kam als Antwort nur: "kann ich doch nichts dafür, wenn sie nicht mithalten kann."
Völlig von sich überzeugt. Überhaupt kein Anzeichen von Mitgefühl, keine Einsicht. Gibt mir schon zu denken, was mit manchen Typen verkehrt läuft.
In der Arbeit komme ich schon klar mit ihm. Aber in der Freizeit kann ich mir zum Glück meine Gesellschaft aussuchen.
Wie ich jetzt darauf komme?
Ich finde man steigert sich ja selbst auch mal in etwas rein und merkt's irgendwann nicht mehr. Macht verrückte Dinge, ohne nachzudenken. Vernachlässigt Freunde und Familie. Verliert den Blick fürs Wesentliche. Und dann kommt plötzlich der Punkt, irgendeine kleine Sache. Da merkt man - man sollte die Kurve kriegen bevor man irgendwann so wird wie der Kollege oben.
So schön die Erfolge beim Stadtradeln waren, ich bin damit in dieser Form durch. Mehr als die letzten beiden Jahre gibt's nicht zu erreichen. Ich brauche jetzt erst mal eine Pause und etwas Abstand.
Was nächstes Jahr wird - schauen wir mal. Wenn Stadtradeln, dann wieder so wie in den ersten Jahren. Einfach zum Spaß aufs Rad schwingen, wenn das Wetter schön ist. Mehr Biergarten. Mehr mit der Familie. Freunde nicht vernachlässigen. Meine Vorsätze.
Ein etwas nachdenklicher... Torsten