AW: Nöll SL5 race
Hallo Forum,
Endlich finde ich nach einiger Zeit mal wieder die Muße, um Euch von meinen Erfahrungen mit dem kürzlich bei Ebay geschossenen, gebrauchten Nöll Tieflieger "SL5 Race" zu berichten. Das Wichtigste vorweg: nach nunmehr ca.1200km bin ich, aus verschiedenen Gründen, schwer begeistert von der Scheese! Mein bis dato liebstes Pferd im Stall, ein "Hurricane SL" von Challenge, fristet seither ein (unverdientes) Schattendasein ohne Auslauf und Frischluft.
Aber von Anfang an:
Der eigentliche Kuhhandel fand ja auf dem Bahnsteig des Karlsruher Bahnhofes statt und war wegen verspäteter Zugankunft und davonfahrender Anschlußzüge schnell vorüber. Ein -wie sich im Nachhinein herausstellte, allzu kurzer Blick auf das Schnäppchen genügte, um die niedrigsten Instike, die irgendwo aus der Hirnanhangdrüse gekommen sein müssen, in mir zu wecken. Ich hatte nur noch einen Gedanken: "Haben wollen!"
Also die Scheine abgedrückt, das Vehikel nach Hause verfrachtet und zusammen mit Papa einer ersten eigehenden Inspektion unterzogen...
Schreck lass nach! Das arme Ding war in bedauernswertem Zustand. Schalt- und Bremszüge waren -wenn nicht gleich verrottet, furztrocken. Der Sitz eigenartig und vollkommen unverständlich falsch montiert. Die viel zu langen Befestigungsschrauben hatten sich seit langem schon von unten in den Sitz gebohrt und diesen durchlöchert. Kette, Ritzelpaket und Schaltwerk strotzen nur so von äonenaltem Dreck. Die unterm Sitz angebrachte Umlenkrolle klammerte sich mit letzter Kraft an ein aus einer Coladose zusammengedengeltes Alublechlein, welches bösartigerweise mit jedem straffen der Kette die Spitze einer Schraube in den Rahmen bohrte um sich abzustützen... uff! Mir wird jetzt noch ganz schummrig, wenn ich daran denke. SRAMs billigste Drehschaltgriffe schwergängig und und nach Öl lechzend, versagten ihren Dienst während der ersten Probefahrt.
Um es kurz zu machen, es mußte Abhilfe her!
Schweres Gerät wurde von Papa aufgefahren; die Flex beseitigte im Handumdrehen den das Auge beleidigende Schandfleck von einem Kettenblattaufprallschutzblech...
Die Zugtrumrolle wurde wieder an ihre angestammte Position versetzt; dazu war es lediglich nötig, den Sitz oberhalb der Rolle mit einem Langloch von 3,5x1cm zu versehen, sodass die (etwas zu große) Rolle nun frei laufen konnte. Das unseelige Alublechlein verschwand im Abfall und ward nie wieder gesehen.
Zwei Tage wurde gebastelt, justiert und Neuteile verbaut; dann erstrahle das Nöll wieder in seinem erhabenen Glanz.
Verbaute Neuteile:
Brems und Schaltzüge
DuraAce Lenkerendschalthebel
Ritzelpaket XTR 11-34 (ich weiß, die Abstände zwischen den Gängen sind seeehr groß... evtl. kommt mal ein 3fach Blatt vorne)
Schaltkäfig XTR
Kette 105 10fach (läuft butterweich, schaltet sich sehr gut auf dem 9fach Ritzel)
Die alte Magura Luise wurde entlüftet und justiert und funktioniert jetzt wieder einwandfrei.
Die Tektro Mini V-Brake wurde geschmiert und eingestellt (am Hinterrad meines Erachtens vollkommen ausreichend)
Seither bringe ich damit das HR nach belieben zum blockieren -was willste mehr?
usw. usf.
Dritter Tag, der erste längere Ausritt ca. 75km im schönen Pfälzer Wasgau. Reifen auf 8 Bar aufgepumpt und los gehts. Papa begleitete mich mit seinem, von mir ererbten "Zox26 Low". Nach den ersten Kilometern und etwas Feinjustage stellt sich prompt das uns allen bekannte und oft erwähnte Liegradgrinsen ein. Ich schwebe 33cm über dem Boden. Der Sitz ist gut einstellbar und urgemütlich. Die aufrechte Sitzposition lässt entspanntes Fahren bei guter Übersicht zu. Das Lenkverhalten ist mit UDK-Lenker ausgesprochen neutral und in jeder Geschwindigkeit angenehm. Das Rad beschleunigt willig, liegt wie ein Brett auf der Straße. Ich bin angenehm überrascht von der Dämpfung des Rahmens, der keine Federung vermissen lässt und sich dennoch nie weich anfühlt. Das Fahrverhalten ist insgesamt also tadellos. Keine unangenehmen Geräusche -wie ich sie vom Hurri her kenne, stören den Genuß. Nur das noble Schnurren der Kette, die ausgesprochen leicht läuft, ist zu hören.
Nach und nach lerne ich mein neues Rad kennen und schätzen.
Die folgenden Wochen nutze ich (fast) jede freie Minute zu einem Ausritt und sammle weitere Eindrücke...
Geschwindigkeitspotential schlichtweg berauschend. Schneller als mein "frisiertes" Hurri, auf fast allen Kursen! Sogar am Berg, trotz der 2-3 Kilo Mehrgewicht. Ich mache dafür vor allem die Tretlagerüberhöhung, die aufrechte Sitzposition und den stärkeren Rahmen verantwortlich. In der Ebene sehe ich trotz aufrechter Sitzposition, leichte Vorteile für das Nöll.
Ich bin mir da nicht wirklich sicher ob das tatsächlich so ist, habs nicht gezielt gemessen. Das sind Eindrücken die ich auf meinen Standardstrecken sammle... Alles in Allem ist es aber so, daß ich mich auf dem Nöll mehr auf das Treten konzentrieren kann als auf dem Hurri, das mir auch nach mehreren tausend Kilometern sehr viel Aufmerksamkeit für das Lenken abverlangt.
Ich fahre mit beiden Rädern ähnliche Schnitte, fühle mich aber auf dem Nöll insgesamt viel wohler und habe hinterher immer das Gefühl, daß eigentlich noch mehr gegangen wäre.
Bergab vermittelt das Nöll einen rundweg sicheren Eindruck; es rauscht nach unten, hält den Kurs, wo das Hurri springt und rumbockt. Die große Entfaltung von 10m nochwas ermöglicht ein sinnvolles Mittreten jenseits der 60 hm/h .. juchee!
Auch das geht meinem Hurri ab (kleiner Reifen) Einzig enge Kehren bei langsamer Geschwindigkeit machen mit dem Nöll keinen Spaß, da ist das Hurri in seinem Element.
Das kommt davon, wenn man Äpfel mit Birnen vergleicht...
Was noch?
Der Nöllbügel.
Fast wäre er der Flex zum Opfer gefallen
Mittlerweile mag ich das Ding. Es ist Kopfstütze (gepolstert) und Befestigungsbügel für alles mögliche.
Das Handling wird eindeutig verbessert -schieben, aufhängen, anlehnen...
Die Einarmgabel.
Absolut tauglich; habe bisher keinerlei Nachteile gegenüber einer Normalgabel entdecken können.
Keine Einflüsse auf Lenkung spürbar. Vollbremsung lässt sie unbeeindruckt.
Die Kette hat mehr Platz. Sicherlich leichter als vergleichbare Normalgabel.
Gibts auch Probleme?
JA!
Ich hadere mit den Tune Kurbeln, deren Q-Faktor mich zur Verzweiflung bringt. Die nächste Anschaffung wird wohl ein richtig enger/schmaler Kurbelsatz sein...
Ich mach hier erstmal Schluß.
Das Zox habe ich diesmal leider nicht ins Spiel gebracht, evtl. bei meinem nächsten Beitrag.
Entschuldigt meinen Überschwang, und urteilt nicht zu hart, ich bin mir meiner Subjektivität bewußt, wollte Euch einfach nur an meiner Begeisterung teilhaben lassen...
Gruesse
Ginger