Am 3.6. konnte man also über die Auswahl an Langstrecken nicht meckern, ich persönlich habe mich für den 600er von Merselo entschieden. Da dies mein erster 600er werden sollte, habe ich mir etwas "flaches" gewünscht, da ich ja keine Bergziege bin - und wohl auch nicht mehr werde.
Ich weiß ja nicht, wie ihr das so empfindet, aber mit jedem Tag, den der Brevet näher rückte, wurde die Anspannung und die Zweifel größer. Werde ich das schaffen? Wird das VM für die Strecke brauchbar sein? Welche Klamotten packe ich ein, und was lasse ich besser zuhause? Was mit die größten Sorgen bereitete: jeden Tag die diversen Wetter-Webseiten besucht - und klar - über Pfingsten sollten Unwetter ihr Unwesen treiben.
Also doch lieber absagen? Neee, starten wollte ich auf jeden Fall, aufgeben kann man ja immernoch.
Um 04:00 Uhr klingelte also der Wecker, nach viel zu wenig Schlaf... denn vor Aufregung hatte ich nicht einschlafen können. Bis 04:15 Uhr nochmal im Bett nach der Wettervorhersage geschaut, viel besser sollte es nicht werden, aber beim Blick aus dem Fenster wurde ich zuversichtlich, weil alles trocken ausschaute. Also schnell rein in die Klamotten, die gepackten Sachen gegriffen und erstmal in die Garage. Natürlich setzte just in diesem Moment der Regen ein.
Aber da ich mich zum Aufbruch entschlossen hatte, wurde das VM beladen, kurz nochmal der Luftdruck geprüft und um 04:49 Uhr rollten die 3 Räder in Richtung Merselo. Für die nächsten 50km blieb mir der Regen leider treu, in diversen Tropfenstärken, aber nie wirklich unangenehm. Dennoch war ich froh, das kurz vor Venray der Himmel auflockerte.
Wie schon zum 300er am 20.5. (von dem
@ReneF weiter oben berichtet hatte) war ich auch dieses Mal mit viel Zeitreserve gestartet, damit selbst eine Panne noch gemütlich hätte behoben werden können. Eigentlich hatte ich geplant, die 60km möglichst gemütlich nach Merselo zu rollen, denn ich wollte keine unnötige Kraft für die Anreise verballern. Dennoch erreichte ich schon um 06:40 Uhr den Startpunkt, die Mühle "Nooit Gedacht", die in diesen Tagen ihren 150sten Geburtstag feiern kann und aus diesem Anlaß quasi an einem Mühlen-Brevet teilnahm - 150 Stunden sollten sich die Mühlenflügel non-stop drehen. Ob die Mühle das geschafft hat, habe ich nicht mitbekommen, aber vermutlich hatte diese es leichter, dreht sich ja auch immer mit dem Wind. Auf jeden Fall habe ich die Zeit für das ein oder andere Gespräch genutzt, aus dem Forum aber nur
@Andreas getroffen (oder?)
Mit einem frischen Kaffee in der Hand
verging die Zeit aber recht schnell und bald war es 08:00 Uhr und mit nur wenig Verspätung setzten sich ca. 35 Randonneure in Bewegung. Nach einem kurzen Einrollen und gefühlte 10 Richtungswechseln später ergab sich also dieser Anblick hier: kein weiteres VM am Start, wenige Lieger, die meisten fahren noch immer aufrecht.
Eigentlich hatte ich gedacht, das wäre dann halt die komplette Truppe, aber es hatten sich zu diesem Zeitpunkt schon einige Radler mit einem Tempo auf den Weg gemacht, das die schon aus dem Sichtfeld entschwunden waren.
Wie das halt als Brevet-Neuling so ist - einen Plan hatte ich natürlich keinen.
Also rollen lassen und schauen was geht... aber ein Tempo von ca. 30km/h hatte ich doch auf dem Schirm, somit ließ ich mich also an der Gruppe vorbei treiben und sortierte meine Beine, bis zur ersten Kontrolle nach 99km sollte auch eine höhere Geschwindigkeit machbar sein. Einige Male standen somit auch über 40km/h auf dem Garmin, was für mich im Strada zwar keine Neuigkeit ist, aber so schnell einen 600er starten? Nach ein paar Kilometern musste ich wieder ein Foto machen... wer nämlich 47906 Kempen (meinen Wohnort) kennt, der kennt auch das 2km entfernte St.Hubert in Deutschland.
Wo der Hubert überall unterwegs war? Vermutlich wird er kein Liegerad genutzt haben, kam aber scheinbar trotzdem ganz gut rum.
Kurze Zeit später holte ich den letzten Rennradler ein, welcher mit einer wahnsinnigen Geschwindigkeit von 37km/h
durch die Lande ballerte. Das war der Peter H. den der Jan beim Start schon als vermutlich schnellsten Fahrer geoutet hatte. Und damit sollte Jan auch wirklich Recht behalten. Ich hab den Peter kurz gefragt, ob er dieses Tempo auf der ganzen Strecke fahren wolle, und er sagte nur "ist doch Rückenwind, den nehm ich mit" Tja, dabei wollte ich dann auch nicht länger stören und hab mich von dannen gemacht. Aber Peter sollte mir an diesem und am nächsten Tag noch öfter begegnen.
Nach einer Strecke von 99km war der erste Kontrollpunkt erreicht, "de Brinkhof" in Kootwijk - der Name hört sich nicht sonderlich appetitlich an, dennoch bestellte ich mir erstmal einen "koffie verkeerd" und da war der Peter auch schon wieder da. Und er hatte es auch genau so eilig wie auf dem Rad und wollte sofort wieder weg. Nur die Trinkflasche eben noch auffüllen, hängt da doch über dem Wasserhahn ein Schild "let op - geen drinkwater"
aber der Wirt meinte, das sei kein Problem
Auch wenn das Schild vielleicht nur da hängt, damit nicht jeder kostenlos seinen Durst stillt, ein mulmiges Gefühl hatte ich beim Trinken schon.
Und als ob das wirklich keine gute Idee gewesen sei, musste besagter Peter kurze Zeit später eine Pause im Wald einlegen.
Dabei wollte ich dann auch nicht stören, also weiter auf dem Track...
da wir erst eine Stunde unterwegs waren, waren mir die Steine noch relativ egal... das meiste bügeln die Shreddas und die Dämpfer im Strada ja noch weg. Aber die Lautstärke in der Kiste ist dann doch schon eine andere Hausnummer und auf Dauer nervt das ganz schön. Kurze Zeit später beim Versuch eine größere Kreuzung bei Nederasselt zu überqueren, fiel die Kette vom vorderen Blatt runter, und natürlich radelte Peter wieder an mir vorbei
Aber die Kette ließ sich relativ schnell wieder auflegen und die Fahrt ging wenige Minuten später weiter.
Auch die niederländischen Berge, sprich Anstiege auf die Brücken (hier über die Waal bei Nijmegen) können beim 20sten Mal (nicht immer die gleiche) ganz schön in die Beine gehen, denn immerhin sind hier so 12 Höhenmeter zu verdauen
Aber hier bin ich noch guter Dinge und auch das Wetter ist um viele Nummern besser als gemeldet.
Beim Anblick dieses Ortsschildes hab ich kurz überlegt, welche Ersatzteile ich noch beim Theo einkaufen könnte, ist Elburg doch nur wenige Ecken von Dronten entfernt. Da Theo und Allert aber um 12:30 Uhr sicherlich wieder Mittagspause machen, und ich sicherlich unter zwei Stunden smalltalk auch nicht wieder raus gekommen wäre, wurde der Gedanke schnell wieder verworfen. Übrigens, fragt mich jetzt nicht, woher denn die Regentropfen auf der Motorhaube kommen. Der Fahrer hat davon nichts mitbekommen
und sieht die jetzt auf dem Foto auch zum ersten Mal.
Bei ungefähr Kilometerstand 160 traf ich dann wieder auf Peter, der dieses Mal an der Fähre von Genemuiden warten durfte. Um über das "zwarte Water" zu kommen, wäre vielleicht auch schwimmen eine Option gewesen, aber bis ich die Fußlöcher verstopft hatte, war die Fähre auch schon angekommen. Ein paar Worte gewechselt und schon war die Fahrt vorüber, Peter fährt auch gerne alleine und schickte mich also wieder vor. Weit gekommen bin ich aber nicht, denn der Kontrollpunkt Nummer zwei, das "Cafe de Weeribben" lud zu einer Pause ein. Die Trinkflasche wurde also wieder gefüllt, der obligatorische Stempel abgeholt und dann in der Reihenfolge 1. Cola, 2. Koffie, 3. Bitter Lemon und 4. Radler wurden Flüssigkeiten in den Hohlkörper eingefüllt.
Gerne hätte ich auch noch einen Eimer kaltes Wasser gehabt, denn die Füße brannten an dieser Stelle schon ganz schön. Also erstmal die Schuhe aus und Luft an die Socken lassen
Noch bevor ich den Kaffee aufnehmen konnte, traf Peter ebenfalls an der Kontrolle ein und tankte genau wie ich ein paar zusätzliche Elektrolyte nach. Nach etwa einer halben Stunde ging es dann aber auch weiter, denn ein kleines Stück hatten wir ja noch vor uns...
Gestärkt konnte ich wieder Gas geben und wähnte mich nach kurzer Zeit wieder alleine auf der Piste. Aber da sollte ich mich irren. In Follega kreuzte ein Boot meinen Weg und selbst die Straße machte dafür "männchen".
VM sind zwar super zu fahren, aber schwimmend oder fliegend? Naja, wenige Momente später konnte ich mich natürlich mit Peter darüber unterhalten und hatte im Gegensatz zu ihm somit wieder einige Minuten Pause. Nach wenigen Minuten war der Weg aber wieder frei und das Spiel ging von vorne los, wir wechselten noch ein paar Worte und ich trat wieder schneller in die Pedale. Ich rechnete mir schon insgeheim aus, dass ich den Kollegen wohl an der nächsten Kontrolle wieder begrüßen dürfte, hatte die Rechnung aber ohne den Wirt gemacht - nutzte Peter doch ein anderes Restaurant für den Stempel als ich. Dafür flossen weitere zwei Gläser Cola in meinen Hohlkörper - die 15 Minuten im "Bruin Cafe het Anker" wurden auch gleich noch für ein nettes Gespräch mit dem Thekenpersonal genutzt - die so überhaupt nicht glauben wollten, dass man eine 600km Tour an einem Stück machen könne. Nachdem die Brevet-Karte studiert war, schüttelte man nur noch ungläubig die Köpfe, wünschte aber "succes" und gute Fahrt.
Nicht viel später wurde ich an Star-Wars erinnert - davon habe ich hier irgendwo auch schon mal gelesen - jetzt durfte ich es auch erfahren... ich habe die Breite nicht nachgemessen, aber wenn die Halme an beiden Seiten an das VM klopfen, dann könnte das auch ein deutscher Radweg sein:
War es aber wohl nicht, denn dann wäre bestimmt noch irgendwo ein Hinkelstein im Gras versteckt gewesen.
Dennoch wurde es kurze Zeit später spannend, denn auf diesem Weg kamen mir zwei Radler entgegen!!
Naja, dauerte ein wenig, aber wir konnten uns jeweils eine Ecke aussuchen. Ein paar Pflanzenteile habe ich aber erst zuhause wieder aus dem VM gesammelt.
Das Cafe de Anker war quasi die letzte Tankstelle vor der Autobahn, bzw. für den Radler die letzte Möglichkeit vor dem Abschlußdeich, einem 32km langen und leider TOTlangweiligen Abschnitt der Strecke, die als Highlight eigentlich nur ständigen Gegenwind in unterschiedlichen Stärken bietet. Zugegeben,
@Andreas hat es geschafft und die gute Stimmung bei Sonnenuntergang eingefangen. Ich war dennoch froh, als ich den Deich nach 50 Minuten hinter mir hatte und sich endlich wieder wechselnde Aussichten boten. Allerdings wurde ich auf dem Deich überrascht, denn wer sollte der einsame Radler sein, auf den ich langsam aufschloß?
Ich hätte also im Cafe noch lange warten können, war der Künstler doch nur kurz bei einem China-Restaurant vorstellig geworden und hatte dort einen Stempel erhaschen können.
Und täglich grüßt das Murmeltier, nach ein paar Worten fuhr ich meinem Mitspieler wieder davon. Dieses Mal durfte er wohl etwas mehr mit dem Gegenwind zu kämpfen gehabt haben als ich denn, als mir kurz vor Wieringerwerf durch einen Fahr- und Schaltfehler die Kette am Schaltwerk verklemmte und ich eine Zwangspause einlegen musste, habe ich umsonst auf seelische Unterstützung gehofft. Aber nach nur sieben Minuten war die Kette frei und ich auch schon wieder unterwegs.
Kurze Zeit später sollte ich auch für schmutzige Finger belohnt werden. Denn für solch kitschige Ausblicke mag ich anfällig sein, aber besser als der Abschlußdeich ist das allemal! An einem Kanal in Ruhe, ungestört von anderem Verkehr zu radeln - was kann es schöneres geben? Selbst nach 330km Strecke in der Nähe von Oudendijk kann sowas für eine gute Stimmung sorgen und die Sorgen um den Kettentrieb vergessen lassen.
Bei Kilometer 335, also nur wenige Augenblicke später, war dann eine BP Tankstelle an der Autobahn A7 der Kontrollpunkt Nr. 4. Für jeden "normalen" Radfahrer relativ leicht zu erreichen, denn der Hintereingang verläuft über eine ca. 90cm breite Holzbrücke. Mit dem VM war das schon eine lustige Erfahrung, aber alleine auf dem Acker wollte ich mein Fahrzeug dann doch nicht stehen lassen. Wieder wurde hier ein Stempel kassiert und die Neugierde des Kassenpersonals befriedigt. Netter Nebeneffekt: der Kassierer war davon so beeindruckt, dass ich einen Gratis-Kaffee aufs Haus bekommen habe.
Natürlich musste aber auch die Ration für die nächste Etappe von knapp 100km gebunkert werden. Da es schon 20:23 Uhr war und somit vermutlich auf den folgenden Kilometern keine großen Chancen auf Nachschub zu erwarten waren, voll zugeschlagen: 2x Chocomel, 3l Wasser, 1,25l Cola, 0,5l Fanta - für schlanke 14 Euro!
Wenn ich so recht überlege, könnte ich für den Kurs auch mit nem Auto auf 100km noch Geld sparen
aber wer will das schon?
Durch mein Gequatsche an der Tanke und Modellstehen für ein paar Fotos, war Peter schon wieder auf der Piste, während ich die üblichen Fragen beantworten durfte. Aber wie schon so oft an diesem Tag trifft man sich eben wieder, nämlich kurz vor dieser Fotokontrolle bei Stand 362km, ab der wir dann mit dem Spielchen aufgehört haben und die weitere Strecke zum größten Teil zusammen fuhren.
Die Sonne war zu diesem Zeitpunkt schon am Horizont verschwunden, somit sollte jetzt die Zeit der schwere Augen beginnen. Und die Fotos, die ohne die Unterstützung des Sterns am Himmel entstanden sind, die erspare ich Euch besser... verwackelt ist da nämlich kein Ausdruck. Könnte natürlich daran gelegen haben, dass Anhalten keine Option gewesen ist?! In der Zeit ging es vorbei an Amsterdam, an vielen kleinen und großen Kanälen, diversen imposanten Gebäuden und über viele nette Sträßchen, die einen die Zeit vergessen lassen.
Zu zweit war unser nächstes Etappenziel, die Total Tankstelle an der A2 nach 433km bald erreicht und die nächsten Seelentröster wurden ins VM geladen. 2x Chocomel und Fanta waren es dieses Mal - und auch an dieser Tankstelle war das VM eher hinderlich, Peter musste mir Tragehilfe geben, da die Tanke nur über eine kleine Treppe erreicht werden konnte und ich es nicht alleine mit den dubiosen Gestalten außerhalb des Geländes stehen lassen wollte. Mit dem VM an einer Tanke auf der Autobahn zu stehen sorgt aber auch für Rückfragen - nur die Politie sah das ziemlich entspannt und blickte nur kurz herüber.
Mit voller Beleuchtung und vollem Magen ging es weiter (Danke hier an
@ReneF für den Tipp mit den Natron Tabletten - Bullrich ist mein Freund) zur nächsten Fotokontrolle am Wilhelminakanal , die wir nach 490km noch immer in absoluter Dunkelheit erreichten. Wohl waren zu dieser Zeit unsere Köppe schon ziemlich hohl, denn auf die Idee, dass man auch ein Schild fotografieren könnte, sind wir nicht gekommen und haben einen schwarzen Kanal auf schwarzem Grund fotografiert
Zum Glück konnte Jan das Bürogebäude im Hintergrund erkennen und hat das gelten lassen.
Aber an unserem Verstand hat er sicherlich gezweifelt
So, wenn ich nicht gleich meinen Account verliere, schreibe ich auch noch den 2ten Teil... bis zum bitteren Ende
Falls das mit den Anhängen noch funktioniert, kommen dann noch drei Fotos dazu...